Vorlesung 22
Integraldarstellungen komplexer Funktionen
Seien Grenzen a, b 2 R mit a < b eines abgeschlossenen beschränkten Intervalls X DŒa; bRgegeben.
Cauchy-Integral längs eines Weges. Seien ein Weg W X ! C und eine stetige Funktion g W ŒX ! C gegeben. Diejenige Funktionf W C n ŒX ! C, welche jedem Punktz 2 Cn ŒX den Wert
f .z/ D 1 2i
Z
g./ d
z 2C
zuordnet, besitzt die folgenden Eigenschaften:
1. Die Funktionf WCn ŒX !Cist analytisch.
2. Für jedes z0 2 C n ŒX und r > 0 mit ˚
z 2 C j jz z0j < r C n ŒX konvergiert die Potenzreihe.fn/um den Mittelpunktz0mit den durch
ak D 1 2i
Z
g./ d
. z0/kC1 2C fürk 2N [ f0g gegebenen Koeffizienten.ak/in˚
z 2 Cj jz z0j< r gegen die Grenzfunktionf. 3. Die Funktionf WCn ŒX !Cbesitzt die Ableitungen
Dkf .z/D kŠ 2i
Z
g./ d
. z/kC1 2C für allez 2Cn ŒX undk2N [ f0g:
Integralformel von Cauchy. Seien U C einfach zusammenhängend und offen, f WU !Ceine analytische Funktion und WX !Cein geschlossener Weg inU.
Die für einen beliebig gegebenen Punktz 2 U n ŒX durch
g./D 8
<
:
f . / f .z/
z für2 U mit¤z;
Df .z/ für2 U mitDz;
definierte Funktion g W U ! C ist analytisch. Der Integralsatz von Cauchy liefert R
g./ d D0, daU Ceine einfach zusammenhängende offene Menge ist. Da g./D f ./
z
f .z/
z für alle 2 ŒX gilt, ergibt sich daraus dieIntegralformel von Cauchy
ind.; z/f .z/D 1 2i
Z
f .z/ d
z D 1
2i Z
f ./ d
z für allez 2 U n ŒX und somit folglich auch
ind.; z/Dkf .z/ D kŠ 2i
Z
f ./ d
. z/kC1 für allez 2U n ŒX undk2N [ f0g:
2
Cauchy-Taylor-Entwicklung in Potenzreihen. SeiU Ceine offene Menge und f W U ! Ceine analytische Funktion, ferner z0 2 U und 0 < R 1der größte Radius, so daß der Kreis˚
z 2 C j jz z0j < R inU liegt. Wird r 2 0; RŒbeliebig vorgegeben und definiert man die (geschlossene) Kreislinie W Œ0; 2 ! C in U durch.t /Dz0CrExp.it /fürt 2Œ0; 2, dann gilt:
1. Die Potenzreihe.fn/um den Mittelpunktz0mit den fürk2N [ f0gdurch ak D Dkf .z0/
kŠ D 1
2i Z
f ./ d
. z0/kC1 D 1 2
Z 2 0
f .z0CrExp.it // dt rkExp.ik t / gegebenen Koeffizienten.ak/konvergiert in˚
z 2C j jz z0j< R und somit gleich- mäßig in˚
z 2C j jz z0j r gegen die Grenzfunktionf.
2. Die somit in bezug auft 2Œ0; 2gleichmäßige Konvergenzbeziehung
1
X
kD0
f .z0CrExp.it //akrkExp. ik t /Df .z0CrExp.it //f .z0CrExp.it //
liefert nach Integration und Vertauschung der Grenzprozesse dieParseval-Relation
1
X
kD0
jakj2r2k D
1
X
kD0
akr2k 1 2
Z 2 0
f .z0CrExp.it // dt rkExp.ik t / D 1
2 Z 2
0
ˇ
ˇf .z0CrExp.it //ˇ
ˇ2dt max
jz z0jDrjf .z/j2;
3. Insbesondere folgen daraus für die Koeffizienten.ak/dieCauchy-Abschätzungen jakjrk max
jz z0jDrjf .z/j für allek 2N[ f0g:
Äquivalente Charakterisierung analytischer Funktionen. IstU C offen und gWU !Cstetig, dann sind folgende Aussagen äquivalent:
1. Die FunktiongWU !Cist analytisch.
2. Die FunktiongWU !Cbesitzt eine stetige AbleitungDgWU !C.
3. Zu jedemz0 2U existiert ein offener KreisB U mit dem Mittelpunktz0 2B, so daßgaufBeine Stammfunktionf WB !Cbesitzt.
4. Für jedesz0 2 U existiert ein offener KreisB U mit dem Mittelpunktz0 2B derart, daßR
g.z/ dz D0für jeden geschlossenen Weg WX !CinB gilt.
Vertauschbarkeit von Grenzprozessen. Sei eine offene Menge U C und eine Folge.fn/analytischer FunktionenfnW U !Cgegeben, die punktweise gegen eine Grenzfunktionf WU !Ckonvergiert.
Konvergiert die Folge .fn/ in jedem abgeschlossenen Kreis F U gleichmäßig gegen die Grenzfunktionf WU !C, so istf analytisch. Für jedesk2 Nkonvergiert die Folge.Dkfn/ der Ableitungen Dkfn W U ! C in jedem abgeschlossenen Kreis F U gleichmäßig gegenDkf WU !C.
3
Fundamentalsatz der Algebra. Seien eine Ordnung n 2 N sowie Koeffizienten a0; : : : ; an 2 C mit an ¤ 0 gegeben. Dann besitzt die durch f .z/ D Pn
kD0akzk fürz 2C definierte ganze rationale Funktionf WC !Cgenaun(nicht notwendig voneinander verschiedene) Nullstellenz1; : : : ; zn 2Cund somit die Darstellung
f .z/ D
n
X
kD0
akzk Dan n
Y
kD1
.z zk/ für allez 2C:
Teilbruchzerlegung rationaler Funktionen. Seien durch '.z/ D Pm
kD0bkzk und f .z/ D Pn
kD0akzk für z 2 C und die Koeffizienten b0; : : : ; bm 2 C mit bm ¤ 0 bzw.a0; : : : ; an 2 Cmitan ¤ 0zwei ganze rationale Funktionen',f W C !C der Ordnungenm 2N[ f0gbzw.n 2N mitm < ngegeben.
1. Dann hatf eine Anzahl` 2 f1; : : : ; ngverschiedenerNullstellenz1; : : : ; z` 2 C der Ordnungen˛1; : : : ; ˛` 2N mitP`
kD1˛k Dnund damit die Darstellung f .z/ D
n
X
kD0
akzk Dan
`
Y
kD1
.z zk/˛k für allez 2C:
2. Unter der Voraussetzung, daß ' und f keinegemeinsamen Nullstellen haben, besitzt die echt gebrochene rationale Funktion f' WCn fz1; : : : ; z`g !Ceine eindeu- tige Darstellung in Form einer Teilbruchzerlegung
'.z/
f .z/ D
`
X
kD1
˛k
X
jD1
akj
.z zk/j fürz 2Cn fz1; : : : ; z`g
mit Koeffizientenak1; : : : ; ak˛k 2 Cfür k 2 f1; : : : ; `g, welche sich aus beiden Dar- stellungen für die rationale Funktion f' nach Multiplikation mit dem Hauptnenner und dem Koeffizientenvergleich vor Termen gleicher Ordnung inz als Lösung eines linearen Gleichungssystems berechnen lassen.