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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 37, 17. September 1999 (1)
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ie Bundesregierung ist im Begriff, im Zuge der Ge- sundheitsreform 2000 der Qualitätssicherung in der Medizin einen Bärendienst zu erweisen.Zwar wird der Qualitätssicherung ein deutlich höherer Stellenwert als bisher eingeräumt; klopft man jedoch die geplanten Vorschriften auf ihre Realitätsnähe, Praktika- bilität, Umsetzbarkeit und Finan- zierbarkeit ab, so muß man das Qualitätsurteil „mangelhaft“ atte- stieren. Denn zu oft lugt hinter den Vorschriften die Absicht hervor, den Medizinbetrieb auch über die Qualitätssicherung noch mehr zu bürokratisieren, zu kontrollieren, mit Sanktionen zu bedrohen und alles in den Dienst der Kosten- dämpfung und Budgetierung zu stellen. Zudem sollen die Ent- scheidungskompetenzen bei der Qualitätssicherung weitgehend in Richtung Krankenkassen verla- gert werden.
Das Konzept ist realitätsfern und kann in dieser Version nicht mit einer Zustimmung seitens der Ärzte rechnen. Das Konzept kehrt das Ziel der Qualitätssicherung, nämlich die Patientenversorgung zu verbessern, eine Hilfestellung
für Ärztinnen und Ärzte bei der Berufsausübung zu leisten, ins Ge- genteil. Von oben herab soll ein be- stimmtes in den Dienst der Ausga- bendrosselung gestelltes Konzept oktroyiert werden. Eine Art Ge- sundheitspolizei soll dazu einge- spannt werden, nach Übertretern und Schwarzen Schafen zu fahn- den und diese zu bestrafen. Nicht eine Verbesserung der Versor- gungsqualität zugunsten des Pati- enten steht im Vordergrund, son- dern vielfach die pure Ökonomie und die Wirtschaftlichkeit.
Dabei hat es mit dem 1997 re- vidierten § 137 Sozialgesetzbuch V (SGB V) einen positiven Neuan- fang gegeben. Danach wurde nach langem Ringen auch die Bundes- ärztekammer (BÄK) als gleichbe- rechtigter Partner in die dreiseiti- gen Verträge mit den Spitzenver- bänden der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausge- sellschaft einbezogen. Jetzt ist im umformulierten § 137 (SGB V) vorgesehen, die Ärzteschaft durch ein Anhörungsrecht bei zweisei- tigen Vertragspartnerschaften von Krankenkassen und Kranken- hausgesellschaft lediglich hinzuzu- ziehen. So könnten neue Qua-
litätssicherungsmaßnahmen auch gegen die Ärzteschaft vereinbart werden.
Auch bei den geplanten stren- geren Vorschriften zu einem in- ternen Qualitätsmanagement der Krankenhäuser wird die Position der Ärzteschaft und der BÄK inso- weit verschlechtert, als die bereits heute realisierten partnerschaftli- chen Vertragsvereinbarungen zu- rückgestutzt werden sollen, so daß die Ärzteschaft lediglich gehört werden muß. Ganz in dieses Vor- gehen passen auch die Absichten, die Qualitätsvorschriften beim am- bulanten Operieren, also an einer wichtigen Schnittstelle der ambu- lanten zur stationären Versorgung, ohne die Ärzteschaft zu formulie- ren. Und im Bereich der ambulan- ten und stationären Vorsorge und Rehabilitation (§ 137 d SGB V), wo ebenfalls wichtige medizinische Fragen und strukturelle Kom- ponenten festzulegen sind, wird der ärztliche Sachverstand auch ausgesperrt, ganz nach der Devise:
mehr Macht für die Kranken- kassen, Vorrang der Kostendämp- fung. Ignoriert wird: Kontrolle und Fremdbestimmung lähmen und be- hindern. Dr. Harald Clade