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Demenz: neue Leitlinien in Deutschland

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Academic year: 2022

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U W E B E I S E

Die düstere Prognose ist überall zu hören: Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung wird sich die Zahl der Demenzkranken bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Zwar verzeichnen Grundlagenforschung und klinische Forschung enorme Aktivitäten und kön- nen, wie Professor Wolfgang Maier, Bonn, in einem Statement hervorhob, durchaus einige Erfolge verbuchen.

Allen Anstrengungen zum Trotz, so die Diagnose des Psychiaters, ist bei den Pa- tienten davon «bislang nur sehr wenig angekommen.» Kausalketten und Patho- mechanismen der Alzheimer-Krankheit sind aufgedeckt worden, mehrere hun- dert potenziell wirksame Substanzen sind entdeckt, entwickelt und in kli - nischen Prüfungen getestet worden, die meisten sind aber schon frühzeitig aus dem Rennen ausgeschieden. Momentan befinden sich laut Maier etwa 10 Sub- stanzen in Endphasen der klinischen Prüfung, von denen ein paar die Thera- piemöglichkeiten künftig ergänzen dürf- ten. Das heisst aber auch: «Keine einzige Substanz verspricht derzeit den ent- scheidenden Durchbruch», meint Maier.

28 Organisationen und Verbände beteiligt

Immerhin ist es in Deutschland der DGPPN gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft gelungen, S3- Leitlinien* für die Versorgung von De- menzkranken zu erarbeiten. 4 Jahre lang hatten Vertreter von insgesamt 28 Organisationen und Verbänden zusam- mengesessen und beraten, anlässlich des DGPPN-Jahreskongresses wurde nun das multiprofessionelle Konsensus- papier als «Meilenstein» vorgestellt.

In dem Papier wird eine Prävention der Demenzen in einem gewissen Umfang für möglich gehalten, ausgehend von den Befunden, dass etwa Hypertonie, Diabetes und Nikotinabusus (vasku- läre) Risikofaktoren für eine Demenz darstellen. Eine rechtzeitige Diagnostik und frühzeitige Behandlung könne folg- lich zur Prävention beitragen. Empfoh- len werden primärpräventiv körperliche Bewegung und ein aktives geistiges und

soziales Leben. Dagegen taugen Ginkgo biloba, Vitamin E und (bei Frauen) die Hormonersatztherapie nach Experten- meinung nicht zum Schutz vor Demenz.

Leichte kognitive Beeinträchtigungen (mild cognitive impaiment, MCI) lassen sich weiterhin schwer auf Leitlinie brin- gen, schon aufgrund der fehlenden einheitlichen Definition. MCI, insbeson- dere mit vorherrschender Gedächtnis- störung, kann in eine Demenz überge- hen, muss es aber nicht. Hinweise auf Gedächtnisstörungen sollten ernst ge- nommen und objektiviert sowie im wei- teren Verlauf beobachtet werden. Kurz- tests, wie der MMST oder DemTec, be- sitzen keine hinreichende Sensitivität zur Feststellung einer MCI. Eindeutig ist, dass es derzeit kein Medikament gibt, das einen möglichen Übergang zur Demenz aufhalten könnte. Auch nicht pharmakologische Massnahmen kön- nen dieses Risiko nicht beeinflussen.

Möglichst keine Psychophar- maka bei Verhaltensstörungen

Verabreicht werden sollten dagegen Cholinesterasehemmer bei leichter bis mittlerer Demenz. Patienten, die in das schwere Stadium eintreten, kann das Medikament weiter verabreicht werden, auch die erstmalige Behandlung im schweren Stadium wird von den Leit - linien anerkannt. Memantin wird bei mo- derater bis schwerer Alzheimer-Demenz empfohlen.

Bei Verhaltensstörungen sollten Psycho- pharmaka sehr zurückhaltend einge- setzt werden. Sie kommen, so die Leitli- nie, erst dann in Betracht, wenn psycho- soziale Interventionen nicht effektiv, nicht ausreichend oder nicht verfügbar sind. Antipsychotika sollten wegen des erhöhten Sterberisikos und der Gefahr eines Schlaganfalls nur in der geringst B E R I C H T

ARS MEDICI 25/26 2009

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* S3-Leitlinien bilden die höchste Leitlinienstufe. In sie gehen Expertenmeinungen und systematisch in Studien gewonnene (evidenzbasierte) Erkenntnisse ein.

Deutsche Psychiater und Neurologen haben nach einer mehrjährigen Gemeinschaftsarbeit mit zahlreichen Verbänden und Organisationen neue Leitlinien für die Diagnose und Therapie der Demenzen ausgearbeitet.

Sie wurden anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) vorgestellt.

Zu dem Kongress waren Ende November rund 8000 Teilnehmer nach Berlin gereist.

Demenz: neue Leitlinien in Deutschland

Auf dem DGPPN-Jahreskongress werden S3-Leitlinien als Meilenstein präsentiert

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Zusätzliche Verfahren bei definierten Symptomen oder Syndromen

psychotische Symptome (Wahn/Halluzinationen)

Agitation/

Aggression

Depression Störung des

Tag-/Nachtrhythmus

mangelnde Nahrungsaufnahme

Aromatherapie (C) rezeptive Musik (preferred music) (C)

strukturierte Freizeitaktivitäten

strukturierte Aktivierung während des Tages (B)

verbale Unterstützung positive Verstärkung familienähnliche Ess-

situation

erhebliche Beeinträchtigung trotz Interventionen

Risperidon: Aggression, Agitation (A), psychotische Symptome (B)

Aripiprazol (off label): Aggression, Agitation (A), psychotische Symptome (nur 10 mg) (C)

Haloperidol: Aggression (A)

Carbamazepin (off label): Aggression, Agitation (C) Citalopram (off label): Agitation (C) Behandlungen so kurz wie möglich Cave: Bei Lewy-Körperchen-Demenz und Demenz

bei M. Parkinson sind die oben genannten Antipsychotika kontraindiziert Optionen: Rivastigmin (off label bei LKD)

Clozapin (off label), Quetiapin (off label)

unzureichende Besserung

Antidepressiva ohne anticholinerge Wirkung

möglichen Dosis und über einen kurzen Zeitraum unter engmaschiger Kontrolle verordnet werden.

Im Zentrum stehen vielmehr psycho - soziale Interventionen. Hierzu zählen etwa kognitive Stimulation, Ergothera- pie, körperliche Aktivierung, Reminis- zenzverfahren oder Musiktherapie (Ab- bildung). Nach derzeitigem Kenntnis- stand können solche Verfahren womög - lich Kognition und Verhalten günstig be- einflussen. Besonders empfohlen wer- den auch Interventionen für Angehö- rige, die ihnen den Umgang mit De- menzkranken erleichtern.

Allgemeinmediziner nicht dabei

Die Leitlinien lassen gewisse Unter- schiede zu denen der Deutschen Gesell-

schaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) erkennen, die aus dem Konsensuspro- zess ausgestiegen war. Die Allgemein- mediziner wollen beispielsweise Cholin - esterasehemmer bei leichter bis mittel- schwerer Demenz vom Alzheimer-Typ nur «erwägen». Die DEGAM-Leitlinien geben Kriterien für und wider den Ein- satz der Alzheimer-Medikamente an.

Wird das schwere Demenzstadium er- reicht, sollte das Alzheimer-Medikament im Allgemeinen abgesetzt werden.

Unterschiede gibt es auch in der Bewer- tung diagnostischer Massnahmen. Nach den S3-Leitlinien erhalten alle Betroffe- nen quasi ein Recht auf eine frühzeitige ätiologische Diagnostik, auch durch bildgebende Verfahren. Ziel sei es, die genaue Ursache abzuklären. Die DEGAM

ist zurückhaltender. Sie nennt auch Gründe, einem Alzheimer-Verdacht nicht nachzugehen. Diese können gegeben sein, wenn Patienten und Angehörige Hilfe ablehnen, bei Multimorbidität, wenn Stigmatisierung befürchtet wird oder ein Patient gegen das Erfahren der Wahrheit ankämpft. Laut DEGAM sollen bildge- bende Verfahren hingegen bei Patienten unter 65 Jahre eingesetzt werden, sie sind auch bei unklaren und atypischen Ver- läufen angezeigt und wenn andere Ursa- chen ausgeschlossen werden müssen. Quellen: Pressemitteilung der DGPPN, S3-Richtlinien Demenz (www.dgppn.de, www.dgn.org), DEGAM-Richtlinien Demenz (www.degam.de)

Interessenkonflikte: keine

Uwe Beise B E R I C H T

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ARS MEDICI 25/26 2009

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