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Neue Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation

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Academic year: 2022

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Die Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation (CPR), die gleichermaßen medizinisch-ärztliche Maß- nahmen als auch Ersthelferaktivitäten beinhalten, bestehen aus einer Abfolge konsekutiver Schritte, die beim Kreislaufstillstand zur Wiederherstellung der Vitalfunktionen führen sollen. Die einzelnen Schritte dieser Prozesskette sind wie kaum in einem anderen medizinischen Therapiebereich schon sehr früh mittels Leitlinien standardisiert worden. Bereits 1974 von der American Heart Association (AHA) publiziert, wurden sie regelmäßig novelliert und auf dem neue- sten Stand der Forschung gehalten. Im Jahre 1992 wurden zum ersten Mal regional abweichende CPR- Leitlinien für Europa durch das European Resus- citation Council (ERC) erarbeitet und ebenfalls regel- mäßig aktualisiert. Mit dem Ziel einer Vereinheit- lichung haben AHA und ERC erstmals im August 2000 gemeinsam mit anderen Fachgesellschaften internationale Leitlinien zur CPR erarbeitet und durch das International Liaison Committee on Resuscita- tion (ILCOR) publiziert. Dieser Prozess hat sich im vergangenen Jahr wiederholt und gipfelte im Novem- ber bzw. Dezember 2005 in einer Serie von Publika- tionen, die einerseits den so genannten CoSTR-Pro- zess (Consensus on Science and Treatment Recommendations for CPR and ECC) widerspiegeln [3, 4] und andererseits die daraus abgeleiteten Emp- fehlungen der AHA [1] und des ERC [2] beinhalten.

Die wichtigsten auf breitem Consensus und den Prinzipien der EBM fußenden Änderungen der Reanimations-Leitlinien beinhalten die Maßgabe, schneller als bisher einen passiven Notkreislauf mit hinreichender koronarer und cerebraler Perfusion zu sichern und diesen konsequenter aufrechtzuerhalten.

Dazu wird ein geändertes Thoraxkompressions/Ven- tilationsverhältnis von 30:2 anzuwenden sein. Unnö- tige Zeitverluste durch umständliche Diagnose- schritte (Pulskontrolle durch Laien) sollen vermieden werden ebenso wie mögliche Verzögerungen durch den u.U. zu zeitintensiven Einsatz von AED-Geräten.

Die bisher durchzuführenden 3er-Serien der Defi- brillationstherapie beim Kammerflimmern oder der pulslosen ventrikulären Tachykardie werden durch Einzeldefibrillationen ersetzt, damit die Basismaß- nahmen nur so kurz wie möglich unterbrochen wer- den. Weitere Vereinfachungen betreffen Beatmungs- volumina und die bisher differenzierten Kompres- sions/Ventilationsverhältnisse bei der Reanimation im Kindesalter. Bei der intensivmedizinischen Be-

handlung im Anschluss an eine erfolgreiche Reani- mation – bei weiterhin bestehender Bewusstlosigkeit – hat die Hypothermiebehandlung einen sehr hohen Stellenwert.

Hinsichtlich der medikamentösen Therapie sind im Prinzip kaum Änderungen zu erkennen, aber, und hier beginnt das Leid mit den Leitlinien, die AHA- Vorgaben unterscheiden sich z.T. sehr deutlich von den Leitlinien des ERC: Die einen (AHA) empfehlen Vasopressin als nahezu gleichwertige Alternative zu Adrenalin, die anderen eher nicht (ERC). Dosierungs- angaben, Defibrillationsenergien und auch die einzel- nen Algorithmen sind different: So beginnt man z.B.

bei den AHA-Empfehlungen immer (!) mit einer zwei- maligen Beatmung des leblosen Patienten, beim ERC immer (!) mit 30 Thoraxkompressionen. Ohne jegliche Evidenz für irgendeine Wirksamkeit wird in den neuen ERC-Guidelines unverständlicherweise die Gabe von Theophyllin bei Asystolie oder pulslo- ser elektrischer Aktivität erwogen. In den AHA- Leitlinien ist vom Theophyllin keine Rede! Die Auf- zählung von unterschiedlichen Vorgaben lässt sich beliebig ausweiten, wenn man die jeweils rund 200 Seiten umfassenden Leitlinienwerke akribisch durch- arbeitet.

Es bereitet schon erhebliches Kopfzerbrechen, wieso nach einem sehr aufwändigen Prozess der Konsens- findung mit rund 250 beteiligten renommierten Ex- perten aus aller Welt über einen Zeitraum von 36 Mo- naten mit abschließender Konferenz in Dallas im Januar 2005 im Ergebnis geringer konsentierte Aus- sagen im Raum stehen, als dies nach der letzten ILCOR-Konsentierung im August 2000 der Fall war.

Sollten etwa zu viele Köche den Brei verdorben haben?

Abschließend stellt sich nun die Frage, wie wir – neben den wichtigen eindeutigen Vorgaben in den Leitlinien – mit den zahlreichen uneinheitlichen Empfehlungen aus den verschiedenen Publikationen umgehen? Die deutschsprachigen Internet-Seiten füllen sich bereits sehr rasch mit Berichten und Ausführungen zu den neuen Leitlinien und fußen ein- mal auf den AHA-Vorgaben (z.B. Deutsches Ärzte- blatt Online 29.11.2005, „Push hard and fast“ – Neue US-Leitlinien zur kardiovaskulären Reanimation betonen Kompression gegenüber der Ventilation) ein anderes mal auf denen des ERC (z.B. AGNNW

Sind wir wirklich schlauer?

Neue Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation

EDITORIAL I 5

© Anästh Intensivmed 2006;47:5-6 DIOmed-Verlags GmbH

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6 I EDITORIAL

© Anästh Intensivmed 2006;47:5-6 DIOmed-Verlags GmbH Aktuell: Neue ERC/ILCOR-Richtlinien 2005 im

Internet – 30.11.2005, Die wichtigsten Neuerungen).

Es besteht die dringende Notwendigkeit, dass die Bundesärztekammer mit dem Deutschen Beirat für Erste Hilfe und Wiederbelebung Reanimations- Leitlinien für die Bundesrepublik erarbeitet, damit wir klare Vorgaben für die medizinische Lehre haben und die Hilfsorganisationen zeitnah ihre Ausbildungsricht- linien anpassen können. Es wäre fatal, wenn wir durch die Ratlosigkeit über die unterschiedlichen Empfehlungen zur CPR in das Dilemma einer verzö- gerten Umsetzung gerieten, wodurch die wirklich wichtigen neuen Maßgaben den betroffenen Patien- ten unnötig lange vorenthalten würden.

In dieser Ausgabe der A&I wird der Versuch unter- nommen, die wichtigsten Inhalte der z. T. unter-

schiedlichen Leitlinien konsistent wiederzugeben, damit die Essentials möglichst rasch durch unser Fachgebiet umgesetzt werden können.

Literatur

1. AHA Guidelines (13. Dezember 2005):

2005 American Heart Association Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care. Circulation 2005;112 (Suppl I)

2. ERC Guidelines (28. November 2005):

European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Resuscitation 2005;67 (Suppl 1), S1-S190

3. ILCOR Guidelines (28. November 2005):

The International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) Guidelines for Resuscitation 2005. Resuscitation 2005;67(2-3), 157-342

4. CoSTR (29. November 2005):

2005 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation (CPR) and Emergency Cardiovascular Care (ECC) Science with Treatment Recommendations. Circulation 2005;112 (Suppl).

J. Schüttler, Erlangen

Abb.: Universalalgorithmus der kardiopulmonalen Reanimation (nach den Empfehlungen von AHA und ERC, 2005).

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