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Das Wort Wein im Semitischen.
Von P. Jensen.
Pr. Hommel sagt in dieser Zeitschrift Band XLIII p. 653
Anm. 1, dass das Wort Wein im Babyl.-Assyrischen fehlt und
schliesst daraus, dass es wohl dem „ältesten*, indess nicht dem
„allerältesten' semitischen Sprachschatze angehört. Dem stehen
aber folgende Thatsachen entgegen: 1) Ein „akkadisches' mutin
(= „sumerischem* gestiri), welches gewöhnlich assyrischem haranu
= „Wein' entspricht, wird auch durch assyr. i-nu wiedergegeben.
(S. dazu einerseits Western Asia Inseriptions V, 52, 64— 65a:
mu-tin — ka-ra-na, andererseits ibid. II, 25, 38a b: mu-tin =
i-nvi). 2) Im sog. Züricher Voeabular (s. Delitzsch, Assyr.
Lesestücke' 84 f.) Rev. Col. IV, 15 wird irnu als Synonym
von dem durch das Ideogramm ausgedrückten Worte, d. i.
sikaru = -idu: genannt {i-nu sa 5:3 d. i. i-nu in der Bedeutung
Silcaru, im Unterschiede von dera in demselbenVocabular besprochenen
Worte Inu = yy = „Auge' und = „Quelle"). Hierzu mag nun
noch erwähnt werden, dass das Ideogramm für inu an der in Rede
stehenden Stelle fast dasselbe ist, welches im sog. Syllabar S^.
(Delitzsch, Assyr. Lesestücke*, 57) Z. 168 mit assyr.
namzitu erklärt wird, insofem sich das Wort mazü irgendwie auf
die Weinbereitung bezieht und wahrscheinlich „gähren lassen' heisst.
(S. dazu Western Asia Inseriptions IV, 26, 36—37 b : sikaru
mazü und ibid. V, 52, 53 b : [iVio] biti Mtu sikaru id immanzi
akalu iüum ul innipi = in diesem Hause wird Wein nicht ....
Kuchen (?) nicht gebacken). Aus dem Gesagten dürfte sich als
sicher ergeben, dass inu ein Synonym von sikaru und karanu
ist, also wenigstens irgend eine Art Wein bezeichnet. Ob Trauben¬
wein, ist allerdings nicht auszumachen, doch spricht absolut Nichts
dagegen. Ursemitisches * wainu musste nach assyrischen Laut¬
gesetzen einmal im Assyrischen das anlautende w verlieren (Beispiel:
assyr. alädu = urspr. walädu), andererseits sein ai zu i oder e
monophthongisiren (Beispiel: assyr. bitu = urspr. battu). Aus
wainu musste also inu werden. Wir dürfen daher mit Pug und
Recht in assyr. i-nu (dann zu sprechen inu mit langem i) den
Repräsentanten des gemeinsemitischen wainu sehen und — dasselbe
dürfte somit statt dem „ältesten' vielmehr dem „allerältesten"
semitischen Sprachschatze zuzuweisen sein. — Uebrigens habe ich
auf die eben erwähnten Thatsachen in anderer Form bereits in der
Zeitschrift für Assyriologie I, 186 f. aufmerksam gemacht.
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Anzeigen.
Delectus veterum carminum arabicorum. Carmina selegit et
edidit Th. Nöldeke, glossarium confecit A. Müller. Berlin
1890. (Porta linguarum Orient., inchoavit J. H. Petermann,
continuavit H. L. Strack. Pars XIII).
Den Herren Nöldeke und Müller gebührt der v?arme Dank
aller Arabisten für die ausgezeichnete Chrestomathie, mit welcher
sie die Porta linguarum orientalium bereichert haben. Man war
bisher stets in grosser Verlegenheit, welches Buch man den Schülern
vorlegen sollte , um sie in die arabische Poesie einzuführen , imd
dieser Delectus giebt uns wirklich alles, was wir gewünscht haben.
Nöldeke hat bei der Arbeit stets die Bestimmung des Buches vor
Augen gehabt und sich deswegen bei der Zusammenstellung von
Fragmenten und bei der Wahl zwischen verschiedenen Lesarten eine
gewisse Freiheit erlaubt, für welche wir ihm nur dankbar sein
dürfen. Aus der grossen Masse alt-arabischer Dichtungen hat er
vorzüglich die gewählt, welche nicht zu grosse Schwierigkeiten ent¬
halten, welche Geist und Sitten der Araber gut ausdrücken, welche
fein, hübsch oder sogar schön sind. Dabei hat er, um den Sinn
für historische Studien zu wecken, die zu seinem Bedauern oft von
den Arabisten vemachlässigt werden , verschiedene auf die Ge¬
schichte Mohammeds und der Moslime bezügliche Gedichte auf¬
genommen, daneben auch einige von Räubern und Zeloten verfasste.
Dieses Programm ist in rühmlichster Weise zur Ausfühmng ge¬
kommen. Die Gedichte sind nach ihrem Hauptinhalte eingetheilt
in ethische, in solche, die Liebe, Sehnsucht, Wein und Heldenthaten
beschreiben , in satirische und spasshafte , in geschichtliche. Am
Ende sind einige längere Qa9tden aufgenommen. Der Verfasser
des Delectus bedauert, dass er den Trauerliedem keine besondere
Abtheilung eingeräumt hat , doch finden sich diese zerstreut in
anderen Ahtheilungen. Die Gedichte sind durchaus mit Sorgfalt
vocalisirt. Bei jedem Gedichte werden die Quellen erwähnt , und
in kurzen gediegenen Noten alles gegeben, was zum richtigen Ver¬
ständniss erforderlich schien. Manchmal werden dabei Müller's und
Wright's Grammatiken citirt. Ist für den Anfänger bei Prosa-
Leetüre ein Glossar schon sehr erwünscht, das ihm nur die Be¬
deutung jedes Wortes giebt, die er braucht, beim Lesen alter Ge-