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Heute auf Seite 3: Rotchina spielt mit dem Feuer

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UNABHÄNGIGE WOCHENZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Jahrgang 47 - Folge 12 Erscheint w ö c h e n t l i c h

Postvertriebsstück. G e b ü h r bezahlt

23. März 1996

Landsmannschaft O s t p r e u ß e n e.V. p Rf\OA

Parkallee 84/86, 20144 Hamburg U

DIESE WOCHE

Polen und Deutsche

Die „Kunst des Möglichen"

Rentensicherung

Klartext erst nach der Wahl

Militärpolitik

Brückenschlag in der Luft

Hermann Sudermann

Erbe des Dramatikers liebevoll bewahrt

Prussischer Stadtname

Gründung Tolkemits

vor 700 Jahren 12

Gegen etwaiges Abdriften

Sonderwirtschaftsgesetz

für Königsberger Gebiet 13

Arbeitstagung

Angerburger beleuchteten

Regionalgeschichte 23

„Verbündete" Spione

Wenn der Chef des US-amerikani- schen Geheimdienstes CIA, Jolan M . Deutsch d e m n ä c h s t nach Bonn reist, erwartet ihn ein delikates Begrü- ßungsgeschenk: Informationen z u - folge werden i h m enttarnte US-Spio- ne präsentiert, die letztes Jahr beim Spitzeln in drei deutschen Elektro- nik-Firmen ertappt wurden. Gleich- zeitig soll Deutsch ebenfalls enttarn- te CIA-Agenten, die angeblich z u m Zweck der „Militärischen Sicher- heit" in Kaiserslautern stationiert sind, schleunigst zurückholen. U n - terdessen verstärkt sich der Ver- dacht, d a ß die C I A ehemalige K G B - u n d Stasi-Spione i n ihre Dienste ü b e r n o m m e n hat, als sie nach dem Ende der D D R das K G B - A r c h i v i n Potsdam u n d zahllose Stasi-Akten in ihre H ä n d e brachte. Bonn durfte die Akten nicht einsehen, geschweige denn kopieren, obwohl es sich u m Spionage-Material über die Interna der Bundesrepublik handelt. O B

Sturm auf deutschen Paß

Immer mehr Menschen beantra- gen die deutsche Staatsangehörig- keit. Wechselten 1987 nur knapp 38 000 Staatsangehörige fremder Länder z u m deutschen Paß, so wa- ren es i m vergangenen Jahr schon fast 260 000. Den Löwenanteil halten zwar deutsche Aussiedler, doch wurden 1995 auch 61 700 Ausländer eingebürgert - ein Rekord. Wer 15 Jahre als A u s l ä n d e r in Deutschland lebt und bestimmte Voraussetzun- gen erfüllt, erwirbt einen Rechtsan- spruch, Deutscher z u werden. V o r allem T ü r k e n machen davon Ge- brauch, nachdem der Verlust der tür- kischen Staatsbürgerschaft in der Türkei keine schweren Nachteile - etwa i m Erbrecht - mehr nach sich zieht wie früher. Schätzungen deutsch-türkischer Gruppen zufolge werden in wenigen Jahren vier Fünf- tel der 138 000 Berliner Türken deut- sche Staatsbürger sein. Die Parteien der Hauptstadt werben bereits inten- siv u m diese neue Klientel. O B

Maastricht:

„Euro"-Dämmerung

Bereitet auch Kanzler Kohl seinen Rückzug vor

Es w i r d scheinbar immer einsamer um den Kanzler in Sachen Europäi- sche W ä h r u n g s u n i o n (EWU). Jetzt fängt auch sein treuer Gefährte Wolf- gang Schäuble z u kriteln an. Eine Verschiebung auf die Jahre nach 1999, von w o an bisher die Einfüh- rung des „ E u r o " geplant war, sei möglich, so der C D U / C S U - F r a k t i - onschef. Dies steht i m krassen Ge- gensatz z u allen bekannten Kohl-Re- den.

Doch vielleicht ist dies gar kein Abweichen v o m Kurs des Kanzlers, vielleicht bereitet der Kanzler bereits einen Teilrückzug vor und w i l l dies aber zunächst nur aus fremdem M u n d e v e r k ü n d e n lassen? Bislang hatte Helmut K o h l fest wie eine Burg Art und Zeitpunkt der E W U 1999 verteidigt, j a wörtlich seine „ganze politische Existenz" an das Projekt gehängt. Jetzt orakelt Fraktionschef Schäuble vielsagend, d a ß der Kanz- ler „flexibel genug sei", notfalls z u sagen, d a ß es nicht tragisch sei, wenn die E W U ein oder zwei Jahre später komme. Das w ä r e neu. Dann fügt Schäuble jedoch hinzu, d a ß es „be- stimmt nicht an uns liegen" werde, wenn der „ E u r o " verschoben w ü r d e . Eine durchaus hintersinnige Stra- tegie lugt hier hervor: K o h l hat sich gewaltig aus dem Fenster gelehnt und ahnt nun, d a ß er a b z u s t ü r z e n droht. Da er aber ohne Gesichtsver- lust selbst den Rückzug nicht ver- k ü n d e n kann, werden über Schäuble kleine Fingerzeige ausgestreut, die der Aufforderung an die europäi- schen Nachbarn gleichkommen, ei- ner Verschiebung der E W U das Wort zu reden. Dann kann sich der deut-

sche Kanzler aus der Affäre ziehen mit dem Hinweis, d a ß er zwar alles versucht habe, die europäischen Partner aber leider noch nicht bereit seien.

Die Chancen, d a ß des Kanzlers Rechnung aufgeht, stehen gut: In den letzten Tagen erst forderte auch H o l - lands Ministerpräsident W i m Kok, eine Verschiebung der E W U nicht auszuschließen. Sogar der frühere spanische Wirtschaftsminister M i - guel Boyer, der den Maastricht-Ver- trag selbst mitverfaßte, sprach der

„Zeit" gegenüber nun von „dogmati- schen T r ä u m e n " , aus denen er er- wacht sei und spricht sich für eine weiträumige Verschiebung der E W U aus.

Der französische Historiker und enge Berater von Präsident Chirac, Emmanuell Todd, geht noch einen Schritt weiter und prophezeit i n der Berliner „Wochenpost" statt eines europäischen Bundesstaates die Wiederkehr der Nationalstaaten. Die Blockmentalität der EU-Europäer fördere nur aggressive Reaktionen in AmerikaxmcfAsien und sei für unse- ren Kontinent weder sachgerecht noch vorteilhaft.

Das alles ist dem m a c h t b e w u ß t e n Pfälzer im Bonner Kanzleramt gewiß nicht entgangen. Da schickt er seinen Quartiermacher Schäuble schon mal vorsorglich in die Etappe, u m seinen Rückzug vorzubereiten. Sei's drum:

Wenn der Euro-Hasard auch auf so verschlungenen Pfaden noch recht- zeitig gestoppt werden sollte - Hauptsache, die Vernunft setzt sich schlußendlich doch noch durch.

Hans Heckel

K u r d i s c h e V o l k s t a n z g r u p p e

W i e d e r k u n f t /

Zeichnung aus „Die Welt'

Von PETER FISCHER

M

ü ß i g e Ruhe", so sagt man,

„ist das Grab des Mutes", u n d ähnlich m ö g e n auch die Herren des russischen Parla- ments empfunden haben, als sie letzte Woche mit 250 Ja-Stimmen bei 98 Nein-Stimmen kurzerhand die alte Sowjetunion wieder aufer- stehen ließen. P r ä s i d e n t Jelzin sprach sofort v o n einer „ s k a n d a l ö - sen" Entscheidung u n d erklärte:

„ D e r Beschluß der D u m a ist ohne juristische u n d rechtliche G r u n d l a -

ie." A h n l i c h reagierte auch das von elzin angewiesene A u ß e n a m t .

Doch so leicht w i r d die Sache nicht wieder abzuweisen sein.

Denn schließlich hat man sich auf

Große Koalition in Wien

H a l b h e r z i g e R e f o r m e n u n d e i n e u n k l a r e A u ß e n p o l i t i k

Die Sozialdemokratie (SPÖ) hat die Wahlen, die konservative Volkspar- tei (ÖVP) die Koalitionsverhandlun- gen gewonnen, das ist das Resultat des zweitlängsten Tauziehens zur Bildung eines neuen Kabinetts in Österreich. Das für seine Geschmack- losigkeit bereits bekannte Wochen- magazin „profil" brachte diesen Um- stand treffend auf den Punkt, in dem es unter dem Titel „Des Kaisers neue Kleider" SPÖ-Vorsitzenden, Bundes- kanzler Franz Vranitzky in einer Fo- tomontage nackt auf der Titelseite erscheinen Heß.

Generell werden gegenüber der SPÖ-ÖVP-Regierung von 1995 zwei Minister und zwei Staatsekretäre ein- gespart. Für die SPÖ bedeutet die Verkleinerung der Regierung keine personelle Reduzierung ihrer beste- nenden Ministerriege, ü b e r n a h m doch der bisherige Verkehrsminister Viktor Klima bereits w ä h r e n d der Koalitionsverhandlungen das F i - nanzministerium von seinem glück- losen Vorgänger, der in Wien schon der Vergessenheit anheim gefallen ist. Der Minister für Verkehr wurde eingespart, seine durch Ausgliede- rung und Privatisierung begrenzten Kompetenzen bekam Unterrichtsmi- nister Rudolf Schölten, der bisher weitgehend nur als Schutzpatron des einstigen RAF-Spenders Claus Pay-

mann aufgefallen ist, nun aber zum Super-Zukunftsminister hochstili- siert werden soll. Der zweite Posten den die SPÖ nicht nachbesetzte, ist das A m t des EU-Staatssekretärs i m Bundeskanzleramt. Diese Funktion hatte Brigitte Ederer inne, die dieses von der ÖVP massiv bekämpfte A m t bereits vor den Wahlen abgab, u m SPÖ-Bundesgeschäftsführenn z u werden.

Zwar soll die Aufgabe der inner- österreichischen Koordination in Sa- chen E U nun von Beamten-Staatsse- kretär Karl Schlögel erfüllt werden, doch bedeutet der Verzicht der SPÖ auf ein eigenes Europa-Staatssekreta- riat den großen Sieg der ÖVP i m Kampf um die Gestaltung der E U - Politik. Sämtliche wichtige Posten in Sachen Europäische Union - von der Mission in Brüssel über den EU-Kom- missar Franz Fischler und dem Ver- treter in der Reflexionsgruppe zu Maastricht bis zum Außenminister sind in „schwarzer Hand"; das be- deutet ein Quasi-Monopol gerade in einem Land, in dem Parteiloyalität noch immer wichtiger ist als Staatsrä- son. H i n z u kommt, d a ß ÖVP-Ob- mann und Außenminister Schüssel seine eher unscheinbare Staatssekre- tärin behalten konnte, die ihn in allen zweitrangigen Belangen entlastet, w ä h r e n d sich Schüssel den medien-

wirksamen Auftritten widmen kann, die vor allem 1998 gehäuft auftreten werden, wenn Österreich den Vorsitz in der E U führen wird. Auch bei der Gestaltung der Außenpolitik gegen- über W E U und N A T O ist die SPÖ zu- rückgewichen und hat im Koalitions- pakt immerhin die Formulierung von einer Option auf WEU-Vollmitglied- schaft akzeptiert. Trotzdem kann von einer klaren außen- und sicherheits- politischen Linie auch weiterhin nicht gesprochen werden. Bei der Wirt- schafts- und Sozialpolitik wurden vor allem allen sozialdemokratischen Wahlversprechen zum Trotz erste un- umgänglich notwendige Sparmaß- nahmen gesetzt, wenngleich die nöti- gen tiefgreifenden Reformschritte ebenso ausblieben wie eine sinnvolle Kompetenz-Neuverteilung bei den Ministerien. Die Reaktion der Bevöl- kerung wird wohl am 13. Oktober erstmals klar meßbar sein, denn an diesem Tag finden die ersten Europa- Wahlen sowie Gemeinderatswahlen in Wien statt. Diese Urnengänge wer- den aber auch darüber Aufschluß ge- ben, ob die Bürger den Kurs der Re- gierung billigen oder Jörg Haider neuerlich eine Chance geben, dessen FPÖ - nicht zuletzt wegen eines nicht

g

erade berauschenden Personalange- ots - derzeit eher in die Defensive geraten ist. Alfred v. Arneth

das V o l k u n d deren R e p r ä s e n t a n t e n eingeschworen, die man nicht nach Belieben auf- oder abwerten kann.

Doch ernster z u nehmen sind letzt- lich nur die Stimmen des v o n M o s - kau so qualifizierten sogenannten

„ n a h e n Auslandes", z u dem neben der Ukraine auch die baltischen Re- publiken u n d die zahlreichen asiati- schen Völkerschaften gehören. Ihre teilweise hart erkämpfte Souveräni- tät nunmehr ü b e r Nacht preiszuge- ben, dürfte ihnen ebenso schwer fal- len, wie eindeutige R ü c k e n d e c k u n g bei militärisch bedeutsamen N a c h - barstaaten z u finden, die dem russi- schen Koloß im Notfall widerstehen k ö n n t e n .

Umgekehrt dürften auch die g r ö ß t e n Widersacher aus den abge- sprungenen L ä n d e r n der alten So- wjetunion wahrscheinlich schon längst den Gedanken durchgespielt haben, d a ß die Stalinsche Politik ih- nen ein so dichtes Netz v o n wirt- schafte- u n d verkehrsbedingten A b h ä n g i g k e i t e n bescherte, d a ß der Sprung i n die Souveränität unter dem Strich ihnen k a u m Wohlstand gebracht hat: Der Wirtschaftsblock E U u n d die U S A laborieren nämlich allesamt an Ü b e r p r o d u k t i o n u n d lauern auf neue M ä r k t e , für balti- sche Butter oder ukrainische H a m - mel ist keine Marktlücke (und ein atomar entwaffnetes K i e w schätzt ohnehin niemand mehr).

S

innvoll für M o s k a u kann frei- lich nur sein, die gesamten ab- t r ü n n i g e n L ä n d e r in einen frei- willigen Verbund z u bringen, ohne daß die Zentralmacht dirigistisch wie z u Zaren- oder Stalins Zeiten auch noch den letzten W i n k e l aus- leuchtet.

Aus russischer Innensicht w i r d dieser erste Schritt zur Wiederher- stellung der UdSSR verständlich.

Die rasante Talfahrt der Wirtschaft nahm nicht nur dem Ä r m s t e n das tägliche Brot; die notdürftige Grundversorgung der Bevölke- rung, einst Stolz der Kommunisten, ist langst dahin, eine Perspektive k a u m vermittelbar. Die Landwirt- schaft, Sorgenkind der K o m m u n i - sten v o n Anfang an, korrespondiert mit der Untätigkeit Jelzins in auffäl- ligster Weise. Wer w i l l , kann hier

(2)

P o l i t i k

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23. M ä r z 1996 - Folge 12 - Seite 2

auch Nahrung für die seltsame Dia- lektik von Getreideimporten aus Kanada und den U S A und der agra- rischen Lethargie der Russen fin- den; sie fällt inzwischen auch schon selbst dem abseitiger stehenden Be- trachter ins Auge. Dies gilt selbst- verständlich auch für außenpoliti- sche Erfordernisse und den Verfall der allgemeineren Reputation, die mit dem Wort „Russenmafia"

längst den Italienern das Wasser ab- zugraben wußte.

Das Mißtrauen der Russen wächst, besonders seit sie wissen, d a ß Jelzin „hinter dem Rücken des Präsidenten Gorbatschow handel- te". U n d dabei teilten sie sogar

„ihre" (Jelzins und seiner Anhän- ger; A n m . d. Red.) Entscheidung zur Auflösung der Sowjetunion zu- erst Präsident Bush mit und nicht mir" (Gorbatschow). Nach den mi- litärisch aufwendigen, aber keines- wegs erfolgreichen großen Kämp- fen in den Randgebieten, die stel- lenweise an den ebenso blutigen wie glücklosen Finnlandfeldzug von 1940 erinnern, ist auch das A n - sehen des russischen Militärs schwer angeschlagen.

U

nmittelbar nach der Auflö- sung der Sowjetunion kam zudem noch die Drohung der Nato hinzu, sich mittels Polen und der baltischen Staaten gleich- sam vor den Toren der russischen Grenze z u installieren. Die. Ameri- kaner haben längst ihre Überwa- chungs-Elektronik an der polni- schen Ostgrenze in Gang gebracht, w ä h r e n d Warschau ständig neu nach Aufnahme in die Nato lechzt.

Aus deutscher Sicht ist es z u - nächst unerheblich, ob Rußland sich nochmals das kommunistische Experiment antut, es gibt ja auch Monarchien und Republiken, und nur blasphemische Geister, die mit schrägen Weltregierungsspielen schwanger gehen, Können andere Staatsstrukturen mißbilligen. Selbst wenn man Rußland abraten m u ß , nochmals das bolschewistische Pferd z u zäumen, über 70 Millionen Todesopfer sollten genug sein, so bleibt bedeutsam nur, inwieweit diese zukünftige Sowjetunion mit uns umgehen wird, was sie uns an- zubieten hat, nachdem sie mit Wa- shington gescheitert ist.

Polen/Deutsche:

„Kunst des Möglichen" nutzen

Ex-Außenminister Bartoszewski und Ex-Bundespräsident v. Weizsäcker diskutieren

UNABHÄNGIGE WOCHEN- ZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND

Chefredakteur: Horst Stein (Verantwortlich f. d. redaktionellen Teil) Politik, Zeitgeschehen, Leserbriefe:

Peter Fischer, Hans Heckel, Joachim Weber; Kultur, Unterhaltung, Frauen- seite: Silke Osman; Geschichte, Lan- deskunde: Hartmut Syskowski; Heimat- kreise, Gruppen, Aktuelles: Maike Mat- tern, Barbara Plaga; Ostpreußische Familie: Ruth Geede.

Berlin: Martin Schütz; Königsberg:

Wilhem Neschkeit; Alienstein/Stettin:

Eleonore Kutschke; Wien/Bozen: Alfred von Arneth; Bonn: Jürgen Mathus.

Anschrift für alle: Parkallee 84/86,20144 Hamburg. Verlag: Landsmannschaft Ost- preußen e.V., Parkallee 86,20144 Ham- burg. Das Ostpreußenblatt ist das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen und erscheint wöchentlich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der Lands- mannschaft Ostpreußen. - Bezugspreis Inland 11,50 DM monatlich einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 14,90 DM monatlich, Luftpost 21,40 DM monatlich. Konten: Landesbank Ham- burg, BLZ 200 500 00, Konto-Nr.

192 344. Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20, Konto-Nr. 84 26-204 (für Vertrieb); Konto-Nr. 907 00-207 (für An- zeigen). - Für unverlangte Einsendungen wird nicht gehaftet. Rücksendung erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Für Anzeigen gilt Preisliste Nr. 23.

/ I \ Druck: Rautenberg Druck A Y A GmbH, 26787 Leer (Ostfries- / w \ land). - ISSN 0947-9597.

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„Polen und Deutschland - Kunst des Möglichen?" - d a r ü b e r wollen am 28. März in Berlin der ehemali- ge deutsche Bundespräsident R i - chard von Weizsäcker und der ehe- malige Au ße nm i ni st er der Repu- blik Polen, Wladyslaw Bartoszew- ski, diskutieren. M i t dem Gespräch w i l l der Veranstalter, das Polnische Kulturinstitut in Berlin, anläßlich des 5. Jahrestages des deutsch-pol- nischen GrenzDestätigungsvertra- ges v o m Juni 1991 den aktuellen Stand der Beziehungen der beiden Nationen beleuchten.

Die bevorstehende Debatte w i r d für den deutschen Ex-Präsidenten ein gewagter Drahtseilakt werden:

Einerseits hat er die Vertreibung stets als Unrecht verurteilt, ande- rerseits w i r d er akzeptieren m ü s - sen, d a ß sein Gesprächspartner die Vertreibung für eine historische Notwendigkeit hält.

In seiner umstrittenen Rede von 1985 z u m 40. Jahrestag des Kriegs- endes hat von Weizsäcker ausführ- lich zur Vertreibung Stellung bezo- gen. Damals sagte er: „Bei uns selbst wurde das Schwerste den Heimatvertriebenen abverlangt.

Ihnen ist noch lange nach dem 8.

M a i bitteres Leid und schweres Unrecht widerfahren. U m ihrem schweren Schicksal mit Verständ- nis z u begegnen, fehlt uns Einhei- mischen oft die Phantasie und auch das offene H e r z . " N u n soll seine Rede, i n der er auch die Vertrei- bung als „ e r z w u n g e n e Wander- schaft" verharmloste, nicht i m nachhinein noch schöngeredet werden.

Für den Polen ist die Vertreibung eine Folge des Krieges, aber auch die Rückkehr der Polen i n ihre

„ w i e d e r g e w o n n e n e n Westgebie- te". E i n historisches Ereignis, d a ß der Pole positiv bewertet. Folglich hat er sich i n seiner Rede vor dem

Deutschen Bundestag i m vergan- genen Jahr auch nicht entschuldigt.

Vielmehr sagte er damals: „Ich m ö c h t e es offen aussprechen, w i r beklagen das Schicksal und die Lei- den der unschuldigen Deutschen, die von den Kriegsfolgen betroffen wurden und ihre Heimat verloren haben."

Sehr zutreffend schrieb kürzlich der BdV-Präsident Dr. Fritz Witt- mann i n einer Pressemitteilung:

„ A m Anfang der Vertreibung von Millionen Deutschen standen kau- sal nicht Krieg und NS-Terror, son- dern die Entscheidung zur Vertrei- bung." M a n darf gespannt sein.

Ernst L u d e w i g

Spendenaufruf der Bruderhilfe Ostpreußen für die Landsleute in der Heimat

Verehrte Landsleute,

auch heute brauchen unsere heimatverbliebenen Landsleute Hilfe.

Vielen v o n uns ist es möglich, auf einen persönlichen Wunsch z u verzichten und statt dessen eine Spende z u g e w ä h r e n . Es gibt eine Reihe von gutmeinenden Hilfsorganisationen - bei der Bruderhilfe wissen Sie ganz sicher, d a ß die eingeworbenen Mittel mit wenig Verwaltungsaufwand in O s t p r e u ß e n verteilt werden.

Dabei sind uns ganz u n e i g e n n ü t z i g die Heimatkreisgemeinschaf- ten behilflich. Verantwortliche Mitarbeiter besuchen Familien vor Ort, prüfen nach festen Vorgaben die Bedürftigkeit u n d zahlen klei- nere Geldbeträge aus.

In vielen Lebenslagen fehlt es Familien oft am Nötigsten für die Versorgung der Kinder, bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder wenn nur ein bescheidenes Einkommen erzielt w i r d . Manch einer v o n Ih- nen hat auf der Reise in die Heimat solche Verhältnisse selbst ken- nengelernt - und geholfen, w o es angebracht schien. W e m dieses nicht möglich ist, der mag die Bruderhilfe als Vermittler einschalten - sie ist seit nunmehr 43 Jahren i n mannigfaltiger Weise h u m a n i t ä r tätig.

Wenn Sie der Bruderhilfe eine Geldspende zukommen lassen möchten, sichern w i r sorgsamen Umgang u n d Weitergabe z u u n d bedanken uns i m voraus recht herzlich.

Das Konto der Bruderhilfe der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n hat die Konto-Nr. 195 982, B L Z 200 500 00,

bei der Hamburgischen Landesbank.

Stichwort: Bruderhilfe.

Bitte, verwenden Sie für Ihre Ü b e r w e i s u n g den dieser Ausgabe beigelegten Ü b e r w e i s u n g s v o r d r u c k .

Ihre Bruderhilfe Ostpreußen

PS: Spendenquittungen k ö n n e n auf besonderen Wunsch ausge- stellt werden. Bitte auf dem Ü b e r w e i s u n g s t r ä g e r vermerken.

Bundesrepublik Deutschland:

Eine Systemkrise zieht herauf

„System hält noch." So lautet die Überschrift eines Kommentars der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 7. März 1996. Denn es verdiene festgehalten zu werden, so die W A Z , „daß der Staat, die Gesell- schaft, das soziale Gefüge, eben unser ,System', sich der Krise bisher als ge- wachsen erweisen". Angesichts einer

„Arbeitslosigkeit auf neuer Rekord- höhe" endet der WAZ-Kommentar aber mit folgender Warnung: „Am schlimmsten wäre es, die Krise würde zur Gewohnheit. Das hält am Ende das beste System nicht aus."

Die Warnung erfolgte sicher nicht ganz uneigennützig, denn was die W A Z in ihrer System-Definition ver-

§

aß, ist, daß auch diepolitische Klasse er Herrschenden m Parteien und etablierten Medien zum „System" ge- hören.

Ist dies der Grund, daß - unterstützt durch Politiker dieses „Systems" - eine neue Debatte über Zuwande- rung ausgelöst wurde? Oskar Lafon- taine und Rudolf Scharping wollen die Zuwanderung deutscher Aus- siedler stoppen. Die Ausländerbeauf- tragte der Bundesregierung, Schmalz-Jacobsen, nannte die SPD- Vorschläge „so etwas wie Ausländer- hetze von links". Der frühere kommu- nistische Funktionär und heutige Grünen-Sprecher Jürgen Trittin meinte, damit unterstütze die SPD

„ganz offen Fremdenhaß und Rassis- mus" (WAZ, 28. Februar 1996). Dr.

Peter Gauweiler (CSU) zitiert in der BILD vom 6. März 1996 eine Aussage, die Oskar Lafontaine während eines Streitgesprächs mit Kurt Biedenkopf

am 22. Oktober 1988 gemacht haben soll: „Ein verfolgter Afrikaner ist mir lieber als ein bedrängter Rußland- deutscher." Gauweiler lobt statt des- sen Rudolf Scharping, „weil er das ei-

g

entliche Problem angesprochen at". „Das sind nicht die Deutschen

, Jedes Jahr ein neues Dortmund bauen"

aus Osteuropa", so Gauweiler, „son- dern ist die Masseneinwanderung von Ausländern aus aller Welt und die Vergabe von jährlich 800 000 A r - beitserlaubnissen der E U . Bei über vier Millionen einheimischen A r - beitslosen." Damit hat aus Gau Wei- lers Sicht „zum ersten Mal ein führen- der Sozialdemokrat den Umfang der Duldung dieser Masseneinwande- rung in die überfüllte Bundesrepu- blik Deutschland als Irrweg bezeich- net". „Im letzten Jahr sind 600 000 Ausländer zusätzlich nach Deutsch- land gekommen", stellt Gauweiler in seinem Gast-Kommentar bei BILD fest. Gauweiler: „Das entspricht der Größenordnung einer Stadt wie Dort- mund. Nachdem der Zustrom immer weitergeht, müßten wir jedes Jahr ein neues Dortmund bauen. Wer meint, dies sei den Deutschen möglich, ist verrückt oder arbeitet auf das Ende unserer Nation hin."

Was all das mit einer drohenden Krise des gesamten Systems zu tun hat, drückt die Überschrift eines gro-

ßen Artikels von Jochen Kummer in der „Welt am Sonntag" vom 10. März 1996 aus: „Bonn spurt wachsenden Unmut in der einheimischen Bevölke- rung über die Zuwanderung." „Müs- sen Ausländer, die Sozialhüfe bezie- hen, Deutschland verlassen?" fragt Kummer. Er berichtet, daß das F i - nanzministerium von den Ländern die Anwendung des Paragraphen 46 des Ausländergesetzes verlangt. Die- ser besagt unter anderem: Ein Aus- länder kann ausgewiesen werden, wenn er Sozialhüfe in Anspruch nimmt. Aber,,,jeder dritte Empfanger von ,Hilfe zum Lebensunternalt' ist Ausländer." Er beziffert den Anteil der legalen Ausländer in der BRD mit 8,6 Prozent. Bei den Sozialhilfebezie- hern dagegen stellen Ausländer 32,4 Prozent. Dieses „Riesenproblem"

werde noch steigen, „aber darüber werde wenig gesprochen". Man scheint das Buch „Einwanderungs- land Europa" gelesen zu haben. Dort bezeichnen die Herausgeber die Wir- kung der immer stärkeren Zuwande- rung in unser Land als „ein heikles Thema, dem man ausweicht, weü die Realität mit gewissen Ideen nicht übereinstimmt". In Bonner Ministeri- en fürchtet man „die Frage der A k - zeptanz", so wieder Jochen Kummer in der WamS. Und er nennt Beispiele, etwa: „Seit fünf Jahren lebt der Gha- naer Jael Boateng, 28, in Hamburg.

Sein Asylantrag wurde abgelehnt.

Gegen ihn laufen etwa zwanzig Ver- fahren wegen Drogenbesitzes, ver- suchter Vergewaltigung und Körper- verletzung. Er wurde mehrfach mit Drogen aufgegriffen. Trotzdem wird er nicht abgeschoben." Karl Busch

Kommentare

Diffamierung

Z u m wiederholten Male ha t die am äußersten linken Rand angesiedelte Postille „Blick nach Rechts" diese Zeitung sowie die L O und deren Nachwuchsorganisation diffamiert.

In der Ausgabe N r . 6 vom 8. März titelt der „Blick nach Rechts": „Fritz"

und das „Ostpreußenblatt" - Revan- chismus für jung und alt. - Der Ver- fasser Anton Maegerle - möglicher- weise ein Pseudonym - spricht von der „revanchistischen L O " und un- terstellt dem Ostpreußenblatt „eine tragende Rolle in der Grauzone zwi- schen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus". Die Novem- berausgabe der JLO-Mitgliederzei- tung wird ebenfalls harsch abgebür- stet. Maegerle versucht nach der Methode K.-E. v. Schnitzlers den

„Fritz" als Neonazi-Postille zu stig- matisieren.

Derartige Hetze vom linken extre- men Rand gegen die Vertriebenen- verbände sind wir seit Jahrzehnten gewohnt. Früher waren das SED-Re- gime der „Sowjetzonen-DDR" und deren Sympathisanten in der Alt- bundesrepublik dafür verantwort- lich, heute sind es nicht selten die gleichen Personen, die sich im U m - feld der SED-Nachfolgepartei PDS angesiedelt haben. Ulla Jelpke, die frühere Agitatorin des K B W (Kom- munistischer Bund Westdeutsch- land) und heutige PDS-Bundestags- abgeordnete, steht dafür als Beispiel.

Kurt Hirsch, vor drei Jahren enttarn- ter Stasi-Zuträger hat seinerzeit den

„Blick nach Rechts" begründet und ihn einige Jahre verantwortlich be- treut.

Anton Maegerle - der Diffamierer im „Blick nach Rechts" - bestätigt sich als Dreckschleuder gegen Kon- servative auch im PDS-Blatt „Neues Deutschland" sowie in den linksex- tremistischen Zeitschriften „Kon- kret" und „Junge Welt". Die Bundes- regierung und die meisten Landesre- gierungen haben die Verunglimp- fung der Heimatvertriebenen zu Recht stets zurückgewiesen. Deshalb bleibt nachzufragen, warum die Dreckschleuder „Blick nach Rechts"

im SPD-eigenen Vorwärtsverlag er- scheinen kann. Wir sind sicher, daß die ganz überwiegende Mehrheit der SPD-Mitglieder die in dieser Postille praktizierte Form der politischen Auseinandersetzung entschieden ablehnt. Hier besteht Handlungsbe- darf für den SPD-Bundesvorstand.

W. v. Gottberg

Nur Symptom

Die vom SPD-Vorsitzenden Lafon- taine angeführte Anti-Aussiedler- kampagne weist alle Symptome der politischen Misere unseres Landes auf: Da ist Chef-Eiferer Lafontaine, dem es nur darum geht, die eigene Ideen- und Konzeptlosigkeit zu überschreien, die nach seinem Amts- antritt i m Herbst peinlich offenbar wurde. Ohne Rücksicht auf Verluste zerrt er zu diesem Zweck die Aus- siedler als Buhmänner in die Öffent- lichkeit, auf d a ß niemand merkt, daß ihm seit Monaten nichts einfällt zu den wahren Problemen des Landes als nur Sprechblasen. Z u ihm gesellt sich die mächtige Nach-uns-die-Sint- flut-Fraktion, der es augenscheinlich darum geht, akute Herausforderun- gen zu verschieben statt anzuneh- men, selbst wenn dadurch die abseh- baren Fährnisse der Zukunft noch bedrohlicher werden. Wie beim Aus- siedler-„Problem": W o jetzt schon die Rentenkassen wanken, da wer- den sie mittelfristig regelrecht zu- sammenbrechen, wenn geburten- starke Rentnerjahrgänge auf gebur- tenschwache Beschäftigtenjahrgän- ge treffen. Das große Rentenloch kommt also erst noch. Dann sind die Aussiedler mit ihrer traumhaften Altersstruktur geradezu ein Ge- schenk des Himmels. Aber die Zu- kunft zählt offenbar nicht mehr viel für Lafontaine und Co. Hans Heckel

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23. M ä r z 1996 - Folge 12 - Seite 3

£hk COimufmtbfon

I m B l i c k p u n k t

Rotchina spielt mit dem Feuer

Der Konflikt um Taiwan droht erneut zu eskalieren

Die kommunistischen Machthaber in

Peking lassen derzeit mit umfangreichen Militärmanövern vor Taiwan ihre Muskeln spielen. Ein alter chinesischer Konflikt droht wieder

aufzubrechen: Der nationale Kampf der Teilstaaten um die Vorherrschaft. Ein Kriegsausbruch

brächte nicht nur die USA in eine mißliche Lage.

D

ie massiven Spannungen

z w i s c h e n C h i n a u n d T a i - w a n , M a n ö v e r u n d Rake- tentests der Volksbefreiungsarmee sowie die b e t r ä c h t l i c h e F l o t t e n p r ä - senz der U S A haben deutlich ge- macht, w i e w e n i g gefestigt die Lage i n Ostasien ist. N e b e n d e m ungeheuren Wirtschaftswachstum findet auch ein R ü s t u n g s w e t t l a u f statt, der weder d u r c h Organisatio- nen w i e O S Z E , N A T O oder E U i n geregelte Bahnen gelenkt werden kann. W ä h r e n d der seit l ä n g e r e r Zeit bereits schwelende Konflikt zwischen C h i n a u n d anderen asia- tischen Staaten u m die Spratney- Inseln (Rohstoffe) i m Westen bis- her v o n der breiten Öffentlichkeit w e n i g beachtet w u r d e , hat der Konflikt mit T a i w a n d e n Blick schlagartig auf diese zentrale Regi- o n u n d auf die i m W e r d e n begriffe- ne Supermacht des 21. Jahrhun- derts gelenkt.

A u f d e m Papier w i r k t C h i n a s M i l i t ä r m a c h t w i e ein riesiger D r a - che, eine H y d r a mit drei M i l l i o n e n K ö p f e n , die den Inselstaat T a i w a n leicht verschlingen k ö n n t e . N a c h

Eine Machtdemonstration

E i n s c h ä t z u n g westlicher Militärex- perten s i n d die chinesischen Rake- tentests unmittelbar v o r den bei- den g r ö ß t e n taiwanesischen H ä f e n jedoch nicht mehr als eine M a c h t - demonstration v o r d e n P r ä s i d e n t - schaftswahlen i n d e m Inselstaat - ein Rasseln mit S ä b e l n , die schon z i e m l i c h rostig s i n d .

R e i n z a h l e n m ä ß i g betrachtet, hat T a i w a n allen G r u n d , sich bedroht z u fühlen. D i e A r m e e der Inselre- p u b l i k ist n u r ein Siebtel so g r o ß w i e die der F ü h r u n g i n P e k i n g , die Luftwaffe n u r ein Zehntel - a u ß e r - d e m v e r f ü g t T a i w a n ü b e r kein Atomwaffenarsenal.

Robert Sutter v o m Wissenschaft- lichen Dienst des Kongresses i n W a s h i n g t o n ist ü b e r z e u g t , d a ß die Volksbefreiungsarmee trotz ihrer scheinbaren Ü b e r l e g e n h e i t keine Invasion i n T a i w a n wagen w ü r d e :

„ D i e Chinesen s i n d für eine militä- rische Auseinandersetzung mit T a i w a n nicht vorbereitet. Sie w i s - sen ganz genau, d a ß sie bei einem A n g r i f f eins auf die Nase kriegen w ü r d e n . " M i l i t ä r s t r a t e g e n gehen d a v o n aus, d a ß für ein erfolgrei- ches Landungsunternehmen eine Ü b e r l e g e n h e i t v o n eins z u drei so- w i e die absolute Lufthoheit not- w e n d i g ist. „ D i e chinesische Luft-

V o n A L F R E D V O N A R N E T H waf fe hat z w a r auf dem Papier 6000 Kampfflugzeuge, mindestens ein Drittel der Maschinen ist i n z w i - schen aber so veraltet, d a ß sie nicht mehr ei n sat zfä hi g s i n d " , sagte ein westlicher D i p l o m a t i n Peking.

Entscheidend w ä r e letztlich oh- nehin, w i e viele Jets i n der Region v o n Nanjing stationiert sind, die Basis eines Angriffs auf T a i w a n w ä r e . Dort verfugt P e k i n g nach Angaben des Experten m a x i m a l ü b e r 500 Kampfflugzeuge - etwa genauso viele w i e die taiwanesi- sche Luftwaffe mit 459 Maschinen.

Z u d e m sind die chinesischen F l u g - zeuge dort völlig veraltet: D i e mei- sten sind Nachbauten sowjetischer M i G - 1 9 - u n d M i G - 2 1 -Jäger. Diese M o d e l l e stammen aus den 50er u n d 60er Jahren u n d sind Experten zufolge für moderne Raketen etwa so leicht z u treffen w i e ein Trut- hahn.

Im Wissen u m diese S c h w ä c h e hat C h i n a k ü r z l i c h i n die M o d e r n i - sierung seiner Flotte investiert u n d 26 russische Kampfflugzeuge v o m T y p Suchoi-27 gekauft. Diese Jets, die es durchaus mit den taiwanesi- schen F-5- u n d F-104-Maschinen aufnehmen k ö n n t e n , w u r d e n i n der Region Nanjing stationiert. T a i - w a n hat auf diese neue Bedrohung umgehend reagiert u n d i n den U S A 150 F-16-Bomber u n d i n Frankreich 60 Mirage-Kampfflug- zeuge bestellt, die i m Laufe des Jah- res ausgeliefert werden sollen.

„ T h e o r e t i s c h ist C h i n a T a i w a n mit den Suchoi-27 ü b e r l e g e n " , meint der westliche M i l i t ä r e x p e r t e .

„ A b e r die chinesischen Piloten k ö n n e n mit diesen modernen M a - schinen nicht effektiv umgehen."

A u ß e r d e m verfügt die taiwanesi- sche A r m e e ü b e r vier A W A C S - A u f k l ä r u n g s f l u g z e u g e , die einen eventuellen Angriff frühzeitig er- kennen k ö n n t e n .

P e k i n g s Scharfmachen M i n i s t e r - p r ä s i d e n t L i Peng

Foto Ullstein-Bilderdienst Vielmehr bedroht C h i n a mit den Raketentests direkt vor der K ü s t e Taiwans gezielt die wirtschaftli- chen Lebensadern der national- chinesischen Inselrepublik. D i e Ü b u n g e n g e f ä h r d e n den Schiffs- verkehr z u den beiden g r ö ß t e n tai- wanesischen H ä f e n u n d behindern den Flugverkehr nach O k i n a w a . D a m i t verdeutlicht Peking die M ö g l i c h k e i t e n der Volksbefrei- ungsarmee, auch eine Seeblockade ü b e r T a i w a n z u v e r h ä n g e n . Exper- ten sind sich einig, d a ß unter den m i l i t ä r i s c h e n Optionen, die Peking g e g e n ü b e r T a i w a n z u r V e r f ü g u n g stehen, eine Seeblockade mit Rake- ten, Unterseebooten u n d Schiffen

am wahrscheinlichsten sein k ö n n - te.

A b e r an einem solchen echten militärischen Konflikt ist Peking nach M e i n u n g v o n Diplomaten nicht interessiert. Z w a r zweifelt niemand, d a ß es die D r o h u n g wahrmachen w i r d , die Inselrepu- blik u m jeden Preis z u r ü c k z u e r - obern, falls diese sich für u n a b h ä n - gig e r k l ä r e n w ü r d e . D o c h sind bei- de Seiten trotz aller Spannungen noch weit d a v o n entfernt. D i e Ü b u n g s r a k e t e n , die j ü n g s t vor der N o r d - u n d S ü d k ü s t e Taiwans ein- schlugen, sind aber vor allem psy- chologische Waffen. Sie sollen die W ä h l e r e i n s c h ü c h t e r n , bei den er- sten freien P r ä s i d e n t e n w a h l e n a m 23. M ä r z nicht für P r ä s i d e n t Lee Teng-hui oder gar den O p p o s i t i - onskandidaten z u stimmen, der sich langfristig für U n a b h ä n g i g k e i t ausspricht. Das eigentliche Pro- blem aber, mit d e m P e k i n g z u k ä m p f e n hat u n d das hinter den Spannungen steckt, ist die D e m o - kratisierung der Insel. Indem das V o l k inzwischen seine Stimme er- heben kann, spiegelt sich auch der unterschwellig i m m e r vorhandene W u n s c h vieler Taiwanesen nach U n a b h ä n g i g k e i t i n der Politik w i - der. Dagegen hat P e k i n g nur ein Rezept, das zuletzt v o r den Parla- mentswahlen i m N o v e m b e r ge- w i r k t hat: Kriegsangst. Steigen die Spannungen mit d e m m ä c h t i g e n kommunistischen Festland, sinkt die offene U n t e r s t ü t z u n g der T a i -

Börsensturz in Taiwan

wanesen für U n a b h ä n g i g k e i t .

„ C h i n a ist ein g r o ß e s L a n d , T a i w a n eine Insel so dicht bei C h i n a . A u c h w e n n w i r nichts tun, ist unser E i n - fluß auf T a i w a n schon sehr g r o ß " , sagte Chinas A u ß e n m i n i s t e r Q i a n Qichen. Damit unterstrich er, w i e sehr sich P e k i n g der psychologi- schen W i r k u n g seines Säbelras- selns b e w u ß t ist.

Im Konflikt mit C h i n a setzt T a i - w a n auch auf seine Finanzmacht.

U m die F i n a n z m ä r k t e stabil z u hal- ten u n d einen E i n b r u c h seiner W ä h r u n g z u verhindern, kaufte die Zentralbank offenbar i m gro- ß e n Stil US-Dollar. Der T a i w a n - D o l l a r konnte so i m Devisenhandel trotz der P a n i k k ä u f e verunsicher- ter Taiwanesen bei einem K u r s v o n 27,50 z u r amerikanischen W ä h - rung gehalten werden.

Das Blatt „ U n i t e d E v e n i n g N e w s " berichtete gar, die Bank habe vier M i l l i a r d e n U S - D o l l a r ein- gesetzt, u m die taiwanesische W ä h r u n g z u stabilisieren. Eine Z a h l , die Lee Sheng Yen, einer der Direktoren der Zentralbank, u m - gehend als lächerlich dementierte.

Uber den U m f a n g der Intervention wollte er sich aber nicht ä u ß e r n . Seinen Angaben zufolge betrugen die Devisenreserven der Zentral- bank Ende Februar ü b e r 90 M i l l i a r - den US-Dollar.

Deutliche Z u w ä c h s e verzeichnet auch der G o l d h a n d e l i n T a i w a n . N a c h der A n k ü n d i g u n g der Rake- tentests sei die Nachfrage z u n ä c h s t u m 20 bis 30 Prozent u n d dann so- gar u m mehr als 50 Prozent gestie- gen, berichten H ä n d l e r . Besonders behebt seien kleine Barren v o n rund 200 G r a m m . „Die kann man leichter mitnehmen", sagte ein H ä n d l e r .

Die Aktienkurse gaben dagegen deutlich nach. A u c h wenn w o h l k a u m jemand damit rechne, d a ß es

D e n A n g r i f f ü b e n : D i e „ V o l k s b e f r e i u n g s a r m e e " Rotchinas b e i m M i l i - t ä r m a n ö v e r . Diesmal w i r d scharf geschossen Foto Schmidt tatsächlich z u m K r i e g mit d e m Rie-

senreich i m N o r d w e s t e n komme, seien die Investoren doch sehr z u - r ü c k h a l t e n d , sagte ein Experte v o n Y u n g l i Securities.

Falls der Konflikt doch i n eine bewaffnete Auseinandersetzung m ü n d e n sollte, w i l l Taipeh eine

„ i n d u s t r i e l l e M o b i l i s i e r u n g " aus- rufen, u m die P r o d u k t i o n aufrecht- zuerhalten. D a n n soll der Staat die Kontrolle ü b e r die P r o d u k t i o n bei 500 Rohstoffzulieferern i n 14 S c h l ü s s e l i n d u s t r i e n ü b e r n e h m e n , u m die Versorgung der Schlüssel- industrien mit Rohstoffen auf- rechtzuerhalten.

Z w a r haben die U S A ein massi- ves Flottenaufgebot i n die Krisen- region entsandt - darunter die F l u g z e u g t r ä g e r Independence u n d N i m i t z , die ü b e r bis z u 130 Kampf- flugzeuge u n d mehr als 200 Lenk- waffen v e r f ü g e n - u n d scharf ge- gen die Tests u n d M a n ö v e r prote- stiert, doch bleibt trotz der Bei- standsverpflichtung der U S A v o n 1979 offen, w i e Washington bei ei- nem Angriff Pekings auf T a i w a n konkret reagieren w ü r d e . I m G e - setz ü b e r die Beziehungen z u Tai- w a n die Insel z u m Teil der ameri- kanischen I n t e r e s s e n s p h ä r e er- klärt. Jeder Versuch, die politische Zukunft Taiwans mit gewaltsamen M i t t e l n z u ä n d e r n , w i r d als Bedro- h u n g des Friedens i m Pazifik ge- wertet. WasWngton, das T a i w a n kontinuierlich a u f g e r ü s t e t hat, be- hält sich „ d i e Fähigkeit z u m W i - derstand" vor. Diese Formulie- rung, b e w u ß t vage gehalten, ist v o n ihren Schöpfern als „strategi- sche Zweideutigkeit" gefeiert wor- den. Einerseits w u r d e der „Ein- China-Politik", die Richard N i x o n

Die USA in Verlegenheit

i n den 70er Jahren mit der A n e r - kennung Pekings als einziger legi- timer Regierung e i n l ä u t e t e , Rech- nung getragen. Z u g l e i c h sollte je- doch C h i n a klargemacht werden, d a ß die U S A nur eine friedliche Wiedervereinigung z u l i e ß e n .

Die schweren Spannungen i n der Straße v o n T a i w a n haben n u n i m K o n g r e ß i n Washington Rufe laut werden lassen, sich eindeutiger auf die militärische Verteidigung Tai- wans festzulegen. N a c h Ansicht v o n Senator Robert Dole, dem re- publikanischen Favoriten für die P r ä s i d e n t s c h a f t s k a n d i d a t u r , soll- ten die U S A T a i w a n i n jedem Fall vor chinesischen Angriffen schüt- zen. O b dies z w a n g s l ä u f i g dann K r i e g bedeutet, sagte er nicht. Im K o n g r e ß i n Washington gibt es nicht nur eine starke Taiwan-Lob-

by. C h i n a hat derzeit i m Parlament wegen seiner Menschenrechtsbi- lanz u n d auch Konflikten w i e etwa der Computerpiraterie besonders schlechte Karten. Der demonstrati- ve A k t v o n P r ä s i d e n t C l i n t o n , die militärische P r ä s e n z der U S A v o r T a i w a n z u v e r s t ä r k e n , soll auch Scharfmachern i m K o n g r e ß i n Z e i - ten des Wahlkampfes den W i n d aus den Segeln nehmen.

Der kleine Inselstaat T a i w a n , of- fiziell Republik C h i n a , liegt r u n d 160 Kilometer v o r d e m chinesi- schen Festland. 21 M i l l i o n e n M e n - schen leben auf T a i w a n , das mit mehr als 36 000 Quadratkilome- tern etwas g r ö ß e r als B a d e n - W ü r t - temberg ist. N a c h Japan ist die In- selrepublik das wichtigste Indu- strieland i m Fernen Osten. N e b e n Textil- u n d Bekleidungsindustrie gibt es eine hochentwickelte Elek- tronik- u n d Maschinenbau-Indu- strie, Schiffbau, Holzverarbeitung, chemische u n d metallurgische Be- triebe. N a c h den U S A , Japan u n d

Alter Kampf um China

H o n g k o n g ist Deutschland der viertwichtigste Handelspartner.

D i e Insel w u r d e v o n den Portu- giesen 1590 entdeckt, sie gaben ihr den N a m e n Formosa (Schöne).

1895 nach d e m chinesisch-japani- schen K r i e g fiel sie an Japan, das das Gebiet nach der Kapitulation i m Z w e i t e n Weltkrieg an C h i n a abtreten m u ß t e . N a c h einer N i e - derlage i m B ü r g e r k r i e g gegen die K o m m u n i s t e n flüchtete die v o n der K u o m i n t a n g (Nationale V o l k s - partei) gestellte chinesische Regie- rung mit ihren A n h ä n g e r n 1949 auf die Insel, w o General Tschiang K a i - schek 1950 die Republik C h i n a aus- rief.

Massive U n t e r s t ü t z u n g d u r c h die U S A b e g ü n s t i g t e die Entwick- l u n g Taiwans. M i t der Öffnung der Volksrepublik C h i n a g e g e n ü b e r d e m Westen geriet Taiwan jedoch immer mehr i n eine internationale Isolation. Zugunsten der Volksre- publik verlor es 1971 seinen Sitz i n der U N O - G e n e r a l v e r s a m m l u n g u n d i m Sicherheitsrat. Die A n e r - kennung der Volksrepublik durch die U S A führte 1978 z u m A b b r u c h der diplomatischen Beziehungen.

O b w o h l bis heute v o n nur etwa 30 Staaten offiziell anerkannt, u n - terhält T a i w a n inoffiziell vor allem Wirtschaftsbeziehungen z u vielen L ä n d e r n . Seit 1988 hatte sich z u - n ä c h s t auch das V e r h ä l t n i s z u r Volksrepublik entspannt, beson- ders i m Bereich H a n d e l u n d Reise- verkehr.

(4)

P o l i t i k

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23. M ä r z 1996 - Folge 12 - Seite 4

In Kürze

Linksdruck

Wieslaw Walendziak, bislang Chef des öffentlichen polnischen Fernsehens, ist zurückgetreten. Er wich nach eigenen Angaben dem Druck der regierenden Linksregie- rung unter Führung der alten Kom- munisten.

Mehr Waffenexport

Wie Oleg Soskowez, Rußlands stellvertretender Ministerpräsident, bekanntgab, hat sich der russische Waffenexport von 1994 auf 1995 um 80 Prozent auf ein Volumen von rund 4,5 Milliarden Mark gesteigert.

„Auch wiedergutmachen"

Freij A b u Medj in, Justizminister der palästinensischen Autonomie- gebiete, erntete einen Sturm der Entrüstung i n Israel, als er äußerte:

„Israel hat 100 Milliarden Mark Wiedergutmachung von Deutsch- land als Entschädigung für die Nazi-Verbrechen erhalten und ver- weigert nun eine Wiedergutma- chung gegenüber den Palästinen- sern.

Teure Inflation

Jedes Prozent Inflation kostet die Deutschen 34,14 Milliarden Mark. So das Informationsamt der Bundesre- gierung zu den Gefahren einer mög- licherweise „weichen" Euro-Wäh- rung. Die Deutschen sind von Inflati- on härter betroffen als andere, weil der Geldanteil am Gesamtvermögen hier weit höher sei als bei den Nach- barn.

Teilung populärer

Ein Viertel der Norditaliener hält die Trennung ihres Landesteils von Süditalien für „wünschenswert", so das Ergebnis einer Umfrage des Po- ster-Instituts i n Vicenza. Über die Hälfte meint, i n einem eigenen Nordstaat werde alles besser.

Renten:

Klartext kommt nach der Wahl

Rentenerhöhung ab 1. Juli beträgt 9 Mark / Akademiker verlieren 250 Mark monatlich

Die Rentenversicherung ist in al- ler Politiker Munde. Das bedeutet nichts Gutes. So will die Bundesre-

f

ierung zusammen mit der von undesarbeitsminister Norbert Blüm für den 1. Juli offiziell ange- kündigten Mini-Rentenerhöhung scharfe Einschnitte für Neu-Rentner vornehmen. Das hat jedenfalls der über die Planungen im Arbeitsmini- sterium immer gut informierte SPD- Sozialexperte Rudolf Dreßler be- richtet. Nach den Land tags wählen vom 24. März beziehungsweise nach der parlamentarischen Oster- pause sollen den Bundesdeutschen bittere Pillen verabreicht werden.

Die erste Pille kommt demnächst per Post: Millionen West-Ruhe- ständlern kann jetzt schon im zwei- ten Jahr nicht einmal die ohnehin sehr niedrige Inflationsrate ausge- glichen werden (in den neuen Län- dern gab es Sonderregeln). 0,46 Pro- zent Rentenerhöhung (neue Länder 0,56 Prozent) soll es am 1. Juli geben, nachdem es im Vorjahr nur 0,61 Pro- zent (West) waren. Ein Rentner, der 45 Jahre lang durchschnittlich ver- dient und Beiträge eingezahlt hat, kann am 1. Juli mit neunMark Erhö- hung rechnen, ein erbärmliches A l - mosen.

Die Beitragszahler haben den Ge- nerationenvertrag gewiß nicht auf- gekündigt. Es waren Union, F D P und die seit der Rentenreform 1989 stets mit im Boot sitzende SPD, die die Rentenversicherung an den Rand des Kollapses geführt haben.

SPD-Dreßler berief sich auf eine

„sichere Faktenbasis" und erklärte, die Bundesregierung wolle insbe- sondere die Anrechnung von Aus- bildungszeiten (Schule, Studium) weiter verkürzen. Diese Zeiten sol- len ohnehin bis 2004 von neun auf

Ängste der Wähler

Die „Süddeutsche Zeitung" greift das Ergebnis der bayerischen Kommunal- wahlen auf:

„Beide Positionen, die euphori- sche der C D U wie auch die unter- kühlte der SPD und Grünen, sind vordergründig. Die Wähler in Kiel sind sicherlich vom Erdrutschsieg der CSU in Nürnberg nicht so beein- druckt wie die peinlich servilen Mo- deratoren des bayerischen Fernse- hens am Wahlabend. Bundespoliti- schen Themen ist die CSU aus dem Weg gegangen. Ihre Erfolge ver- dankt sie mit Sicherheit nicht der Tatsache, daß sie als williges Mit- glied der Bonner Koalition für viele Ängste der Wähler und für die Ebbe in den kommunalen Kassen mitver- antwortlich ist. Genausowenig kön- nen sich aber SPD und Grüne darauf herausreden, daß die schallende Ohrfeige, die ihnen bei Bürgermei- sterwahlen und in etlichen Stadtpar- lamenten verabreicht worden ist, nur ein Versehen oder eine Ungerechtig- keit war."

Unglaublicher Haß

Die in Halle an der Saale erscheinende

„Mitteldeutsche Zeitung" widmet sich den neuerlichen balkanischen Schlächte- reien:

„Tausende Flüchtlinge, brennende Häuser, Tränen - rund um die bosni- sche Hauptstadt Sarajevo spielt sich ein Drama ab. Besonders makaber und aus deutscher Sicht unfaßbar sind die Szenen, in denen Serben Gräber öffnen, um auch tote Angehö- rige mit auf eine ungewisse Reise zu nehmen. Früher war der glühende Nationalismus an Kriegsverbrechen wie etwa in Srebrenica erkennbar.

Jetzt zeigen sich irrationale Ängste und unglaublicher Haß in dem Mas- senexodus erneut. Die Saat, die Ser- benführer Karadzic" und seine Hel- fershelfer ausbrachten, geht auf. Daß

dies alles unter den Augen des We- stens abläuft, daß die Anstifter zur Flucht, die Plünderer und Mörder, aber auch über die Stränge schlagen- de Moslems von der Nato-Friedens- truppe Ifor nicht gestoppt wurden, daß statt dessen ein Streit um Kom- petenzen ausbrach, macht die Sache besonders unappetitlich. Der schon totgeglaubte Begriff der ethnischen Säuberung feiert in Sarajevo erneut Urstände. Mitten im Frieden."

Artenschutz

Die Hamburger Wochenzeitung (,Die Zeit" widmet sich dem politischen Uber- leben der Liberalen:

„Vor der Bonner FDP-Zentrale hängt derzeit ein schönes Plakat.

Lauter Blumen wecken Frühlingsge- fühle. Oder doch nicht? Einsam steht eine gelbe Tulpe in einem Meer roter Blüten - auf grünen Stengeln, ver- steht sich. Ein irgendwie aggressives Ensemble. Die Botschaft ist klar: A r - tenschutz für Liberale. Wer sonst soll die schleichende Sozialdemokratisie- rung der Bundesrepublik noch auf- halten? A m 24. März wird gewählt.

Auch in Rheinland-Pfalz. Dort wur- de das schöne Plakat erfunden, nur liest es sich dort ganz anders: warum nicht wieder mit der SPD? Was in Bonn als Kampfansage daherkommt, signalisiert in Mainz sozialliberale Harmonie. Denn nur noch dort ist die FDP in einer Landesregierung vertre- ten. Ausgerechnet mit den Sozialde- mokraten. Das soll so bleiben, wün- schen sich allen voran Rainer Brüder- le und Peter Caesar, die zwei letzten liberalen Landesminister. Als „Sozi- alliberale" freilich wollen beide par- tout nicht angesprochen werden. In ihrem Selbstverständnis sind sie ein- fach liberal, eigenständig und zudem in der luxuriösen Rolle des Mehr- heitsbeschaffers. Ein später Abglanz der einstigen Schlüsselposition. Drit- te Kraft. In Mainz ist die liberale Welt noch in Ordnung.

sieben Jahre gekürzt werden. Laut Dreßler sollen 2001 nur noch drei Jahre (ab dem 17. statt 16. Lebens- jahr) anerkannt werden. Bringen Akademikern diese Zeiten heute maximal 350 Mark zusätzlicher Rente, so werden es dann noch ca.

100 D M im Monat sein.

Eine Berufsausbildung (Lehre) wird laut Dreßler nur noch mit drei statt heute vier Jahren als Zeit mit Durchschnitts verdienst bewertet.

Das wären etwa 40 D M weniger im Monat für neue Rentner.

Fremdrenten für neu kommende Aussiedler sollen laut Dreßler kom- plett gestrichen werden. Die Erspar- nis wäre gering, da nach Angaoen des Vertriebenen-Bundes nur zehn Prozent der 219 000 Aussiedler pro Jahr älter als 60 Jahre sind. Irtre

„Fremdrenten" sind ohnehin etwa um ein Drittel niedriger als normale Altersrenten.

Dreßlers übrige Angaben (Kür- zungen von Kuren, Beschränkungen bei Berufs- und Erwerbsunfähig- keitsrenten) stehen bereits auf offizi-

ellen Bonner Streichlisten. Das von der SPD angekündigte, aber von Blüm bestrittene Einfneren des Frei- betrages für Witwen von 1220 Mark w ü r d e nicht viel bringen. 5,8 der 7,6 Millionen Frauen-Renten liegen un- ter 1200 Mark. Erst ab dieser Grenze wird die Hinterbliebenen-Rente nach Tod des Ehegatten gekürzt.

Ärgerlicher w ü r d e es, wenn der Freibetrag tatsächlich auf 590 Mark für jede Witwe gekürzt w ü r d e .

Die „normale" Altersgrenze soll ohnehin bis 2006 für Männer (Frau- en 2022) auf 65 Jahre angehoben werden. Wer früher geht, verliert bis zu 10,8 Prozent der Monatsrente.

Laut Dreßler soll die Regelung für alle (auch Arbeitslose, Kranke) auf das Jahr 2001 vorgezogen werden.

Noch ist unklar, ob es dazu kommen wird. Doch wird keine Regierung, die angehenden Frührentnern und deren großindustriellen Arbeitge- bern einen ausgedehnten „Vertrau- ensschutz" zusichert, diesen Schutz (also langfristige Übergangszeiten) den anderen Arbeimenmern ver-

weigern können. H L

Ohne materielle Grundlage ins A l t e n Jugendliche, denen weithin die Grundlage des Generationenvertrages nicht mehr vermittelt w i r d

Identitäten:

„ K o n f l i k t m o d e r i e r u n g " ?

Wenn die nationale Gemeinschaft negiert wird

Für die Grünen gibt es offensicht- lich keine deutschen Interessen. Die Sicherheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen, Angelika Beer, Rechtsanwalts- und Notargehilfin, erklärte in einem Bei- trag über „Deutschlands Sicher- heitsinteressen in einer sich wan- delnden Welt" i m „Mittler-Brief", einem Informationsdienst zur Si- cherheitspolitik, unter anderem: „Es sind nicht ,Deutschlands' Interes- sen, u m die es geht, sondern Interes- sen von Menschen unterschiedli- cher Herkunft, die auf dem Staatsge- biet der Bundesrepublik Deutsch- land leben."

Sie führt das nicht weiter aus, doch begegnet man den Folgerun- gen dieser seltsamen Ansichten, etwa wenn sie tadelnd darauf hin- weist, d a ß in der Bundesrepublik

„offener denn je über nationale In- teressen diskutiert" werde, was für sie unerhört ist. Sie unterstellt der Bundesregierung, d a ß sie die U N O und die N A T O nur benutzt, um ei- gene deutsche Interessen umzuset- zen. Und es stört sie, d a ß die Bun- deswehr „zwar zahlenmäßig, also quantitativ verringert, real jedoch in ein schlagkräftiges und flexibles In- strument zur Fortsetzung der Poli- tik mit anderen Mitteln umgerü- stet" werde, so d a ß die Bundeswehr ein Instrumentarium wird, „das fle- xibel ... für ,nationale Interessen' je nach Bedarf eingesetzt werden kann". Und das alles will sie nicht.

Statt dessen verlangt sie von Deutschland „im Bereich der Abrü- stung einseitige Vorleistungen".

Der „militärisch orientierte Aufbau der Krisenreaktionskräfte" soll z u - rückgenommen werden. Statt der Bundeswehr „sollten speziell in ,Konfliktmoderierung' ausgebilde- te Einheiten aufgestellt werden, die dem Auswärtigen A m t angeglie- dert wären". So w ü r d e die Bundes- regierung „globaler Verantwortung ohne nationale Borniertheit ge- recht".

Es ist und bleibt offenbar eine der grundlegenden Ideen der Linken, iede nationale Gemeinschaft abzu- lehnen. Die Nation splittern sie auf- zunächst in Frauen und Männer, die angeblich stets unterschiedliche In- teressen haben, dann in zahlreiche Minderheiten. Linke lieben Minder- heiten, ob es sich um Schwule und Lesben handelt, um Ausländer möglichst unterschiedlichster Her- kunft, Arbeitslose, Verdienende - und sie alle darf nichts einen, mög- lichst nicht einmal die Sprache.

Höchstens - soweit es sich um Deut- sche handelt - die gemeinsame Schuld.

Aber solche Hirngespinste zer- stieben spätestens dann, wenn wir vom Ausland her definiert werden.

Da ist es für jeden Briten, Franzosen und Polen klar, wer zwischen Ost- see und den Alpen lebt: Deutsche.

Hans-Joachim von Leesen

.Wende":

1988 geplant?

Bereits 1988 hat der damalige KGB-Chef W l a d i m i r Kriutschkow die „ W e n d e " i m realexistierenden Sozialismus vorausgesehen und entsprechende M a ß n a h m e n ergrif- fen, u m dem K r e m l weiter die Kon- trolle ü b e r diesen Raum zu sichern - berichtet das polnische Nachrich- tenmagazin „ W p r o s t " , wobei es sich weitgehend auf Aussagen des inzwischen verstorbenen letzten ungarischen KP-Generalsekretärs Karoly Grosz beruft. In diesem Sin- ne wurden Sonderakten über junge u n d ehrgeizige KP-Politiker ange- legt u n d mit ihnen entsprechende G e s p r ä c h e geführt. Die Gespräche führten insbesondere Kriutschkow u n d der inzwischen z u m russi- schen A u ß e n m i n i s t e r avancierte Jewgenij Primakow.

„ W p r o s t " , das bereits Expremier Jozef Oleksy z u Fall brachte und dessen Besitzer u n d Chefredakteur der ü b e r z e u g t e P r o e u r o p ä e r und letzte zweite Sekretär der polni- schen K P , Marek Kröl, ist, meint, d a ß es w o h l kein Zufall ist, wpnn just am Vortage des Putsches ge- gen Gorbatschow sich „ z u m Ur- laub" solche M ä n n e r wie der heuti- ge polnische Staatspräsident Alek- sander K w a s n i e w s k i sowie zwei andere namentlich bekannte heuti- ge polnische „Sozialdemokraten"

uncf der einstige DDR-Minister- p r ä s i d e n t Hans M o d r o w auf Kremlkosten i n dortigen Staatsdat- schen aufhielten. Laut Grosz und

„ W p r o s t " bekamen f ü h r e n d e Post- kommunisten i n den Ostblocklän- dern Gelder, u m „sozialdemokrati- sche" Parteien u n d ihnen naheste- hende „ d e m o k r a t i s c h e " Parteien sowie auch Privatfirmen z u grün- den, damit finanzielle Unabhän- gigkeit gewährleistet ist.

Inzwischen erklärte der Chef der polnischen „Militärischen Infor- mationsdienste", General Kon- stante Malejczyk, d a ß der russi- sche Nachrichtendienst i n Ostmit- teleuropa zwölf diverse Agenten- kategorien u n t e r h ä l t . A m gefähr- lichsten seien die Einflußagenten, von denen es nicht nur i n Polen sehr viele gibt.

A u s „ W p r o s t " geht abschließend hervor, d a ß ein Teil der Personalak- ten der „polnischen postkommuni- stischen Linken" v o m KGB1988 der D D R ü b e r g e b e n wurde, die man vermutlich damals i m Kreml noch nicht von der „ W e n d e " bedroht sah.

Diese k ö n n t e n sich heute in den Archiven des B N D befinden ...

Joachim Georg Görlich

Forschung:

Siegt Stalin?

In Bonn umlaufenden Gerüchten zufolge prüft die Bundesregie- rung, ob sie gegen das neueste Werk des vormaligen stellvertre- tenden Leiters des Militärge- schichtlichen Forschungsamtes in Freiburg, Joachim Hoffmann, „Sta- lins Vernichtungskrieg 1941-1945"

juristisch, insbesondere arbeits- rechtlich vorgehen soll. Hoffmann unterzieht i n seinem Buch alle zeit- geschichtlichen Dogmen der Nach- kriegszeit einer Revision, so daß die F A Z schreiben konnte: „Die Scheu deutscher Zeithistoriker", sich auf Hoffmanns Sicht der deut- schen Geschichte einzulassen,

„ h ä n g t deutlich mit politischen Rücksichten zusammen und läuft auf ein selbstgewähltes Erkennt- nisverbot der Forschung hinaus."

Beispielsweise zitiert Hoffmann ei- nen juristischen Kommentar gegen die inzwischen wirksame Ver- schärfung des deutschen Straf- rechts wegen der denkbaren Leug- nung von geschichtlichen Verbre- chen: „Wie begreift sich eigentlich ein Staat in seinen Aufgaben", wenn er schon „ d e n Unfug eines bösartigen historischen Bildungs- mangels unter Strafe stellt?" P. F.

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