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Archiv "Krankenhäuser/Qualitätssicherung: Übers Knie gebrochen" (17.02.2006)

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K

lasse durch Masse – dieser Leit- spruch zur Befürwortung von Min- destmengen mag auf den ersten Blick plausibel erscheinen angesichts vieler retrospektiver Studien, die stati- stische Zusammenhänge zwischen Lei- stungsmenge und Ergebnisqualität be- schreiben. Bei näherer Überprüfung er- scheinen solche Studienergebnisse aus methodischer Sicht aber fast immer mehr als fragwürdig. Zweifel an dieser vereinfachten Sichtweise werden nun bestärkt durch den Bericht zu Berech- nung von Schwellenwerten für Min- destmengen bei Kniegelenk-Totalendo- prothesen (Knie-TEP), den das Institut für Qualität im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) erstellt und am 6. Februar veröffentlicht hat: Min- destmengen für Knie-TEP sind aus den ausgewerteten deutschen Routineda- ten der Bundesgeschäftsstelle Quali- tätssicherung (BQS) nicht ableitbar.

Ohne konkrete Fallzahl in den Mindestmengenkatalog

Im September 2004 hatte der G-BA die Leistung „Knie-TEP“ dem Mindest- mengenkatalog zugewiesen, ohne eine konkrete Fallzahlgrenze zu definieren, weil hierfür eine belastbare Daten- grundlage fehlte. Ein fragwürdiger Be- schluss – unterstellt er doch den Nach- weis eines Zusammenhangs von Qua- lität und Menge bei der Knie-TEP, ohne diesen quantifizieren und einen Ergeb- nisqualitätsindikator hierfür spezifizie- ren zu können. Eine evidenzbasierte Bewertung der Publikationen zu Min- destmengen bei Knie-TEP ergab eine inkonsistente Datenlage: Ein Grenz- wert zur Unterscheidung zwischen schlechter und guter Ergebnisqualität

ließ sich aus den bis 2004 veröffentlich- ten Daten nicht ableiten (DÄ, Heft 44/2004).

Angesichts dieser unklaren Gemen- gelage entschied sich der G-BA, das IQWiG zu beauftragen, anhand deut- scher Daten ein Rechenmodell zur Schwellenwertbestimmung für die Knie- TEP zu entwickeln und nach Möglich- keit Mindestmengen zu definieren.

Statt jedoch die Auswertungen des IQWiG abzuwarten, legte das zuständi- ge G-BA-Gremium – begleitet von ei- ner von den Krankenkassen geführten Pressekampagne – im August 2005 überraschend eine ab 2006 geltende verbindliche Mindestmenge von 50 Ein- griffen pro Krankenhaus und Jahr fest, wiederum ohne auf einen spezifischen Ergebnisqualitätsindikator Bezug neh- men zu können. Für Krankenhäuser, die knapp unter dieser Menge in einem Bereich von 40 bis 49 Eingriffen pro Jahr liegen und die im BQS-Verfahren zur stationären Qualitätssicherung ge- sondert definierte Qualitätsanforde- rungen erfüllen, wurde im Nachgang ei- ne Übergangsregelung für das Jahr 2006 festgelegt.

Der dem G-BA noch Anfang De- zember 2005 zugeleitete Bericht des IQWiG basiert auf Daten der BQS- Bundesauswertungen für die Jahre 2003 und 2004 und stellt – auch im internatio- nalen Vergleich – die in methodolo- gisch-statistischer Hinsicht beste Ana- lyse zu Mindestmengen bei Knie-TEP dar. Als Indikatoren der Ergebnisqua- lität wurden von den Fachexperten des G-BA die Beweglichkeit des Kniege- lenks und die Häufigkeit von Wundin- fektionen ausgewählt. Valide Schwel- lenwerte, die eine klinisch bedeutsame Risikoreduktion durch Fallzahlsteige- rung bewirken würden, ließen sich in den Auswertungen des IQWiG nicht

ableiten: Für den Indikator „Unbeweg- lichkeit“ fand sich kein geradliniger, sondern ein U-förmiger Kurvenverlauf mit Qualitätsverschlechterung bei sehr hohen Fallzahlen. Für den Indikator

„Infektion“ ergab sich eine sehr flache, gleichförmig fallende Kurve. Zwar kön- ne ein statistisch signifikanter negativer Zusammenhang zwischen Fallzahl und Infektionsrisiko gezeigt werden, der Er- klärungswert der Fallzahl sei jedoch zu gering, um hieraus einen gültigen Schwellenwert ableiten zu können – so das IQWiG.

Auch die bereits eingeführte Min- destmenge von 50 Fällen sei nicht mit einer klinisch bedeutsamen Reduktion des Infektionsrisikos verbunden. Noch höhere Mindestmengen, die möglicher- weise für den Indikator „Infektion“

sinnvoll erschienen, würden dagegen mit Blick auf den Indikator „Unbeweg- lichkeit“ und den U-förmigen Verlauf der Ergebnis-Häufigkeits-Kurve zu ei- ner Qualitätsverschlechterung führen – und damit eine unerwünschte Fehl- steuerung bedingen können.

Mindestmengenvereinbarung trotz fehlender Evidenz

Trotz Kenntnis des IQWiG-Berichts hat es der Ausschuss Krankenhausbehand- lung des G-BA im Dezember 2005 ab- gelehnt, die vorgegebene Mindestmen- ge von 50 Knie-TEP pro Jahr und Kran- kenhaus wieder auszusetzen. Der aktu- elle wissenschaftliche Erkenntnisstand zur Bedeutung von Mindestmengen in der Knie-Endoprothetik auf Basis deut- scher Daten wird damit nicht berück- sichtigt. Zugleich wurde auf Betreiben der Krankenkassen die Mindestmen- genvereinbarung dahingehend geän- dert, dass künftig die methodischen An- forderungen für den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Leistungs- menge und Ergebnisqualität rigoros ab- gesenkt werden – offensichtlich will man im Ausschuss Krankenhausbe- handlung des G-BA nicht ein zweites Mal Gefahr laufen, dass eine von ihm selbst in Auftrag gegebene Studie zu Mindestmengen unbequeme Erkennt- nisse liefert, die deren Befürworter nachträglich in Begründungsnot stür-

zen könnten.

P O L I T I K

A

A376 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 7⏐⏐17. Februar 2006

Krankenhäuser/Qualitätssicherung

Übers Knie gebrochen

Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgegebene Mindestmenge für Knie-Totalendoprothesen

kann evidenzbasiert nicht bestätigt werden.

(2)

Um die Folgewirkungen einer Min- destmengen-Einführung auf die Ver- sorgung abschätzen zu können, hat der G-BA das IQWiG zusätzlich mit der Erstellung eines Prognosemodells be- auftragt, durch welches die Umver- teilung von Knie-TEP-Behandlungs- fällen und die dadurch zunehmenden Entfernungen zwischen Patienten- wohnort und nächstverfügbarem Kran- kenhaus abgebildet werden sollen.

Auch die Ergebnisse dieses Prognose- modells zur vorab festgelegten Knie- TEP-Mindestmenge hat der G-BA bei seiner Beschlussfassung nicht abge- wartet; mögliche negative Auswirkun- gen werden daher unberücksichtigt bleiben. Andere patientenrelevante Pa- rameter, wie zum Beispiel potenzielle Veränderungen der Ergebnisqualität, zunehmende Wartezeiten oder mögli- che Zugangsverschlechterungen durch die Konzentrationsprozesse, lässt der G-BA erst gar nicht im Prognosemo- dell untersuchen.

Kapazitätenabbau vor Qualitätssicherung

Die willkürliche „politische“ Festlegung von Mindestmengen für Knie-TEP kann durch die aktuellen Ergebnisse aus dem Schwellenwertberechnungsmodell des IQWiG nicht gestützt werden. Das In-Kraft-Treten der Vereinbarung wider besseres Wissen und ohne Vorliegen ei- ner Folgenabschätzung sowie die drasti- sche Lockerung der Bewertungskriteri- en für den Nachweis einer Mengen- Qualitäts-Beziehung erschüttern die Glaubwürdigkeit des G-BA hinsichtlich einer evidenzbasierten Entscheidungs- findung und nähren den Verdacht, dass es der Majorität im G-BA-Gremium für Krankenhausbehandlung weniger um Qualitätssicherung und -förderung geht als vielmehr um Mengensteuerung und die gezielte Verknappung von Kranken- hauskapazitäten.

Dr. med. Regina Klakow-Franck, M.A.

Dr. med. Hermann Wetzel, M.Sc.

Bundesärztekammer

P O L I T I K

A

A378 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 7⏐⏐17. Februar 2006

IQWiG-Bericht zu Mindestmengen bei Knie-TEP im Inter- net: www.iqwig.de/de/auftraege/biometrie_/b05-01a/

b05-01a.html

M

an kann das auch schneller ma- chen – sechs Worte, die die Poli- tik in Deutschland ordentlich durcheinander wirbelten. Gesagt hat sie Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), und gemeint hat er damit die Er- höhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Selbst der Kabinettsbeschluss, das Eintrittsalter schon bis 2029, statt wie im Koalitionsvertrag vorgesehen bis 2035, zu erhöhen, hat keine Ruhe ge- bracht. Innerhalb der SPD wird weiter gemurrt. Dachdeckern etwa sei eine Tätigkeit bis ins Alter von 67 Jahren nicht zuzumuten. Darum fordern Politi- ker wie der rheinland-pfälzische Mini- sterpräsident Kurt Beck (SPD) Ausnah- meregelungen für einzelne Berufsgrup- pen. Experten haben aber noch ganz andere Bedenken: Mit dem Vorhaben würde ein weiterer Verschiebebahnhof zulasten der Gesetzlichen Krankenver- sicherung (GKV) eröffnet, warnen sie.

Was die Rentenkasse entlastet, müssten nämlich künftige Rentnergenerationen und die GKV bezahlen. Geht der Groß- teil der Arbeitnehmer weiterhin vorzei- tig in den Ruhestand, werden das Ren- tenniveau und damit auch die GKV- Beiträge der Rentner sinken.

Abzüge sind wahrscheinlich

Um die maroden Finanzen der gesetzli- chen Rentenversicherung (GRV) zu sta- bilisieren, soll das Renteneintrittsalter bis 2029 schrittweise von derzeit 65 auf 67 Jahre angehoben werden.Theoretisch muss jeder Einzelne dadurch länger in die Renten- und die anderen Sozialversi- cherungen einzahlen. Würde die Le- bensarbeitszeit tatsächlich steigen, wür- de das auch die Kassen finanziell entla- sten, so der Gesundheitsökonom Prof.

Jürgen Wasem gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt. Gehen die Arbeitneh- mer jedoch weiterhin vorzeitig in den Ruhestand, müssen sie mit Abzügen von 3,6 Prozent pro Jahr, das sie weniger ar- beiten, rechnen. Gegenwärtig liegt das Eintrittsalter in der GRV bei 65 Jahren, doch im Schnitt hängen die Arbeitneh- mer ihren Job bereits mit 63 Jahren an den Nagel. Bis zum 65. Lebensjahr im Beruf, das schaffen lediglich 43 Prozent der Neurentner. Genau dies ist von der Politik einkalkuliert, vermutet Wasem.

Der wesentliche Spareffekt resultiere aus den Rentenkürzungen – nicht aus länger gezahlten Beiträgen.

Folgen dürfte das auch für die GKV haben. Allein durch die Nullrunden bei den Renten mussten die Kassen auf wichtige Einnahmen verzichten, sagt Wasem. Dabei ist der Anteil, den die Rentner mit rund 30 Milliarden Euro jährlich in die GKV zahlen, beträchtlich – auch wenn damit die von ihnen verur- sachten Kosten nur teilweise zu decken sind. Derzeit, so Wasem, erziele die GKV rund 24 Prozent ihrer Einnahmen über die Rentenbeiträge. „Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung ist aber damit zu rechnen, dass dieser Anteil bis 2040 auf mehr als 35 Prozent steigen wird.“

Experten sind skeptisch, ob ältere Arbeitnehmer künftig länger werden arbeiten können. Nicht aus gesundheit- lichen Gründen, wie Prof. Dr. med. Fritz Beske sagt. Die Leistungsfähigkeit im betagteren Alter werde in Zukunft wei- ter zunehmen, ist er überzeugt. Zudem würden schwere körperliche Arbeiten verstärkt durch technische und kauf- männische Tätigkeiten abgelöst. Sorge bereitet dem Gesundheitsforscher viel- mehr die Situation auf dem Arbeits- markt. Bereits heute hätten viele Be- triebe keine Angestellten über 50 Jahre.

Ein Blick in die Statistiken gibt Beske Recht. Nach Angaben des For- schungsinstituts zur Zukunft der Arbeit ist die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen im internationalen Ver- gleich mit knapp 40 Prozent nur durch- schnittlich. Im Gesundheitsministerium weist man die Bedenken dennoch als

„spekulative Hochrechnung“ zurück.

Ziel sei es, das reale Renteneintrittsal- ter mit dem gesetzlichen anzugleichen.

Zudem befinde sich ja noch die GKV- Finanzreform in der Pipeline. Timo Blöß

Rentenreform

Auf Kosten der Kassen

Die Renten könnten weiter

sinken – und damit den Druck

auf die GKV-Finanzen erhöhen.

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