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Archiv "Tonsillopharyngitis: Je nach Alter deutliche klinische Unterschiede" (02.10.1998)

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ie Entscheidung für oder ge- gen eine Antibiotikatherapie bei Tonsillopharyngitis ist eine der häufigsten Fragestellungen in der allgemeinärztlichen und kinderärztli- chen Praxis. Zu zwei Dritteln sind Kin- der und zu einem Drittel Erwachsene betroffen. Virale Ursachen werden bei Kindern für bis zu 90 Prozent der Fälle verantwortlich gemacht.

Mit steigendem Alter jedoch nimmt der Anteil der bakteriell be- dingten Infektionen zu, für die in mehr als 90 Prozent der Fälle beta- hämolysierende Streptokokken der Gruppe A verantwortlich sind. Einer der wesentlichen Gründe für das rezi- divierende Auftreten der Streptokok- kenangina ist die Variabilität der A- Streptokokken mit 80 verschiedenen Serotypen. Immunität wird jeweils nur für den die Infektion verursachen- den Serotypus erworben.

Die Tonsillopharyngitis ist im dritten bis fünften Lebensjahr am häu- figsten. In den ersten eineinhalb Le- bensjahren wird die Streptokokken- angina praktisch nicht beobachtet. In dieser Lebensphase sind nach einer Untersuchung von Prof. Josef-Peter Guggenbichler (Erlangen) die Haftre- zeptoren für A-Streptokokken noch nicht ausgebildet. Der Altersgipfel für die Streptokokkenangina liegt bei den Kindern zwischen sechs bis 15 Jahren.

Schnelltests für den Nachweis von A-Streptokokken ermöglichen heute auch in der Praxis eine rasche Diagnose, die innerhalb 15 Minuten zur Verfügung steht. Der Test besitzt bei Erwachsenen eine Sensitivität von 70 bis 85 Prozent bei einer Spezifität von mehr als 90 Prozent. Wenn der Test trotz klinischen Verdachtes für eine Streptokokkeninfektion negativ ist, muß zusätzlich ein Rachenabstrich

im Transportmedium zur mikrobiolo- gischen Untersuchung eingesendet werden. Dasselbe gilt in Fällen, die auf die Therapie nicht angesprochen haben. Hier sind eine Erregerdiffe- renzierung und Empfindlichkeitsprü- fung erforderlich.

Aus Kostengründen wird auf die mikrobiologische Diagnostik häufig verzichtet und die Entscheidung: vira- le oder bakterielle Infektion anhand der klinischen Symptome gefällt. Aus den anamnestischen Daten, dem kli- nischen Befund und besonders dem Lokalbefund ist es dem erfahrenen Arzt nach Prof. Wolfgang Elies (Bie- lefeld) in 90 Prozent der Fälle mög- lich, eine Streptokokkenangina von einer viral bedingten Tonsillopharyn- gitis zu unterscheiden.

In der klinischen Symptomatik der Streptokokkenangina sind bei Er- wachsenen und Kindern deutliche Unterschiede festzustellen. Beim Er- wachsenen gilt die rein rote Tonsillen- schwellung als typisch für die viral be- dingte Tonsillopharyngitis. Gelbe Beläge weisen auf eine Streptokok- ken-Ätiologie, weiße Beläge auf eine Mischinfektion hin.

Goldstandard: Penicillin V

Der in der Praxis mittels Nyco- card bestimmbare CRP-Wert bietet nach Erfahrung von Elies bei Erwach- senen einen guten Anhalt für das Vor- liegen einer bakteriellen Infektion.

Bei Wirksamwerden der antimikrobi- ellen Therapie fällt er rasch ab.

Beim Kind ist der Lokalbefund der Streptokokken-Tonsillopharyngi- tis charakterisiert durch düster-rote, glasige Schwellung der Tonsillen, ent- sprechend einer phlegmonösen Ent-

zündung mit Petechien am weichen Gaumen und einer weichen, schmerz- haften Schwellung der regionalen Lymphknoten. Zusammen mit den Allgemeinsymptomen ist eine Ent- scheidung nach klinischen Kriterien in vielen Fällen möglich. In einer Stu- die mit über 300 Kindern konnte Gug- genbichler bei Vorliegen der entspre- chenden klinischen Symptomatik in 91 Prozent der Fälle A-Streptokok- ken aus dem Rachenabstrich isolie- ren. Im Kindesalter erwies sich der CRP-Test bei eitriger Tonsillopharyn- gitis im Akutstadium als wenig hilf- reich, da der Anstieg erst mit Verzö- gerung erfolgt.

Ohne adäquate Antibiotikathe- rapie treten in zwei Prozent der Fälle von Streptokokken-Tonsillopharyngi- tis eitrige Komplikationen wie der Pe- ritonsillarabszeß und in drei Prozent immunologische Komplikationen wie rheumatisches Fieber und Glomeru- lonephritis auf. Ziel der Antibiotika- therapie ist daher nicht nur die Linde- rung der akuten Beschwerden und die Eradikation des Erregers, sondern vor allem auch die Prävention der gra- vierenden Sekundärkomplikationen.

Aus diesem Grund sollte man sich nach Prof. Wolfgang Graninger (Wien) nicht auf das klinische Bild verlassen, sondern eine gesicherte ätiologische Diagnose stellen.

Vielen Ärzten der jüngeren Ge- neration fehlt, wie Graninger hervor- hob, Erfahrung mit akutem rheumati- schen Fieber, das sporadisch nach wie vor nicht nur bei Kindern und Jugend- lichen, sondern auch bei Erwachsenen auftritt und nicht selten verkannt wird. Ausbrüche von akutem rheuma- tischen Fieber wurden in den letzten Jahren in den USA mehrfach beob- achtet. Das Risiko der rheumatischen Herzschädigung nimmt mit der Zahl der Schübe von rheumatischem Fie- ber zu.

Goldstandard der Therapie ist nach wie vor die 1953 von der Ameri- can Heart Association empfohlene und seitdem erfolgreich praktizierte Behandlung mit Penicillin V für zehn Tage. Die Dosierung liegt bei Kindern nach Empfehlung der Deutschen Ge- sellschaft für Pädiatrische Infektiolo- gie (DGPI) bei zweimal 100 000 IE/kg KG bis maximal 1,8 Millionen Einhei- ten, bei Erwachsenen liegt die mittle- A-2450

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(30) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 40, 2. Oktober 1998

Tonsillopharyngitis

Je nach Alter deutliche klinische Unterschiede

Schnelltests für den Nachweis von A-Streptokokken erlauben in der Praxis eine Diagnose innerhalb von Minuten.

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re empfohlene Tagesdosis bei 1,5 bis drei Millionen IE, aufgeteilt in zwei Einzeldosen. Als Alternativen wer- den von der DGPI und der Paul-Ehr- lich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. Cephalosporine und Makrolide vorgeschlagen. Alle empfohlenen Substanzen haben sich hinsichtlich klinischen Ansprechens und Erreger- eradikation als erfolgreich erwiesen.

Die Befolgung der Therapie- richtlinien, ist, wie Elies hervorhob, verbindlich. Die Übersicht über die Antibiotikaverordnungen bei Tonsil- lopharyngitis aus dem Jahr 1997 (Gra- fik) läßt erkennen, daß immerhin in 6,6 Prozent der Fälle unge-

eignete Antibiotika gege- ben wurden wie Co-Trimo- xazol oder Tetrazykline, was ebenso wie das Un- terlassen einer Antibioti- katherapie bei Infektion durch A-Streptokokken als Kunstfehler anzusehen ist.

An Penicillin als Mit- tel der ersten Wahl bei durch A-Streptokokken ausgelösten Infektionen wie Streptokokkenangina, Scharlach, Erysipel und – dem in jüngster Zeit wieder häufiger beobachteten und verkannten – Puerperalfie-

ber sowie der nekrotisierenden Faszi- itis und dem Toxic-Shock-Syndrom wird mit gutem Grund festgehalten.

Penicillin besitzt eine unübertroffene, rasche Bakterizidie gegen Strepto- kokken. Trotz des Einsatzes über mehr als ein halbes Jahrhundert sind die A-Streptokokken lückenlos emp- findlich gegen Penicillin geblieben.

Penicillin ist, wie Graninger her- vorhob, hervorragend verträglich. Es hat von allen Antibiotika den gering- sten Einfluß auf die natürliche Darm- flora. Die große therapeutische Breite erlaubt die Anwendung hoher Dosen.

Bei Schwangeren und Kindern kann Penicillin ohne Gefahren eingesetzt werden. Nicht zu vernachlässigen ist, daß Penicillin besonders preisgünstig ist. Der Beweis einer Präventivwir- kung gegen die sekundären Kompli- kationen der Infektion mit A-Strepto- kokken liegt nur für Penicillin in zehntägiger Therapie vor. In der Pro- phylaxe des rheumatischen Fiebers behält Penicillin, so Graninger, folg-

lich seinen festen und unbestrittenen Platz.

Bei Makrolidantibiotika muß mit Resistenzentwicklung von A-Strepto- kokken gerechnet werden. Die Resi- stenzrate ist in Deutschland mit durchschnittlich zwei bis drei Prozent niedrig. Als warnendes Beispiel führ- te Graninger Erfahrungen in Finn- land an. Nach jahrelangem aus- schließlichen Gebrauch von Makroli- den zur Behandlung kindlicher Atem- wegsinfektionen kam es 1990 zu ei- nem Anstieg der Resistenzquoten auf 28 Prozent. Diese Situation erwies sich nach Änderung der Antibiotika-

strategien als reversibel. Heute kann auch in Finnland wieder mit Makroli- den therapiert werden.

Orale Cephalosporine stellen bei Überempfindlichkeit gegen Penicillin und bei Versagen einer Penicillinthe- rapie (kein Fieberabfall und Redukti- on des Krankheitsgefühls nach zwei Tagen) laut Elies eine sichere Alter- native dar. Cephadroxil, ein Cepha- losporin der ersten Generation mit langer Halbwertszeit, besitzt ausge- zeichnete Wirksamkeit gegen die Haupterreger der Tonsillopharyngitis und nahezu 100prozentige Bioverfüg- barkeit (auch bei gleichzeitiger Nah- rungsaufnahme). Aufgrund seiner Pharmakokinetik muß es zur Behand- lung der bakteriellen Tonsillopharyn- gitis nur einmal täglich gegeben wer- den. Nach Guggenbichler werden mit Cephadroxil klinische und bakteriolo- gische Heilungsraten von bis zu 96 Prozent erreicht.

Orale Cephalosporine der zwei- ten und dritten Generation haben sich

in Studien in der Therapie der Strepto- kokkenangina als hochwirksam erwie- sen. Aufgrund ihres breiten Wirkungs- spektrums beeinträchtigen sie jedoch stärker die körpereigene Flora und stehen bei breiter Anwendung in ihrem eigentlichen Indikationsbereich bei schweren Infektionen nicht mehr zur Verfügung (Graninger).

Die Rezidivneigung bei Strepto- kokkenangina löst bei Ärzten, Eltern und Patienten häufig Irritationen aus. Bei adäquat durchgeführter Therapie muß davon ausgegangen werden, daß eine Neuinfektion durch einen der 80 Serotypen erfolgte, ge- gen den der Patient noch keine Immunantwort ent- wickelt hatte.

In klinischen Studien wurde festgestellt, daß es unter Behandlung mit Peni- cillin bei kulturell nachge- wiesener A-Streptokok- ken-Infektion in zehn bis 30 Prozent zu Therapieversa- gen kommt, obwohl Peni- cillin gegen A-Streptokok- ken unvermindert wirksam ist. Die Gründe hierfür sind nach wie vor nicht vollstän- dig aufgeklärt. Hypothesen wie Toleranzentwicklung der A-Streptokokken ge- gen Penicillin oder die Zerstörung von Penicillin durch b-Lactamase-bilden- de Keime der oralen Flora konnten der kritischen Evaluierung und expe- rimentellen Überprüfung nicht stand- halten.

Verminderte Resorption bei Nichtbeachten der Einnahme auf nüchternen Magen oder hohes Fieber sind entscheidende Gründe für eine Beeinträchtigung der Penicillinthera- pie. Wenn die Empfehlung Guggen- bichlers, Penicillin V bei kleinen Kin- dern in altersgerechter Dosierung in den ersten zwei Tagen in achtstündli- chen Intervallen nüchtern zu verabrei- chen, eingehalten wird, ist mit einer Erfolgsquote von 96 bis 99 Prozent hinsichtlich klinischen Ansprechens und Erregereradikation zu rechnen.

Viele Eltern halten aber die konse- quente Applikation nicht durch. Ein- fachere Therapieschemata haben sich daher in der Praxis vielfach durchge- setzt.

Dr. Elisabeth Gabler-Sandberger A-2452

P O L I T I K MEDIZINREPORT

(32) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 40, 2. Oktober 1998 Grafik

Penicillin 54,3%

Verordnete Antibiotikagruppen zur Tonsillitistherapie

Cephalosporine 10,9%

Cotrimoxazol 3,0%

Aminopen. 10,9%

Makrolide 17,5%

Tetracycline 3,3%

insgesamt 4800000 Verordnungen 1997

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