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Archiv "Die therapieresistente Hypertonie" (04.10.1996)

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E

s ist die Frage, ob „Therapie- resistenz“ der vergebliche Ver- such ist, den diastolischen Blut- druck unter 90 mm Hg – oder auch den systolischen Blutdruck unter eine bestimmte Grenze – zu senken.

Und wie viele Antihypertensiva müs- sen zuvor ausprobiert und wie viele miteinander – und wie – kombiniert werden, bevor diese Definition erfüllt ist? Ist dann aber auch ein Hypertoni- ker „resistent“, dessen diastolischer Blutdruck von zum Beispiel 125 auf 95 mm Hg gesenkt werden konnte? Geht die Therapietreue des Patienten in die Definition ein, möglicherweise unab- hängig davon, ob die Einnahme der Medikamente wegen mangelnder Ein- sicht oder wegen Nebenwirkungen un- terbleibt? Mancher Therapeut be- zeichnet – höchst subjektiv – eine Hy- pertonie als „therapierefraktär“, so- bald das von ihm in vielen Fällen erfol- greich praktizierte Behandlungssche- ma versagt.

Die Vielzahl der Kriterien, die in die Beurteilung einfließen können, macht eine Beschränkung erforderlich.

Es erscheint wenig sinnvoll, den Schweregrad der Hypertonie oder den Ausgangswert des Blutdrucks vor Be- handlungsbeginn in die Definition ein- zubeziehen. Denn die Erfahrung lehrt, daß manchmal schwere Blutdruckstei- gerungen einfach, milde nur schwer zu senken sind. Vor allem aber wird man bei den in der Regel vorbehandelten Patienten keinen mehrtägigen Aus- laßversuch allein deshalb vornehmen, um für eine exakte Definition den Aus- gangsblutdruck zu eruieren. Deshalb sollte – unabhängig vom Ausgangswert und dem Ausmaß einer bereits erziel- ten Blutdrucksenkung – von einer the- rapieresistenten Hypertonie gespro- chen werden, wenn der Blutdruck bei systolischer und diastolischer Hyperto- nie nicht unter Werte von 140/90 mm Hg und bei isolierter systolischer Hy- pertonie nicht unter 160 mm Hg systo- lisch gesenkt werden kann (siehe Text- kasten: Definition der therapieresisten- ten Hypertonie). Weitere Vorausset- zungen sind eine Kombination von

mindestens drei Antihypertensiva in maximaler Dosierung unter Einschluß eines Diuretikums, die regelmäßige Einnahme der verordneten Antihyper- tensiva, die Empfehlung adäquater, nicht-medikamentöser Maßnahmen und der Ausschluß sekundärer Hoch- druckursachen. Diese Definition ver- deutlicht, daß ein Patient trotz der Ein- nahme von sieben Antihypertensiva diese Definition nicht notwendigerwei- se erfüllt (Tabelle 1).

Häufigkeit

Noch vor etwa 30 Jahren wurde Therapieresistenz sehr viel häufiger als heute beobachtet. Es gab nur rela- tiv wenige Antihypertensiva, die zu- dem nebenwirkungsträchtig waren und in maximaler Dosierung kaum je- mals toleriert wurden. Bei dem Arse- nal der heute verfügbaren Substanzen

ist eine therapieresistente Hypertonie ausgesprochen selten. Allerdings feh- len genaue Angaben mangels entspre- chender Studien, die die vorgenann- ten Kriterien erfüllen. Eine Untersu- chung an 1 781 Hypertonikern ergab 52 (2,0 Prozent) resistente Hypertoni- ker, wovon 37 den diastolischen, 10 den systolischen und 5 den systoli- schen und diastolischen Grenzwert nicht erreichten (1). Voraussetzungen waren – im Gegensatz zur oben ge- nannten teils strengeren, teils weniger strengen Definition – die Einnahme von mindestens zwei Antihyperten- siva und ein Blutdruck bei zwei Unter- suchungsterminen > 160/95 mm Hg (als Mittelwert der zweiten und drit- ten Messung) oder eine Blutdrucksen- kung von weniger als 15 Prozent systo- lisch oder weniger als 10 Prozent dia- stolisch während einer mindestens einjährigen Beobachtung. Auf Befra- gen gaben 31 dieser 52 Patienten an, vor mindestens einem der Untersu- chungstermine die Medikamente nicht regelmäßig eingenommen zu ha- ben. In der Folgezeit konnte bei 33 der 52 Patienten der Blutdruck gut kon- trolliert werden. Von den verbleiben- den 19 Patienten gaben 14 eine unre- gelmäßige Medikamenteneinnahme zu. Dies beinhaltet, daß letztendlich nur 5 der 1 781 (0,3 Prozent) Patienten resistent waren. Mangelhafte Thera- pietreue ist demnach die häufigste Ur- sache für eine unzureichende Blut- drucksenkung und echte Therapie-re- sistenz sehr selten. Im Gegensatz zu dieser Beobachtung weiß jeder Arzt über schwer behandelbare Hy- pertonien zu berichten, und in eine Spezialambulanz für Hochdruck- krankheiten werden regelmäßig Pati- enten mit – allerdings vermeintlicher – Therapieresistenz überwiesen.

Ursachen

Wenn sich bei einem Hypertoni- ker, dem bereits mindestens drei oder mehr Antihypertensiva verordnet wur- den, der Blutdruck nicht normalisiert, Medizinische Poliklinik der Ludwig-Maximili-

ans Universität München

Die therapieresistente Hypertonie

Heinrich Holzgreve

Für Blutdruckerhöhungen, die sich

trotz Behandlung nicht normalisie-

ren lassen, gibt es verschiedene Be-

zeichnungen, wie therapierefraktäre,

schwer einstellbare oder therapieresi-

stente Hypertonie. Doch fehlt eine all-

gemein akzeptierte Definition. Deshalb

werden diese Begriffe häufig, und zum

Teil leichtfertig, benutzt. Eine allgemein

verständliche und verbindliche Definiti-

on ist aber wünschenswert, weil bei

Schwierigkeiten bei der Hochdruckbe-

handlung ab einer gewissen Grenze

statt des beständigen, manchmal plan-

losen Wechsels oder der Zugabe neuer

Antihypertensiva grundsätzlich neue

diagnostische und therapeutische Über-

legungen angestellt werden müssen.

(2)

so kommen hierfür zahlreiche Ursa- chen in Betracht. Sie können auf Seiten des Arztes, des Patienten oder des Hochdrucks liegen (siehe Textkasten:

Mögliche Ursachen für eine vermeintli-

che therapieresistente Hypertonie). Die Analyse wird in aller Regel ergeben, daß eine der genannten korrigierbaren Ursachen für die unzureichende Blut- druckeinsenkung verantwortlich ist und daß deshalb eine therapieresisten- te Hypertonie gar nicht vorliegt.

Der Arzt als Ursache

Die häufigste Ursache ist eine inadäquate Therapie. Immer wieder kann man beobachten, daß einem Hypertoniker bei unzureichender Blutdrucksenkung immer mehr, vor allem auch neue, noch wenig erprob- te blutdrucksenkende Substanzen verordnet werden, bis die Liste schließlich fünf und mehr Antihyper- tensiva enthält. Dabei ist die Dosie- rung der Einzelkomponenten in die- sen Mehrfachkombinationen meist unzureichend (Tabelle 1). Die Defi- nition der resistenten Hypertonie setzt deshalb mit gutem Grund vor- aus, daß drei Antihypertensiva in maximaler Dosierung oder im obe- ren Bereich üblicher Tagesdosen, darunter ein Diuretikum, verordnet werden. Leider kennt selbst der Spe- zialist für viele Antihypertensiva, vor allem für Nachfolgepräparate aus gleichen, schon länger bekannten Substanzgruppen, nicht die Maxi- maldosis. Vielfach werden nämlich – teils aus marktstrategischen Überle- gungen – von den Herstellern nur Dosen bis in den mittleren Bereich der Dosis-Wirkungs-Kurve klinisch

geprüft und zugelassen. In diesen Fällen entsprechen dann die oberen Dosisangaben im Beipackzettel oder in der Roten Liste nicht der maximal wirksamen Dosis. Konkret heißt dies: Die maximal zu- gelassene Dosis zweier ACE-Hemmer kann in unterschiedlichen Bereichen der Dosis- Wirkungskurve liegen und deshalb unter- schiedlich antihyper- tensiv wirksam sein.

Die Übersicht- lichkeit wird auch noch durch ein ande- res Phänomen beein- trächtigt: Bei Medika- menten, die in ver- schiedenen Dosierun- gen angeboten werden, kann die oberste Dosisstufe sehr wohl der Maximaldosis entsprechen (zum Beispiel 25, 50 und 100 mg des Beta-

blockers Atenolol; Maximaldosis 100 mg/d). Andere Antihypertensi- va, bei denen die höchste Dosisstufe nur einem Bruchteil der Maximaldo- sis entspricht, werden nahezu regel- mäßig unterdosiert (zum Beispiel 1,

2 und 4 mg des Alphablockers Doxa- zosin; Maximaldosis 16 mg/d).

Während in diesem Fall die maximal wirksame Dosis in den Arzt- informationen genannt wird, ist die- se in vielen anderen Fällen nicht pu- bliziert, nicht klinisch geprüft und deshalb nicht zugelassen. Besonders bedeutsam ist, daß mit den heute verfügbaren fixen Kombinationen es in den meisten Fällen nicht gelingt, die einzelnen Komponenten adä- quat auszudosieren.

Aus diesem Grund ist jeder The- rapeut gut beraten, bei schwer ein- stellbarer Hypertonie Einzelsubstan- zen zu verordnen, deren maximal wirksame Dosis gut bekannt ist. Eine Auswahl von Antihypertensiva mit zuverlässig bekannten Maximaldo- sen ist in Tabelle 2 genannt. Die Ta- gesdosen von Arzneimitteln mit un- zureichender 24-Stunden-Wirkung müssen auf mehrere Einzeldosen aufgeteilt werden, damit die antihy-

pertensive Wirkung zwischen zwei Dosisapplikationen weitgehend er- halten bleibt. Therapieresistenz kann auch auf Arzneimittelinteraktionen beruhen. Einige häufig verordnete Medikamente erhöhen den Blutdruck Definition der therapieresistenten Hypertonie

Keine Senkung des Blutdrucks:

1 unter 140/90 mm Hg beziehungsweise 1unter 160 mm Hg systolisch bei isolierter

systolischer Hypertonie

1trotz Dreierkombination in maximaler Dosie- rung unter Einschluß eines Diuretikums Voraussetzung

1Regelmäßige Einnahme der Antihypertensiva 1Adäquate nicht-medikamentöse Maßnahmen 1Ausschluß sekundärer Hochdruckursachen

Tabelle 1

Inadäquate Therapie bei vermeintlich therapieresistenter Hypertonie

Patient, männlich, geboren 1945

Überweisung wegen therapierefraktärer Hypertonie Blutdruck: beim Hausarzt ´' 200/120 mmHg

Poliklinik: 182/124 mmHg (6 Messungen)

ABDM 24h 206/126 mmHg

tags 211/129 mmHg

Laufende antihypertensive Medikation

Medikament Dosis (mg/d) Rote Liste

Lisinopril1) 2 x 20 mg übliche Erhaltungsdosis 10 mg Doxazosin2) 2 x 4 mg Maximaldosis 16 mg

Minoxidil2) 3 x 2,5 mg Dosis 5–40 mg

Indapamid3) 2 x 2,5 mg 1 x 2,5 mg, keine Dosissteigerung Bisoprolol3) 2 x 10 mg 1 x 10 mg, Steigerung nur ausnahmsweise Urapidil3) 2 x 90 mg Erhaltungsdosis 30–180 mg

Nilvadipin3) 2 x 16 mg 1 x 16 mg morgens

Patient ist zu fest vereinbarter stationärer Aufnahme nicht erschienen!!

1)Maximaldosis erreicht, aber durch Zulassung nicht gedeckt

2)Maximaldosis deutlich unterschritten

3)Maximaldosis nicht ausreichend bekannt

(3)

beziehungsweise schwächen die Wir- kung von Antihypertensiva ab, wie zum Beispiel Steroide, orale Kontra- zeptiva, Sympathomimetika sowie die häufig verordneten nicht-steroidalen Antirheumatika (5).

Für mangelnde Therapietreue kann der Arzt verantwortlich sein, wenn er seinen Patienten nicht über die Notwendigkeit einer langfristigen, regelmäßigen Therapie, über die genaue Dosierung und die Einnahmezeitpunkte der ver- ordneten Medikamente und die Folgen einer unbehandelten Hypertonie informiert oder wenn er ein unnötig komplizier- tes Therapieschema verordnet.

Der Patient als Ursache Die mit Abstand häufigste Ursache für eine unzureichende Blutdrucksenkung unter an- tihypertensiver Therapie bezie- hungsweise für eine vermeintli- che resistente Hypertonie ist mangelnde Therapietreue der Patienten (1). Dies kann darauf beruhen, daß der Patient die Medikamente entgegen der mündlich oder gar schriftlich abgegebenen ärztlichen Ver- ordnung unregelmäßig oder überhaupt nicht einnimmt. Oft- mals bekennt sich der Patient auf Befragen zur unregelmäßigen oder gar unterlassenen Einnahme, manchmal kann man dies im Ge- spräch mit dem Patienten nur vermu- ten. Häufiger als alle anderen Einzel- ursachen für eine vermeintlich resi- stente Hypertonie ist eine nicht zuge- gebene und gegebenenfalls sogar en- ergisch bestrittene mangelhafte Compliance. Dies kann ebenso auf einer Nachlässigkeit und Vergeßlich- keit des Patienten beruhen, für die er sich schämt, wie auch auf bewußter Fehlinformation und Täuschung des Arztes. Dabei kann den Patienten der Wunsch nach Arbeitsunfähigkeit oder Berentung leiten, aber auch der Wunsch nach Zuwendung von An- gehörigen und Freunden.

Die Erkennung mangelhafter Therapietreue ist schwierig und manchmal völlig unmöglich. Die Ta- blettenzählung ist keine zuverlässige Methode der Überprüfung, doch be-

steht begründeter Verdacht, wenn Pa- tienten nicht um die – längst fällige – Rezepterneuerung bitten oder wenn entweder trotz häufigen Medikamen- tenwechsels keine Nebenwirkungen oder im Gegenteil immer wieder für das Medikament untypische bezie- hungsweise unbekannte unerwünsch- te Wirkungen auftreten. Regelmäßige Einnahme wird bei typischen Neben-

wirkungen wahrscheinlich, zum Bei- spiel Hypokaliämie und Hyperurikä- mie unter Diuretika, Abnahme der Herzfrequenz oder Bradykardie un- ter Betarezeptorenblockern, Obstipa- tion, Flush oder Kopfschmerzen un- ter Kalziumantagonisten oder Husten unter ACE-Hemmern. Andererseits beweist das Fehlen von Nebenwir- kungen naturgemäß nicht die unter- lassene Einnahme.

In einzelnen Fällen haben wir mangelnde Therapietreue aufgrund des Fehlens der Medikamente oder ihrer Abbauprodukte im Urin trotz nachdrücklicher Versicherung einer regelmäßigen Einnahme der Medika- mente durch den Patienten beweisen können. Selbstverständlich muß man sich fragen, wie weit die Suche oder gar der geradezu kriminalistische Nachweis von mangelnder Therapie- treue betrieben werden soll. Aus ärzt- licher und wissenschaftlicher Sicht ist

der definitive Nachweis mangelhafter Therapietreue oder des Vorliegens ei- ner echten Resistenz sicher von großem Interesse, andererseits kön- nen den Patienten Wünsche oder Zie- le leiten, an deren Aufdeckung er nicht interessiert ist.

Bei erwiesener Non-Compliance müssen ihre Ursachen, zum Beispiel Angst vor tatsächlichen, vermeintli- chen oder befürchteten Neben- wirkungen oder mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit der Behandlung, eruiert wer- den. Bei den gerade zu Thera- piebeginn auftretenden, subjek- tiv belästigenden Nebenwir- kungen muß der Patient darauf hingewiesen werden, daß diese häufig nach zwei- bis dreiwöchi- ger Therapie spontan ver- schwinden.

Selbstverständlich müssen dem Patienten neben der regel- mäßigen Einnahme von Medi- kamenten auch alle erforder- lichen nicht-medikamentösen Maßnahmen empfohlen wer- den, vor allem Gewichtsabnah- me bei Übergewicht, Ein- schränkung der Kochsalzzu- fuhr und Verzicht auf oder Ein- schränkung des Alkoholkon- sums. Allerdings setzt die Dia- gnose einer resistenten Hyper- tonie die Realisierung dieser Empfehlungen nicht voraus. Wenn wegen einer schwer behandelbaren Hypertonie eine stationäre Aufnah- me geplant ist, kann auch die Thera- pietreue überprüft werden. Dann müssen die Patienten gegebenenfalls ihre Medikamente unter Aufsicht einnehmen und schlucken. Relativ häufig beobachten wir ein Verhalten, das eine endgültige Aussage über die Therapietreue verhindert: Patienten stimmen – obwohl sie zuvor zahlrei- che Ärzte wegen ihrer nicht behan- delbaren Hypertonie aufgesucht ha- ben und schließlich in eine Spezial- abteilung gekommen sind – unter der Angabe von beruflicher oder famili- ärer Unabkömmlichkeit einer sta- tionären Beobachtung nicht zu, oder sie erscheinen zum verabredeten Termin nicht (Tabelle 1) oder verlas- sen nach wenigen Tagen die Klinik vorzeitig. Es kommt auch vor, daß der Blutdruck zwar unter stationären Mögliche Ursachen für eine vermeintliche

therapieresistente Hypertonie Der Arzt als Ursache

1 Inadäquate Therapie 1Arzneimittelinteraktionen

1Mangelnde Information des Patienten Der Patient als Ursache

1Mangelnde Therapietreue 1 Medikamentöse Therapie:

– Einnahme entgegen der Verordnung – Abbruch der Behandlung

1Allgemeinmaßnahmen:

– keine Gewichtsabnahme – hohe Kochsalzzufuhr – hoher Alkoholkonsum Der Hochdruck als Ursache

1Sekundäre Hypertonie (zum Beispiel NAS) 1 Pseudo-Refraktärität

– Praxishypertonie – Pseudohypertonie

(4)

Bedingungen – oftmals problemlos und mit wenigen Medikamenten – gut eingestellt ist, dann aber bei an- schließenden ambulanten Kontrol- len – trotz einer angeblich konse- quenten Medikamenteneinnahme – wieder ansteigt.

Der Hochdruck als Ursache Wenn bei einem Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Hy- pertonie der Blutdruck trotz Einnah- me von drei Medikamenten in maxi- maler Dosierung nicht eingestellt werden kann, müssen sekundäre, heilbare Hochdruckursachen ausge- schlossen werden, vor allem eine re- novaskuläre Hypertonie bei Nieren- arterienstenose durch Angiographie, Phäochromozytom, Morbus Cushing und primärer Hyperaldosteronismus durch entsprechende Hormonunter- suchungen und eine östrogenindu- zierte Hypertonie durch mindestens drei- bis sechsmonatigen Auslaßver- such von oralen Kontrazeptiva.

Auch wenn eine derartige Diagno- stik in der Vergangenheit schon durchgeführt worden sein sollte, kann eine resistente Hypertonie ihre Wiederholung erfordern. Es gibt Pa- tienten mit renovaskulärer Hyperto- nie, bei denen einige Jahre zuvor ei- ne Angiographie völlig normale Nie- renarterien zeigte.

Etwa 20 bis 25 Prozent aller Per- sonen, die zur Abklärung einer Hy- pertonie in eine Nieren- und Hoch- druckambulanz überwiesen werden, haben nur bei konventioneller Blut- druckmessung, nicht jedoch bei am- bulanter Langzeitmessung über 24 Stunden einen erhöhten Blutdruck (4). Eine derartige situationsbeding- te Blutdrucksteigerung, auch Praxis-, Weißkittel- oder Sprechstundenhy- pertonie genannt, kann bei konven- tioneller Messung durch den Arzt ei- ne Hypertonie vortäuschen oder sich auf einen dauerhaft erhöhten Blut- druck aufpfropfen und dadurch eine resistente Hypertonie vortäuschen.

Ein derartiger Verdacht ist vor allem dann gegeben, wenn deutlich erhöh- te und bereits länger bestehende Blutdruckerhöhungen nicht zu hy- pertensiven Veränderungen am Au- genhintergrund oder zu elektrokar- diographisch, echokardiographisch

oder röntgenologisch nachweisbarer linksventrikulärer Hypertonie ge- führt haben. Eine Klärung ist durch eine ein- bis zweiwöchige Selbstmes- sung oder durch eine Blutdrucklang- zeitmessung (ABDM) möglich (Gra- fik).

Sind bei einer therapieresisten- ten Hypertonie aufgrund von Blut- druckmessungen in der Klinik oder der Praxis eindeutige hypertensive Veränderungen an den Augenhinter- grundgefäßen oder eine linksventri- kuläre Hypertonie nachweisbar, so müssen alle hier beschriebenen dia- gnostischen Überlegungen angestellt und die Therapie notfalls intensiviert werden. Das gleiche trifft zu, wenn beim Fehlen hypertensiver Organ- schäden die Selbstmessung oder die Blutdrucklangzeitmessung den er- höhten Blutdruck bestätigt. Wenn der Blutdruck dagegen bei konven- tioneller Messung höher ist als bei der Selbst- oder Langzeitmessung,

dann orientieren sich Indikation be- ziehungsweise Intensivierung der Therapie an den Ergebnissen der Selbst- beziehungsweise Langzeit- messung.

Die „Pseudohypertonie“ beruht auf einer Fehlmessung. Der in übli-

cher Weise mit der Manschette ge- messene Blutdruck wird im Ver- gleich zum intraarteriell gemessenen Blutdruck zu hoch bestimmt. Der Fehler betrifft vor allem den systoli- schen, aber auch den diastolischen Blutdruck und kann ganz erheblich sein (2, 3). Häufigste Ursachen sind eine Mediasklerose, eine fortge- schrittene Arteriosklerose vor allem im höheren Alter und schwere Ge- fäßwandverkalkungen bei autono- mem (sogenanntem tertiären) Hy- perparathyreoidismus bei hochgra- diger Niereninsuffizienz oder nach Nierentransplantation. Die verhär- tete, praktisch zu einem starren Rohr entartete Arterie wird nicht komprimiert, obwohl der Manschet- tendruck den Blutdruck deutlich überschreitet. Die Erkennung dieses Artefaktes ist gleichermaßen be- deutsam und schwierig. Bei der Pal- pation ist eine verhärtete, „ver- knöcherte“ Arterie gut tastbar, schwer komprimier- bar und gleichzeitig nicht oder nur wenig pulsierend. Nach kräftigem Aufpum- pen der Blutdruck- manschette bezeich- net man eine tastba- re, aber pulslose A.

brachialis oder radia- lis als „Osler-positiv“, während die nicht tastbare Arterie „Os- ler-negativ“ ist. Mes- serli und Mitarbeiter haben dieses „Osler- Manöver“ bei 24 Hy- pertonikern jenseits des 65. Lebensjahres überprüft (3). Bei 13 „Osler-negativen“

Patienten stimmten der mit der Man- schette und der in- traarteriell gemesse- ne Blutdruck gut übe- rein. Bei den „Osler- positiven“ Patienten dagegen lag der mit der Manschette bestimmte Blutdruck um 10 bis 54, im Mittel 15 mm Hg höher als der di- rekt in der Arterie gemessene Blut- druck. Die Röntgenleeraufnahme kann massive Verkalkungen der Ar- terien („Gänsegurgelarterien“) zei- Tabelle 2

Beispiele für maximal wirksame oder sinnvolle obere Tagesdo- sen von Antihypertensiva und ihre Aufteilung in Einzeldosen*

Substanz Tagesdosen Aufteilung

Hydrochlorothiazid 50 mg 1

Furosemid (bei NI) 500 mg 1–2

Propranolol 320 mg 3–4

Atenolol 100 mg 1

Metoprolol 200 mg 2

Verapamil retard 480 mg 1

Diltiazem retard 360 mg 2

Nifedipin retard 60 mg 3

Captopril 150 mg 3

Enalapril 40 mg 2

Doxazosin 16 mg 2

Methyldopa 2000 mg 1

Clonidin 1200 µg 4

Minoxidil 45 mg 3

*)in den verfügbaren fixen Kombinationen sind die oberen Tagesdosen in den meisten Fällen nicht realisierbar; NI = Niereninsuffizienz

(5)

gen. Der fehlerhaft zu hoch gemesse- ne Blutdruck kann zu einer nicht in- dizierten antihypertensiven Thera- pie und der fälschlichen Annahme einer resistenten Hypertonie führen.

Vorgehen bei nachgewie- sener therapieresistenter Hypertonie

Wenn alle Ursachen für eine vermeintliche therapieresistente Hy- pertonie ausgeschlossen sind, emp- fiehlt sich die Vorstellung des Pa- tienten in einer

Spezialambulanz für Hochdruckkrankhei- ten oder auch eine stationäre Beobach- tung zur nochmali- gen Überprüfung der Compliance, zum de- finitiven Ausschluß auch seltener sekun- därer Hochdruckur- sachen und zum Ver- such einer medika- mentösen Einstel- lung. Es müssen dann unter Umstän- den vier, fünf oder auch sechs Antihy- pertensiva verordnet werden, vor allem Diuretikum, Beta- blocker, Kalziuman- tagonist, ACE-Hem- mer sowie Alpha- Blocker und eventu- ell ein Antisympa- thotonikum. Es gibt keine bestimmte

Mehrfachkombination, die sich an- deren als eindeutig überlegen ge- zeigt hat. Vor allem bei Patienten mit Niereninsuffizienz müssen oft- mals hohe Dosen eines stark wirksa- men Diuretikums eingesetzt werden (Tabelle 2). Als „Reserve-Antihy- pertensivum“ nach der Verordnung einer Viererkombination in den oben genannten maximalen Dosen hat sich am ehesten der Vasodilata- tor Minoxidil bewährt. Er kann in Dosierungen zwischen zweimal 5 und dreimal 15 mg täglich eingesetzt werden. Das stark wirksame Antihy- pertensivum kann erhebliche Ne- benwirkungen verursachen. Relativ

häufig sind die Entwicklung eines Perikardergusses, vor allem bei Pati- enten mit Niereninsuffizienz, und ein ausgeprägter Haarwuchs am ganzen Körper, auch im Gesicht, der von Frauen oft nicht toleriert wird.

Die erhebliche Neigung zu Salz- und Wasserretention mit Ödembildung und die Neigung zur Tachykardie machen eine Kombination mit ei- nem – eventuell hochdosierten – stark wirksamen Schleifendiureti- kum vom Typ des Furosemids sowie mit einem Betablocker nahezu un- umgänglich. Häufig gelingt jedoch

eine gute Einstellung mit einer Drei- erkombination aus Minoxidil, Diu- retikum und Betablocker.

Schlußfolgerungen

Eine echte therapieresistente Hy- pertonie ist selten. Wenn bei einem Pa- tienten trotz Verordnung von drei An- tihypertensiva in Maximaldosen, dar- unter ein Diuretikum, der Blutdruck unzureichend eingestellt ist, muß nach möglichen Ursachen gesucht werden.

Zunächst muß mittels Selbstmessung des Blutdrucks oder 24-Stunden- Langzeitmessung überprüft werden,

ob der Blutdruck wirklich erhöht ist oder ob nur eine nicht behandlungsbe- dürftige Praxishypertonie besteht. Die häufigste Ursache für eine vermeintli- che Therapieresistenz ist mangelhafte Compliance. Unterlassene Medika- menteneinnahme kann annäherungs- weise aufgrund eines inadäquaten Me- dikamentenverbrauchs (Tablettenzäh- lung) oder des fehlenden Wunsches nach fälliger Rezepterneuerung, durch Fehlen von substanzspezifischen Ne- benwirkungen der Antihypertensiva vermutet, aber nur aufgrund nicht nachweisbarer Medikamentenspiegel im Blut oder im Sammelurin sicherge- stellt werden. Unverzichtbar ist auch die Empfehlung an den Patienten, al- le nichtmedikamentösen Maßnahmen wie kochsalzarme Kost, Gewichtsre- duktion bei Übergewicht und Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum zu beherzigen. Der Arzt muß sich die Fra- ge stellen, ob das Therapieschema nach Zahl, Art und Dosis der verord- neten Substanzen sinnvoll ist. Nach Ausschluß aller Ursachen sollte ein Patient mit therapieresistenter Hyper- tonie ambulant oder stationär in eine Spezialabteilung für Hochdruckkrank- heiten überwiesen werden, damit se- kundäre Hochdruckursachen ausge- schlossen, die Compliance sicherge- stellt und eine Behandlung mit Mehr- fachkombinationen erprobt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-2548–2552 [Heft 40]

Literatur

1. Alderman MH, Budner N, Cohen H, Lam- port B, Ooi WL: Prevalence of drug resi- stant hypertension. Hypertension 1988; 11:

71–75 (Suppl)

2. Holzgreve H: Fehlmessung und Pseudodia- gnose bei normalem Blutdruck. Münch med Wschr 1987; 129: 328–329

3. Messerli FH, Ventura HO, Amodeo C: Os- ler’s maneuver and pseudohypertension. N Engl J Med 1985; 312: 1348–1351

4. Middeke M, Klüglich M, Jahn M, Beck M, Holzgreve H: Praxishypertonie oder per- manente Hypertonie? Münch med Wschr 1990; 132: 768–771

5. Pope JE, Anderson JJ, Felson DT: A meta- analysis of the effects of nonsteroidal anti- inflammatory drugs on blood pressure.

Arch Intern Med 1993; 153: 477–484

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Heinrich Holzgreve Universität München

Medizinische Poliklinik

Pettenkoferstraße 8 a · 80336 München Therapieresistente Hypertonie

bei Klinik- oder Praxismessung

Behandlung nach Maßgabe der

Selbstmessungen Intensivierte Therapie

Hypertensive Endorganschäden (LVH, Fundus hypertonicus III/IV)

Selbstmessung (zu Hause, mindestens 1 Woche)

24-h-Blutdruckmessung (ABDM)

vorhanden nicht

normal

normal

vorhanden

erhöht

erhöht Grafik

Selbstmessung und Langzeitmessung (ABDM) bei resistenter Hypertonie (LVH = linksventrikuläre Hypertrophie)

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