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Archiv "Allgemeinärzte: „Die Gesundheits-Reform bedroht die berufliche Existenz“" (09.10.1992)

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KTUELLE POLITIK

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

B

undesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) mach- te dem BPA Berufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin Deutschlands e. V. anläßlich dessen Delegierten- versammlung während des 15. Deut- schen Hausärztetages in Bad Hom- burg (vom 23. bis 25. September) sei- ne Aufwartung — überaus optimi- stisch, daß die beiden von ihm initi- ierten Gesetzentwürfe zur „Gesund- heits-Strukturreform 1993" planmä- ßig und in einer Art großen Koaliti- on auch mit den Stimmen der Oppo- sition über die parlamentarischen Hürden gebracht werden können.

Seehofer, der nach Erhebung sei- nes geläuterten Refe-

renten-Entwurfs zum nach wie vor heftig umstrittenen Kabi- nettsentwurf erstmals auf einem Forum eines Berufsverban- des der Ärzteschaft sprach, nutzte die Ge- legenheit, eindringlich für sein überwiegend

fiskal- und kostendämpfungspoli- tisch ausgerichtetes Reformpaket zu werben. Die gesetzliche Krankenver- sicherung (GKV) steuere erstmals in ihrer hundertjährigen Geschichte auf einen nie dagewesenen Crash zu, nämlich auf ein Rekorddefizit von mehr als 10 Milliarden DM im Jahr 1992, gleichzeitig drohe die Rekord- höhe eines Durchschnitts-Beitrags- satzes von mehr als 13 Prozent zur Jahreswende. Dies sei politisch ex- plosiv, sei Anlaß für die von ihm an- gestrebte Sofortbremsung, ohne al- lerdings zu versäumen, auch einige Weichen zur Qualitätsverbesserung und zur strukturellen Erneuerung des Gesundheitswesens in West- und Ostdeutschland zu stellen.

Die abschließenden Entschei- dungen und auf das Reformziel aus- gerichteten inhaltlichen Nachbesse- rungen und ersten Weichenstellun- gen für die Kassenstrukturreform sollen bis zur dritten Oktoberwoche getroffen sein — es sei denn, die Bon- ner Koalition kommt „auf den letz- ten hundert Metern des Rennens noch ins Stolpern". Doch daran glaubt Seehofer nicht. Die Verteidi- gung des höchsten Gutes, nämlich

der Gesundheit, sei ein parteiüber- greifender Auftrag, dem sich weder die Krankenkassen noch die Lei- stungserbringer noch die mosernde Opposition entziehen könnten.

Für Minister Seehofer hat sich inzwischen der Problemdruck auch in der Krankenversicherung in den neuen Bundesländern dramatisch verschärft. Dort sei der investive Nachholbedarf vor allem im statio- nären Sektor unübersehbar. Nur ein Drittel der Bausubstanz der rund 450 Krankenhäuser sei funktions-

Allgemeinärzte

15. Hausärztetag des BPA verlangt „Nachbesserungen"

tüchtig und auf Weststandard. Aner- kennenswert sei es, daß auch mit Hilfe der Selbstverwaltung das ver- staatlichte Gesundheitssicherungssy- stem auf ein gegliedertes, von der Selbstverwaltung maßgeblich getra- genes freiheitliches System umge- stellt worden sei. Nach einem Über- schuß von 2,8 Milliarden DM im Jahr 1991 in den neuen Bundeslän- dern — dank eines gesetzlich fixierten Ausgangs-Beitragssatzes von einheit- lich 12,8 Prozent — werde ein Defizit von mehr als zwei Milliarden DM im Jahr 1992 zu erwarten sein. Das Ge- samtdefizit wachse demnach auf mehr als 12 Milliarden DM, eine aus der Sicht der Politik explosive Situa- tion, die „weit über die Rentenerhö- hung hinausgeht" (Seehofer).

Für Seehofer war es ein „Rie- senfehler", eine durchgreifende, ord- nungspolitisch konsistente Finanzre- form im stationären Sektor 1988 aus- geklammert zu haben. Jetzt werde mit dem völligen Wegfall des Selbst-

kostenprinzips bei der Krankenhaus- finanzierung eine auf mehr Rationa- lität und Marktwirtschaft setzende

„Reform an Haupt und Gliedern"

eingeleitet. Denn ohne Einbezie- hung des „Hauptkostentreibers Krankenhaus" gebe es keine Ruhe an der Kostendämpfungsfront, so Seehofer. Die Politik und die Selbst- verwaltung müßten aber akribisch darauf achten, daß der durch die Strukturreform verstärkte Bettenab- bau im stationären Sektor nicht durch eine zunehmende Kranken- haushäufigkeit finanziell kompen- siert oder überkompensiert wird.

Nachdrücklich unterstrich See- hofer das Anliegen des „Praktiker- verbandes" BPA, im Zuge des GSG eine mindestens dreijährige strukturierte Pflicht- weiterbildung als Vor- aussetzung für die kas- senärztliche Tätigkeit im allgemeinmedizini- schen Bereich ab 1993 gesetzlich zu veran- kern und ab 1. Januar 1994 in Kraft zu setzen. Die Bundes- regierung wolle sich nicht dem Ver- dacht aussetzen, mit ihrem Plädoyer für die Pflichtweiterbildung eine

„Mengensteuerung" zugunsten der bereits beruflich tätigen Ärzte be- treiben zu wollen. Für die Regie- rungskoalition sei das ausschließli- che Ziel dieser, wenn auch noch ver- fassungsrechtlich klärungsbedürfti- gen, Maßnahme eine Verbesserung der Strukturqualität in der ambu- lanten ärztlichen Versorgung via Pflichtweiterbildung in allen Ge- bietsarztgruppen. Im Zuge der wei- teren parlamentarischen Debatten seien die vor allem vom Bundesju- stiz- und Bundesinnenministerium geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zur Pflichtweiterbildung und zur Zulassungsdrosselung beim Medizinstudium zu überprüfen und gegebenenfalls auszuräumen.

Seehofer warnte davor, allzu op- timistische Hoffnungen in eine rigi- dere Zulassungssteuerung zu setzen.

Dies benachteilige deutsche Medi- zinstudenten und begünstige die „in- ternationale Durchlässigkeit" und Medizinaspiranten anderer benach- barter Länder und Mediziner aus

„Die Gesundheits-Reform bedroht

die b erufliche Existenz"

Dt. Ärztebl. 89, Heft 41, 9. Oktober 1992 (17) A1-3293

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dem Ostblock, die in den aus deren Sicht nach wie vor prosperierenden Gesundheitsmarkt streben. Seeho- fer: "Das halten Sie und die KVen nicht durch!"

Was als Alternativentwürfe ven- tiliert wird, wird von Seehafer weni- ger goutiert. Einen konsequenten honorarpolitischen Ansatz bei der Bedarfssteuerung und der Begren- zung der Arztzahlen lehnt er ab.

Ebenso hegt der Minister Bedenken gegen eine Aufspaltung der Gesund- heitssicherung in eine Grundleistung und einen darauf aufbauenden indi- viduell beziehbaren Wahlleistungs- katalog. Andererseits hält der Mini- ster einen neuen Zuschnitt des Lei- stungskatalogs der GKV für zwin- gend notwendig.

Im übrigen beschwichtigte See- hafer die ärztlichen Berufspolitiker aus den Kassenärztlichen Vereini- gungen. Das GSG beschere zwar nicht die "totale Harmonie auf der Selbstverwaltungsebene", drei Er- satzvornahmen bleiben angedroht, und zwar im Bereich der Qualitätssi- cherung, der sogenannten dreiseiti- gen Verträge gemäß § 115 SGB V (Verzahnung; prä-post) und bei der Transparenz. Bis 1994 habe aber die Selbstverwaltung absoluten Vorrang vor Staatsinterventionen.

I BPA-Wunschzettel

Die ~.m BPA org!lnisierten prak- tischen Arzte und Arzte für Allge- meinmedizin sind nicht gewillt, sich von Seehafer in die Knie zwingen zu lassen. Auch die vom Minister ange- mahnte Staatsraison könne bei den Hausärzten angesichts der besonders diese ärztliche Berufsgruppe tref- fenden drakonischen Maßnahmen kaum widerstandslos eingefordert werden. Aus der Sicht des amtieren- den Vorsitzenden des BP A, Dr.

med. Klaus-Dieter Kossow, Allge- meinarzt aus Achim-Uesen, sind die praktischen Ärzte und Allgemein- ärzte ohnedies die Hauptlastträger des Seehofer-Gesetzes. Die vorgese- hene Arzneimittel-Budgetierung mit Global-Malus und die stringente Be- grenzung der kassenärztlichen Ver- gütung führen in besonderem Maße zu einer Existenzbedrohung aller Hausärzte, denn diese seien schließ-

lieh die zentrale Arztgruppe, die al- lein 80 Prozent des Arzneivolumens durch Verordnungen veranlasse.

Bei aller Anerkenntnis der Be- strebungen von Seehofer, die haus- ärztliche Qualifikation zu stärken und den Kollektiv-Malus zu mildern oder durch ähnlich finanziell ergiebi- ge Alternatiworschläge zu ersetzen, brachte Kossow die BPA-Meinung auf den Punkt: "Es reicht nicht, den Hausärzten nur die Einsparungen bei Arzneimittelverordnungen zu- kommen zu lassen." Der "Praktiker- verband" fordert vielmehr die Be- reitstellung zusätzlicher Mittel für die spezifischen hausärztlichen Lei- stungen. Das von den Spitzenverbän- den der Krankenkassen und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ausgehandelte Hausarztkon- zept reiche dabei nicht aus. Der BP A hält es für nicht opportun, finanzielle Überlegungen vor medizinische Ent- scheidungen im Rahmen einer wie auch immer gearteten Malus(Bo- nus )-Regelung zu stellen. Es sei nicht damit getan, die verschiedenen Budgets für den hausärztlichen Be- reich "durchlässig" zu machen - im Sinne einer möglichen Umschich- tung von Krankenkassenausgaben bei Einsparungen in anderen Berei-

chen. Für den BPA ist auch nicht ein

konstruiertes Junktim verhandlungs- fähig- nach dem Motto: "Mehr Geld nur dann, wenn der Arzt weniger Arzneimittel verordnet".

In einer einstimmig angenom- menen Entschließung appelliert der BPA an den Gesetzgeber, zwei Schritte einzuleiten:

~ Konkretisierung des § 73 Abs.

1 SGB V, nämlich eine klare Gliede- rung der kassenärztlichen Versor- gung in eine hausärztliche und eine fachärztliche, sowie

~ Erweiterung und gleichzeitige Auflockerung des § 85 SGB V mit dem Ziel, besondere Vergütungsre- gelungen zur Verbesserung und Si- cherung der hausärztlichen Vergü- tung zuzulassen.

Grundzüge einer solchen Re- form aus der Sicht des BP A: Einfüh- rung einer Grundleistungskomplex- gebühr speziell für Hausärzte, mit der die hausärztliche Präsenz, die Koordination und Dokumentation sowie weitere typische Beratungs- Ac3294 (18) Dt. Ärztebl. 89, Heft 41, 9. Oktober 1992

und Untersuchungsleistungen der Hausärzte (praktische Ärzte, Allge- meinärzte, hausärztlich ausgerichte- te Chirurgen und Kinderärzte) hono- riert werden. Dies sollen sein: auf- wendige Beratungen, Erörterungen und Untersuchungen, Leistungen der psychosomatischen und psychia- trischen Grundbetreuung, i.m.-In- jektionen und physikalische Thera- pie, Konsilien und Assistenzen und Arztbriefe. Hierdurch soll eine Ent- bürokratisierung erreicht werden.

I Einzelleistungen

Neben der Grundleistungskom- plexgebühr sollen aus dem EBM zu- sätzliche, für die Hausarztpraxis not- wendige Einzelleistungen abgerech- net werden dürfen, die in einem Ka- talog aufzuführen sind, zum Beispiel:

Praxislabor, EKG und Belastungs- EKG, Lungenfunktion und Ultra- schall, kleine Chirurgie und Verbän- de, Präventionsleistungen, Impfun- gen, Injektionen sowie Leistungen der großen Psychiatrie und Psycho- therapie. Nachhaltig unterstützt der BP A die von der KBV und den Krankenkassen entwickelten Vor- schläge zur Gliederung und zum Hausarztkonzept (vgl. DÄ, Heft 40/1992, Rubrik "Aktuelle Politik").

~ine Neustrukturierung müsse Ubergangsregelungen für die Betrof- fenen beinhalten, die sicherstellen, daß internistischen Praxen nicht die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen werde. Die Internisten wä- ren auf Dauer auch die Gewinner ei- ner klaren Abgrenzung und Gliede- rung. Voraussetzung ist aus der Sicht des BP A allerdings eine klare Ent- scheidung für eine hausärztliche oder eine Spezialistische Ausrich- tung der Praxis. Solidarität und Ko-

oper~.tion unter den niedergelasse- nen Arzten seien um so mehr not- wendig, weil die Krankenhäuser oh- nedies Gelüste hätten, durch eine weite Öffnung dieser Institution noch mehr ins Behandlungsgeschäft zu kommen und die spezialärztliche Behandlung ausschließlich an das Krankenhaus zu konzentrieren.

Dann aber sei das Krankenhaus we- gen der Finanzierungsvorteile der einzige Gewinner.

Dr. Harald Clade

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