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Archiv "Arzneimittelversorgung in Entwicklungsländern: „Wir brauchen Alternativen zu Patenten“" (02.12.2011)

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A 2582 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 48

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2. Dezember 2011

ARZNEIMITTELVERSORGUNG IN ENTWICKLUNGSLÄNDERN

„Wir brauchen Alternativen zu Patenten“

Die Medikamentenversorgung von Patienten in armen Ländern hat sich nicht zuletzt durch eine Lockerung internationaler Handelsabkommen verbessert. Experten befürchten jedoch, dass neue Regelungen die Situation wieder verschärfen.

E

s ist nicht zuletzt das Ver- dienst von humanitären Orga- nisationen wie Ärzte ohne Grenzen, dass der Zugang zu lebensnotwen- digen Arzneimitteln auch für Pa- tienten in den Entwicklungs- und Schwellenländern Ende der 90er Jahre auf die politische Tagesord- nung gesetzt wurde. Seither hat sich einiges zum Positiven verändert.

Mit Initiativen wie dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, Stiftun- gen schwer reicher Philanthropen wie Bill und Melinda Gates sowie zahlreichen internationalen staat-

lich-privaten Kooperationen stehen für den Kampf gegen Armutskrank- heiten erstmals Milliardenbeträge zur Verfügung. Die Preise für Aids- medikamente sind drastisch gesun- ken, weil in vielen armen Ländern Generika meist aus indischer Pro- duktion zur Verfügung stehen. Aber:

„Wir stehen an einem Scheideweg“, sagt Dr. Tido von Schoen-Angerer M.D., M.Sc. Der Direktor der Me- dikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen warnte auf dem dies- jährigen World Health Summit, dass zurückgehenden internationa- len Hilfszahlungen steigende Arz- neimittelpreise gegenüberstehen.

Denn gerade bei den Aidsmedika- menten müsse verstärkt auf teurere antiretrovirale Medikamente der zweiten Therapielinie zurückgegrif- fen werden. Die Schwellenländer seien besonders von Preissteigerun- gen betroffen, weil dort infolge internationaler Handelsabkommen viele Arzneimittel unter das Patent- recht fielen. „Das TRIPS-Abkom- men wird in vielen Entwicklungs- ländern umgesetzt“, so von Schoen- Angerer. Seit der Deklaration von

Doha (Kasten) können Staaten je- doch Ausnahmen geltend machen, wenn die öffentliche Gesundheit bedroht ist, und mit Zwangslizen- zen die Preise auch von patentge- schützten Arzneimitteln drücken.

Von Schoen-Angerer plädiert dafür, dass Entwicklungsländer solche Zwangslizenzen stärker nutzen.

Druck auf Thailand

Thailand ist eines der Länder, das die Flexibilisierung des TRIPS-Ab- kommens in Anspruch genommen hat. „Wir haben Zwangslizenzen für zwei antiretrovirale Arzneimit- tel erteilt“, erklärte Nusaraporn Kessomboon vom thailändischen

„National Health Commission Of- fice“ auf der Doha+10-Konferenz des Aktionsbündnisses gegen Aids Ende November in Berlin. „Der Preis für Efavirenz des Herstellers MSD sank dadurch von 50 Euro im Monat pro Patient auf 17 Euro.“

Und der Preis des Proteaseinhibi- tors Kaletra von Abbott sei von 300 Euro im Monat pro Patient auf 90 Euro gesunken. Die Zwangslizen- zen hätten jedoch zu erheblichem Mit Marmelade wird

einem HIV-positiven Kind aus Südafrika die Einnahme eines antiretroviralen Medi-

kaments versüßt.

Foto: dapd

P O L I T I K

Der Globale Fonds wurde im Jahr 2001 von den Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Ma- laria eingerichtet. Er setzt sich aus freiwilligen Beiträgen von Geberländern und privaten Geldgebern zusammen.

Mehr als die Hälfte der weltweiten Finanzmittel zur Be- kämpfung von Malaria und Tuberkulose und mehr als 20 Prozent der Mittel im Kampf gegen HIV/Aids stammen aus dem Fonds.

GLOBALER FONDS

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2. Dezember 2011 politischen Druck vonseiten der Eu-

ropäischen Union (EU) und der USA geführt, kritisierte Kessom- boon. So habe zum Beispiel der Lobbyverband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ damit gedroht, Investitio- nen aus Thailand abzuziehen. Und Abbott habe die Registrierung neu- er Medikamente zurückgezogen.

EU dringt auf strenge Regeln Wie viele Entwicklungs- und Schwellenländer bezieht auch Thai- land Generika aus Indien. Dort gilt ein recht eng gefasstes Patentrecht, das beispielsweise sogenannte Scheininnovationen nicht als neue Arzneimittel anerkennt und somit auch keine Patente auf diese Medi- kamente erteilt. Experten befürch- ten allerdings, dass sich dies bald ändern könnte. Denn seit vier Jah- ren führt die EU mit Indien Ver- handlungen über ein bilaterales Handelsabkommen. Die Europäer dringen darauf, dass Indien sein Patentrecht verschärft und es den Patentinhabern erleichtert, ihre Pa- tente auch durchzusetzen. Vor den Folgen warnte Prathibha Sivasubra- manian. Die indische Juristin be- fürchtet, dass dies den Wettbewerb durch preiswerte Generika beein- trächtigt und mithin den Zugang zu lebensnotwendigen Arzneimitteln erschwert. Das Abkommen soll vor - aussichtlich im Februar 2012 unter- zeichnet werden.

„Die Erfolge bei der Behandlung von HIV-/Aidspatienten in Ent- wicklungsländern haben wir der Tatsache zu verdanken, dass das Pa- tentrecht in Ländern wie Indien – dem Hauptproduzenten von Gene- rika für diese Zwecke – bislang noch nicht umgesetzt wurde“, sagte auch Ellen t’Hoen beim World Health Summit in Berlin. Die nie- derländische Juristin ist Geschäfts- führerin des Patentpools, der im Jahr 2010 errichtet wurde, um die kostengünstige Versorgung von Pa- tienten mit lebensnotwendigen Arz- neimitteln unabhängig vom interna- tionalen Patentrecht sicherzustel- len. Die Idee: Pharmafirmen hinter- legen dort Lizenzen für ihre Medi- kamente, die ärmere Länder zur Produktion von Generika erwerben

können. Wirtschaftliche Einbußen haben die pharmazeutischen Unter- nehmen nicht zu befürchten, denn die Patentregelungen in den Indus- triestaaten sind davon nicht betrof- fen. Angesiedelt ist der Patentpool bei Unitaid, einer Initiative, der sich 29 Länder angeschlossen haben und die sich aus einer Sondersteuer auf Flugzeugtickets finanziert.

Nach Angaben von Geschäfts- führerin t’Hoen konzentriert sich der Pool zurzeit darauf, die Versor- gung von HIV/Aidspatienten mit Medikamenten zu verbessern. Dazu gehören die Entwicklung von fixen Kombinationen, von besonderen Darreichungsformen, beispielsweise für bestimmte Patientengruppen oder klimatische Bedingungen, so- wie die schnellere Verfügbarkeit von Generika. „Als wir die Idee des Patentpools zum ersten Mal vorge- stellt haben, hat man uns ausge- lacht“, sagte t’Hoen. „Jetzt führen wir Lizenzverhandlungen mit sie- ben Pharmaunternehmen.“ Mit dem US-amerikanischen Unternehmen Gilead ist es im Juli zu einer ersten Übereinkunft gekommen. Sie er- laubt Lizenznehmern aus ärmeren Ländern unter anderem die Produk-

tion und Kombination zweier Wirk- stoffe, die sich noch in der klini- schen Prüfung befinden. Dass der Patentpool die offizielle Unterstüt- zung der G8 findet, ermutigt t’Hoen in ihrer Arbeit: „Es hilft uns bei den Verhandlungen mit den Firmen. Die sollen uns ja immerhin ihre Kronju- welen überlassen.“

„Wir brauchen Alternativen zu Patenten, um Forschung und Ent- wicklung anzukurbeln“, sagte auch Bernard Pécoul, Geschäftsführer der Drugs for Neglected Diseases- Initiative (DNDi) beim diesjährigen World Health Summit. Die For- schung müsse sich am medizini- schen Bedarf orientieren und nicht an den lukrativsten Märkten.

Nachhaltige Finanzierung

„Wir bräuchten eine internationale Finanztransaktionssteuer, von der ein Teil in die Förderung der globa- len Gesundheit fließt“, erklärte Pé- coul. Nach Berechnungen von Hilfsorganisationen könnten durch eine solche Steuer allein in Europa 57 Milliarden Euro jährlich zusam- menkommen. Die Weltgesundheits- organisation forderte Pécoul auf, ihre Führungsrolle auszubauen und eigene Gremien zu schaffen, die sich mit der Forschungsförderung beschäftigen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 hat DNDi zwei neue Therapien gegen Malaria, eine ge- gen die Schlafkrankheit und eine gegen Leishmaniose entwickelt.

Dabei setzt die Organisation in ers- ter Linie auf Public Private Partner- ships, staatlich-private Kooperatio- nen mit der Industrie, Universitäten oder Nicht-Regierungsorganisatio- nen. „Doch der Schlüssel zum Er- folg ist eine nachhaltige Finanzie- rung“, erklärte Pécoul. „Dazu brau- chen wir eine Kombination ver- schiedener Finanzierungsmodelle.“

Zuschüsse aus privaten und aus Steuermitteln zählen für ihn ebenso dazu wie die Ausschreibung von Forschungspreisen oder eine Finan- zierung durch den Globalen Fonds.

Entscheidend sei aber, so Pécoul, dass die betroffenen Länder eigene Kapazitäten aufbauen. „Sie müssen selbst über ihren Bedarf entschei-

den.“

Heike Korzilius, Falk Osterloh Mit der Gründung der Welthandelsorganisation (World

Trade Organization, WTO) wurde 1994 das Übereinkom- men über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geis- tigen Eigentums, kurz TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) ab- geschlossen. Die WTO-Mitglieder müssen dieses Abkom- men seither umsetzen und damit unter anderem Patent- schutz für Arzneimittel gewähren. Die hohen Preise bei- spielsweise für patentgeschützte Aidsmedikamente sind jedoch für Entwicklungs- und Schwellenländer nicht finan- zierbar. Um Patienten in diesen Ländern den Zugang zu lebensnotwendigen Arzneimitteln zu erleichtern, beschloss die WTO-Ministerkonferenz 2001 in Doha im Emirat Katar eine Flexibilisierung des TRIPS-Abkommens.

Das TRIPS-Abkommen, heißt es darin, sollte Mitglied- staaten nicht davon abhalten, Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu treffen. Daher erhalten Mit- gliedstaaten unter anderem die Möglichkeit, zur Bekämp- fung schwerwiegender Erkrankungen sogenannte Zwangslizenzen zu erteilen, mit denen das Arzneimittelpa- tent in ihrem Land ausgesetzt oder abgeschwächt werden kann.

DOHA-DEKLARATION

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