DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
BRIEFE AN DIE REDAKTION
das Bemerkenswerte, daß sie nicht ansprechend sind, ohne Erklärung kaum etwas oder nur Inferiores vermitteln, und daß sie Ausweglosigkeit, nicht Hoffnung, die absolut be- rechtigt ist, verewigen wol- len. Hat nicht auch Chri- stus vollkommen unschul- dig gelitten und war scho- nungslosem Haß ohne je- den Grund ausgeliefert und doch hat sein Leben und Sterben Sinn und ein- zigartigen Erfolg gehabt, die Erlösung. Ohne dieses Geschehen — ob es ihm be- wußt ist oder nicht — könn- te kein Mensch wirklich froh sein, weder hier noch in alle Ewigkeit. Und hat nicht Paulus gelehrt: wir müssen ergänzen, was am Leiden Christi fehlt. Nichts ist zwecklos, nichts verlo- ren, nur muß es gesehen und richtig gesehen wer- den, mag auch vieles für sich und für den einzelnen
Irrwitzig
... Ich halte es aber für wichtig, dem Bild nicht all- zugroße Beachtung zu schenken. Denn gerade die möchte der Maler mit dieser irrwitzigen Darstel- lung, betitelt „Abendmahl"
erreichen. — Die Verhal- tensforschung lehrt, daß der männliche, noch nicht gereifte Jugendliche durch alle möglichen Verzerrun- gen, Superleistungen, Al- bernheiten und „Mutpro- ben" sich zu profilieren sucht. Man denke nur an das „Buch der Rekorde".
Ob nun einer 10 Pfund Schweizerkäse in einer Stunde hinunterdrücken kann oder den geschlach- teten Christus in Einzeltei- len von Organen vor Be- schauern zum kannibali- schen „Abendmahl" — mit Tellern, Löffeln, Gabeln, Messern — darstellt, beides geschieht vermutlich aus der gleichen vorlauten Un- reife zum Zweck der Profi- lierung.
gesehen unsagbar hart sein.
Die Krankheit des Unver- ständnis für wahre, wirk- liche und unvergängliche Werte hat seinen Ausgang nicht in veralteten Vorstel- lungen oder angeblich nicht zeitgemäßen Bildern und wird nicht überwun- den, wenn man „entmytho- logisiert", dem banalen, perversen oder komplizier- ten Empfinden und Den- ken heutiger, sogenannter moderner Menschen anzu- passen sucht oder zum Fortschritt hinabsteigt, sondern wenn man auch Herz und Seele voll gelten läßt, denn sie sind die Or- gane für das, was Verstand und platte Diesseitsorien- tierung nie fassen werden und können.
Dr. med. Wilhelm Scholz Auf der Geigerhalde 51 8962 Pfronten-Weißbach
Wenn die christlichen Glaubensbekenntnisse be- tonen: „Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut", und wenn ein katholisches Kir- chenlied lautet: „Lamm Gottes, am Stamme des Kreuzes geschlach- tet ... ", so sind kritischen Christen gelegentlich schon mal Zweifel gekom- men; was einverleibt man sich mit der Hostie, dem Wein? Göttliches oder Kannibalisches? So wie Forscher und Wissen- schaftler nicht alles „ma- chen" dürfen, was möglich ist, so dürfen auch Künst- ler, Maler, Bildhauer nicht alles „machen", was ihren begabten Händen gelin- gen könnte. Diese unge- schriebenen Gesetze der Ethik werden in unserem technischen Zeitalter im- mer häufiger übertreten.
Anscheinend geht mit dem technischen Fortschritt, der es ermöglicht mit Ge- gebenheiten des Kosmos zu experimentieren und zu spielen, eine Puerilisie- rung (als Ausgleich) ein- her, die sich unter ande-
rem darin zeigt, daß kaum noch ein alltägliches oder hochgeistiges Thema ohne Bild abgehandelt oder auf- genommen wird, sei es Fußballspiel, Ärzte kon- g reß, wissenschaftliche Abhandlung, politisches Treffen oder Romanlitera- tur. Bilderbücher waren für Kinder gedacht, um ihnen Zusammenhänge aus dem Text zu verdeutlichen. Er- wachsene brauchten/brau- chen sie nicht. Die allge- genwärtige bildliche Dar- stellung aus allen Lebens- und Lernbereichen ent- hebt große Gebiete der Denkarbeit, ohne die psy- chiologisches Reifen nicht vor sich gehen kann. Ich meinte immer, daß Ärzte, obgleich der Beruf manch- mal hartgesottene Gemü- ter erfordert, grausige An- blicke ertragen und den- noch ohne Erschrecken, ohne Schock lindernd und helfend einzugreifen be- reit sein müssen. Der Schock, den Duwe's
„Abendmahl" auslöst, ist aber von anderer Art und barbarisch-kulturlos .. . Dr. med. Herta Schneider Hauensteinstraße 22 7880 Säckingen
BLÜTENLESE
Religions-
gemeinschaften
Fast die ganze Welt feiert den 100. Ge- burtstag von Karl Marx. Im gleichen Jahr feiert ein wesent- lich kleinerer Teil den 100. Geburtstag des Philosophen und Arz- tes Karl Jaspers. An- gesichts der vielen und brennenden Glau- bensdiskussionen un- serer Tage sei an ein Fazit erinnert, das Jas- pers mit fünf Worten gezogen hat: „Daß Gott ist, ist genug."
Karl Jaspers, geboren 1883
RENTEN
Zu dem Artikel von Walter Kannengießer „Will die Bun- desregierung wirklich die pri- vate Vorsorge diskriminie- ren?" in Heft 25/26 1984, Seite 1985:
Ungleich- behandlung
... Eine Diskriminierung besteht bereits jetzt in der Rentenversicherung. Nach meinem mir gestern zuge- gangenen Rentenbe- scheid ergibt sich folgende Situation: Bisheriger Ren- tenbetrag 1 931,50 + 208,60 Zuschuß zur Kran- kenversicherung. Neuer Betrag ab 1. Juli 84 1 997,10 + 175,74 Zuschuß zur Krankenversicherung.
Nach allem, was man bis- her hörte, sollte die Rente um 3,4 Prozent angehoben werden, was hier auch ge- schehen ist. Es sollten al- lerdings unter dem Strich nur 1,4 Prozent mehr dabei herauskommen, da 2 Pro- zent mehr an die Kranken- kassen direkt abgeführt werden sollten. Nach dem beigefügten Merkblatt be- trägt der Zuschuß zur Krankenversicherung bei denen, deren Beitrag di- rekt an eine gesetzliche Krankenkasse überwiesen wird, 11,8 Prozent, bei de- nen, die in einer privaten Krankenkasse versichert sind oder die sich freiwillig in einer gesetzlichen Kran- kenkasse versichert ha- ben, 8,8 Prbzent. Bis vor ei- nem Jahr betrug der Kran- kenkassenbeitrag für alle 11,8 Prozent, war also ge- nau gleich. Ich würde es für richtig halten, wenn die
Bundesärztekammer, eventuell in Zusammenar- beit mit dem Bundesver- band der Freien Berufe, Handwerkskammern usw., sich dieses Problems der Ungleichbehandlung ein- mal annehmen würden.
Dr. K. H. Müller Bahnhofstraße 6 3060 Stadthagen
2402 (6) Heft 34 vom 22. August 1984 81. Jahrgang Ausgabe A