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er Deutsche Hausärzteverband hat anlässlich seiner Delegierten- versammlung am 17. Mai in Köln ein differenziertes Urteil über den Ent- wurf des Gesundheitssystemmoderni- sierungsgesetzes (GMG) abgegeben.Prof. Dr. med. Klaus-Dieter Kossow, der Vorsitzende des Verbandes, ver- deutlichte, dass auch die Hausärzte kei- nen gesundheitspolitischen Paradig- menwandel zulassen wollen, der sich einseitig gegen die Interessen der Ärz- teschaft richtet und die Steuerungs- macht allein den Krankenkassen über- antwortet.
Die Hausärzte unterstützen neben der Förderung der integrierten Versor- gung das so genannte 2-Tarife-Modell, für das auch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung eintritt. Das Modell sieht die Einführung eines GKV-Haus- arzttarifs mit obligatem Überweisungs- vorbehalt im Sachleistungsverfahren oder alternativ eines durchgängigen Kostenerstattungstarifs mit Direktzu- gang zur fachärztlichen Versorgungs- ebene vor. Zwar plädieren die Haus- ärzte für die Beibehaltung der freien Arztwahl durch den Versicherten, sie wollen aber zugleich die „qualitäts- steigernden Effekte einer hausarzt- koordinierten Versorgung“ in den Vor- dergrund stellen.
Fallstricke im GMG-Entwurf
Kossow warnte vor möglichen Fall- stricken im GMG-Entwurf: Die Be- schneidung der Kompetenzen der Kas- senärztlichen Vereinigungen und eine damit verbundene Vertragsfreiheit zwi- schen Krankenkassen und einzelnen Leistungserbringern könne die Ärzte- schaft vollends in Abhängigkeit der Krankenkassen zu bringen. Der casus belli wäre eine flächendeckende Öff-
nung der Krankenhäuser, die Wieder- belebung von Polikliniken nach DDR- Muster und die Einrichtung von Ge- sundheitszentren mit angestellten Ärz- ten und Eigeneinrichtungen der Kran- kenkassen in Konkurrenz zu den nie- dergelassenen Ärzten. Allerdings teilt Kossow nicht die Auffassung, dass mehr
Vertragswettbewerb ohne Mitwirkung der KVen zu einer Vernichtung der Facharztpraxen führen werde.
Eine einheitliche fachärztliche und stationäre Versorgungsebene sei prinzi- piell richtig, betonte Kossow, um die vom Hausärzteverband geforderte zweistufige Versorgungsstruktur zu rea- lisieren. Allerdings müssten faire Wett- bewerbsbedingungen zwischen ambu- lanter und stationärer fachärztlicher Versorgung bestehen. Dies bedeutet:
einheitliches Preissystem und die Umstellung der Klinikfinanzierung auf Monistik. Für die hausärztliche Ver- sorgungsebene seien ärztliche Kör- perschaften durchaus sinnvoll. Die Hausärzte müssten jedoch ein unab- hängiges und eigenständiges Verhand- lungsmandat erhalten.
Nach Auffassung des Hausärztever- bands müsse die beabsichtigte Ein- führung einer Pauschalvergütung im
hausärztlichen Sektor und einer Kom- plexvergütung im fachärztlichen Be- reich im Hinblick auf die Auswirkungen noch eingehender geprüft werden. Die Gefahr bei Honorarpauschalen bestehe darin, dass hausärztliche Leistungen künftig nicht mehr detailliert abgebil- det werden können. Deswegen ließen sich Einspareffekte im Hausarztsystem nicht konkret nachweisen.
Die Hausärzte lehnen die Reanima- tion des Kollektivregresses bei der Arz- nei- und Heilmittelverordnung und ver- schärfte Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab. Stattdessen sind sie für individuelle Richtgrößen. Begrüßt wird die vorgese- hene gesetzliche Konkretisierung bei der sachlichen und rechnerischen Rich- tigstellung und insbesondere der Plausi- bilitätsprüfungen kassenärztlicher Ab- rechnungen. Dies führe zu mehr Rechtssicherheit. Inakzeptabel sei da- gegen ein einseitiges Prüfungsrecht der Krankenkassenverbände hinsichtlich ihrer Leistungspflicht.
Der Hausärzteverband stellt sich hinter die Absichten der Regierung, die Verwaltungsstrukturen der Kas- senärztlichen Vereinigungen und der KBV zu „verschlanken“. Ein verbind- liches Verhältniswahlrecht sei das not- wendige Pendant zum rechtlich ge- stärkten Hausarztsystem. Die Rolle der Hausärzte und ihre Repräsentanz müs- se auch in den Gremien der KVen ge- stärkt werden.
In der Honorarpolitik müsse den un- verzichtbaren Leistungen im Hausarzt- sektor stärkeres Gewicht eingeräumt werden. Es sollten Vereinbarungen ge- troffen werden über Leistungen, die außerhalb des Budgets als Einzellei- stungen vergütet werden, insbesondere Hausbesuche, Notdiensteinsätze und vor allem die hausärztliche Schnittstel- lenkoordination bei Einweisungen und Entlassungen aus der Klinik, bei der prä- und postoperativen Betreuung von Patienten und beim Übergang von der ambulanten in die stationäre Pflege.
Die KBV wird aufgefordert, die Re- gelung im Bundesmanteltarif zur Ver- pflichtung, neue mobile Chipkartenle- ser anzuschaffen, zu revidieren. Der be- ratende hausärztliche Fachausschuss der KBV sei – entgegen der Satzungsver- pflichtung – nicht in die Beratung ein- bezogen worden. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K
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A1578 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 236. Juni 2003
Hausärzte zur Gesundheitsreform
Licht und Schatten
Der Deutsche Hausärzteverband erhofft sich eine zentrale Rolle im gegliederten System.
Klaus-Dieter Kossow: „Die Rolle der Haus- ärzte auch in den KV-Gremien stärken.“
Foto:Deutscher Hausärzteverband