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Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern

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Academic year: 2022

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Seite Zu dieser Ausgabe: WIR ÜBER UNS . . . 3 Gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderungen . . . 4 Auf Probleme behinderter Kinder aufmerksam machen

Interview mit Rita Grießhaber . . . 6 Wegweiser für ratsuchende Familien

Landesjugendamt Brandenburg, Referat Kindertagesbetreuung . . . 8 Gemeinsames Leben behinderter und nichtbehinderter Kinder

Kita OLGA BENARIO, Integrationseinrichtung in Templin . . . 13 Früherkennung, Frühförderung und Schulfähigkeit als pädagogische Aufgabe

der Kita? . . . 21 Getrennte Lebenswelten aufbrechen

Integrationskita FLAX UND KRÜMEL in Spremberg . . . 29 Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit jedes Kindes

Integrationskita in Eisenhüttenstadt . . . 32 Kreativität und Entdeckerfreude fördern

Gestaltung eines Ökospielplatzes in der integrativen Kita in Wittenberge . . . . 34 Eine behindertengerechte Kinderküche entsteht

Beobachtungen in der Integrationskita Königs Wusterhausen . . . 38 Eingewöhnungsphase eines behinderten Kindes

Mädchen mit Down-Syndrom in der Kita SONNENSCHEIN in Bad Wilsnack . . 39 Theaterpremiere „Die Bremer Stadtmusikanten“

Auskünfte einer Erzieherin aus Luckau über eigene Erfahrungen . . . 41 Medienpädagogisches Zentrum Land Brandenburg

Angebote für Kindertagesstätten . . . 43 Videos zur gemeinsamen Erziehung von behinderten

und nichtbehinderten Kindern . . . 45 I N H A LT

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LESERBRIEFE …

zum Beitrag „Veränderte Kindheit – neue Herausforderungen

an die Frühförderung“ . . . 48

zur Ausstellung „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht...“ . . . 56

WAS-WANN-WO Fortbildungsangebote und Veranstaltungen . . . 60

Sozialpädagogisches Fortbildungswerk Brandenburg . . . 60

Kita SONNENSCHEIN, Bad Wilsnack . . . 63

Schulkinderhaus BLITZ, Ludwigsfelde . . . 65

Überregionales Zentrum, Templin . . . 66

Kinderhaus WI-WA-WUNDERLAND, Eisenhüttenstadt . . . 67

Kita BUMMIHAUS, Jeserig . . . 68

FACHLITERATUR-REZENSIONEN-ANKÜNDIGUNGEN Behinderte sind doch Kinder wie wir! . . . 69

Von Abenteuer bis Zukunftsvisionen . . . 70

Kindergarten und Kindergärtnerin in der DDR . . . 71

Erlebnisland Fernsehen . . . 72

Kita-Museum in Potsdam sucht Dokumente der Vergangenheit . . . 73

AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS Ideen einer Kita in Templin: Liegekeil bauen, Hochbeet und Naturecke anlegen . . . 74

Lust auf Abenteuer? Ziele für Kita-Fahrten im Land Brandenburg . . . 78

Gesetze und Verordnungen Erläuterungen zur Eingliederungshilfe nach dem BSHG für Kinder mit Behinderungen im Hort . . . 87

Integrationskindertagesstätten im Sinne anerkannter teilstationärer Einrichtungen in Brandenburg . . . 89

Engagement in Kindertagesstätten über das Förderprogramm „55-Aufwärts“ . . . 93

Grafik Jugendhilfestruktur im Kita-Bereich . . . 94

(3)

T

rotz mancher „Irrungen und Wirrungen“ liegt die erste, gemeinsam mit dem Redak- tionsbeirat KitaDebatte erdachte, strukturierte und in arbeitsintensiven Wochen realisierte KitaDebatte „Gemeinsame Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern“ vor.

Ob die Auswahl der Themen, die Aufbereitung der Texte und die Aktualität der Informa- tionen überzeugen, entscheiden SIE. Alle Meinungsäußerungen sind uns willkommen.

In den nächsten Wochen, wenn der Beirat in seiner Redaktionssitzung die KitaDebatte 2/1998 vorbereitet, wird das jetzt erstmals „versuchte“ veränderte Konzept der KitaDebatte kritisch betrachtet. Was ist neu? Was ist alt? Vertraut sind das Format und das Erschei- nungsbild der KitaDebatte. Wir möchten, daß die Reihe auch künftig optisch klar erkenn- bar ist. Zu den Neuerungen zählen feste Rubriken LESERBRIEFE, BUCHTIPS, TERMINE, AUS DER PRAXIS – FÜR DIE PRAXIS ...und die – soweit möglich – Konzentration auf ein HAUPT- THEMA. Damit wollen wir die KitaDebatte klarer gliedern und für aktuelle Ereignisse öff- nen. Stärker als bisher suchen wir den Austausch mit den Leserinnen und Lesern.

In der hier vorliegenden Ausgabe provoziert der Brief einer Potsdamer Grundschullehrerin über eigene Erfahrungen in ersten Klassen das Gespräch mit den Leserinnen und Lesern.

Bereits in der Redaktionssitzung löste der Brief heftige Diskussionen aus. Doch es geht nicht um voreilige Schuldzuweisungen, um lautes PRO und KONTRA zwischen Grundschule und Kita. Ermöglicht werden sollte das Miteinander von Kita und Grundschule.

Für die KitaDebatte 1/1998 fand der KitaBeirat schnell zum HAUPTTHEMA INTEGRATION.

Wichtig war es allen Beiratsmitgliedern, die Themenfelder zu bestimmen, unterschiedliche Positionen zu formulieren. Erfahrungen aus der Praxis (Beschreibungen von Integrations- kitas in Eisenhüttenstadt, Wittenberge, Bad Wilsnack stehen neben „theoretischen“ Beiträ- gen. Wer im Anhang blättert, findet Literaturhinweise, Bauanleitungen für ein Hochbeet oder den Liegekeil, Informationen zu Videos des Medienpädagogischen Zentrums und Rei- se-Tips für Kita-Fahrten im Land Brandenburg .

Nach der Veröffentlichung des Heftes 1/1998 beginnt die Planung der kommenden Aus- gabe. Sicher ist, daß sich darin die Mitglieder des Redaktionsbeirats KitaDebatte vorstel- len werden.

W I R Ü B E R U N S – W I R Ü B E R U N S – W I R Ü B E R U N S – W I R Ü B E R U N S

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Die vorliegende Ausgabe der KitaDebatte 1/1998 befaßt sich erstmals mit dem Thema der gemeinsamen Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderungen. Sie will Ein- blicke geben in die Praxis, Möglichkeiten aufzeigen, zu Ideen und Engagement anre- gen und nicht zuletzt Mut machen, auch in der Regelkita die Integration des behinder- ten Kindes aus der Nachbarschaft zu wagen.

Die Förderung von Kindern mit Behinderun- gen erfolgt über die Eingliederungshilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Die Hilfen werden jeweils nach den Besonderheiten des Einzelfalles gewährt, denn jedes Kind soll die seinen Behinderun- gen entsprechende individuelle Unterstüt- zung erhalten. Die zentrale Frage – und dar- auf zielen auch die Hilfen des BSHG und KJHG – muß immer lauten: Was braucht ein behindertes Kind, damit es am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen kann?

Der im Kita-Gesetz des Landes Brandenburg verankerte Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Kindertagesstätte gilt für alle Kinder bis zum Ende des Grundschulalters.

Wo es möglich und von den Eltern ge- wünscht ist und eine entsprechende Förde- rung und Betreuung gewährleistet werden kann, haben auch behinderte Kinder einen Anspruch darauf, eine Kita in ihrer Nach- barschaft und in ihrem sozialen Umfeld zu besuchen: sie können in Form von Einzelin- tegration in einer Regelkita betreut werden.

Für diese Kinder erhält die Kindertagesstät-

te die Regelfinanzierung nach Kita-Gesetz;

weitere Fördermaßnahmen können bei vor- liegen der Voraussetzungen entsprechend dem individuell notwendigen behinde- rungsbedingten Mehrbedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem BSHG oder KJHG abgedeckt werden.

Können behinderte Kinder in einer Regelki- ta nicht ausreichend gefördert werden, gibt es die Möglichkeit, eine Einrichtung zur teil- stationären Betreuung zu besuchen. Auch in einem solchen Falle ist eine wohnortnahe Betreuung anzustreben.

Solche teilstationären Einrichtungen werden nach einem besonderen Verfahren vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe, dem Landesamt für Soziales und Versorgung, nach den sozialhilferechtlichen Bestimmun- gen anerkannt. Sie sind Einrichtungen im Sinne des Kita-Gesetz und erhalten zudem – gemäß den sozialhilferechtlichen Rege- lungen – eine Finanzierung durch den Sozialhilfeträger für den behinderungsbe- dingten Mehrbedarf, für die Leistungen also, die über den Regelbedarf des Kita- Gesetzes hinausgehen.

Bei beiden Formen der Betreuung handelt es sich um die gemeinsame Erziehung von Kin- dern mit und ohne Behinderungen, und bei- de werden häufig als Integrationskitas bezeichnet.

In dieser Ausgabe melden sich hauptsäch- lich teilstationäre Einrichtungen zu Wort.

Darin spiegelt sich durchaus, daß die Einzel- integration in Regelkitas noch nicht allzu

Gemeinsame Erziehung von Kindern

mit und ohne Behinderungen

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oft gewagt und umgesetzt wird. Es bleibt also zu wünschen, daß auch die gemeinsa- me Erziehung behinderter und nichtbehin-

derter Kinder in der Regelkita der Nachbar- schaft weitere Beispiele und Nachahmer fin- det.

G E M E I N S A M E E R Z I E H U N G

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Bis zu den Bundestagswahlen will sich die Kinderkommission, so war zu lesen, u.a. der gesellschaftlichen Integration von behin- derten Kindern und jungen Menschen annehmen. Welche spürbaren Verbesserun- gen wird die Kinderkommission für diesen Personenkreis in einer dermaßen kurzen Zeit überhaupt noch erreichen können ? Grießhaber: Die Kommission hat nur eine beratende Funktion und kann direkte Ver- besserungen für behinderte Kinder und Jugendliche nicht erreichen. Aber sie kann ein Thema öffentlich machen, Stellung beziehen und Empfehlungen aussprechen.

Diese Stellungnahmen werden an die ent- sprechenden Gremien des Bundestages und Ministerien weitergeleítet.

In den neuen Bundesländern steckt gemein- same Erziehung behinderter und nichtbe- hinderter Kinder noch in den Kinderschuh- en – entwachsen ist sie ihnen in den alten Bundesländern noch nicht. Gibt es, bezo- gen auf Kitas, nach Ihrer Einschätzung einen spezifischen Handlungsbedarf in den neuen Bundesländern, der sich von dem in den alten Ländern unterscheidet, und worin besteht er ?

Grießhaber: In den neuen Bundesländern sind die Integrationskindergärten noch im Aufbau. Es gibt also noch eine Reihe von Sonderkindergärten. Leider ist der spezielle Förderungsbedarf der Kinder nicht durch entsprechendes Fachpersonal abgedeckt.

So kommen auch Erzieherinnen und Lehre- rinnen zum Einsatz, denen Fachwissen fehlt.

Die Lehrer/-innen und Erzieher/-innen müs- sen durch Weiter- und Fortbildungsangebo- te in die Lage versetzt werden, dem beson- deren Betreuungsbedarf der Kinder gerecht zu werden. Das gleiche gilt für die Frühför- derung der Kinder in Kitas, in denen vielfach ungeschultes Personal arbeitet. Wichtig ist auch die Elternarbeit, die in vielen Kitas noch zu kurz kommt.

Auf Probleme behinderter Kinder aufmerksam machen

Interview mit Rita Grießhaber, Mitglied der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission des Bundestages)

Rita Grießhaber war in der Zeit vom 1.3.1997 bis zum 15.1.1998 Vorsitzende der Kinder-

kommission des Deutschen Bundestages

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Ein Gericht hat kürzlich einem Kläger recht gegeben, der sich durch Behinderte, die im Garten nebenan spielten, belästigt fühlte.

Weniger spektakulare Fälle, die tägliche Ausgrenzung und Benachteiligung behin- derter Menschen, sind selten der Erwäh- nung wert. Ist das Urteil ein Ausdruck der Zeit ?

Grießhaber: Für die gesellschaftliche Inte- gration von Behinderten bedeutet das Urteil einen Rückschritt. Anstatt die Integration zu fördern, wird hier der Intoleranz Vorschub geleistet. Das Urteil macht deutlich, daß wir alle noch sehr viel tun müssen, um solche Einstellungen zu ändern.

Wie kann eine Kinderkommission in einer auseinandergedrifteten Gesellschaft, die sich u.a. solche Urteile leistet und in der Solidarität zur Worthülse verkommt, als Lobby für Interessen auch behinderter Kin- der ein Gegenpol sein ?

Grießhaber: Indem sie auf die besonderen Probleme behinderter Kinder aufmerksam macht. Daher wird die Kinderkommission ja auch im Mai eine Anhörung zur Situation behinderter Kinder in der Gesellschaft durchführen. Mit Hilfe von Experten werden die einzelnen Lebensbereiche wie Kinder- garten, Schule und Ausbildung untersucht.

Im Vordergrund steht die Frage, wie behin- derte Kinder besser unterstützt werden kön- nen und welche besonderen Maßnahmen hierzu erforderlich sind. Da die Anhörungen der Kinderkommssion in der Regel öffentlich sind und im Vorfeld auch angekündigt wer- den, besteht die Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen.

Wenn mit der gemeinsamen Betreuung und Erziehung behinderter und nichtbehinder- ter Kinder erst in der Schule angefangen wird, dann ist es meistens schon zu spät - so heißt es. Was ist also zu tun, und welche konkreten Aufgaben ergeben sich aus Ihrer Sicht für die Kindertagesbetreuung in Krip- pen, Kindergärten und Horten ?

Grießhaber: Die Unterbringung von behin- derten Kindern in Sonderkindergärten und Sonderschulen ist leider immer noch Alltag.

Die Gesellschaft macht deutlich, daß Behin- derung nicht zur Ausgrenzung führen darf, je früher und besser behinderte Kinder – wenn immer es möglich ist – in Krippen, Kindergärten, Schulen und Horten integriert werden. Das vorgeschobene Kostenargu- ment für eine behindertengerechte Umge- bung oder Betreuung darf keine Rolle spie- len. Im Gegenteil: Die Frühförderung ist auf lange Sicht kostensparend.

Sie haben in der Kinderkommission gerade noch sechs Monate Zeit, sich der gesell- schaftlichen Integration von Kindern und Jugendlichen zu widmen. Danach ist Schluß?

Grießhaber: Die Aufgabe der Kinderkom- mission ist und bleibt es, die Lobby für Kin- der im Parlament zu sein. Damit ist sie selbstverständlich auch Lobby für behinder- te Kinder. Mit der Neukonstituierung des Deutschen Bundestages wird es – hoffent- lich – auch wieder eine Kinderkommission geben. Ich bin mir sicher, daß ihre Mitglie- der genauso engagiert für die Rechte der Kinder eintreten werden wie ihre Vorgänger.

I N T E RV I E W

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Für Kinder und Jugendliche mit Behinde- rungen und drohender Behinderung wur- den vom Gesetzgeber verschiedene gesetz- liche Vorschriften erlassen, die unter ande- rem auch beinhalten, daß Leistungen für diese Zielgruppe von unterschiedlichen Lei- stungsträgern erbracht werden. Dennoch hat die Jugendhilfe die Verpflichtung und die primäre Aufgabe, sich um alle Kinder und Jugendlichen zu kümmern, ob mit oder ohne Behinderung und unabhängig von der Art und Schwere der Behinderung.

Das Jugendamt trägt im Rahmen der Jugendhilfeplanung (SGB VIII §§ 80, 81) Mitverantwortung dafür, daß Einrichtungen und Dienste auch für Kinder und Jugendli- che mit Behinderungen und ihre Familien geplant werden und nutzbar sind.

In diesem Zusammenhang gingen beim Landesjugendamt immer wieder Anfragen von Jugendämtern, aber auch von Einrich- tungsträgern, Erzieherinnen und Eltern zu gesetzlichen Grundlagen, Verfahrenswei- sen, Ansprechpartnern und Angeboten zur Hilfegewährung ein. Immer wieder kam und kommt es zu Problemen, sich in den Zustän- digkeiten der Behörden und der Anlaufstel- len zurechtzufinden.

Daher wurde durch das Landesjugendamt, das unter anderem eine Beratungs- und Innovationsfunktion gemäß § 85 Abs.2 SGB VIII hat, gemeinsam mit dem Unteraus- schuß Kindertagesstätten des Landesju- gendhilfeausschusses das Projekt „ Formen

der Kooperation von Jugendhilfe und ande- ren an der Eingliederung von Kindern mit Behinderungen Beteiligten“ initiiert, finan- ziell gefördert und in seiner praktischen Umsetzung begleitet.

Das Hauptziel des Projektes bestand darin, in Zusammenarbeit mit zwei Jugendämtern des Landes Brandenburg (Landkreis Prignitz und Stadt Brandenburg) modellhaft Ansät- ze von Formen der Kooperation von Jugendhilfe und anderen an der Frühförde- rung und Eingliederung von Kindern mit Behinderungen Beteiligten zu entwickeln.

Zwei Teilziele standen im Mit- telpunkt

– Die bisherigen Abläufe der Hilfeplanung und -gestaltung im Bereich der Frühför- derung und Eingliederungshilfe sollten analysiert werden, um die Wirkungen der verschiedenen gesetzlichen Bestim- mungen besser einschätzen zu können.

Dazu wurden die Erfahrungen von Ämtern und Behörden, von Institutio- nen, von Eltern und den regionalen Frühförder- und Beratungsstellen einbe- zogen.

– Im Anschluß daran sollten Vorschläge und Perspektiven aufgezeigt werden, wie künftig die Hilfeplanung des Jugen- damtes ( SGB VIII § 36 und § 37) in

Wegweiser für ratsuchende Familien

Landesjugendamt des Landes Brandenburg, Referat Kindertagesbetreuung: Auskünfte zum Projekt „Formen der Kooperation von Jugendhilfe und anderen an der Eingliederung

von Kindern mit Behinderungen Beteiligten“

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Zusammenarbeit mit den anderen Lei- stungsträgern und betreuenden Einrich- tungen gestaltet werden könnte.

Nach erfolgter Projektausschreibung führte das Institut für Soziale Arbeit e.V. das Pro- jekt in der Zeit vom 01.03.1996 bis 28.02.1997 durch.

Die zentralen Ergebnisse und Schlußfolge- rungen des Projektes wurden durch die Pro- jektmitarbeiter in Thesen zusammengefaßt, die hier erläuternd dargestellt werden.

Zum Bedarf aus Elternsicht

1. Ein wesentlicher Elternwunsch sind wohnortnahe Angebote (insbesondere Integration in Regeleinrichtungen) für die Betreuung behinderter bzw. von Behinderung bedrohter Kinder. Vorhan- dene Angebote sind den Eltern oft nicht bekannt, sie müßten stärker bekannt- gemacht werden, und es sollten weite- re Angebote geschaffen werden.

2. Neben notwendigen Hilfsangeboten für die betroffenen Kinder fragen Eltern in weitaus größerem Umfang als „amt- licherseits“ wahrgenommen familien- orientierte/-entlastende Angebote nach. Entsprechende Angebote sollten stärker propagiert und eingesetzt wer- den.

3. Eltern durchschauen oft nicht das Dickicht aus den für die Leistungser- bringung zuständigen Ämtern und Ein- richtungen. Sie wünschen wenige, in der Region bekannte, fachlich kompe- tent beratende und umfassend zustän- dige Anlaufstellen für die Veranlassung der Förderung.

4. Eltern (aber auch alle anderen Beteilig- ten wie Fachkräfte in den Einrichtungen und Sachbearbeiter in den Ämtern) wünschen regionale Wegweiser über Angebote, Anlaufstellen und An- spruchsgrundlagen, um Zeitverluste bei der Frühförderung zu vermeiden, die Professionalität der Beratung zu er- höhen und Verwaltungsentscheidun- gen zu beschleunigen.

Zur Struktur der

angebotenen Hilfemaßnahmen

5. Nach Wahrnehmung der Eltern, offen- sichtlich aber teilweise auch regional so gewollt, sind bislang zentrale „Sonder- angebote“ in stärkerem Maße vorhan- den als wohnortnahe integrative Ange- bote in Regeleinrichtungen.

6. Die Fördermaßnahmen sind zu häufig eindimensional. Entgegen aller gesetz- lichen Vorgaben wird im Regelfall eine Fördermaßnahme als ausreichend angesehen. Am ehesten wird noch eine Kombination von Eingliederungshilfe- maßnahme und Krankenkassenleistung in Betracht gezogen. Bislang nicht genutzt, aber sinnvollerweise stärker genutzt werden sollte die Kombination Eingliederungshilfe ( BSHG oder KJHG) und Hilfen zur Erziehung ( KJHG).

7. Als sinnvollster Ausweg aus dem teils für alle Beteiligten unübersichtlichen Behördenaufbau und verschiedensten Angeboten sind pro Kreis wenige zen- trale Anlaufstellen anzusehen, deren Mitarbeiter gut informiert sind und die eng mit allen Ämtern kooperieren (pro Kreis ca. drei, pro kreisfreie Stadt ca.

eine Anlaufstelle).

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Zu Verfahrensweisen und zur Verfahrensentwicklung

8. Im Interesse der Eltern, der beteiligten Einrichtungen und ökonomischer Abläufe in den beteiligten Ämtern sind einheitliche Antragsformulare für Sozi- al- und Jugendamt bzw. zumindest Kenntnis der jeweils anderen Antrags- formulare erstrebenswert. Das Ausfül- len der Anträge sollte weitgehend in den Anlaufstellen erfolgen können.

9. Für alle Beteiligten (Eltern, Fachkräfte in Einrichtungen, Sachbearbeiter in Äm- tern) wären regionale Wegweiser über Angebote, Anlaufstellen, Anspruchs- grundlagen sehr hilfreich.

10. Fachkräfte für Kitas, niedergelassene Haus- und Kinderärzte, Fachkräfte an Schulen, Kräfte in anderen Gemein- schaftseinrichtungen oder Einrichtun- gen mit kommunikativem Charakter müssen besser über Förderangebote, Anspruchsvoraussetzungen, Zugangs- und Verfahrenswege zur Durchsetzung der Eingliederung behinderter Kinder (welche Gesetze greifen, welche Ämter sind zuständig, welche Antragsformu- lare gibt es) informiert werden, da hier die Eltern zuerst Rat suchen und ihn oft- mals unzureichend erhalten.

Zu Fragen der Kooperation und Koordination

11. Die Kooperation der verschiedenen, an der Eingliederung behinderter Kinder beteiligten Professionen/Dienste ist noch unzureichend. Sie klappt vorwie- gend in der Anfangsphase der Einglie-

derung und nimmt in deren Verlauf kontinuierlich ab.

12. Da oft mehr als eine Maßnahme pro Kind bzw. Familie erfolgt/erfolgen soll- te, ist eine Koordination der Maßnah- men notwendig. Dies macht eine wei- testgehend einheitliche Struktur der Hilfe-/ Förderplanung aller Maßnah- men notwendig. Hier bietet sich das – gegenüber dem Gesamtplanungsver- fahren des BSHG weitaus elaboriertere – Jugendhilfeplanungs-Verfahren des KJHG als einheitliche Grundlage an.

13. Die Einrichtung eines regionalen, inter- disziplinären Fachgremiums mit Fach- leuten aus der Praxis und Vertretern der Ämter / Leistungsträger erscheint als äußerst sinnvoll für

– die einheitliche und übergreifende Weiterentwicklung des Angebots- systems vor Ort,

– die Verbesserung der Kooperations- formen und

– die Vorbereitung von für alle Ämter verbindlichen Entscheidungen in kritischen Einzelfällen.

14. Die besten Kooperationsformen und die größtmögliche Transparenz der Angebote sind weitgehend nutzlos, wenn Hilfemaßnahmen zu spät kom- men. Die Früherkennung muß drin- gend verbessert werden. Hier ist eine Zusammenarbeit unter anderem von Entbindungsstationen, Mütterbera- tung, Kitas, Ärzten, Frühförderstellen und Ämtern erforderlich.

Die Erhebung der gegenwärtigen Inan- spruchnahme, Wahrnehmung und Bewer- tung von Angeboten/Maßnahmen der Ein- gliederungshilfe für behinderte Kinder sowie der darauf basierenden Kooperationsfor- W E G W E I S E R F Ü R R AT S U C H E N D E FA M I L I E N

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men zeigt, daß die Jugendhilfe Instrumen- tarien zur Optimierung besitzt. Der zwei- bändige Abschlußbericht des Projektes, der dem Landesjugendamt vorliegt, zeigt Wege zur Verbesserung der Bemühungen um die Eingliederung behinderter und von Behin- derung bedrohter Kinder auf.

Der Abschlußbericht wurde vor kurzem allen Jugendämtern des Landes Branden- burg und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege im Land zusammen mit je einem Exemplar der entstandenen Eltern- wegweiser zur Verfügung gestellt.

Band 1stellt getrennt die Ergebnisse der Ein- zelfallanalysen, der Eltern-Befragungen, der Befragungen der beiden Frühförderstellen und der sonstigen Einrichtungen dar.

Die abschließenden zusammenfassenden Schlußfolgerungen münden in einem Dis- kussionsmodell vereinheitlichter Verfahrens- weisen.

Der Anlagenband enthält

– die verwendeten Erhebungsbögen, – einen Strukturvorschlag für einen Eltern-

wegweiser, der so aufbereitet wurde, daß eine Übertragbarkeit auf die jewei- ligen Kreise möglich ist,

– den zum Drucktermin des Abschlußbe- richtes erreichten Stand der im Projekt- zusammenhang erarbeiteten Elternweg- weiser für die Stadt Brandenburg und den Landkreis Prignitz,

– zwei Erfahrungsberichte von Eltern sowie

– den schon im Ergebnisband enthaltenen Verfahrensvorschlag für die Hilfege- währung von Fördermaßnahmen für Familien mit Kindern mit Behinderung als gesondertes Material.

Ansprechpartner zum Projekt sind

im Landesjugendamt: Frau Karpinske Tel.: 03301/598330

im ISA: Herr Leitner Tel.: 03301/56213

in der Prignitz: Frau Pötter Tel.: 03877/60307

in Brandenburg: Frau Teichmann Tel.: 03381/303451

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In der Stadt Templin mit etwa 12.000 Ein- wohnern gibt es fünf Kindertagesstätten.

Unser Kindergarten mit 85 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren liegt in der Nähe des Stadtzentrums und ist die einzige Inte- grationseinrichtung. Die tägliche Öffnungs- zeit beträgt zehn Stunden, bei Bedarf wird verlängert.

Der Einstieg in die Integration

Bereits vor der Wende hatten wir in Einzel- fällen behinderte Kinder in der Kita zu betreuen. Dennoch erlebten wir im Ort, wie Menschen mit Behinderungen ausgeson- dert wurden, und seit längerem bewegte uns die Frage, ob und wie eine gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder gestaltet werden könnte.

Im Prozeß des Suchens trafen wir auf die Fachschule für Sozialpädagogik in Templin.

Und hier unterstützte uns insbesondere Frau Dr. Neumüller, engagiert und zuversichtlich, auf unserem Weg in Richtung Integration.

Es begann eine intensive Auseinanderset- zung jeder einzelnen Mitarbeiterin verbun- den mit den Fragen: Möchte ich mit behin- derten Kindern arbeiten? Kann ich es über- haupt? Bin ich den – mir noch weitgehend unbekannten – Anforderungen gewachsen?

Mehrere Gespräche mit unserer Amtsleite- rin, ein Termin beim Bürgermeister und die

Mitteilung des Vorhabens vor den Stadtver- ordneten sicherten uns die Unterstützung durch die Kommune, den Träger unserer Einrichtung. In Gruppenelternversammlun- gen, bei Elterngesprächen und schließlich im Kita-Ausschuß brachten wir den Eltern unser Anliegen nahe und waren über deren aufgeschlossene Reaktion positiv über- rascht.

Auf Initiative von Frau Dr. Neumüller bilde- ten wir ein Beraterteam: eine Kinderärztin, eine Fachärztin für Neuropsychiatrie, ein Rehabilitationspädagoge, Sonderpädago- gen, Fachschullehrer, Eltern und Erzieherin- nen. In diesem Gremium wurden alle weite- ren Sachfragen diskutiert.

Ein Berg von Hindernissen wird abgetragen

In der Fachliteratur lesen wir: „Integration ist in jedem Fall möglich, wenn die entspre- chenden Bedingungen gegeben sind...“

Wir standen vor einem Berg von Hindernis- sen:

– Wir hatten kaum Fachwissen und Erfah- rungen im heilpädagogischen, medizini- schen Bereich;

– unser Haus mit damals sieben Gruppen und 134 Kindern war voll; jede Gruppe hatte nur einen Raum, d.h., es fehlte an Rückzugs- und Ausweichsmöglichkeiten u.a. für Kleingruppenarbeit;

G E M E I N S A M E S L E B E N

Gemeinsames Leben behinderter und nichtbehinderter Kinder

Helga Brennenstuhl, Leiterin Kita OLGA BENARIO in Templin über eigene Erfahrungen

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– die sanitären Einrichtungen waren nicht behindertengerecht; Zugänge zum Haus für Rollstuhlfahrer kaum möglich;

– eine therapeutische Betreuung war nicht abgesichert, Heil- und Hilfsmittel stan- den nicht zur Verfügung;

– außerdem fehlten uns Grundkenntnisse für Antragsverfahren, Kostenübernah- me und Leistungskataloge.

In der gemeinsamen Erziehung liegt eine große Herausforderung an die Erzieherper- sönlichkeit.

In der Vorbereitung auf diese neue, anspruchsvolle Aufgabe führten wir eine intensive Auseinandersetzung um folgende Aussagen:

– Behinderte Kinder sind zunächst einmal Kinder;

– behinderte Kinder sollen nicht normali- siert, sondern individualisiert werden;

– durch gemeinsames Leben können sie auf dem Weg zur eigenen Lebensbe- wältigung unterstützt werden.

Deutlich wurde uns, daß Behinderung neben der ursprünglichen Schädigung, die zu bestimmten Einschränkungen und Funk- tionsbeeinträchtigungen führt, auch eine Beeinträchtigung im sozialen Bereich be- deutet. Behindert zu sein heißt, abhängiger zu sein als ein nichtbehinderter Mensch.

Ursachen dafür liegen jedoch nicht aus- schließlich in der Schädigung, sondern viel- fach im Verhalten der umgebenden Men- schen, der Umwelt. Ein sorgsames Ausba- lancieren von Abhängigkeit und Selbstän- digkeit mit jedem einzelnen Kind schien uns notwendig.

Als grundlegende Anforderung an jede Erzieherin in ihrer Gruppenarbeit erkannten wir, daß

– jedem Kind, unabhängig von seinem äußeren Erscheinungsbild, eine persön- liche Zuwendung zuteil werden muß, die es braucht;

– Situationen in der Gruppe so gestaltet werden müssen, daß sich für alle Kinder geeignete Kontakt- und Spielmöglich- keiten ergeben;

– auch in ersten Ansätzen sich ent- wickelnde Fähigkeiten wahrgenommen und unterstützt werden müssen;

– eine positive, gelassene Atmosphäre her- gestellt und aufrechterhalten werden muß trotz besonderer Anspannungen, wie sie sich u.a. durch schwer ertragbares Verhalten (Bewegungsunruhe, Stereoty- pien, Aggressionen) ergeben können;

– Kindern nach Bedarf Ruhe- und Rück- zugsmöglichkeiten angeboten werden müssen;

– regelmäßig die notwendigen Pflege- maßnahmen wahrgenommen werden müssen;

– Kinder mit erheblicher körperlicher Behinderung regelmäßig getragen wer- den müssen;

– erforderliche Hilfs- und Stützfunktionen im Alltag beachtet werden müssen, sie sind von außerordentlicher gesundheit- licher Bedeutung (vgl. Dichans, Wolf- gang: Der Kindergarten als Lebensraum für behinderte und nicht behinderte Kin- der; Köln 1993).

Wir kamen zu der Einsicht, daß die genann- ten Anforderungen weitgehend auch in Regelgruppen Gültigkeit haben. Die Chan- ce, die sich allen Beteiligten im gleichbe- rechtigten Zusammenleben bietet, wurde uns noch bewußter. Seit 1991 nehmen alle pädagogischen Mitarbeiterinnen unseres Kindergartens an einer langfristigen Fortbil- dung zum Thema „Integration“ teil, und eine Vertiefung und Qualifizierung unserer pädagogischen Arbeit finden statt.

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Unsere Konzeption für die gemeinsame Erziehung entsteht

Unser Kindergarten soll als integrativer Lebensraum gestaltet werden. Hier können sich Menschen angstfrei begegnen, eine Akzeptanz der jeweiligen Besonderheit gegenüber entwickeln und soziale Integra- tion als wechselseitigen Prozeß erfahren.

Das behinderte Kind lernt sogenannte Nor- malität und das nichtbehinderte Kind wesentliches Sozialverhalten. Die Familien mit behinderten Kindern erleben Teilnahme am öffentlichen, gemeinschaftlichen Leben.

Wir formulierten folgende Ziele:

– Selbstvertrauen, Selbständigkeit und Kreativität jedes einzelnen Kindes ste- hen im Mittelpunkt unserer Pädagogik.

– die Fähigkeiten der Kinder, nicht ihre Defizite sind richtungsweisend.

– die jeweiligen Fähigkeiten und Erfah- rungen im Verstehen der Umwelt wer- den erprobt.

– Projekte mit der Möglichkeit zu je spezi- fischer Beteiligung werden entwickelt.

Die Arbeit an der Konzeption und die damit verbundene Situationsanalyse vollzogen sich in mühevoller, monatelanger Arbeit im Streitgespräch mit allen Mitarbeiterinnen und unter Einbeziehung der Eltern. Wir dachten über viele Dinge nach, die sonst im Alltag untergingen, und kamen zu neuen Einsichten, deren Umsetzung uns nicht immer leichtfiel. Es zeichneten sich Proble- me ab, die noch gelöst werden wollten.

Im März 1991 reichten wir über unseren Träger einen Antrag zur Anerkennung als

„teilstationäre Einrichtung“ beim Landes- amt für Soziales und Versorgung/Cottbus und beim zuständigen Jugendamt ein.

Die Anerkennung als teilstationäre Einrichtung

Vom Landessozialamt wurden vor Ort die Voraussetzungen überprüft und folgende Rahmenbedingungen für die Anerkennung gefordert:

– zwei ausgebildete Erzieherinnen pro Gruppe, die zur Fortbildung zum Thema

„Gemeinsame Erziehung“ bereit sind;

– mindestens fünf behinderte Kinder müs- sen aufgenommen werden;

– die therapeutischen Maßnahmen finden in der Einrichtung statt;

– vor der Aufnahme ist ein amtsärztliches Gutachten einzuholen, das zusammen mit dem Aufnahmeantrag der Eltern an das Landesamt für Soziales und Versor- gung in Cottbus eingereicht wird;

– eine Zusatzfinanzierung des überörtli- chen Trägers erfolgt nur bei Anerken- nung der Behinderung nach 39/40 KJHG;

– für die Förderung bei sogenannter „seeli- scher Behinderung“ ist seit 1995 die Jugendhilfe, d.h. das Jugendamt zuständig;

– Hilfsmittel müssen von den Eltern selbst entsprechend § 45 BSHG beantragt werden;

– für jedes Kind ist ein Förderplan zu erstellen, der halbjährlich fortgeschrie- ben wird und die Grundlage für die Abrechnung darstellt;

– kommen Kinder aus umliegenden Orten, gibt es die Möglichkeit des Behindertentransports (den in Ausnah- mefällen auch die Eltern selbst überneh- men können); er wird ebenfalls finan- ziert; Kostenvoranschläge müssen ein- gereicht werden;

– die räumlichen Bedingungen und die sanitären Voraussetzungen müssen im Kindergarten verbessert werden.

G E M E I N S A M E S L E B E N

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Nach zwei Jahren erhielten wir rückwirkend zum Januar 1993 die Anerkennung als teil- stationäre Einrichtung. Zwei Jahre intensiver Arbeit, und d.h. auch Verbesserung der Rahmenbedingungen lagen hinter uns:

– Ein Rückgang der angemeldeten Kinder ermöglichte eine Reduzierung der Grup- pen; die verbliebenen fünf Gruppen wurden auf je 15 Kinder reduziert.

– In jeder Integrationsgruppe arbeiten zwei Fachkräfte (denen nach Möglich- keit eine Studentin zugeordnet ist).

– Jeder Integrationsgruppe stehen zwei Räume zur Verfügung.

– In jeder Integrationsgruppe sind fünf Kinder mit den unterschiedlichsten Behinderungen.

– Schrägen sichern die Zufahrt für Roll- stuhlfahrer, die Sanitäranlagen wurden behindertengerecht saniert.

– Von den Eltern beantragte Hilfsmittel stehen zur Verfügung.

Wir haben ein ganzes Stück des Berges abgetragen und kommen unserem Anlie- gen, integrativ und situationsorientiert zu arbeiten, immer näher.

Die pädagogische Praxis unseres Kindergartens – integrativ und situations- orientiert

Die Zusammenarbeit mit den Eltern beginnt vor der Aufnahme eines Kindes. Die Mutter eines schwerbehinderten Mädchens stellte in unserem Kindergarten einen Aufnahme- antrag. Julia kann nicht laufen, sich nicht allein setzen, nicht sprechen und nur bedingt greifen. Ihr war ein Platz in einer Einrichtung für geistig behinderte Kinder angeboten worden. Von den zuständigen

Stellen wurde von einer Aufnahme abgera- ten, mit Ausnahme einer Therapeutin (ihr Kommentar: es wäre einen Versuch wert, würde aber sehr schwer werden).

Zusammen mit der potentiellen Gruppener- zieherin besuchten wir Julia zu Hause. Wir erlebten, daß Julia kommunikationsfähig ist:

mit Blicken und Mimik konnte sie Freude oder Unbehagen ausdrüken, und sie rea- gierte auf Sprache. Wir entschlossen uns, mit Einverständnis der Mutter, zur probe- weisen Aufnahme. Julia besuchte dann stundenweise zusammen mit den Eltern den Kindergarten, und die Familie erlebte ihre Tochter im Kindergartenalltag. Die Kinder der Gruppe waren vorbereitet. Sie nahmen Julia an, akzeptierten, daß sie nicht spre- chen und laufen konnte und begannen, sie in ihrer Art in das Gruppenleben mit einzu- beziehen: Sie erzählten ihr, zeigten ihr Bücher, brachten weiches Spielzeug an, sie trafen Absprachen für ein gemeinsames Spiel ... Julia blieb in unserem Kindergarten.

Wie dieses Beispiel zeigt, brauchen wir vor der Aufnahme eines Kindes fundierte Infor- mationen und die Möglichkeit, mit dem Kind selbst Kontakt aufzunehmen. Hier sind einmal die Fachleute, wie Kinderärzte und Therapeuten, gefragt, dann aber insbeson- dere die Eltern – sie kennen ihr Kind am besten – und die Gruppenerzieherinnen.

Hausbesuche geben uns die Möglichkeit, das Kind in seinem vertrauten Umfeld ken- nenzulernen und Ansatzpunkte für die Kon- taktaufnahme zu finden.

Hier fällt es Eltern oft auch leichter, über ihre Bedenken und Ängste zu sprechen und Fra- gen zu stellen. So wünschen zwar die mei- sten Eltern für ihr Kind den Spielkontakt zu anderen Kindern, doch fällt es ihnen meist sehr schwer, nach einer Zeit intensiver Betreuung sich auf die Trennung einzulas- sen. Sie äußern Zweifel, ob im Kindergarten

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auch genügend Zeit für ihr Kind ist, ob es genug Zuwendung bekommt usw. Klärende Gespräche, aber auch die stundenweisen Besuche von Kind und Eltern in der Einrich- tung, vor der Aufnahme und in der Einge- wöhnungszeit helfen den Eltern, eine posi- tive Einstellung zum Kindergarten zu entwi- keln. Sie erfahren, daß soziales Lernen in der Kindergemeinschaft besser möglich ist, und daß die medizinische Betreuung alleine nicht zu einer befriedigenden Lebensbewältigung und Entwicklung führt.

Therapie in der Gemeinschaft der Kindergruppe

Unsere Kinder werden in der Regel von Sprach- und Physiotherapeuten (zwei- bis dreimal wöchentlich) im Kindergarten betreut. Anfangs bekamen einige Kinder zusätzlich noch Spiel- und Beschäfti- gungstherapie. Diese wurde dann von der Therapeutin in einem gesonderten Raum, teilweise ein – bis eineinhalb Stunden, mit jeweils nur einem Kind durchgeführt. Hier wurden die Kinder, losgelöst vom Gruppen- leben, therapiert. Aktuelle Befindlichkeiten des Kindes fanden keine Berücksichtigung, und das Kind entwickelte Unlust und Wider- stand. Für uns zeichnete sich ab, daß die ständige Aussonderung und „Überthera- pie“ der Entwicklung des Kindes nicht ent- gegenkommt. Eine Neuorientierung, insbe- sondere auch bei den therapeutischen und medizinischen Fachkräften, ist notwendig.

Wir führten in unserem Haus eine intensive Auseinandersetzung mit den beteiligten Therapeuten, werteten unsere Erfahrungen aus, studierten Fachliteratur und einigten uns auf folgendes Vorgehen:

Die Therapeuten versuchen, die Therapie in den Gruppenalltag einzubetten. Sie bleiben mit den Kindern im Gruppenbereich, bezie-

hen einzelne Kinder und manchmal die ganze Gruppe mit in das Geschehen ein. Die Gruppentherapie erleben die Kinder als Höhepunkt: Sie sind mit Freude dabei und erleben, was jeder einzelne kann, was ihm schwerfällt. Anstelle eines defekt-orientier- ten Therapieverständnisses sind erste Ansät- ze einer ganzheitlichen pädagogischen The- rapie getreten. Werden Erziehung und The- rapie getrennt und isoliert voneinander gehandhabt, geht das Bemühen weitge- hend am Kind vorbei.

Alles, was fährt und fliegt – gemeinsames Lernen im Projekt

Ich möchte nicht verschweigen, wie schwie- rig sich anfangs die planmäßige Gruppenar- beit gestaltet hat und noch immer gestaltet.

Wir waren oft unzufrieden und dachten, nicht genug zu leisten.

Es fehlte uns ein Gefühl dafür, was dem ein- zelnen Kind zugemutet werden kann und wieviel Zeit es für ganz alltägliche Handlun- gen benötigt. Unsere Beobachtungen sind manchmal noch zu oberflächlich. wir sind dabei zu lernen, differenzierte Beobach- tungsergebnisse den jeweiligen Aufgaben voranzustellen und diese dann genau zu strukturieren: Was kann jedes Kind, was können wir fordern und wo, in welchem Bereich kann es gefördert werden.

Ich möchte ein Beispiel voranstellen: Unser Kindergarten liegt in der Nähe des Kranken- hauses. die Kinder erleben häufig, wie Kran- ken-, Feuerwehr- und Polizeiautos und Ret- tungshubschrauber im Einsatz sind. Viele unserer Kinder haben an den Fahrzeugen und an dem Geschehen großes Interesse, viele Gespräche und Spiele finden zu diesem Thema statt.

G E M E I N S A M E S L E B E N

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Einigen Kindern fiel es schwer, einzusehen, daß Christian - ein Kind mit Querschnittläh- mung, Wasserkopf und Nierenschädigung - diese Autos nicht bezeichnen kann, wäh- rend Julian – ein geistig und sprachlich behinderter Junge – sich außerordentlich gut zu diesem Thema mitteilen kann. Die Erzieherin stieg vermittelnd ein, ein gemein- sames Thema „Alles was fährt und fliegt“

stand im Raum; wir machten uns auf den Weg, gemeinsam, entsprechend den indivi- duellen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes, tätig zu werden. Die Kinder freuten sich, brachten ihre Lieblingsfahrzeuge von zu Hause mit, plazierten sie im Raum und es entstanden je spezifische Arbeitsschritte.

Einige Kinder fotografierten ihre Autos, andere malten und schnitten aus. Alexander konnte diese Feinarbeit aufgrund seiner Spastik nicht. Er übernahme die Klebearbeit in einer Auto-Mappe und auf dem Wand- fries. Alle Kinder erlebten, daß sie gebraucht wurden und stolz zeigten sie ihren Eltern die entstandenen Werke.

Als nächster Schritt stand eine gemeinsame Busfahrt an. Einige Kinder befragten den Busfahrer, ob er Platz für Christians Rollstuhl hätte, ansonsten würden sie mit dem Zug fahren. Die Busfahrt konnte stattfinden. Die Kinder erlebten, daß ein Rollstuhlfahrer nicht ohne fremde Hilfe in den Bus kommt und empörten sich darüber. Autobus-Lieder wurden gesungen, und die Kinder stellten beeindruckt fest: „Christian sitzt in zwei Fahrzeugen gleichzeitig – im Rollstuhl und im Bus“. Diese Busfahrt war ein schönes Erlebnis, und Christian brachte mit dem Satz

„Ihr seid alle lieb zu mir!“ seine Freude über das Erlebte zum Ausdruck.

Wir erinnerten uns an seinen Anfang in der Gruppe: Er hatte kein Selbstvertrauen und gebrauchte seine Hände nicht. Heute möch- te er alles selbst machen, robbt eigenständig

durch den Raum, bewegt sich mit seinem Rollstuhl geschickt durch das Haus und äußert auch mal den Wunsch, in einer ande- ren Gruppe spielen zu wollen. Er fühlt sich gleichberechtigt.

Ergebnisse, Erkenntnisse und offene Probleme

Nimmt man „Gemeinsame Erziehung“

ernst, so wird in vielen Situationen deutlich, wie wichtig es ist, Ansprechpartner zu haben, mit den Problemen nicht allein zu bleiben. Das Zusammenwirken von Eltern, Kindergarten, Therapeuten und Ärzten ist grundlegend für eine erfolgreiche Integrati- on. Fachkompetenz und damit ständige Fortbildung sind gefordert. Die Zusammen- arbeit mit medizinischen Fachkräften ist wichtig, die pädagogischen Mitarbeiter müssen lernen,wie man beispielsweise einem querschnittsgelähmten und nieren- kranken Kind die Blase ausdrückt, daß sich unkontrolliertes Eßverhalten bei einem an Mukoviszidose erkrankten Kind sehr nega- tiv auswirkt bzw. welche Hilfestellung gege- ben werden muß, wenn ein spastisches Kind krampft. Die Art der Hilfestellung muß mit jedem Kind spezifisch erlernt werden.

Zusammenfassend nun einige Ergebnisse und Erkenntnisse unserer Arbeit:

Bei entsprechenden Bedingungen ist die Aufnahme auch schwerbehinderter Kinder möglich.

Die Verbesserung des Sozialverhaltens beim gesunden Kind ist nachweisbar;

Stärken und Schwächen der eigenen Person und des anderen werden be- wußter erlebt.

Das behinderte Kind wird im Zusam- menleben mit gesunden Kindern besser

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auf die Bewältigung des alltäglichen Lebens vorbereitet.

Das Sozial- und Leistungsverhalten wird positiv beeinflußt, z.B. die Kon- taktfreudigkeit, die Selbständigkeit, Kommunikationsfähigkeit, die geistige Ansprechbarkeit und die Vielfalt in Gestaltungsmöglichkeiten.

Eltern erfahren Begleitung auf dem schwierigen Weg, die Behinderung ihres Kindes anzunehmen, sie fühlen sich angenommen und entwickeln einen offeneren Kontakt zu ihren Mit- menschen.

Offene Probleme, die engagierte Mitarbeit verlangen:

Die Integrationstheorie ist anerkannt, die Praxis braucht Hilfe in der Umset- zung;

Therapeuten sollten sich dem integrati- ven Moment noch mehr öffnen und ihre Arbeit in die Integrationsgruppe verle- gen;

Therapien müssen gut ausbalanciert sein, um eine Therapiemündigkeit des Kindes zu vermeiden;

Gesundheits- und Krankenkassen müs- sen einen Angebotskatalog über mög- liche Therapien erstellen;

aufgeschlossene Sponsoren sind ge- fragt;

mehr Augenmerk für behindertenge- rechte Begehbarkeit öffentlicher Wege und Einrichtungen;

arbeitsfähige, interdisziplinäre Arbeits- und Beratungsteams sind notwendig;

Konkurrenzdenken ist nicht zum Woh- le des Kindes und verhindert integrati- ves Arbeiten;

Erzieherinnen müssen sich auf den Weg machen, gemeinsam zu planen, zu ge- stalten und Konflikte zu lösen;

die betreuungsfreie Zeit im Kindergar- ten ist unzureichend, Planung und Reflexion der pädagogischen Arbeit kommen zu kurz;

überregionale und regionale Weiterbil- dungsveranstaltungen sind zur Zeit unzureichend.

Dieser Beitrag „Gemeinsames Leben behin- derter und nichtbehinderter Kinder“ wurde von Helga Brennenstuhl bei dem 2. Pädago- gischen Forum 1996 im Sozialpädagogi- schen Fortbildungswerk Brandenburg (SPFW) in Blankensee vorgetragen. Nach dem Vortrag erfolgte in einer Arbeitsgrup- pe eine lebhafte Diskussion. Die in der nachfolgenden Übersicht zusammengefaß- ten Diskussionssplitter belegen die inten- siven Gespräche.

G E M E I N S A M E S L E B E N

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Diskussionssplitter

– Integrative Erziehung kann nicht von oben diktiert werden, die positive Einstel- lung jeder einzelnen Erzieherin ist die Grundlage für erfolgreiche Integration;

– Unterstützung für die Erzieherinnen ist notwendig: so wird aus dem Wollen tatsächlich Können: Fachliteratur, Fortbildung in Theorie und Praxis und ein sorg- sames Ausbalancieren der Arbeitszeit in Betreuungszeit und kinderfreie Zeit zum Vorbereiten, Planen, Reflektieren und für die Zusammenarbeit mit den Eltern;

– Behinderte Kinder dürfen nicht ausgegrenzt werden. Das Zusammenleben von anfang an ist notwendig, um Berührungsängste erst gar nicht aufzubauen;

– Abschiednehmen vom Defizit-Denken! Genau hinschauen und hinfühlen - was kann das Kind, das ist die entscheidende Frage;

– Auf Eltern behutsam zugehen; Können wir uns in Eltern hineinversetzen, die mit einem behinderten Kind leben? Geduld und Einfühlungsvermögen sind wichtig:

die Eltern kennen ihr Kind am besten, wir brauchen ihre Mitarbeit;

– Verhaltensauffälligkeit? – Wo beginnt sie?

– Integration erfordert ein gutes Zusammenspiel von Eltern, Erzieherinnen, Träger, Ämtern, Therapeuten und Ärzten;

– Integration verlangt, Ressourcen in jeder Beziehung ausfindig zu machen und kooperativ zu nutzen.

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Die Kindertageseinrichtungen in der Bun- desrepublik geraten zunehmend unter Druck, ihre Arbeit unter verschiedenen Gesichtspunkten zu legitimieren. Da sind zum einen schon immer die Eltern gewesen, die von der Kita, zumindest vom Kindergar- ten, erwarten, daß ihre Kinder so auf die Schule vorbereitet werden, daß Rückstel- lungen vom Schulbesuch wegen fehlender Schulfähigkeit vermieden und die Start- chancen in der Schule erhöht werden. Die- se Erwartung wird auch von den zuständi- gen Landesbehörden geteilt, denen der Anteil der Kinder, die Jahr für Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt werden, zu hoch erscheint. Da sind in jüngster Zeit aber auch Überlegungen, ob nicht die Kindertages- stätte insgesamt erhebliche Beiträge zu den Bildungschancen von Kindern leistet, die bislang möglicherweise unterschätzt wor- den sind. Gestützt wird diese Vermutung durch neueste Untersuchungen, die zwar wie andere zuvor auch bestätigen, daß etwa 80% der Unterschiede im Leistungsniveau von Kindern auf das Elternhaus zurückzu- führen sind. Für 20% aber könnten mit erheblichen Folgen für die Kinder Unter- schiede in der Qualität von Kindertagesein- richtungen verantwortlich sein.

Auf der anderen Seite liegen die Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen vor, nach denen der Anteil der Kinder mit Verhaltens- auffälligkeiten in den Kindergärten zwischen 13% und 35% schwankt. Andere Autoren

weisen darauf hin, daß der Anteil von Kin- dergartenkindern mit Sprachstörungen in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich zugenommen habe und zwischen 18% und 34% variiert (vgl. den auch sonst lesens- werten Aufsatz von Mayr 1997). Wir müs- sen also davon ausgehen, daß in den Kin- dergärten ein erheblicher Anteil von Kindern betreut wird, die in unterschiedlicher Weise von einer sogenannten normalen Entwick- lung abweichende Muster zeigen und deren Schulfähigkeit damit zumindest potentiell in Frage gestellt ist.

Für einen Teil dieser Kinder stehen im Rah- men von Integrationsgruppen oder über Modelle der Einzelintegration Fördermög- lichkeiten zur Verfügung. Ein anderer Teil wird über zusätzliche Angebote in Frühför- derstellen oder Therapieeinrichtungen ergänzend gefördert. Was aber ist die Situa- tion für Kinder, die nicht als behindert oder als von Behinderung bedroht gelten, gleich- wohl aber psychosoziale Auffälligkeiten zei- gen? Und wem fällt zunächst einmal auf, daß es sich um Auffälligkeiten handelt?

Sicher kommt der Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchungen durch die Eltern der Kinder eine grundlegende präventive Bedeutung zu, soweit es sich um gravieren- de Behinderungen handelt. Dabei sollte aber auch nicht darüber hinweggesehen werden, daß auf dem Gebiet der Früher- kennung von Behinderungen und Entwick- lungsverzögerungen insbesondere im Säug- F R Ü H E R K E N N U N G , F R Ü H F Ö R D E R U N G U N D S C H U L F Ä H I G K E I T

Früherkennung, Frühförderung und Schulfähigkeit als pädagogische

Aufgabe in Kindertagesstätten?

Hans-Joachim Laewen (INFANS e.V.)

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lingsalter auch im Bereich ärztlicher Aus- und Fortbildung noch Verbesserungsmög- lichkeiten bestehen.

Die Familien der Kinder sind hier in einer schwierigen Situation: Den Eltern fehlen in aller Regel sowohl fachliche Kenntnisse als auch der Vergleichsmaßstab, der sie auf das Vorliegen einer Entwicklungsverzögerung bei ihren Kindern aufmerksam machen könnte. Darüber hinaus fällt es Eltern aus verständlichen Gründen oft sehr schwer, einen solchen Sachverhalt zu akzeptieren.

Die Frage drängt sich auf, inwieweit nicht die Kindertagesstätte eine Rolle überneh- men könnte, die sowohl den Kindern zugute kommen als auch den Erwartungen der Eltern gerecht werden könnte.

Für eine solche Rolle spräche zumindest, daß die Erzieherinnenn über Vergleichsmöglich- keiten verfügen, die ihren Blick für Auffällig- keiten in der Entwicklung oder im Verhalten von Kindern schärfen. Tatsächlich läßt sich auch auf der Basis von Untersuchungser- gebnissen belegen, daß das Urteil von Erzie- herinnen in dieser Hinsicht oft genug mit den Resultaten einer Fachdiagnostik über- einstimmt. Der Vorteil wäre, daß erfahrene Erzieherinnen, die ein Kind ja täglich sehen, oft auch schon im Krippenalter auf Entwick- lungsrückstände aufmerksam werden. Kitas könnten, wenn diese Ressourcen genutzt würden, Teil eines Früherkennungssystems werden, das die Wahrscheinlichkeit deutlich verringern könnte, daß auffällige Entwick- lungen bei Kindern nicht oder nicht recht- zeitig bemerkt werden. Es käme allerdings darauf an, den Erzieherinnen zu helfen, ihre Beobachtungen zu systematisieren und zu dokumentieren. Dazu könnten Instrumente hilfreich sein, durch die die Aufmerksamkeit der Erzieherinnen und die Formulierung der beobachteten Sachverhalte angeleitet wer- den kann.

Darüber hinaus ginge es um eine Vertiefung des Verstehens für die Gründe und Anlässe, die zu auffälligem Verhalten oder Entwick- lungsverzögerungen bei Kindern beitragen können. Dabei muß allerdings vollkommen klar sein, daß es sich auch bei angeleiteten Beobachtungen der Erzieherinnen nicht um eine Diagnostik handeln kann, die allein fachlich qualifizierten Einrichtungen und Fachpersonal vorbehalten bleiben muß.

Auch therapeutische Arbeit kann so nicht in der Kita von Erzieherinnen geleistet werden, wohl aber wäre darüber nachzudenken, inwieweit der Alltag in den Kindertagesein- richtungen nicht Fördermöglichkeiten bie- tet, die außerhalb eines therapeutischen Bedarfs genutzt und auch ganz allgemein der Qualität der pädagogischen Arbeit in der Einrichtung zu gute kommen könnten.

Zu einer solchen denkbaren Entwicklung sollen zunächst einige grundlegende Über- legungen angestellt werden.

Aufgabe der Kindertagesstätte

Nach § 3 des brandenburgischen Kitageset- zes ist es insbesondere die Aufgabe der Kita, die Entwicklung der Kinder durch ein ganz- heitliches Bildungs-, Erziehungs-, Betreu- ungs- und Versorgungsangebot zu fördern.

Die Kita realisiert diesen Auftrag in enger Zusammenarbeit mit den Familien der Kin- der, jedoch als eigenständige Aufgabe. Die- se Festlegung ist durchaus sinnvoll, denn unabhängig vom (größeren) Einfluß der Familie leistet die Kindertagesstätte einen eigenen Beitrag zur Entwicklung der Kinder, der durchschnittlich, wie oben bereits erwähnt, bei etwa 20% liegen dürfte. Dabei spielt die Qualität der pädagogischen Arbeit in der Kindertagesstätte eine gewichtige Rolle. In einer kürzlich abgeschlossenen Untersuchung von W. Tietze, der das Insti- tut für Kleinkindpädagogik der Freien Uni-

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versität Berlin leitet, konnte gezeigt werden, daß der Unterschied in der Qualität der Arbeit zwischen einer sehr schlechten Ein- richtung und einer sehr guten für das Kind hinsichtlich wichtiger Teile seiner Sprach- fähigkeit bis zu knapp einem Jahr Entwick- lungsunterschied ausmachen kann (Tietze 1998).

Mit diesem Sachverhalt ist klar der Bil- dungsauftrag der Kindertagesstätten ange- sprochen, der offensichtlich mit sehr unter- schiedlichem Erfolg erfüllt wird. Dabei tra- gen die Kitas die Verantwortung für diese Heterogenität in den Leistungen nicht allein.

Zweifellos wäre vor allem eine größere Klar- heit in der Formulierung, was unter Bil- dungsprozessen im Kindergartenalter oder gar in der Kinderkrippe verstanden werden soll, von großer Bedeutung für die Orientie- rung der Arbeit in den Kitas. Es liegen inzwi- schen Kenntnisse über die frühen Bildungs- prozesse vor, die noch keineswegs überall bekannt geworden sind oder Eingang in die alltägliche Praxis in den Kitas gefunden hät- ten. Auffällig ist dabei, daß wichtige Ein- sichten in dieses Thema schon seit langer Zeit bekannt sind, ohne daß ihnen ganz offensichtlich die nötige Beachtung geschenkt wurde. Das Rad, so kann gesagt werden, muß nicht neu erfunden werden, es müßte nur endlich Gebrauch von der Erfin- dung gemacht werden. Worum geht es?

Zu den Grundlagen der „Bildungs- prozesse im Kindesalter“

Das gleichnamige Buch von G. Schäfer (1995) faßt den derzeitigen Wissensstand zusammen. Seine Argumentation basiert wesentlich auf dem Konzept der Subjekti- vität eigenaktiven Lernens von Kindern, das in allen pädagogischen Entwürfen der Neu-

zeit enthalten ist und von Schäfer über die Grenzen einzelner wissenschaftlicher Diszi- plinen hinaus als anthropologische Grundla- ge von Bildungsprozessen im Kindesalter weiterentwickelt wurde. Die Selbsttätigkeit des Kindes bei der Aneignung der Welt, ihre Motive, Tiefenstrukturen und Formen sind als Konstruktionsprozess des Kindes im Kon- text vielfältiger sinnlicher Erfahrung diffe- renziert und fächerübergreifend dargestellt.

Selbsttätigkeit

Es muß davon ausgegangen werden, daß Kinder von Geburt an mit allen Sinnen und Kräften darum bemüht sind, sich ein „Bild von der Welt“ zu machen und darin hand- lungsfähig zu sein. Eine Pädagogik (nicht nur) der frühen Jahre hätte die Aufgabe, diese Bemühungen der Kinder zu ermögli- chen, sie zu unterstützen und auf immer höherem Niveau zu erweitern.

Eine Pädagogik, die nach dem Stand und den Wegen dieser Bemühungen nicht fragt, sondern in erster Linie daran interessiert ist, das Kind in bestehende Verhältnisse einzu- fädeln, bekommt es mit einem beträchtli- chen Widerstandspotential zu tun, über das auch sehr junge Kinder schon verfügen. Eine solche Pädagogik arbeitet dann notwendi- gerweise gegen die Kraft der Kinder an und muß erhebliche Reibungsverluste in Kauf nehmen, durch die die Effizienz von Bil- dungsbemühungen nachhaltig beeinträch- tigt werden kann.

Kindertagesstätten sollten sich deshalb weniger als Orte zur Einübung „richtigen Verhaltens“ verstehen, sondern – um ein Bild zu gebrauchen – eher als Forschungsin- stitute, in denen die Kinder sich intensiv und mit allen Sinnen bemühen, durch Versuch und Irrtum, durch die Bildung von Arbeits- F R Ü H E R K E N N U N G , F R Ü H F Ö R D E R U N G U N D S C H U L F Ä H I G K E I T

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hypothesen und ihre Prüfung ein Welt- und Selbstbild zu entwickeln. „Richtiges Verhal- ten“ wäre das Ergebnis einer Untersuchung des Gegenstands durch die Kinder und nicht einer Konditionierung. Erzieherinnen wür- den unter dieser Perspektive eine Art von Forschungsassistentinnen oder Mentorin- nen sein, die die Forschung der Kinder ermöglichen, sie unterstützen und sie in ihrer Thematik erweitern. Die angemessene pädagogische Methode dazu wäre der Dia- log, ein lang andauerndes, kontinuierliches Gespräch zwischen Erzieherin und Kind über die Welt und ihre Zusammenhänge. Aufga- be von Pädagogik wäre dann entsprechend einer Formulierung von Klaus Mollenhauer

„die Herausforderung der Selbsttätigkeit des Kindes zur Aneignung legitimierbarer und zukunftsfähiger Kulturbestände“ (Mol- lenhauer 1983). Es würde mit anderen Wor- ten darauf ankommen, die pädagogische Methodik und ggf. Zielsetzung so zu verän- dern, daß mit der Kraft der Kinder gearbei- tet werden kann statt gegen sie.

Wem dies alles zu ungewohnt, vielleicht irgendwie utopisch klingt, sei auf die inzwi- schen über mehr als 30 Jahre andauernden Erfahrungen verwiesen, die in den kommu- nalen Kindertageseinrichtungen im italieni- schen Reggio Emilia gemacht worden sind.

Die Kindergärten und Krippen der Stadt sind vor einigen Jahren von amerikanischen Experten zu den zehn besten Bildungsein- richtungen der Welt gerechnet worden, und wer Gelegenheit hatte, die Einrichtungen selbst zu besuchen, wird beobachtet haben, daß die Dinge, von denen hier die Rede war, dort gut verstanden worden sind. Dort kön- nen jederzeit Beispiele für ein Vorgehen beobachtet werden, wie es oben beschrie- ben wurde. In einem Bericht über die Reg- gio-Pädagogik heißt es: „Kinder fragen uns nicht, um unsere Antworten zu hören, son- dern um Instrumente zu bekommen, die das

eigene Forschen erweitern.“ (klein & groß, Heft 5/97, S. 10).

Das Kindbild, auf das sich die Pädagogik in den kommunalen Kindereinrichtungen von Reggio bezieht, kann in seinem Wesensge- halt in einer Aussage zusammengefaßt wer- den: Das Kind ist Konstrukteur seiner Kennt- nisse.

„Jedes Kind konstruiert seine Kenntnisse in Verbindung mit den Kenntnissen der ande- ren“, sagen sie in Reggio und ziehen Schlüs- se daraus für die Rolle der Erzieherin: „Eine gute Erzieherin vermittelt nicht Wissen, sondern versucht, Kenntnisse zusammen mit den Kindern zu konstruieren.“

Und:„Die Erzieherin lernt von den Kindern, welche Wege sie genommen haben. Der Bau der Kenntnisse ist ein großer Tanz, der sich in Raum und Zeit bewegt. Der Prozeß des Lernens ist eine täglich neue Mischung der Kenntnisse. Kinder lernen nicht linear, ihr Lernen gleicht dem Flug eines Schmet- terlings, der sich bald hier, bald dort nie- derläßt. Die Kinder versuchen, das „War- um“ der Dinge zu verstehen.“

Aus dieser Perspektive werden traditionelle Formen des Umgangs mit Kindern kritisiert:

„Das wesentliche für Kinder ist die Suche nach neuen Bedeutungen. Kinder stellen sich interessante Probleme und werden in der traditionellen Umwelt müde, sinnlose Antworten zu geben. Kinder erzählen sich Geschichten. Wenig davon ist für uns sicht- bar. Wir glauben fälschlicherweise, alles zu verstehen, wenn wir mit Kindern zusam- men sind. Aber die Erwachsenengedanken über die Kultur der Kinder sind fast nie das, was die Kinder denken, denn die Geschich- ten der Kinder sind lange Geschichten, Geschichten im Innern von anderen Ge- schichten. Kinder sind Darsteller undAuto-

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ren ihrer Geschichten. Sie warten darauf, gesehen zu werden, verstanden zu werden.

Aber die Erwachsenen treten den Kindern mit den Zumutungen der Langeweile ent- gegen.“

Aus dieser Sicht tritt in den Kindereinrich- tungen von Reggio jedes Kind den Erwach- senen mit der Würde eines Konstrukteurs einer Welt von subjektiven Bedeutungen gegenüber, an deren Weiterentwicklung es unablässig arbeitet. Das Kind entwirft Hypothesen und erzählt sie den anderen Kindern und der Erzieherin. Beim Erzählen ihrer Geschichten bewegen sich die Kinder keineswegs nur auf der verbalen Ebene, sondern nutzen alle Formen des Ausdrucks, die ihnen verfügbar sind: die „hundert Spra- chen“. Die Malerei der Kinder, ihre plasti- schen Arbeiten werden folgerichtig als Kom- munikation der Kinder interpretiert, als Dar- stellungsform einer Geschichte, über deren Inhalt mit den anderen Kindern und mit den Erwachsenen diskutiert wird.

Bindungen

Eine andere Grundlage der pädagogischen Arbeit bildet eine Besonderheit der persön- lichen Beziehungen, die Kinder zu den ihnen nächsten Erwachsenen eingehen: die soge- nannten Bindungs-Beziehungen (vgl. u. a.

Spangler & Zimmermann 1995). Alle Kinder bauen solche Bindungen zu den Personen ihrer engsten Umgebung auf und sie

„benutzen“ diese Personen, um sich im schwierigen Prozeß des forschenden Ler- nens im Gleichgewicht halten zu können.

Lernen ist immer ein Einlassen auf das noch nicht Gewußte und ist mit Unsicherheit ver- bunden. Schon Gewußtes muß aufgegeben werden zugunsten von besseren Hypothe- sen. In diesem Prozeß brauchen die Kinder einen solchen Rückhalt. Sie lernen dabei

zugleich Muster der Einflußnahme auf andere Menschen, eine der Grundlagen für alles soziale Lernen.

Erzieherinnen sollte in der Lage sein, Bin- dungsverhalten als solches zu erkennen und es zulassen, vom Kind als sogenannte

„sichere Basis“ benutzt zu werden. Die Bedeutung der frühen Bindungen der Kin- der, genauer gesagt, der Qualität dieser Bin- dungen, die wir grob in sichere und unsi- chere Bindungsmuster unterteilen können, reicht offenbar weit in die Prozesse der Perönlichkeitsbildung hinein. Die For- schungsarbeiten der letzten 20 Jahre auf diesem Gebiet verweisen auf eine Reihe von Zusammenhängen mit dem Sozialverhalten der späteren Erwachsenen, die teilweise besorgniserregend sind. Die Ergebnisse einer 1995 von der Soziologin Christel Hopf und ihrer Arbeitgruppe veröffentlichten Stu- die mit dem Titel: „Familie und Rechtsextre- mismus“ deuten auf Zusammenhänge zwi- schen unsicheren Bindungsmustern zu den Müttern und späterer Gewaltbereitschaft und rechtsextremer Einstellung hin. Aus- nahmslos alle der von der Forschungsgrup- pe untersuchten Jugendlichen mit rechts- radikalen Einstellungen wiesen dieses un- sichere Bindungsmuster auf, jedoch nur wenige der Jugendlichen mit liberalen Ein- stellungen. Es mag sein, das die frühe Erfah- rung unsicherer Bindung eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für eine der risikoreichsten Entwicklungen bei Jugendlichen darstellt. Die Studie enthält jedoch auch Hinweise auf Lösungsmöglich- keiten: Eine einzige Person, zu der das Kind eine sichere Bindung aufbauen kann, die nicht Mutter oder Vater sein muß, kann offenbar eine solche negative Entwicklung zumindest entschärfen. Es gibt Grund zu der Annahme, daß auch die Erzieherin diese Person sein kann.

F R Ü H E R K E N N U N G , F R Ü H F Ö R D E R U N G U N D S C H U L F Ä H I G K E I T

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Konsequenzen

Als erste Konsequenz aus der bisherigen Argumentation müssen wir davon ausge- hen, daß zumindest ein Teil der Entwick- lungsverzögerungen oder Verhaltensauffäl- ligkeiten, die bei Kindern in Kindertages- stätten beobachtet werden können, ver- mutlich einerseits auf eine unangemessene pädagogische Arbeit in den Tagesstätten selbst zurückgeführt werden muß, anderer- seits mit den in den neuen Bundesländern immer noch andauernden Kündigungen von Erzieherinnen verbunden ist. Solange die Bedeutung der Bindungen der Kinder an ihre Erzieherinnen für ihre Entwicklung bei Kündigungen und Umsetzungen weiter in so krasser Weise mißachtet wird, wie bisher, wird sich daran auch nichts ändern. Wohl aber sollte es möglich sein, die pädagogi- schen Konzepte der Kindereinrichtungen grundlegend zu überdenken.

Dabei sollten die Kindereinrichtungen nicht sich selbst überlassen bleiben – für sie sind die oben angesprochenen Kenntnisse oft schwer zugänglich und in ihrer Bedeutung schwer einzuschätzen. Auch sollten, wie oben bereits angesprochen, Orientierungen für die Erzieherinnen zur Verfügung gestellt werden, worauf sie im Sinne einer Verbes- serung der Früherkennungsmöglichkeiten bei den von ihnen betreuten Kindern insbe- sondere achten sollten. Zur Frage der Über- arbeitung der pädagogischen Konzeptionen wird z. Zt. von INFANS im Auftrag der Bun- desregierung und der zuständigen Ministe- rien der Bundesländer Brandenburg, Sach- sen und Schleswig-Holstein ein Projekt durchgeführt, dessen Ziel die praxisnahe Formulierung eines Vorschlags für einen Bil- dungsauftrag für Kindertageseinrichtungen und die Entwicklung von Info- und Fortbil- dungsmaterial ist, über das eine solche Bil- dungskonzeption für den Vorschulbereich

vermittelt werden kann (INFANS 1997). Die Ergebnisse des Projekts werden im Sommer 2000 vorliegen.

Zur Frage der Früherkennung führt INFANS im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg gleichzei- tig eine Untersuchung zur Eignung vorhan- dener Instrumente für die Früherkennung von Entwicklungsbeeinträchtigungen durch. Bereits im Vorjahr wurde die von K. H. Barth entwickelte und auf der Fachta- gung „Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule“ im November 1997 vor- gestellte „Diagnostische Einschätzskala“

eingesetzt, die für Kinder im Alter von 5 Jah- ren oder älter genutzt werden kann. Das theoretisch gut begründete Instrument für die Hand der Erzieherin ist allerding sehr umfangreich und hat den Nachteil, daß es erst für Kinder kurz vor ihrem Übergang in die Grundschule eingesetzt werden kann.

Da sich die Fachleute des Gebiets relativ einig sind, daß Früherkennung eben so früh wie irgend möglich erfolgen sollte, wird gegenwärtig ein anderes Instrument erprobt. Es handelt sich dabei um die von Michaelis und Haas (1994) erarbeiteten sogenannten „Grenzsteine der Entwick- lung“, die bereits im ersten Lebensjahr anwendbar sind und bis zum Ende des 5. Lebensjahres reichen. Bislang liegen Daten von etwa 100 Kindern zwischen 15 Monaten und 5 Jahren vor. Eine erste Aus- wertung läßt erwarten, daß dieses Instru- ment, das einfach zu handhaben ist und für eine Erzieherin, die mit den Kindern vertraut ist, wenig Zeit in Anspruch nimmt, ein Ein- stieg in eine systematische Form der Früher- kennung zumindest grober Risiken in Kin- dertagesstätten sein könnte.

Gegenwärtig wird eine Erweiterung der Datenbasis angestrebt, so daß sich Kinder- tageseinrichtungen, die sich noch an der

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