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Archiv "Telemonitoring und Electronic Homecare: Therapie im Wohnzimmer" (03.03.2006)

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T H E M E N D E R Z E I T

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A522 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 9⏐⏐3. März 2006

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ls der Rettungsdienst ein- trifft, liegt der Rentner Fritz K. (72) mit akuten Herzbeschwerden auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer. Die Diagnose lautet Vorhofflim- mern, zur genaueren Abklärung seines Zustandes soll der Pati- ent ins Krankenhaus. Doch Fritz K. sträubt sich gegen die Einweisung; er will am liebsten zu Hause in seiner vertrauten Umgebung bleiben, auch wenn er dort medizinisch nicht sicher überwacht werden kann.

Fritz K. ist kein Einzelfall:

Rund vier Millionen kardiale Risikopatienten gibt es in Deutschland, darunter drei Mil- lionen mit Vorhofflimmern und 600 000 mit chronischer Herzinsuffizienz. Pro Jahr kommt es zu 300 000 Herzinfarkt- Neuerkrankungen. 80 Prozent der Er- eignisse geschehen zu Hause, 50 Pro- zent davon unbeobachtet. Darauf ver- wies Martin Braecklein vom Fachaus- schuss Telemedizin in der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Tech- nik bei einem Workshop zum Thema Telemonitoring in Krefeld.

Von der Prävention bis zur Langzeitbehandlung

Für viele der Betroffenen, vor allem für chronisch Kranke, könnten Anwendun- gen wie Telehomecare und Telemonito- ring (die Überwachung der Vitalpara- meter im häuslichen Umfeld) die Le- bensqualität und das Sicherheitsgefühl im Alltag erhöhen. Zwar werden diese Verfahren in der medizinischen Regel- versorgung noch kaum genutzt, doch aufgrund der inzwischen ausgereiften

Technik und ermutigender Projekter- gebnisse rücken sie zunehmend als Opti- on für Leistungserbringer und Kosten- träger in den Blick. Beim Telemonitoring erfassen Sensoren rund um die Uhr die für die Erkrankung relevanten physiolo- gischen Messparameter (Kasten Telemo- nitoring-Komponenten). Diese Werte werden entweder automatisiert oder ak- tiv durch den Patienten an ein telemedi- zinisches Zentrum, ein Krankenhaus oder einen Arzt übermittelt, dort ausge- wertet und in einer elektronischen Pati- entenakte gespeichert. Werden be- stimmte Grenzwerte überschritten, wird automatisiert ein Alarm ausgelöst, so- dass ein Arzt oder Rettungsdienst sofort eingreifen kann. Der Arzt kann das Tele- monitoring als zusätzliche Informations- quelle für die Therapieoptimierung nut- zen. Die Integration der Daten in eine elektronische Patientenakte ermöglicht die Therapiekontrolle und eine automa- tisierte medizinische Dokumentation.

Typische Einsatzgebiete sind bei- spielsweise koronare Herzerkrankun-

gen, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Diabetes und Asthma. Von großem Nutzen ist das Telemonitoring bei der Versorgung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz.

Das Krankheitsbild mit rund 200 000 Neuerkrankungen jähr- lich verursacht – vor allem durch die häufige Rehospitali- sierung der Patienten – hohe Kosten im Gesundheitssystem.

Mit einem telemetrischen Mo- nitoring des Körpergewichts lässt sich eine Verschlechterung des Zustands frühzeitig erken- nen, denn plötzliche Gewichts- zunahmen können durch zu- nehmende Wassereinlagerungen im Gewebe bedingt sein und auf einen beginnenden kritischen Herz-Kreis- lauf-Zustand hindeuten. Ergänzen las- sen sich die Werte des Gewichtsverlaufs durch die Übertragung von Blutdruck- und Pulswerten.

Die kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter ermöglicht auch bei längeren Behandlungsintervallen eine genaue Steuerung der Therapie und trägt dazu bei, dass sich die Compliance und der Krankheitszustand des Herz- patienten verbessern. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte,Notarzteinsätze und Arztbesuche nimmt darüber hinaus deutlich ab, mit der Folge, dass sich die jährlichen Kosten für die Betreuung er- heblich verringern. So hat eine Studie der KKH – Die Kaufmännische mit 250 Herzinsuffizienzpatienten im Telemedi- zinprojekt „Herzensgut“ einen Rück- gang der Gesamtkosten der Behand- lung um 20 Prozent (im Vergleich zur Kontrollgruppe) ergeben. Das bedeutet nach Angaben der Krankenkasse eine Kosteneinsparung von mehr als 1 300

Telemonitoring und Electronic Homecare

Therapie im Wohnzimmer

Mit telemedizinischen Systemen zur Patientenüberwachung

rückt die häusliche Umgebung ins Zentrum der Gesundheits-

vorsorge und -versorgung.

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Euro pro Patient und Jahr, bei bestimm- ten Risikogruppen sogar um bis zu 5 000 Euro. Weil die Versicherten mit dem Programm sehr zufrieden sind, hat die Krankenkasse bereits vor Ablauf der Pilotphase im Oktober 2005 das Angebot erweitert und zwischenzeitlich bereits 144 neue Teilnehmer gewonnen.

Auch Diabetiker können vom Tele- monitoring profitieren. Die meisten Blutzuckermessgeräte sind inzwischen mit einem elektronischen Speicher und einer Schnittstelle zum Auslesen und Übermitteln der Daten ausgestattet.

Mit einigen Systemen lassen sich auch zusätzliche Daten, wie die gespritzten Insulindosen und die zugeführten Koh- lenhydrate, speichern und übermitteln.

Im elektronischen Diabetes-Tagebuch kann der Patient diese Daten dokumen- tieren und per Handy oder Computer verschlüsselt an seinen Arzt übermit- teln, der sich schriftlich (per E-Mail, SMS) oder telefonisch bei diesem rück- meldet. Noch gibt es wenig gesicherte Erkenntnisse zum Telemonitoring von Diabetes-Patienten, doch auch hier er- warten Experten ein großes Potenzial zur Kosteneinsparung und zur Verbes- serung der Compliance. Eine klinische

Studie hierzu vom Institut für Diabetes in Karlsburg steht kurz vor dem Ab- schluss (www.diabetes-karlsburg.de).

Um die Dokumentationsbereitschaft der Patienten zu erhöhen, muss die Da- teneingabe für sie so einfach wie möglich gestaltet sein. Ein Beispiel hierfür ist das

„homecare.diabetes System“, das die Diabetes-Ambulanz des Universitätskli- nikums Münster mit der Firma blande, Bremerhaven, entwickelt hat. Bei der täglichen Eintragung ihrer Blutzucker- werte in ein mit einem Koordinatensy- stem bedrucktes Diabetes-Tagebuch verwenden die Patienten einen speziel- len digitalen Stift. Dieser ist mit einer winzigen Digital- kamera ausgestattet, die die geschriebenen Daten im Koordinatensystem erfasst, digitalisiert und speichert.

Hat der Patient seine Ein- tragung beendet, legt er den Stift neben ein Mobiltele- fon, über das die Daten in ein Servicecenter übertra- gen werden. Dort werden die Daten ausgewertet und automatisiert ein Bericht für den behandelnden Arzt er- stellt. Das Verfahren wird zurzeit im Rahmen einer Studie am Universitätsklini- kum getestet (www.diabe tes.uni-muenster.de).

Auch der „digitale Pati- entenbegleiter“ des Fraun- hofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST) soll das individuelle Ge- sundheitsmanagement der Patienten unterstützen und vereinfachen. „Zielgruppe

sind Adipositas-Patienten, die vor allem nach stationären Behandlungsphasen mit personalisierten Informationen und interaktiven Hilfen zur nachhaltigen Änderung ihres Lebensstils bewogen werden sollen“, erläutert Dr. Rolf Wol- ter, ISST. Die Anwendung läuft über ein mobiles interaktives Endgerät (wie ein PDA oder Handy). Sie umfasst bei- spielsweise Funktionen zur Informati- on, zur Dokumentation (Essprotokoll, Tagebuch) und zur Erinnerung (Medi- kamenteneinnahme), Kommunikations- foren sowie Tipps zur Alltagsbewäl- tigung (Einkaufshilfe, Kochplan). Als

„digi.DOU“ gibt es den Begleiter auch in einer Variante für Kinder. In einer Studie, die das ISST mit der Gelder- landklinik, Fachklinik für Psychothera- pie und Psychosomatische Medizin, im Sommer 2006 durchführen will, sollen die Praxistauglichkeit und Akzeptanz des Modells evaluiert werden.

Erfolgreich in der Praxis

„Telemedizin leistet einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und führt gleichzeitig zu signifikant niedri- geren Kosten im Gesundheitswesen“, stellt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.

(VDE) in einem Mitte November 2005 veröffentlichten vorläufigen Positions- papier zur Telemedizin fest, das im März 2006 in einer abschließenden Fassung erscheinen soll. Allerdings erfordere Telemedizin neue übergreifende Struk- turen, um die sektorübergreifende Ver- sorgung der Patienten zu gewährleisten.

Die möglichen Einsparungen resultie- ren nach Einschätzung des Verbands T H E M E N D E R Z E I T

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Telemonitoring-Komponenten

Ein Telemonitoringsystem besteht aus medizinischen Sensoren, die die Vitalparameter messen, einer Basisstation beim Patienten, die diese Messdaten erfasst, einem Übertragungssystem und einem Server zur Speicherung und Auswertung der Daten in einer elektronischen Patientenakte.

Die am oder im Körper befindlichen Sensoren messen zum Beispiel Vitalparameter wie Blut- druck, EKG, Puls, Sauerstoffsättigung, Körpergewicht, Lungenfunktion, Temperatur, Blutzucker und Augeninnendruck. Sie kommunizieren dabei sowohl untereinander über ein Netzwerk als auch mit Empfangsstationen in Übertragungsreichweite, etwa Rechnern in medizinischen Ein- richtungen oder der Basisstation in der Wohnung des Patienten. Letztere kann ein Mobilfunk- gerät (PDA oder Smartphone) oder ein stationäres Gerät mit Anschluss ans Telefonnetz sein. Die Basisstation ist entweder über Mobilfunk (GSM, GPRS, UMTS) oder per Festnetz (ISDN, DSL) mit dem telemedizinischen Zentrum, dem Krankenhaus oder einem Arzt verbunden.

Die Pädiatrische Nephrologie des Universitätsklinikums Heidelberg und IBM haben in einem Projekt die telemati- sche Betreuung nierenkranker Kinder erfolgreich gete- stet. Gemessen werden Blutdruck und Gewicht als wichti- ge Indikatoren für den Verlauf der Flüssigkeitsbilanz der Patienten. Die Daten werden per Bluetooth ausgelesen und per Handy und Internet an einen Server im Klinikum übermittelt. Eingesetzt werden ausschließlich mobile Technologien. Die Datenübertragung erfolgt verschlüsselt.

Foto:Universitätsklinikum Heidelberg

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vor allem aus effizienteren Abläufen und einer verbesserten Prävention.

„Erst muss ein umfassendes Dienst- leistungskonzept vorliegen, dann kann man aus Sicht der Krankenkassen an die telemedizinische Umsetzung ge- hen“, betont auch Dr. med. Marco Hördt, AOK Rheinland. Es sei wichtig, die richtigen Indikationen und die rich- tige Technik, angepasst an die individu- ellen und häuslichen Voraussetzungen, auszuwählen.

Inzwischen erproben einige Kran- kenkassen telemedizinische Verfahren im Rahmen von Verträgen zur Inte- grierten Versorgung (IV) als Mittel zur Qualitätsverbesserung und zur Kosten- senkung von Therapien. Ein Beispiel hierfür ist das Mitte Oktober 2005 von mehreren Betriebskrankenkassen ge- startete IV-Projekt CorBene (www.cor bene.de) für Herzinsuffizienzpatienten.

35 Haus- und Fachärzte sowie je zwei Krankenhäuser und Rehabilitationskli- niken beteiligen sich an dem Projekt, das von der Rheinischen Fachhoch- schule Köln evaluiert und von der Vita- phone GmbH als telemedizinischem Dienstleister unterstützt wird. Durch optimierte Behandlungspläne sollen unnötige Doppeluntersuchungen und Wartezeiten vermieden werden. Einge- setzt werden für die telemedizinische

Diagnostik und Patientenüberwachung unter anderem Geräte wie EKG-Kar- ten und das „Herz-Handy“ mit 3-Ka- nal-EKG, Notruffunktion, GPS-Ortung und GPRS-Datenübertragung. Dar- über hinaus übernimmt ein mit Ärzten und medizinischen Fachkräften besetz- tes Servicecenter Management und Be- treuung der Patienten.

Dass Telemedizin auch erfolgreich eine stationäre Behandlung ersetzen kann, demonstriert die ambulante vi- deounterstützte Parkinsontherapie für die Versicherten der Ersatzkassen. Die Ersatzkassenverbände VDAK und AEV kooperieren hierbei mit dem Uni- versitätsklinikum Düsseldorf sowie mit Krankenhäusern in Hamburg, Münster, München und Bad Aibling. Ein Rah- menvertrag des Berufsverbands Deut- scher Neurologen ermöglicht jedem niedergelassenen Neurologen die Teil- nahme. Die Patienten werden nach ei- ner Eingangsuntersuchung im Kran- kenhaus 30 Tage lang in ihrem häusli- chen Umfeld telemedizinisch weiterbe- treut. Sie ersparen sich dadurch einen dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt, der sonst zur medikamentösen Einstel- lung erforderlich ist. Der Krankenhaus- arzt beobachtet über ein videobasiertes Dokumentationssystem den Patienten zu Hause mehrmals täglich in festgeleg- ten Zeitintervallen. Er kann Änderun-

gen der Beweglichkeit während des Ta- gesablaufs verfolgen, die Dosierung der Medikamente jederzeit anpassen und bei unvorhergesehenen Situationen di- rekt eingreifen. 45 Tage nach der Erst- untersuchung wird der Patient abschlie- ßend untersucht und das Ergebnis per Video dokumentiert. Eine einjährige Studie hat ergeben, dass das integrierte, videobasierte Versorgungsmodell der bisherigen Behandlung deutlich überle- gen ist: Die Lebensqualität der Patien- ten steigt, die Kosten der Behandlung hingegen sinken durch Vermeidung von Krankenhausaufenthalten. Ähnliche Verfahren sind auch für andere Krank- heiten, etwa für Schlaganfallpatienten, geeignet oder im Rahmen von Nachsor- ge und Rehabilitation einsetzbar.

Noch Vision: Ambient Assisted Living

Aus der Verbindung von Gesundheits- telematik mit „Smart-Home“-Awen- dungen („intelligenten“, vernetzten Hausgeräten und -einrichtungen) erge- ben sich weitere Ansätze, um die Selbst- ständigkeit Älterer und Pflegebedürfti- ger möglichst lange zu erhalten. Über- greifende Konzepte und technische Plattformen für Betreuungs-, Sicher- heits- und andere Dienstleistungen feh- T H E M E N D E R Z E I T

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Präventive Mikromedizin

Die Mikrosystemtechnik soll dazu beitragen, neue Lösungen für die Prävention und das (Langzeit-)Monitoring von Herz-Kreislauf- Erkrankungen zu finden und die Integration von Therapie und Therapieüberwachung zu verbessern. Für Indikationen wie Bluthoch- druck oder Herz-Rhythmus-Störungen er- möglichen Mikrosysteme, zum Beispiel in implantierbaren oder extrakorporalen Sen- sorsystemen, eine kontinuierliche Verlaufs- überwachung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt im Rah- menprogramm „Mikrosysteme“ neun Pro- jekte zur Weiterentwicklung der präventiven Mikromedizin mit 15 Millionen Euro.

Informationen: www.mstonline.de/news (Website VDI/VDEIT GmbH, Projektträger Mikrosystemtechnik); www.vde-mikromedi zin.de (Website der VDE Initiative MikroMe- dizin der Deutschen Gesellschaft für Biome- dizinische Technik im VDE (DGBMT).

Videobetreuung eines Parkinsonpatienten – der Arzt verfolgt am Monitor die Fortschritte in der Beweglichkeit des Patienten.

Foto:mvb GmbH

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len jedoch bislang – trotz wachsender Nachfrage. Beispiel Hausnotruf: Im Jahr 2000 verzeichnete der Bundesver- band Hausnotruf rund 150 000 Teilneh- mer, 2003 hatten bereits 250 000 Perso- nen diesen Dienst für circa 20 bis 50 Euro monatlich abonniert. Diese Insel- lösung ließe sich erweitern, wenn sie mit anderen Technologien, etwa mit Be- wegungsmeldern oder Sensoren für die Sicherheitsüberwachung (zum Beispiel Brand-, Sturz-,Aktivitätsmeldern) kom- biniert würde.

Wachsender Markt

Inzwischen werden die Senioren als wichtige Kundengruppe von der Woh- nungswirtschaft entdeckt. Im Projekt SmarterWohnenNRW (www.smarter wohnen.net) beispielsweise werden in Hattingen zurzeit 185 „klassische“ Woh- nungen durch die Integration von Mikro- systemtechnik, Hausvernetzung und Mehrwertdienstleistungen zu „intelli- genten“ altersgerechten Immobilien um- gebaut. Die Bewohner sollen künftig aus verschiedenen Dienste-Paketen der Be- reiche Gesundheit, Sicherheit und Kom- fort auswählen können. Im Rahmen des Gesundheitspakets können sich Risiko- patienten künftig beispielsweise direkt mit einer Arztpraxis oder einem Kran- kenhaus verbinden lassen oder Telemo- nitoring-Dienste in Anspruch nehmen.

Der demographische Wandel ist auch für andere europäische und außereu- ropäische Industrieländer, wie etwa Japan, Israel und die USA, eine Her- ausforderung. So ist unter dem Titel

„Ambient Assisted Living“ (AAL;

www.aal169.org) innerhalb des siebten Forschungsrahmenprogramms (2007 bis 2013) eine europäische Fördermaß- nahme geplant, mit der unter Einsatz von Informations- und Kommunikati- onstechnologien und (Tele-)Dienst- leistungen übergreifende, bedürfnisori- entierte Lösungsansätze für die altern- den Gesellschaften und den zunehmen- den Pflegebedarf entwickelt werden sollen. Das Programm umfasst nicht nur technologische Faktoren, wie die Ver- knüpfung von „Smart-Home“-Anwen- dungen mit anwendungsfreundlichen Benutzerschnittstellen,Telemedizin und die Einbindung von Kommunikations-

medien, sondern auch sozioökonomi- sche, politische und nicht zuletzt wirt- schaftliche Faktoren. Allein der eu- ropäische telekardiologische Markt wird nach Prognosen des Marktfor- schungsunternehmens Frost & Sullivan von 50 Millionen Euro im Jahr 2005 auf

bis zu 400 Millionen Euro in 2011 wach- sen. Der weltweite Markt für intelligen- te Heimautomationssysteme wird nach Schätzungen des Unternehmens von rund 173 Millionen US-Dollar im Jahr 2002 auf bis zu 399 Millionen US-Dollar 2009 steigen. Heike E. Krüger-Brand T H E M E N D E R Z E I T

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n den heutigen Zeiten sind wir Ärzte vielfältigsten Vorwürfen ausgesetzt.

Nur Mammon hätten wir im Sinn, statt selbstlos aufopfernd für alle jeder- zeit präsent zu sein. Nachdem wir uns erfolgreich gegen diesen Verdacht der Bereicherung (da nur noch Kleinwagen fahrend und in Zweizimmer- wohnungen hausend) und Betruges (weil budgetiert und regressiert) zur Wehr gesetzt haben, bleibt vielen unserer Schutzbefohlenen nur noch das Argument der Zweiklassenmedizin, um auf uns herumzuhacken.

Ein Patient sitzt vor mir, seine Wut durch einen rotgeränderten Exoph- thalmus plakatierend. „Ich war im Krankenhaus, ich kann Ihnen sagen, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, eine unbeschreibliche Riesensauerei ist das, die man als Kassenpatient erleiden muss! Dass sich niemand dagegen wehrt, ist unfassbar! Euch Ärzten ist es völlig schnurz, wenn ein Kassenpati- ent im Bett verfault, während nebenan der Privatpatient alles kriegt!“ Ich versuche einzuwenden, dass die Flut der juristischen Auseinandersetzungen mit den Krankenhäusern im Allgemeinen und den Ärzten im Besonderen

dafür sorgt, dass allen Patienten die gleiche Sorgfaltspflicht . . . „Da hat man doch als normaler Mensch keinerlei Chance, von einem Chefarzt richtig be- handelt zu werden!“ Ich gebe zu bedenken, dass Chefärzte heutzutage über- wiegend mit Bürokratie und Verwaltung beschäftigt sind; die Oberärzte würden daher den Großteil der Untersuchungen und Behandlungen durch- führen und arbeiten daher ebenfalls auf einem ausgesprochen hohen Ni- veau, das natürlich im gleichen Umfang den Kassenpatienten zugute . . .

„Ihr wollt euch nur an den Geldern der Privatpatienten bereichern, mir kön- nen Sie nichts vormachen, an den Kassenpatienten verdient ihr doch nichts!“ Da läge er nicht ganz falsch, viele Kollegen behandeln ihre Kassen- patienten häufig umsonst, besonders am Ende des Quartals. Das Honorar der Privatpatienten bedeutet quasi eine Querfinanzierung, die es uns noch ermöglicht, laufende Unkosten zu bezahlen und damit die Kassenpatienten noch zu behandeln. Ohne das Privathonorar müssten mehr als ein Drittel der Praxen und Krankenhäuser schließen. „Also, alles was recht ist: Ich bleibe dabei, dass das ganze System eine einzige Abzocke der armen Kassenpatienten ist!

Mich kann man nicht täuschen! Bei dieser himmel- schreienden Ungerechtigkeit, die ich erlebt habe, gehe ich an die Zeitung!“ Was ist denn da passiert?

„Die Nachtschwester wollte mir keinen Fruchtsaft geben, weil der nur für die Privaten sei!“

Ach so. Dr. med. Thomas Böhmeke

Zweiklassenmedizin

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