• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Können Arzte zur Verhinderung eines Atomkrieges beitragen?: Ernstfall hinnehmen" (25.02.1983)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Können Arzte zur Verhinderung eines Atomkrieges beitragen?: Ernstfall hinnehmen" (25.02.1983)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Atomkrieg

2. Die unter diesem Punkt aufge- führte Forderung, die Supermäch- te sollten als erste Maßnahme die Aufstellung von Atomwaffen und Trägersystemen stoppen sowie Produktion und Tests von diesen Systemen einstellen, scheitert an den Umständen der politischen Realität. Dies beweisen die Proble- me sämtlicher Abrüstungskonfe- renzen. Welcher intelligente politi- sche Führer der Sowjetunion könnte es sich leisten, ohne inner- halb des eigenen Systems ausge- schaltet zu werden, auf die größ- ten Trümpfe zu verzichten, wo er so kurz vor dem Ziel steht ange- sichts Tausender und Hunderttau- sender der Millionen von Men- schen, die in den westlichen Staa- ten auf die Straßen gehen und die Handlungsfähigkeit der eigenen Politiker behindern. Tatsächlich hat in den Regierungsperioden so- genannter Friedenspolitiker wie Willy Brandt und Jimmy Carter die Sowjetunion so stark gerüstet wie nie zuvor in ihrer Geschichte.

Wenn es zu Einbrüchen in die oh- nehin schon angeschlagene Ge- schlossenheit des westlichen in- homogenen Systems kommt, führt dies zu gefährlichen Fehleinschät- zungen von seiten des Ostens, und damit zwangsläufig zum Drit- ten Weltkrieg.

3. Ihr Vorschlag ist unärztlich, un- moralisch und unlogisch; auf die Individualmedizin übertragen, be- deutet dies nichts anderes, als Un- heilbaren ärztliche Betreuung zu verweigern.

4. Ihrem Abschnitt stimme ich in Teilen, nicht aber in der Konse- quenz zu. Wenn Einstein sagt: „Im Schatten der Atombombe hat sich mehr und mehr gezeigt, daß alle Menschen Brüder sind", so darf darüber nicht vergessen werden, daß die Menschheit seit Anbeginn ihrer Geschichte mit dem Kains- zeichen behaftet ist.

. . . Richtig ist vielmehr, vor der Behandlung eine Diagnose zu stellen, um eine adäquate Thera- pie herbeiführen zu können. Im vorliegenden Falle hat die geistige

Entwicklung der Menschheit oder besser gesagt es haben die Ideolo- gen, Weltanschauungen, Philoso- phien und Geisteswissenschaften mit dem technischen Fortschritt nicht Schritt gehalten. Der Grund liegt darin, daß die Technik sich streng auf dem Boden der Natur- gesetze bewegt. Die Verfolgung unwahrer Thesen führt zwangs- läufig in einen Irrweg, der nicht mehr weiter verfolgt werden kann.

Die Ideologen behaupten jedoch nach wie vor falsche Dinge, die zum Heil der Menschheit ange- wendet werden sollen. Wenn man sich endlich dazu durchringt, auch hier naturwissenschaftliche Methoden anzuwenden, kann viel- leicht noch das Schlimmste ver- hindert werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Zeit gewonnen wird, und dazu benötigen wir nun einmal das Gleichgewicht der Kräfte, auch wenn es hier ein Gleichgewicht des Schreckens ist.

Darum ist es unsere Pflicht, die Politiker der freien Welt immer wieder darauf hinzuweisen, wie notwendig es ist, der Allgemein- heit zu versichern, daß auch sie primär nicht die Rüstung wün- schen, sondern diese momentan ein notwendiges Übel ist. Erst dann, wenn sich der Westen gei- stig konsolidiert hat, eine homo- gene kulturelle Strömung besteht und die Sowjetunion endlich ein- sehen muß, daß sie niemals die Chance hat, über eine moralische Schwächung der freien Welt zu expandieren, besteht eine echte Chance einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung . .

Dr. med. German Weiß Schießgrabenstraße 4 8900 Augsburg

Ernstfall hinnehmen

„Bezüglich der Verteidigungspoli- tik sind die Politiker sich unterein- ander einig", so hört man es im- mer wieder. Allerdings, weite Teile der Bevölkerung, Intelligenzler, Jugend, Gewissensverweigerer und andere sind dagegen. Wie ist das möglich? Wird an der Bevöl-

kerung vorbeiregiert? So ist es, denn tatsächlich sind die Politiker und Parlamentarier nicht reprä- sentativ für das Gesamt der von ihnen gelenkten Bevölkerung. Sie stellen ihrerseits eine recht einsei- tige Auswahl dar, nämlich Men- schen von besonderem Naturell, Durchsetzungswillen, kämpferi- schem Geist, sprich Aggressivität.

Wer nicht von solcher Konstitution ist, sitzt nicht in diesen Gremien.

Die jüngsten Ereignisse in unse- rem Staatswesen haben wieder einmal Einblick gegeben in das in- terne Ellbogen- und Machtgeran- gel der Beteiligten, und diese Mentalität bestimmt natürlich dann auch deren Politik. Wer erst einmal in diesen Gremien sitzt, ist ohnehin zum Mitmachen fast ge- zwungen. Leicht versetze ich mich in die Gesinnung dieser (militärpo- litischen) Geheimnisträger, sie verfügen über ein höchstes per- sönliches Prestige und über das Privileg, mehr zu wissen, mehr zu entscheiden, mehr Macht zu ha- ben als die übrigen Sterblichen.

Zudem baut ihnen ein scheinbar alternativer Doppelbeschluß die Brücke zum nächsten Schritt, dem Einfachbeschluß, mag dieser noch so unpopulär und gefährlich sein.

Auch stelle ich mir vor, welch un- geheurem Druck diese Verant- wortlichen ausgesetzt sind, wenn sie hinter verschlossenen Türen von militär-strategischen Fachleu- ten orientiert und bedrängt wer- den, von hochintelligenten Rech- nern, die mit zwingender Logik die weiteren Züge der internationalen Schachpartie vor Augen führen.

Freilich könnte ich mir auch vor- stellen, daß anstelle der jetzt Beru- fenen eine Gruppe völlig anderer Menschen in diesem Raum ver- sammelt wären, beispielsweise von Pazifisten, und daß sie anders entscheiden würden. Aber dazu wird es nicht kommen, bestenfalls werden sie belächelt und als un- realistisch abgetan. Es geht ja um die nationale Sicherheit, und reali- stisch ist hier offensichtlich nur die Bereitschaft zur Machtdemon- stration. Realistisch ist wohl aber auch die Erwartung, daß die na- menlose Massenseele einen ech- Ausgabe A DEUTSCHES AR,ZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 8 vom 25. Februar 1983 95

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Atomkrieg

ten Ernstfall wiederum hinnehmen wird, mit allen Folgen. („Wollt ihr den totalen Krieg?" — „JAAA!") Die emotionale Reaktion der Bri- ten auf den Falklandstreich hat in Abgründe schauen lassen .. .

Dr. Erich Haisch Löhrystraße 11 7750 Konstanz

Kriegsgefahr herbeigeredet

. Eine medizinische Vorsorge ermutige zur Vorbereitung eines Krieges?! Offenbar verursachen Ihnen die rund 1000 Atomspreng- köpfe der SS 20, zum größten Teil auf Mitteleuropa gerichtet, keine Angstgefühle, wohl aber die Aus- sicht, daß die NATO einen Bruch- teil davon zur Abschreckung auf gleicher Ebene stationieren könn- te, wenn START keinen Erfolg bringt. Und der Schutz Mitteleuro- pas durch diese Verhandlungen und eine Null-Option, wie sie die USA vorschlägt, wird in Frage ge- stellt, solange die UdSSR hoffen kann, durch eine Behinderung der angekündigten Nachrüstung durch ihre Propaganda ihr unbe- strittenes massives Übergewicht an atomaren Mittelstreckenrake- ten erhalten zu können. Es handelt sich doch ganz unverhohlen dar- um, die sorgfältig geschürte Angst vor der Atomwaffe in politische Forderungen umzumünzen mit dem Ziel, die Verteidigungsbereit- schaft zu untergraben, das politi- sche System nach innen und au- ßen zu destabilisieren, um damit eine Kapitulationswilligkeit zu er- reichen. Tatsächlich wird durch Ihr Verhalten nur eine Kriegsge- fahr herbeigeredet, wie die beweg- te Klage des russischen Unter- händlers bei START zeigt, nach der es bisher keinen Verhand- lungsfortschritt gebe, weil die USA auf der Null-Option, eben der ato- maren Abrüstung, beharrten. Es wird geflissentlich übergangen, daß Kriegsgefahr oder gar ein An- griffskrieg niemals von den NATO- Staaten ausgehen kann, deren Bündniszweck ihrer politischen

und militärischen Struktur nach ausschließlich eine ausreichende Verteidigungsbereitschaft ist.

Wie schreibt Prof. Gottwald — das Feindbild abbauen? In der Bun- desrepublik wird keines gepflegt.

Nur betrachten wir die UdSSR nicht nach ihren Worten, sondern nach ihren Werken: DDR, Ungarn, Tschechoslowakei, Afghanistan, Polen. Ihnen ist sicher wie mir be- kannt, daß die massive russische Aufrüstung erst nach Helsinki und dann prompt begonnen hat. Der Westen wurde mit der Zusage friedlicher Koexistenz getröstet, während Breschnew bei seiner Würdigung des Erfolges erklärt hat: Der ideologische Kampf geht weiter. Der Übergang der einen zu anderen Kampfesweisen ist nach Clausewitz fließend, und den ken- nen die Russen offensichtlich bes- ser als wir . . .

Dr. med. F. Otto Ahornstraße 23 8958 Füssen

Vernebelnd

. . . Die Verfasser leiten in Überein- stimmung mit der IPPNW politi- sche Forderungen aus ihren medi- zinisch begründeten Besorgnis- sen ab: Als erster Schritt sind die Atomwaffen auf ihrem gegen- wärtigen Niveau einzufrieren („Freeze"). Das sollte man für die Bundesrepublik konkretisieren .. . Die Autoren sprechen sich gegen eine „Beteiligung an jeder Fortbil- dung in Kriegsmedizin" aus. Der Begriff, um den gerungen wird, heißt aber hierzulande „Katastro- phenmedizin". Wenn Lanz und Rossetti in ihrem Standardwerk formulieren, daß „die Katastro- phenmedizin ... ihren fachlichen Inhalt aus allen Gebieten der Heil- kunde, in erster Linie aber aus Kriegschirurgie und Wehrmedizin [bezieht)", so ist das eines der zahlreichen Indizien dafür, daß uns Ärzten unter dem vernebeln- den Begriff „Katastrophenmedi- zin" in Wahrheit die Kriegsmedizin

nahegebracht werden soll. Der bayerische Staatsminister Fritz Pirkl brachte es auf den Punkt, als er „den Masseneinsatz von Ärzten und Pflegepersonal im Falle eines Nuklearkrieges" forderte und den

„Verteidigungsmedizinern" die Aufgabe zuwies, „bei den Tausen- den von Verletzten die Spreu vom Weizen zu trennen". Folgerichtig verlangte der Minister „eine ver- besserte katastrophenmedizini- sche Ausbildung der Ärzte".

Das „Gesundheitssicherstellungs- gesetz" wurde zwar von der so- zialliberalen Bundesregierung zu- rückgezogen, in der parlamentari- schen Beratung befindet sich aber derzeit ein entsprechender Ge- setzentwurf der CDU/CSU: das

„Gesundheitsschutzgesetz" .. . Dr. Robert Pfeiffer Kurfürstenstraße 45 2000 Hamburg 70

Schlußwort

Über 5000 Kollegen haben sich in- zwischen in der Bundesrepublik mit dem Konzept der IPPNW (In- ternationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges) solidarisiert

. .. Womit argumentieren die Kriti- ker, und was halten wir dagegen?

1. Wenn man nicht nur die Sym- ptome, sondern die Ursache be- seitigen wolle, müsse man zuerst das Mißtrauen als Motiv des Wett- rüstens bekämpfen. Richtig! Des- halb engagieren wir uns für einen Abbau des starren Feindbildden- kens. Damit folgen wir der Forde- rung Einsteins, daß die Bemühung um gegenseitiges Vertrauen durch keine technischen Maßnahmen er- setzt werden könne und wichtig- ste Voraussetzung zu einer Lö- sung des Sicherheitsproblems sei.

2. Es wird eingewandt, daß die russischen Ärzte in der IPPNW po- litisch kontrolliert würden, und die Sowjetunion wolle nun einmal aus taktischen Gründen dem „Einfrie- ren" der Nuklearwaffen nicht zu- 96 Heft 8 vom 25. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Mitglieder der IPPNW ver- treten dagegen die Auffassung, daß sich Ärzte aufgrund ihrer ethischen Verpflichtung auch in verteidigungs- politische Fragen einmischen soll- ten..

den Todesstoß zu geben. Wenn wir als Ärzte uns weigern, aus mo- ralischen Gründen den Opfern ei- nes Atomkrieges zu helfen, müßte dies gleichermaßen auch für die Opfer

den Todesstoß zu geben. Wenn wir als Ärzte uns weigern, aus mo- ralischen Gründen den Opfern ei- nes Atomkrieges zu helfen, müßte dies gleichermaßen auch für die Opfer

Die Verfasser leiten in Überein- stimmung mit der IPPNW politi- sche Forderungen aus ihren medi- zinisch begründeten Besorgnis- sen ab: Als erster Schritt sind die Atomwaffen auf

Moralische und ethische Aspekte, die sich für Ärzte angesichts der Bedrohung durch Nuklearwaffen ergeben, wurden diskutiert und mündeten in die Auffassung der Arbeitsgruppe,

wäre nicht die ganze Ärzte- schaft gegen jeden und nicht nur gegen den nuklearen Krieg, als hätten nicht die Bundesärztekammer und der Deutsche Ärztetag seit mehr als

Die Leitgedanken: Stärkung von Teil- habe und Selbstbestimmung statt Fürsorge, Transparenz der Zustän- digkeit einzelner Rehabilitationsträ- ger sowie gemeinsames Recht

am Anfang wie auch am Ende des Le- bens bestimmt, bedeutet ohne Ein- schränkung für jeden Arzt auch Absage an Gewalt oder gar Krieg.. Der Arzt darf sich im Widerstreit ärzt-