A3372 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 497. Dezember 2007
P O L I T I K
S
eit zwei Jahren ist die schwarz-rote Bundesregie- rung im Amt. Wie Kanzlerin Angela Merkel zieht auch die Bundes- gesundheitsministerin eine positive Zwischenbilanz. Die zum 1. April 2007 in Kraft getretene Gesund- heitsreform – erklärtermaßen eines der wichtigsten Vorhaben der Großen Koalition – zeige bereits positive Wirkung, lässt sich Ulla Schmidt (SPD) auf der Internetseite ihres Ministeriums zitieren. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetz sei das Gesundheitssystem so weiter entwickelt worden, „dass auch in Zukunft allen Menschen in Deutschland eine qualitativ hoch- wertige Versorgung im Krankheits- fall zur Verfügung steht“.Dies sehen die Bundesbürger freilich anders. 56 Prozent meinen, dass die Gesundheitsversorgung in den vergangenen zwei, drei Jahren schlechter geworden sei. Lediglich 57 Prozent – und damit sieben Pro- zentpunkte weniger als noch vor zwei Jahren – sind überzeugt, im
Krankheitsfall ausreichend abgesi- chert zu sein. Insbesondere die ge- setzlich Versicherten beurteilen den eigenen Versicherungsschutz skep- tisch. Das sind Ergebnisse des MLP Gesundheitsreports 2007, einer re- präsentativen Studie des Finanz- dienstleisters MLP in Kooperation mit dem Institut für Demoskopie Allensbach. In persönlichen Inter- views wurden im Herbst dieses Jahres 1 879 Bundesbürger zum Gesundheitswesen befragt.
Trend zur Zweiklassenmedizin befürchtet
Die Leistungsfähigkeit des deut- schen Gesundheitssystems insge- samt bewerten die meisten Befrag- ten weiterhin positiv. 64 Prozent bezeichnen sie als „gut“ oder „sehr gut“. Aber: 1994 hatten sich noch 82 Prozent entsprechend zufrieden geäußert. Unter denjenigen, die ihren eigenen Gesundheitszustand als „ziemlich schlecht“ oder „sehr schlecht“ beschreiben, kommen gar nur 39 Prozent zu einer positiven
Beurteilung. Auch beim Blick in die Zukunft überwiegt die Skepsis:
84 Prozent der Befragten rechnen mit weiter steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversiche- rung, 81 Prozent mit erhöhten Zu- zahlungen für Medikamente. Gut drei Viertel erwarten zudem, dass sich der Trend hin zu einer „Zwei- klassenmedizin“ verstärkt. Und 76 Prozent der Deutschen befürchten, dass es der Politik nicht gelingt, län- gerfristig eine gute Gesundheitsver- sorgung für alle sicherzustellen.
Die Neuerungen der Gesund- heitsreform sind ein halbes Jahr nach Inkrafttreten erst für wenige Bürger spürbar. Lediglich fünf Prozent wissen „ziemlich genau“, wie die Neuregelungen aussehen, 40 Prozent „ungefähr“. Konkrete Änderungen haben bislang 28 Pro- zent der Deutschen festgestellt, hauptsächlich bei der Medikamen- tenversorgung. Hier gibt jeder Vierte an, dass häufiger Ersatzpräparate verordnet werden. Unter den Privat- versicherten hat nur die Hälfte der Befragten bislang davon gehört, Anfang 2009 unter Mitnahme der Alterungsrückstellungen in Höhe des Basistarifs den Anbieter wech- seln zu können; für 16 Prozent kommt ein solcher Wechsel derzeit infrage. Im geplanten Gesundheits- fonds sieht nur jeder Zehnte Vorteile.
Obwohl 91 Prozent der Befragten bei ihrem letzten Krankenhaus- aufenthalt mit der medizinischen Versorgung „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ waren, sagen 53 Prozent, dass die Ärzte in den Krankenhäu- sern zu wenig Zeit für den einzelnen Patienten hätten. Zum Vergleich:
1995 kam nur rund ein Drittel der Patienten zu diesem Urteil. Mehr als 40 Prozent halten zudem das Pflege- personal für überlastet und über-
fordert. n
Jens Flintrop GRAFIK
2000 2002 2005 2007
Zunehmend kritischere Einschätzungen der künftigen Entwicklung (Umfrage unter 1 879 Bundesbürgern)
die Zuzahlungen für Medika- mente werden sich erhöhen es wird immer mehr zu einer Zweiklassenmedizin kommen die Kassen übernehmen nur noch die Kosten für die medi- zinische Grundversorgung die Ärzte werden immer weni- ger Zeit für die Patienten haben Es erwarten innerhalb der nächsten zehn Jahre –
71 %
54 %
46 %
76 %
70 %
63 %
60 %
76 %
69 %
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53 %
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72 % 68 %