Aufsätze • Notizen
Arztphilosophen des islamischen Mittelalters
zweiten Band seiner „Geschichte der Medizin" wie folgt:
„Sorgfältig schildert Rhazes die In- itialsymptome und den klinischen Verlauf der Blattern (bzw. der Ma- sern) — seit langem wieder einmal in der Literatur eine frische, wahrhaft naturgetreue Krankheitsbeschrei- bung —, und die therapeutischen Maßnahmen sind durchwegs aus der Krankheitsbeobachtung abge- leitet.
Hierbei werden, je nach dem Falle und dem Krankheitsstadium, zwei verschiedene Wege eingeschlagen:
der eine besteht in der beabsichtig- ten Kupierung und Entgiftung durch Refrigerantia und Exstinguentia (Genuß kalten Wassers, verschiede- ne Acetosa, kampferhaltige Mi- schungen, kalte Abwaschungen. Be- gießungen, Bäder, Aderlaß, Abführ- mittel), der andere in der Beförde- rung des Exanthemausbruches (An- wendung äußerer Wärme, nament- lich warmer Wasserdämpfe, Vermei- dung der Exstinguentia und jeder anderen Arznei). Die Indikation für das eine oder andere Verfahren gibt die Höhe des Fiebers, die Beschaf- fenheit des Exanthems, das Verhal- ten des Pulses, der Atmung, der Ent- leerungen u. s. w." (10).
Rhazes' Bedeutung für den praktischen Arzt
Wie wir sehen, ist Rhazes hier als
„Kliniker" zu Wort gekommen. Auf diesen seinen präzisen Krankheits- beschreibungen beruht zweifelsfrei seine Bedeutung für den prakti- schen Arzt. Rhazes ermahnt die Me- dizinstudenten, aber auch den Arzt, sich ein Kompendium für seltene Fälle anzulegen und es sorgfältig zu führen.
Vielleicht liegt die Ursache für eine derartige ärztliche Kasuistik in sei- ner Überzeugung, daß der Medizin- student zuerst die „Theorie" betrei- ben, d. h. die Schriften der antiken Ärzte, vornehmlich Galens, gründ- lich studieren müsse und erst dann aufgrund des erworbenen theoreti- schen Wissens praktische Erfahrun-
gen sammeln könne. Denn ohne theoretisches Wissen sei ein Arzt nicht in der Lage, zahlreiche Krank- heitsfälle überhaupt wahrzuneh- men, geschweige richtig zu behan- deln (11).
Rhazes hat nach Sezgins Angabe insgesamt 76 medizinische Abhand- lungen verfaßt, von denen minde- stens eine Handschrift existiert; dar- über hinaus führt er 51 weitere Schriftentitel an, die Ibn an-Nadim in seinem im Jahre 987 verfaßten „Bü- cherkatalog", al-Birüni in „Räzi's Schriftenverzeichnis" und/oder Ibn
Arzt — und Poet dazu
Heinz Gotenbruck
Er wurde bereits vorgestellt in der Arzt-Poet-Spalte im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 3/1979. Er legt einige Gedichte vor, die das Krank- heitserleben eines Arztes darstellen und von daher interessant sind:
In die Narkose gehen Verhülltes Licht
Bewegter Vorhang Blaue Seide
Dunkle Schwelle überschreiten Offene Tür tönt
Vergilben Nebel Bernsteindämmer.
Hauch empfangen
nicht wissen, wer ihn haucht Angesicht vor meinem Angesicht nicht erkennen
Tastende Hände Laut ohne Mund.
Seid ihr bei mir
die ihr in meinen Tagen mit mir gegangen?
Habt Dank, lebt wohl
Erwachen aus der Narkose Mondbleiche Leere
Brennender Topas Strahl der Celesta
abi Usaibica in seiner Ärztegeschich- te angeführt hat.
Anmerkungen und ausführliches Li- teraturverzeichnis beim Sonder- druck.
• Wird fortgesetzt
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Friedrun R. Hau Medizinhistorisches Institut der Universität Bonn Direktor: Prof. Dr. N. Mani Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn-Venusberg
Zerhackter Schrei aus Purpur Riß durch indigofarbenen Schleier Seele stürzt ein.
Schwebendes Gesicht
in Trümmern nach der Pforte su- chend.
Rieseln über Kieselsteine Bergen aus den Tiefen die Trommel des Herzschlags.
Perlen aus der Harfe sammeln und ordnen Leben.
Atmen, schauen, lauschen, lächeln oder
Rekonvaleszenz Flug weißer Tauben Lidschatten
verwehter Nacht morgenblau
an kupfernem Auge.
Betautes Fahnentuch Licht atmen
Gang im Hain Schritt ohne Zögern Fontäne und Bronzepferd Farbe reifer Auberginen Brotlaib und Duft der Olive Granatapfelkern bittersüß.
Filigran der Oboe. Moll Ahnen den Turm der Nachtigallen Lächeln.
Homo sum. Homines sumus.
Edith Engelke
2646 Heft 44 vom 30. Oktober 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT