Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 7⏐⏐13. Februar 2009 115
M E D I Z I N
Konsequente Eliminationsdiät
Seitz et al. legen eine retrospektive Analyse von über 400 Patienten mit vermuteter Nahrungsmittelallergie vor und betonen zu Recht, dass „nur eine umfassende allergologische Diagnostik“ Patienten vor negativen Folgen einer Über- oder Unterschätzung der Nah- rungsmittelallergie bewahren kann (1). In 66 Fällen werden nach Anamnese und standardisierter Hauttes- tung orale Provokationstestungen mit negativen Er- gebnissen beschrieben. Bei über 50 % ihrer Patienten diagnostizieren die Autoren eine Nahrungsmittelaller- gie – hier bleibt allerdings offen, ob orale Provokati- onstestungen in unklaren Situationen auch bei diesen Patienten durchgeführt wurden.
Der Anteil unklarer Konstellationen nach Anam- nese und Hauttesttungen beziehungsweise spezifi- schen IgE-Bestimmungen in der täglichen Praxis ist hoch (zum Beispiel bestehende Differenzialdia- gnosen zur Nahrungsmittelallergie und Sensibilisie- rungen gegen mehrere Nahrungsmittel bei eindeuti- gen Symptomen nach einer zusammengesetzten Mahlzeit). Die Arbeitsgemeinschaft Nahrungsmittel- allergie der drei deutschen Allergie-Fachgesellschaf- ten (DGAKI, ÄDA und GPA) haben praxisrelevante Positionspapiere und Leitlinien verfasst, die unter http://www.leitlinien.net unter dem Stichwort „Nah- rungsmittelallergie“ abrufbar sind. Ein besonderes Anliegen der Fachgesellschaften ist, dass allergo- logisch versierte Institutionen die Möglichkeit der oralen Provokationstestung für Patienten mit unklarer Konstellation flächendeckend anbieten. Gezielte ora- le Provokationstestungen können in Kliniken auch un- ter DRG-Bedingungen ausreichend abgebildet wer- den und stellen oft die einzige Möglichkeit dar, die Verdachtsdiagnose Nahrungsmittelallergie wirklich zu sichern (2, 3).
Nahrungsmittelallergien können ausgesprochen harmlos verlaufen, können aber auch – selten – tödli- che Folgen haben. Weder Sensibilisierungsgrad noch Ausprägung einer vorangegangenen systemischen Reaktion sind prädiktiv für den Ausgang lebensge- fährlicher Reaktionen auf Nahrungsmittel. Insofern sollen auch Patienten mit „milden“ gesicherten syste- mischen Reaktionen auf Nahrungsmittel eine konse- quente Eliminationsdiät nach diätetischer Beratung einhalten und ein Notfallset (Adrenalin-Autoinjektor, Antihistaminikum, Steroid) mit sich führen.
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0115
LITERATUR
1. Seitz CS, Pfeuffer P, Raith P, Bröcker E-B, Trautmann A: Nahrungsmit- telallergie bei Erwachsenen – über- oder unterschätzt? Dtsch Arztebl 2008; 105(42): 715–23.
2. Niggemann B, Erdmann S, Jäger L et al.: Standardisierung von oralen Provokationstests bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Ak- tualisierte Leitlinie von DGAKI, GPA und ÄDA. Allergo J 2006; 14:
262–70.
3. Henzgen M, Vieths S, Reese I et al.: Nahrungsmittelallergien durch immunologische Kreuzreaktionen. Leitlinie der DGAKI und des ÄDA.
Allergo J 2005; 14: 48–59.
Prof. Dr. med. Thomas Werfel
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie Medizinische Hochschule Hannover
Ricklinger Straße 5 30449 Hannover
E-Mail: Werfel.Thomas@mh-hannover.de
Dr. med. Ute Lepp Herz-Lungenpraxis Stade Harsefelder Straße 6 21680 Stade
E-Mail: info@herzlunge.de
Prof. Dr. med. Margitta Worm Allergie-Centrum-Charité
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Charité Campus Mitte
Universitätsmedizin Berlin Charitéplatz 1 10117 Berlin
E-Mail: margitta.worm@charite.de
Schlusswort
Dieser Stellungnahme, die im Wesentlichen nochmals auf die bestehenden Leitlinien zur Diagnostik der Nah- rungsmittelallergie hinweist, ist im Prinzip nichts hin- zuzufügen. Allerdings sollen in diesem Zusammen- hang auch Nachteile/Probleme von Leitlinien, die wir übrigens zitiert haben (1), nicht unerwähnt bleiben.
Diese werden einerseits oft in Zeitschriften publiziert, auf die viele potenziell Interessierte nicht zugreifen können. Wenn man andererseits eine Antwort auf kon- krete Fragen – oft gerade die besonders wichtigen – sucht, findet man lediglich eine Diskussion verschie- dener Möglichkeiten, das heißt, es werden leider nicht immer eindeutige und praktikable Handlungsempfeh- lungen gegeben.
Bezüglich der Provokationstests dürfen wir zunächst darauf hinweisen, dass sich unsere Studie auf die Diagnose der IgE-vermittelten (Typ I) Nahrungs- mittelallergie mit typischer Soforttyp-Symptomatik (orales Allergiesyndrom, Urtikaria/Angioödem, Ana- phylaxie) beschränkte. Im Vordergrund standen dabei einfache Methoden, wie Anamnese und Haut-Prick- test. Zusätzliche Laboruntersuchungen (Serum-IgE, Tryptase) und/oder Provokationstests sind zeitaufwän- dig und gerade bei IgE-vermittelten Allergien beinhal- ten Provokationstests nicht unerhebliche Risiken. Die rationale Auswahl und Interpretation der Diagnoseme- thoden beim einzelnen Patienten sind abhängig von zu dem Beitrag
Nahrungsmittelallergie bei Erwachsenen – über- oder unterschätzt?
von Dr. med. Cornelia S. Seitz, Petra Pfeuffer, Petra Raith, Prof. Dr. med. Eva B.
Bröcker, PD Dr. med. Axel Trautmann in Heft 42/2008
DISKUSSION
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den Symptomen (Anaphylaxie oder orales Allergie- syndrom), dem verdächtigen Nahrungsmittel (bekann- tes oder seltenes Allergen) und muss Sensitivität und Spezifität der Testverfahren berücksichtigen. So ist bei eindeutigen Symptomen eines oralen Allergiesyn- droms oder einer Anaphylaxie in engem zeitlichem Zusammenhang mit Ingestion eines bekannten Nah- rungsallergens, für das im Hauttest eine IgE-vermittel- te Sensibilisierung nachgewiesen wurde, eben kein Provokationstest notwendig (2, 3). Ganz im Gegensatz beispielsweise zur vermuteten Verschlechterung eines atopischen Ekzems nach bestimmten Nahrungsmit- teln, bei der vor einer Diät möglichst ein Provokations- test mit positivem Ergebnis durchgeführt werden soll- te – aber derartige Patienten waren in unserer Studie nicht enthalten. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0116
LITERATUR
1. Seitz CS, Pfeuffer P, Raith P, Bröcker EB, Trautmann A: Nahrungsmit- telallergie bei Erwachsenen – über- oder unterschätzt. Dtsch Arztebl 2008; 105(42): 715–23.
2. Trautmann A: Nahrungsallergie. In: Trautmann A: Allergiediagnose, All- ergietherapie. Stuttgart, New York: Thieme 2006; 181–201.
3. Bernstein IL et al.: Food allergy: a practice parameter. Ann Allergy Asthma Immunol 2006; 96: 1–68.
PD Dr. med. Axel Trautmann
Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universität Würzburg
Josef-Schneider-Straße 2, 97080 Würzburg E-Mail: trautmann_a@klinik.uni-wuerzburg.de
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
REFERIERT
Knoblauch bei Hypercholesterinämie wirkungslos
Knoblauch und Knoblauchprodukte sollen arteriosklerotische Prozesse durch blutfettsenkende und antithrombotische Effekte verlangsamen. In einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie mit 192 Patienten mit moderater Hypercholesterinämie testete man verschiede- ne Knoblauchpräparationen. Einschlusskriterien für die Studie waren LDL-Werte zwischen 130 und 190 mg/dL, Triglyzeridwerte unter 250 mg/dL, ein Body-Mass-Index von 19 bis 30 und ein Alter zwischen 30 und 65 Jahren. Die Interventionsgruppen erhielten entweder 4 g ro- hen Knoblauch auf Sandwiches oder 4 Tabletten mit getrocknetem Kno- blauchpulver (Garlicin) oder 6 Tabletten mit gereiftem Knoblauch (Kyolic 100) beziehungsweise Placebo. Die Knoblauchdosierung entsprach un- gefähr einer Knoblauchzehe pro Tag. Die Knoblauchzubereitungen soll-
ten an sechs Tagen pro Woche eingenommen werden. Alle Studienteil- nehmer konsumierten mindestens 80 % der vorgesehenen Studienme- dikation. Die Compliance lag bei der Tablettenpräparation zwischen 91 % und 94 %. In keiner der Behandlungsgruppen gab es statistisch signifikante Effekte auf die LDL-Werte, ebenso auch keine Effekte auf HDL,Triglyzeride und den LDL/HDL-Quotienten. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Knoblauch in einer Dosierung von ungefähr 4 g ro- hem Knoblauch bei Erwachsenen mit mäßiger Hypercholesterinämie die LDL-Werte nicht senken kann, obwohl die Produkte in einer höheren als vom Hersteller empfohlenen Dosierung eingesetzt worden waren. Mög- licherweise sind bei Patienten mit stark erhöhten Blutfetten oder mit ei- ner noch höheren Dosis positive Effekte zu erzielen, allerdings hat keine der seit 1995 mit Knoblauch durchgeführten Studien eine Blutfettsen-
kung dokumentiert. w
Gardner CD et al.: Effect of raw garlic vs. commercial garlic supplements on plasma lipid concentrations in adults with moderate hypercholesterinemia: a randomized clinical trial.
Arch Intern Med 2007; 167: 346–53. E-Mail: cgardner@stanford.edu