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Archiv "Suchterkrankungen im Betrieb: Bericht über eine wissenschaftlich-praktische Fachkonferenz der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren" (07.12.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Spricht man von Suchterkrankun- gen im Betrieb, so sind die Einflüsse des Alkohols, gewohnheitsgemäß eingenommener Tabletten oder an- derer Suchtmittel wie zum Beispiel Haschisch und Heroin auf innerbe- triebliche Verhältnisse gemeint, und zwar soweit der Einnehmende selbst oder seine Kollegen in Mitleiden- schaft gezogen werden könnten.

Neben der gesundheitlichen Gefähr- dung durch den Konsum der ge- nannten Stoffe, der naturgemäß auch Krankheits- und Behandlungs- kosten verursacht und damit Kran- kenkassen, Unfall- und Rentenversi- cherungsträger nicht unerheblich belastet, steht die Beeinträchtigung der Produktion, etwa durch Fehlar- beitsleistungen.

In einem vielbeachteten Vortrag gab der Berliner Senator für Arbeit und Soziales, Olaf Sund, einen Überblick über die „Sucht-Situation" in den Betrieben. Er stellte fest, daß die Zahl der tablettenabhängigen Ar- beitnehmer erschreckend groß sei.

„Besonders häufig scheinen hier die Frauen betroffen zu sein. Bei ihnen läßt sich ein altersunabhängiger Konsum feststellen. Bei Männern ist ein erhöhter Medikamentenver-

brauch an Arbeitsplätzen mit Bela- stungskomplexen zwar nachzuwei- sen, zum Beispiel bei Schichtarbeit mit betriebsbedingten Arbeitser- schwernissen oder entsprechender Akkordarbeit. Aber die Häufigkeit der Medikamenteneinnahme liegt noch unter der der Frauen", erklärte Sund. Die Betriebsärzte hätten sich hier bereits mäßigend eingeschaltet, und sie würden sich auch in Zukunft noch intensiver mit den „Tabletten- stammkunden" beschäftigen.

„Entscheidend für ein erfolgreiches Eingreifen ist vor allem die Suche nach der Ursache des Medikamen- tenmißbrauchs. Bei seinen Aufga- ben wird der Betriebsarzt innerbe- triebliche Faktoren für die Ursachen von Schmerzen verschiedenster Körperabschnitte unter Umständen im betrieblichen Bereich auffinden, wie Zugluft oder schlechte Belüf- tung am Arbeitsplatz, unzweckmäßi- ge Beleuchtung und vieles andere mehr."

Ein besonderes Augenmerk gilt der Bekämpfung der seit Jahren zuneh- menden Haschisch- und Heroinwel- le bei Jugendlichen. Eine im Land Berlin vom Landesinstitut für Ar- beitsmedizin durchgeführte Umfra- Breitensport

chende Bewußtsein für die Werte der Vitalität bieten in dieser unserer Zeit einen starken Unterbau für sol- che Maßnahmen. Die Strategie einer modernen präventiven Gesundheits- politik wird viele Bereiche einschlie- ßen müssen. Ich nenne Gesetzge- bung, Forschung, Studium, Fortbil- dungswesen, Gesundheitserziehung als Schulfach, Ausbau des Sportun- terrichts, Mitwirkung der Massen- medien.

Schettler sagte: „Noch vor Ende des Jahrhunderts muß mit jährlich einer halben Million akuter Infarkte ge- rechnet werden, wenn es nicht ge- lingt, die Schwelle der Präventivme- dizin zu überschreiten."

Der Rudertrainer Karl Adam hat als eines der Motive des Sporttreibens einmal das Str:eben des Menschen genannt, seine „Glücksbilanz" zu verbessern. Sport ermöglicht Erfah- rungen der Selbstgewißheit, der Kommunikation mit anderen Men- schen und der Umwelt, des Gewinns an Lustgefühl und Spannung. Sport kann eine attraktive Möglichkeit der Einübung eines neuen Lebensstils sein. Eines solchen Lebensstils nämlich, in dem der Mensch lernt, sein gesundheitliches Schicksal und dadurch auch seine Glückserfah- rung aktiv mitzugestalten.

Die Bewältigung der Zivilisations- schäden ist eine Existenzfrage der nachindustriellen Gesellschaft. Un- ser Wohlstand in den nächsten Jahr- zehnten wird wesentlich davon ab- hängen. Der Sport bietet der Ärzte- schaft seine Bereitschaft an, an der Zukunftsstrategie für eine gesunde Lebensführung zusammenzuar- beiten.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Jürgen Palm

Deutscher Sportbund Otto-Fleck-Schneise 12 6000 Frankfurt 71

TAGUNGSBERICHT

Suchterkrankungen im Betrieb

Bericht über eine wissenschaftlich-praktische Fachkonferenz der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren

Die „Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren" widmete sich auf einer Tagung in Berlin der Drogen-Thematik auf einem speziellen Sektor: „Suchterkrankung im Betrieb — Früherkennung und Behand- lung als betriebliche Aufgabe" hieß das Motto der viertägigen Konfe- renz, die Ende Oktober stattfand. Mehr als 600 Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Betriebswirte, Verbandsvertreter und Angehörige des öffentlichen Dienstes ließen sich vor allem über arbeitsmedizinische und -rechtliche Fragen des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz sowie über Behandlungskonzepte für alkoholkranke Mitarbeiter verschiede- ner Betriebe unterrichten.

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Heft 49 vom 7. Dezember 1978 2993

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Suchtgefahren

ge bei Werksärzten brachte das Er- gebnis, daß der Rauschmittelge- brauch in Berliner Mittel- und Groß- betrieben bei Arbeitnehmern bis zu 25 Jahren nach Art und Häufigkeit als unerheblich angesehen werden konnte. Ebenso unbedeutend waren die beobachteten Drogenabhängig- keitsfälle und die festgestellten Aus- wirkungen.

Die größte Bedeutung hinsichtlich des Mißbrauchs von Drogen kommt im betrieblichen Bereich jedoch dem Alkohol zu. Die Gewohnheit, bereits bei der Arbeit Alkohol zu sich zu nehmen, wurde bei acht Prozent aller Arbeitnehmer ermittelt. Unter Männern ist der Alkoholgenuß weit- aus stärker verbreitet als bei Frauen, die auch einen bedeutend geringe- ren Alkoholmißbrauchsindex auf- weisen.

„Es kann leicht zu einer falschen Bewertung führen, wenn man als ei- ne berufsspezifische Auffälligkeit ausweist, daß Arbeiter häufiger als andere bei der Arbeit trinken. Da spielen sicherlich die unterschiedli- chen Arbeitsbedingungen mit, die berufsspezifische Trinkgewohnhei- ten und -bedürfnisse entwickelt ha- ben. Die Gefahrengeneigtheit des Arbeitsplatzes und die Einbindung in Arbeitsabläufe machen andere Bedingungen aus, die Alkoholein- nahme auffälliger werden zu lassen als beispielsweise bei Bürotätigkei- ten. Und es mehren sich auch Hin- weise, daß es bei anderen Berufs- gruppen Angleichungstendenzen gibt", so Sund.

Einfluß auf Betriebsunfälle — große Dunkelziffer

Hinsichtlich des statistischen Nach- weises der Alkoholeinflüsse auf Be- triebsunfälle ergeben sich zweifellos Schwierigkeiten, weil es in der Bun- desrepublik keine gesetzliche Rege- lung gibt, die bei Betriebsunfällen eine Blutentnahme zur Untersu- chung auf Alkohol bindend vor- schreibt. Ein Arzt, der ohne Zustim- mung des Betroffenen und ohne be- hördlichen Auftrag, etwa der Ermitt- lungsbehörde, Blutalkoholuntersu-

chungen durchführt, setzt sich der Gefahr aus, straf- und zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen zu wer- den. Selbst bei Betriebsunfällen mit tödlichem Ausgang kann nur dann eine entsprechende Untersuchung erfolgen, wenn die Ermittlungsbe- hörde (eventuell auch die Berufsge- nossenschaft) dies veranlaßt.

Diese Verfahrensweise und andere Umstände, die sich im Anschluß an einen Unfall ergeben, erschweren es außerordentlich, einen Überblick über die Bedeutung des Alkoholein- flusses bei Betriebsunfällen zu ge- winnen. In den wenigen veröffent- lichten Statistiken werden die alko- holbedingten tödlichen Arbeitsun- fälle auf fünf bis 32 Prozent ge- schätzt. Privatdozent Dr. Werner Naeve von der Hamburger Gesund- heitsbehörde vermutet, daß bei je- dem zehnten Arbeitsunfall Alkohol im Spiel ist. Die Dunkelziffer liegt hier sicherlich sehr hoch.

Das Berliner Landesinstitut für Ar- beitsmedizin hat in einer soeben ab- geschlossenen Umfrage bei Betrie- ben der Stadt mit mehr als 100 Ar- beitnehmern die Antwort erhalten, daß die Fehlleistungen und damit der Produktionsausfall in den Fir- men, die ein Alkoholverbot be- schlossen haben, sich eindeutig ver- ringert haben. Eine weitere Gruppe dieser Betriebe berichtete über eine Abnahme der Arbeitsunfälle nach In- krafttreten des Alkoholverbots.

Dazu Sund: „Eine der Konsequen- zen darauf ist sicherlich die Empfeh- lung einer innerbetrieblichen Ver- einbarung über ein Alkoholverbot.

Diesen Weg ist die Mehrheit der be- fragten Betriebe gegangen." Von den Unternehmen, in denen nun- mehr ein partielles Alkoholverbot gilt, beziehe sich die Beschränkung entweder auf bestimmte Tätigkeits- bereiche wie gefährliche Arbeits- plätze, Fahr- und Steuerbereiche oder auf bestimmte Zeiten, zum Bei- spiel während der Arbeit selbst, aber nicht in den Pausen. „In anderen Betrieben wiederum gilt das Verbot nur am Arbeitsplatz, nicht aber in den Kantinen — eine inkonsequente Maßnahme, die an der Tatsache vor-

beigeht, daß die Alkoholwirkung nicht mit dem Ende der Arbeitspau- se aufhört", bemängelt Sund („Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!").

Der Staat will nicht reglementieren

Der Senator ging in diesem Zusam- menhang auf die Frage ein, ob nicht der Staat die Aufgabe habe, durch gesetzliche Bestimmungen den Al- koholkonsum in den Betrieben zu regulieren. „Hierzu möchte ich sa- gen, daß ich gegenwärtig keine zwingende Notwendigkeit sehe, über die bereits schon erlassenen Gesetze, Verordnungen und Unfall- verhütungsvorschriften hinaus den freien Gestaltungsraum der Betrof- fenen auf diesem Gebiet durch wei- tere staatliche Reglementierungen einzuengen. Allerdings sollte man alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Bürger bei der Verwirklichung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz behilflich zu sein. Dies wäre ein zweifellos wirksamer Beitrag zur Hu- manisierung des Arbeitslebens. Wir sollten alle Energien anstrengen, um die ,Alkoholmündigkeit' bei allen Bürgern unseres Landes herzustel- len." Dazu bedürfe es unter ande- rem eines Wandels der bisherigen Trinksitten im Betrieb. Es müsse da- für gesorgt werden, daß ein in jeder Hinsicht kontrolliertes Trinken po- pulär werde. Sund: „Wir sollten uns auch der Vorbildfunktion der Vorge- setzten in diesem Bereich bewußt werden. Solange in den Vorstands- etagen und Behördenleitungen bei den unterschiedlichsten Anlässen dem Alkohol zugesprochen wird und der Mittrinker meist wohlwol- lend beurteilt wird, ... kann man al- len Ernstes nicht erwarten, daß eini- ge Etagen tiefer oder im nahen Hit- zebetrieb auf den vielleicht bislang noch gewohnheitsmäßigen Bierkon- sum verzichtet wird." Außerdem sollten die Beteiligten bestrebt sein, durch arbeitsorganisatorische Maß- nahmen an besonders „durstigen Arbeitsplätzen" die Belastungen durch Hitze, Staub und schwere kör- perliche Arbeit zu-vermindern. „Ich

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2994 Heft 49 vom 7. Dezember 1978

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Suchtgefahren

halte es für geboten, in derart bela- stenden Bereichen alkoholfreie Ge- tränke unentgeltlich oder zumindest verbilligt anzubieten", so Sund, der sich auch für eine verstärkte Aufklä- rungsarbeit in Sachen Alkohol und ein intensives Engagement der be- trieblichen Suchtkrankenhilfe aus- sprach. Darüber hinaus forderte er, solche Arbeitsplätze für Alkohol- kranke freizuhalten, denen sie mit ihren eingeschränkten Fähigkeiten gerade noch gerecht werden könnten.

Lohn-Fortzahlung bei selbstverschuldeter Krankheit?

Über die arbeitsrechtlichen Proble- me bei der Suchterkrankung, die vor allem bei der Fortzahlung des Ar- beitsentgelts im Krankheitsfall auf- treten, referierte der Vizepräsident des Landesarbeitsgerichtes Hamm, Werner Brill. „Ein Anspruch des Ar- beitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Lohn oder Gehalt entfällt, wenn seine krankheitsbedingte Arbeitsun- fähigkeit verschuldet, d. h. auf einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen in ei- genem Interesse zu erwartende Ver- halten zurückzuführen ist. Und nach der Rechtsprechung des Bundesar- beitsgerichtes sind Trunksucht und deren Folgen nach der Lebenserfah- rung, jedenfalls in aller Regel, selbstverschuldet", stellte er klar.

„Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf Drogensucht und deren Folgen, so werden im Arbeitsleben grundsätz- lich die gleichen Beurteilungsmaß- stäbe angelegt. Denn auch die Ge- fahren des Drogenmißbrauchs sind heutzutage im allgemeinen bekannt, und wer dieser Erkenntnis zuwider- handelt, hat seine Arbeitsunfähig- keit regelmäßig selbstverschuldet", ergänzte Brill.

Die Suchterkrankung tritt arbeits- rechtlich auch im Kündigungsrecht in Erscheinung. Hat die Trunk- oder Drogensucht Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis, so ist dessen Be- endigung durch ordentliche (fristge- mäße) oder außerordentliche (frist-

lose) Kündigung des Arbeitgebers denkbar.

Obwohl ein Arbeitnehmer selbst dann fristlos entlassen werden kann, wenn ihm ein Verschulden nicht vor- zuwerfen ist, kommt Trunk- oder Drogensucht als wichtiger Grund für eine solche Kündigung nur ganz sel- ten in Betracht. „Dagegen kann eine Suchterkrankung ebenso wie eine andere Krankheit (lang anhaltende Krankheit oder häufige Erkrankun- gen mit Wiederholungsgefahr) eine fristgemäße Aufkündigung des Ar- beitsverhältnisses durch den Arbeit- geber sozial rechtfertigen, wenn die Trunk- oder Drogensucht bei Abwä- gung der Interessen des Arbeitneh- mers an der Aufrechterhaltung und des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses von sol- chem Gewicht ist, daß sie die Maß- nahme als gerecht erscheinen läßt", führte Brill aus.

Gehört

die Entziehungskur zur Fürsorgepflicht?

Allerdings stelle sich im Zusammen- hang mit Kündigungen die Frage, ob die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ihm nicht gebiete, dem Arbeitneh- mer vor Ausspruch einer Kündigung zunächst eine Entziehungskur anzu- raten und er zur Kündigung erst dann schreiten darf, wenn der Ar- beitnehmer den Antritt der Kur ab- lehnt, diese abbricht oder erfolglos bleibt. „Außerdem ist bei der vom Arbeitgeber anzustellenden Interes- senabwägung zu berücksichtigen, daß der Süchtige in besonderem Maße des Verständnisses und der Hilfe bedarf, um ihn dem Arbeitsle- ben zu erhalten", so Brill.

Die arbeitsmedizinischen Aspekte des Alkoholkonsums am Arbeits- platz beleuchtete Dr. med. Siegfried Sparrer, Werksarzt der Bayer AG in Leverkusen, der für ein generelles Alkoholverbot im Betrieb plädierte.

„Bei uns", so erläuterte er die Hand- habung seines Unternehmens, „ist das Mitbringen oder der Genuß al- koholischer Getränke innerhalb des Werksgeländes nicht erlaubt.

Ebenso ist das Betreten des Werkes unter Alkoholeinwirkung verboten.

Wird ein Mitarbeiter im Werk unter Alkoholeinfluß angetroffen, so muß er den Arbeitsplatz verlassen."

Die betriebsärztliche Praxis

Und das sieht in der Praxis so aus:

„Erwischt" man einen Mitarbeiter in einem auffälligen Zustand, so stellt der Werksschutz mittels eines Alco- Test-Röhrchens die Alkoholeinwir- kung und den Grad der Trunkenheit fest. Analog der Rechtsprechung im Verkehrswesen wird bei einem Alko- holgehalt unter 0,8 Promille die Auf- nahme oder Weiterführung der Ar- beit gestattet, es sei denn, daß der Betreffende aufgrund seines Zu- standes und seines Verhaltens dazu nicht in der Lage ist oder die beson- deren Bedingungen am Arbeitsplatz dies nicht zulassen. Ergibt der Test eine Konzentration über 0,8 Promil- le, so werden der Zugang zum Werk, die Aufnahme oder Weiterführung der Arbeit nicht gestattet.

Dieser Alco-Test ist freiwillig, seine Verweigerung selten. Sollte dies der Fall sein, so muß zwecks Entnahme einer Blutprobe gegen den Willen des Patienten die Polizei einge- schaltet werden — siehe oben. Stellt man in dem jeweiligen Fall fest, daß der Mitarbeiter bereits häufiger we- gen Alkoholeinwirkung ermahnt wurde, dann werden in der Regel bei entsprechenden Arbeitsbedingun- gen folgende Maßnahmen durchge- führt: Herausnahme aus der Nacht- schicht, eventuelle Befreiung von Akkordarbeiten, Ablösung von Fah- rertätigkeiten oder von allen Arbei- ten, die erhöhte Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern, Vermei- dung von Umgang mit lebertoxi- schen Substanzen usw.

„Erfahrungsgemäß ist dies der erste Schritt. Häufig genügt eine innerbe- triebliche Umsetzung, die nicht mit Lohneinbußen verbunden ist. Der nächste Schritt, die Versetzung an einen minderqualifizierten Arbeits- platz, vielleicht auch in einen ande- ren Betrieb, geht mit Lohneinbußen

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BRIEFMARKEN

Neuer 60-Pfennig-Wert zeigt Röntgengerät

Die Deutsche Bundespost Berlin hat ihre Dauerserie um einen Briefmarken-Wert erweitert. Die Mitte November 1978 erschienene 60-Pfennig-Marke zeigt die sche-

matische Darstellung eines Rönt- gengerätes. Die Marke fügt sich in die bereits seit längerer Zeit edier- te Postwertzeichen-Dauerserie mit dem Titel „Industrie und Technik"

ein. Bisher erschienen bereits Marken mit der Darstellung eines Nahverkehrs-Triebzuges (10 Pfen- nig), eines Rettungshubschrau- bers (30 Pfennig), einer Erdfunk- stelle (50 Pfennig), eines Braun- kohlenförderbaggers (100 Pfen- nig) und andere Marken. DÄ

Auf die internationale Motiv- gruppe „Medizin" in der Ar- beitsgemeinschaft des Bundes deutscher Philatelisten wurde unter der Rubrik „Das philateli- stische Arztporträt" im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT bereits wiederholt hingewiesen. Vier- teljährlich gibt diese Arbeitsge- meinschaft ihr Mitteilungsblatt

„Philatelia Medica", das 15 Sei- ten umfaßt, an Mitglieder und Freunde heraus. Der Leiter der Motivgruppe „Medizin", Dr.

med. Rudolf Wallossek, Herzo- genfeld 9, 5074 Odenthal, ist bereit, Interessenten auf Anfra- ge detaillierte Auskünfte zu er- teilen. DÄ Spektrum der Woche

Aufsätze • Notizen Suchtgefahren

einher, vor denen wir den Patienten nicht schützen. Wir betrachten es nicht als unser therapeutisches An- liegen, Not zu verwalten, weil das dem Patienten jede Chance nehmen würde, zum Schmerz und damit zur Behandlungsbereitschaft zu kom- men", führte Sparrer aus.

Die Suchtkrankenhilfe innerhalb der werksärztlichen Abteilung und die Unternehmensleitung stellten, so der Mediziner, das Wohl des kran- ken Mitarbeiters in den Vorder- grund_ Beide hätten aber auch eine Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber. „Es ist falsch verstande- ne Hilfeleistung, weiter trinkenden Alkoholkranken unter allen Umstän- den ihren Arbeitsplatz im Sinne ei- ner beschützenden Werkstatt erhal- ten zu wollen. Der Alkoholiker hat keinen Anspruch auf Sonderkondi- tionen. Allerdings sollte bei arbeits- rechtlichen Maßnahmen der Thera- peut gehört werden, weil nur er in der Lage ist, Sinn und Gefahr dieser Vorhaben für den Kranken abzuwä- gen", erklärte Sparrer.

Aufklärung des Betriebsrates notwendig

Es ist eine gar nicht so einfache be- triebsärztliche Aufgabe, den Sinn solcher Maßnahmen dem Betriebs- rat klar zu machen, versichern die Betroffenen. Dieser hat nun einmal von seiner Funktion her das Bedürf- nis, den Mitarbeiter weitgehend vor unliebsamen Konsequenzen zu be- schützen. Die beste Hilfe für einen uneinsichtigen Alkoholkranken be- steht aber häufig im „Nichthelfen", wobei auch letztlich eine Entlassung aus rein therapeutischer Sicht für den Kranken nützlicher als das „Be- schützen" sein kann. Deshalb ist die Aufklärung des Betriebsrates über das Wesen der Alkoholkrankheit von großer Bedeutung.

Aufklärung tut aber auch bei allen Mitarbeitern und Vorgesetzten not.

„Diese kann dann letztendlich auf längere Sicht auch arbeitsmedizi- nisch in manchen Betrieben ein wei- teres relevantes Problem lösen, zum

Beispiel die berechtigte Versorgung bestimmter Arbeitnehmer in Hitze- oder Staubbetrieben mit geeigneten Getränken", ergänzte Sparrer. Der Bedarf an Flüssigkeit zur Aufrecht- erhaltung der Leistungsfähigkeit an einem solchen Arbeitsplatz ist we- sentlich höher als im Normalfall. Es kann in der Regel zwischen drei und vier Litern je Schicht angesetzt wer- den. Es ist durchaus nicht unge- wöhnlich, diesen erhöhten Bedarf mit alkoholischen Getränken, vor al- lem mit Bier, zu decken.

„Bier macht aber Bierdurst. Das heißt, es wird mehr als notwendig, hastig und auf Vorrat getrunken. Bei einem Alkoholgehalt des Bieres von 3,5 bis 4,5 Prozent verursacht ein halber Liter nach etwa einer Stunde einen Blutalkoholspiegel von 0,4 Promille. Das Bier kann also bei den heutigen Anforderungen an einen Arbeitnehmer nicht länger als Ar- beitsgetränk toleriert werden", stell- te Sparrer fest. Als Alternative schie- den Mineralwasser, Kaffee, schwar- zer Tee, Milch und Fruchtsäfte aus verschiedenen Gründen als nicht optimal aus. Als am besten geeignet hätten sich einige Teemischungen herausgestellt.

Zusammenfassend erklärte Sparrer:

„Die arbeitsmedizinische Aufgabe bei Alkoholmißbrauch und -krank- heit im Betrieb muß in erster Linie den Sicherheitsfaktor berücksichti- gen. Sie kann sich aber nicht allein auf den Organbefund beziehen, ge- wissermaßen sich im nachhinein auf Maßnahmen beschränken, die dem Befund in körperlicher Hinsicht ge- recht werden, sondern sie muß auch in den möglichen prophylaktischen Maßnahmen gesehen werden. Das bedeutet im wesentlichen eine um- fassende Aufklärung des Betriebsra- tes und aller Mitarbeiter. Eine Be- handlung der Alkoholiker in der ei- genen Suchtkrankenhilfe innerhalb der werksärztlichen Abteilung bietet erhebliche Vorteile und ist unter vor- handenen geeigneten Vorausset- zungen auch von der Kosten-Nut- zen-Rechnung her gut vertretbar."

Lutz E. Dreesbach, Neuss

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Referenzen

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