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Altorientalische Metallurgie.
Von E. Reyer.
Bei den Egyptem reicht die Bronzemetallurgie in frühe Zeit,
doch hat man meines Wissens bisher keine Bronzegeräthe auf-
geftmden, welche über die 6. Dynastie zurückdatirten. Trotzdem
wird behauptet, die Egypter hätten die Hartmetalle schon in der
ältesten Zeit gekannt. Die Steinbauten und der bekannte Fund
einer eisemen Klammer in der von Vyse eröf&ieten Pyramide sollen
als Beweise dienen. Ich bestreite die Stichhaltigkeit beider Argu¬
mente : Die Steinarbeiten können , wie ich anderwärts nachweise,
sehr wohl mittels Steinwerkzeugen vollzogen werden. Die Eisen¬
klammer aber ist aus zwei Ursachen nicht beweiskräftig. Erstens
gesteht Vyse, nur das Loch im Steine gesehen zu haben, in welchem
die Klammer nach Aussage der arabischen Steinmetzen gesteckt
haben sollte. Zweitens wäre selbst ein echter Eisenfimd bedeutungs¬
los. Das Eisen mochte inmierhin in früher Zeit bekaimt gewesen
sein ; so lauge die Völker es nicht verstanden, das Metall zu reinigen
und (mittels der Kohlung) in Stahl zu verwandeln, war das Material
als Nutz- und Hai-tmetaU nicht zu verwerthen, es konnte weder die
Steinwerkzeuge, noch die guteu Bronzewaffen verdrängen.
Diese Einwendungen sind sdso uicht beweiskräftig. Aus zwei
imderen Argumenten scbeint aber in der That zu folgeu , dass die
Egypter schon vor Beginn der Monumental-Kultur ein Hartmetall
und zwar die Bronze allgemein verwertheten. Erstens werden in
den Göttersagen Steinwafifen nicht erwähnt '), zweitens erscheint für die Begriffe Bronze und Lanze schon in den ältesten Zeiten dasselbe Wort (Chomt) verwendet.
Im alten Reiche trifft man dm'chweg (roth gemalte) Bronze¬
waffen im Gebrauch. Unter den grossen Eroberem des neuen Reiches
wird auch Eisen als kostbare Beute iinportüt, der Handel vermittelt
1) Während in den indogerinanischou Göttorsagou diu Steiuwaffeu Alimau und Mjöluii' geuanut werdeu.
156 fiel/er, allorienUiUsvlie Metallurgie.
die Verbreitung fremdlilndiscber Producte, Kriegsgefangene tibertragen auslftndiscbe Kenntnisse und Kunstfertigkeiten nacb Egypten. Trotz¬
dem bleiben die Egypter nach wie vor der Bronzekultur zugetban
und aucb in dieser Beziehung erscheinen sie vom Auslande abhängig,
denn nur das Kupfer gewannen sie im Inlande , das Zinn fehlte.
Sie mussten entweder dieses Metall oder die fertige Bronze
aus dem Auslande beziehen. Dass das letztere vorkam, erhellt aus
den Inschriften. Das ausländische „Chomt, wird als helles und hartes
Metall in Gegensatz gebracht zu dem inländischen dvmklen und
weichen „Chomt". Das erstere Metall war offenbar echte Waffen¬
bronze , während das egyptische Product entweder unreines
Kupfer oder unreine Bronze gewesen sein muss.
Noch aufföUiger ist die Superiorität des Auslandes in Bezug
auf Eisenindustrie. Noch unter den grossen Eroberem des neuen
Reiches erscheinen die inländischen Truppen mit rothen Bronzewaflfen versehen, während die Schardana und andere kleinasiatische Hilfsvölker
blau gemalte Stahlwaffen tragen. Man hat vermuthet, dass ein
religiöses Vomrtheil die Egj^iter verhindert habe, das Eisen zu
verwerthen. Deveria hat aber gezeigt, dass Eisenmesser geradezu
füi' gewisse rehgiöse Vomahmen vei-wendet wurden. Auch spricht
die Schenkung der erbeuteten Eisengefdsse an die Tempel dafüi-,
dass das Eisen an sich nicht gemieden, sondem hoch geschätzt war;
überdiess ist das Metall in späterer Zeit nachweislich mehrfach
als Werkzeug-MetaU neben der Bronze verwendet worden. Aus
diesen Daten könnte man wohl entnehmen, dass das Eisen wenig
Bedeutung für die altegyptische Kultnr gehabt habe. Nicht wenige
Autoren verwahren sich aber gegen einen solchen Schluss. Sie
behaupten vielmehr (fälschlich) , die grossen Steinbauten seien ein
Beweis füi- die ausgedehnte Verwendung der Stahlwerkzeuge und
meinen, man finde das Eisen ebenso selten, weil es in der Mehrzahl
der FäUe durch den Rost vemichtet worden sei. Das ist aber
falsch: Das Eisen verrostet aUerdings in feuchter Luft, es
kann selbst durch und durch in Rost verwandelt werden. Aber
hierdurch wird das Eisen doch nicht vernichtet. An seiner
Stelle liegt nun ein fest<n' Rostköiper, welcher in Folge der Stoff- aufnabme viel grösser und schwerer ist als der urspriinghche Eiseu-
gegeustand, doch aber stofflich und formell dem urspriing¬
licben Objekte entspricht '). Wir müssten also jedenfalls unter den
altorientadischen Funden viele Rostgegenstände antreffen, wenn
das Metall überhaupt stark in Gebrauch gestanden wäre. Derartige
FäUe sind aber, wie gesagt, selten, wäbreud die Museen zur Genüge
die gi-osse Verbreitung der Bronze darthun.
Von den Babyloniem und Assyriern erfahren wir gleichfaUs
1) Nur woim Eisongcrütho im Meergruiid liegen, liann das Eisen im Laufe der Zeit (als lösliches Carbonat) abgerührt werden.
Rei/er, alttrrientalische Metnllurtjie. 151
dass sie in der alten Zeit durchgehends der Bronzeindustrie zugethan
waren. Erst in der assyrischen Blüthezeit kommt das Eisen neben
der Bronze in Gebrauch '). Das zur Bronzeerzeugung nöthige Kupfer
wurde in vielen Gebieten Kleinasiens gewonnen, das Zinn wurde in
der ältesten Zeit wohl zum Theil aus Midian und zum TheU aus
dem Hindukusch bezogen. Später kam Zinn aus Indien, anderer¬
seits aus Spanien imd Britannien. Dass Hinterindien lange
Zeit der wichtigste Producent war, darf man daraus scbliessen, dass
der altindische Zinn-Name Naga in Kleinasien und dem mittleren
Ostafrika zur HeiTschaft kamVon besonderer Bedeutung für
den Metall-Vertrieb waren die Phönicier. Sie brachten in den Handel :
Metalle von Kleinasien, Kupfer von Cy^iem, Kupfer und Eisen von
Creta, edle und Nutzmetalle von Sardinien, Spanien uud Britannien.
Vor allem war der Vertrieb des spanischen und englischen Zinnes
für die orientalischen Länder wichtig.
Nächst diesen bekannten Völkerschaften und Ländern erscheineu in ältester Zeit als Metallurgen tüchtig die semitischen Chita (Chetiter).
Von ihnen erbeuteten die grossen egyptischen Eroberer wiederholt
reiche Bronzen und schöne Eisengeräthe und Gef&sse zu einer
Zeit , da weder die egyptischen, noch die mesopotamischen Kultur¬
völker die Eisenindustrie pflegten. Auch andere zwischen Arabien
und Syrien sesshafte Stämme erscheinen als tüchtige MetaUurgen ;
sie sind in dieser Beziehung den alten Kulturvölkern zum mindesten ebenbürtig, zum Theil aber wohl überlegen.
Die jüdischen und griechischen QueUen weisen gleichfalls darauf
hin, dass die Kulturvölker des vorklassischen Alter¬
thumes uicht als Erfinder der MetaUurgie betrachtet werden
dürfen. Moses bezeichnet den Tubal (einen personificirten semitischen Stamm) als ersten Metallurgen, die Griechen nennen die ihnen stamm¬
verwandten Phrygier (und nicht die Semiten) als Erfinder der
Metallkunde ; femer wurden die Chalyber als ausgezeichnete Eisen¬
metallurgen und Stahlschmiede der alten Zeit genannt u. s. f.
Niemand wird leugnen, dass einige der grossen Kulturvölker
des Alterthumes ausgezeichnet waren in der höheren Bronze¬
technik, dass sie im Formen, Giessen, Treiben, Ciselüen treftliches leisteten ; daraus folgt aber eben nicht, dass sie die Anfänge dieser Kunstfertigkeiten begiündet, noch viel weniger aber ist man berech¬
tigt zu der Behauptung, diese Kulturvölker hätten die Erzeugung
der Metalle aus den Erzen (das Schmelz- oder Hüttenwesen)
1) Schuppeiipanzor mit Eisoublättehen, Wurkzeugo, Kotten.
2) In Hinterindien hoisst ein wiclitigos Zinnland Naga. Bedeutungslos ist dio Thatsache, dass in späterer Zeit (Arriau) Ziini von Kleinasien uach Indion importirt wurdo und dass von nun au iu Indiuu selbst dor alte ein- lioimische Name (Nagn) durch dun phönicischen Zinn-Namen (Kostir) ver¬
drängt wurde. Solche Wechsel dur Handelsströmnngon sind in alleu Zeiten vor¬
gekommen.
152 Beyer, aUorientalische MetaUurgie.
erfunden. Der Giesser und Schmied braucht von der Erschmelzung
der Erze nichts zu verstehen. So steht es heute und so stand es
wohl schon im hohen Alterthume.
Mag man immerhin die Hypothese aufstellen , die bekannten
semito-hamitischen Kulturvölker hätten in ihren südhchen (äthio¬
pisch-arabischen ?) Ursitzen Zinn besessen und dort die Bronze-
Metallurgie selbständig betrieben ; in der historischen Zeit waren
sie bestimmt abhängig von ihren minder berühmten Nachbarn, welche
nicht bloss als Erzschmelzer, sondem auch als Metalltechniker als
Altmeister erscheinen.
Erklärung.
In dem soeben erschienenen Hefte der Zeitschrift der D. M. G.
publicirte Herr Prof. D. H. Müller die von Siegfried Langer ent¬
deckten und gesammelten Inschriften , womnter auch die von uns
im Journal Asiatique 1883 H, Seite 250, veröffenthchte
Thürinschrift sich findet.
Wir müssen im Interesse der Wahrheit anerkennen, dass das
Verdienst zuerst diese in mancher Beziehung wichtige Inschrift ent¬
deckt zu haben dem im Dienste der Wissenschaft verunglückten
Langer gebührt, und fügen auch als selbstverständlich hinzu, dass
beide Pubhcationen unabhängig von einander entstauden sind, indem
wil ausdrückhch hervorheben, dass uns die Aushängebogen der
Müller'schen Arbeit zu eiuer Zeit vorlagen, wo unser Au&atz noch
nicht in den Händen des Herm Prof. Müller sein konnte.
Joseph und Hartwig Derenbourg.