Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 20|
20. Mai 2011 A 1131GENTEST BEIM MAMM
AKARZINOMRezidivrisiko ist besser abschätzbar
Multigentests dürften einem nicht unerheblichen Teil von Patientinnen mit frühem Brustkrebs eine Übertherapie in Form der zusätzlichen Chemotherapie ersparen.
D
ie klassischen klinisch-pa- thologischen Faktoren zur Ermittlung des Rezidivrisikos um- fassen beim Mammakarzinom das Alter der Patientin, die Tumorgrö- ße, den Lymphknotenstatus, das Grading, den HER2-Status und den Hormonrezeptorstatus. Die Tumor- konferenz legt anhand dieser Fakto- ren das Therapieregime fest – Hor- montherapie allein oder aber zu- sätzliche Chemotherapie.In etwa 70 Prozent der Fälle se- hen sich nach Angaben von Prof.
Dr. med. Jens-Uwe Blohmer (Ber- lin) die Ärzte in ihrer Therapieent- scheidung bestätigt, wenn bei re- zeptorpositiven, nodal- und HER2- negativen Frühstadien zusätzlich ein Gentest (Oncotype DX®) durch- geführt wird, der über den Recur- rence-Score eine Zuordnung in Risikogruppen erlaubt. Bei etwa 30 Prozent der Patientinnen ändern die Ärzte aufgrund dieser Zusatzun- tersuchung jedoch ihre Empfehlung – ganz überwiegend (21 bis 24 Pro- zent) zugunsten einer alleinigen Hormontherapie und des Verzichts auf die Chemotherapie.
Zentrale Bestimmung der
Aktivität von 21 GenenIn diesem Gentest wird die Aktivi- tät von 21 Genen zentral in Kali - fornien bei Paraffinschnitten be- stimmt. Untersucht werden neben Genen für Hormonrezeptoren (ER, PR) auch Gene von Invasions- und Proliferationsmarkern sowie die Aktivität von HER2. Als Kontrol- len sind fünf Referenzgene inte- griert. Das Ergebnis wird als Recur- rence-Score angegeben – ein Maß für die Rezidivrate von Fernmetas- tasen in zehn Jahren mit einem Wert zwischen 0 und 100. Bei Werten unter 18 Skorepunkten ist von einer niedrigen Rezidivrate auszugehen, über 31 Punkten von einem hohen
Rückfallrisiko. Etwa die Hälfte al- ler diagnostizierten Mammakarzi- nome – bei Screeningprogrammen sogar noch mehr – sind hormonre- zeptorpositive, nodal- und HER2- negative Frühstadien.
Diese Patientinnen könnten nach Auffassung von Prof. Dr. med. Wolf- gang Eiermann (München) von dem Gentest profitieren. Nach vorläufi- gen Resultaten der deutschen Stu- die zur Entscheidungsfindung – mit derzeit allerdings noch kleinen Fall- zahlen – ist zusätzlich auch beim Befall von maximal drei Lymph- knoten ein Nutzen zu sehen. Mehr als ein Drittel dieser Patientinnen (36 Prozent) wurden der Gruppe zugeordnet, die keiner Chemothera- pie bedarf. Andererseits wurden zwölf Prozent aufgrund des Recur- rence-Scores der Hochrisikogruppe zugeordnet und erhielten eine zu- sätzliche Chemotherapie.
Die prognostische Aussagekraft dieses Gentests ist nach Angaben von Eiermann über zehn Jahre pro- spektiv untersucht und retrospektiv analysiert worden. Sein Kollege Blohmer stufte den Gentest als vali- de und reproduzierbar ein. Vergli- chen mit dem uPA/PAI-1-Test sei von Vorteil, dass nicht nur ein ein - ziger Faktor (zudem mit einem ho- hen präanalytischen Fehler, da durch die Biopsie die Proteasen hochregu- liert werden) untersucht wird.
Als wesentlichen Vorteil des On- cotype DX® stufte er die Tatsache ein, dass kein Frischgewebe als Aus- gangsmaterial notwendig ist, ein li- mitierender Faktor speziell bei klei- nen Tumoren. Mit diesem Nachteil behaftet ist auch ein zweiter Multi- gentest, der derzeit in Studien mit vergleichbarer Zielsetzung geprüft wird (Mammaprint) und der die Aktivität von 70 Genen erfasst.
Deutschlandweit wird derzeit in der WSG-Plan-B-Studie bei frühem
Brustkrebs der Stellenwert des uPA/PAI-1-Tests mit dem Oncotype DX® verglichen. Die MINDACT- Studie mit vorgesehenen 6 000 Pa- tientinnen wiederum versucht, die Überlegenheit des neuen 70-Gen- Prognosetests gegenüber dem bis- herigen klinischen Standard zu zei- gen und mit Hilfe des neuen Tests diejenigen Frauen zu identifizieren, denen eine Chemotherapie erspart bleiben kann. Die vorläufigen Da- ten entsprechen denen des US-Gen- tests: Bei etwa 30 Prozent der Pa- tientinnen führen die klassische und die molekularbiologische Methode zu unterschiedlichen Ergebnissen für das Wiedererkrankungsrisiko.
Positive Stellungnahme in neuen Leitlinien erwartet
Der US-Gentest ist in den Leitlini- en der US-Gesellschaften verankert (ASCO, NCCN), wird aber auch von europäischen Gesellschaften empfohlen (DHGO, ESMO). Der einzige zu diesem Zweck in den deutschen Leitlinien (jüngste Fas- sung: 2008) empfohlene Test ist der uPA/PAI-1-Test. Sowohl Eier- mann als auch Blohmer erwarten für die überarbeitete Fassung 2011 allerdings ebenfalls eine positive Stellungnahme.Der Gentest kostet derzeit 3 180 Euro, die Kosten werden zum Teil von den privaten und im Rah- men von Modellprojekten von den gesetzlichen Kassen übernommen.
Zur Kosteneffizienz liegen vorteil- hafte Ergebnisse gesundheitsöko- nomischer Studien aus verschiede- nen Ländern vor. Derartige Berech- nungen sind auch für Deutschland
geplant. ■
Dr. rer. nat. Renate Leinmüller
European Media Conference „Chemo? No chemo?
The newly available Oncotype DX Breast Cancer Assay helps you find an answer“, in Zürich, Veran- stalter: Genomic Health, Redwood City, Kalifornien