David Diringer, L'Alfabeto nella Storia della Civiltä. Firenze:
S. A. G. Barbera Editore 1937. Gr.-8°. LXVII + 800 S.
mit 327 Abb. 150.— Lire.
Nocb sind erst knapp zwei Jahre vergangen, seit Hans
Jensen die Neubearbeitung seiner ,,Geschichie der Schrift"
unter dem Titel „Die Schrift in Vergangenheit und Gegen¬
wart" (Glücksladt und Hamburg [1935]) veröffentlichte, da
beschert uns Diringer diese neue Darstellung des Gegen¬
standes m italienischer Sprache. Aber wie schon die ver¬
schiedene Betitelung zeigt, ist die Problemstellung bei beiden
Verfassern durchaus verschieden, und so haben auch beide
Bücher nebeneinander Daseinsberechtigung.
Jensen will die Schrift als solche in ihren nach Raum und
Zeit wechselnden Gestalten zeigen. Daher ist seine Darstel¬
lung nur zum Teil historisch-genetisch, teilweise reiht sie
vielmehr die Tatsachen rein äußerlich nach geographischen
Gesichtspunkten oder gar ohne erkennbaren Zusammenhang
aneinander. So wird die entwicklungsgeschichtlich doch recht
primitive Nsibidi-Schrift mit den viel entwickelteren Schriften
der Bamum und Vai zusammengekoppelt, die Indusschrift
vor den alphabetischen Schriften Indiens lose angereiht, und
die Schrift der Osterinsel wird überhaupt nicht in einem
eigenen Kapitel, sondern bei der Indusschrift mit behandelt,
nur weil man neuerdings Ähnlichkeiten in der Zeichengestalt
beider Schriften festgestellt hat.
Dagegen legt Diringer das Hauptgewicht auf „das
Alphabet", d. h. unsere europäischen Alphabete und deren
Vorstufe, die semitische Buchstabenschrift, und stellt diese
Schrift in die allgemeine Kulturgeschichte hinein. So stehen
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für ihn die Schriften der alten Welt im Vordergrund und
werden in der genetischen Reihenfolge ideographische, sylla-
bische, halbalphabetische und alphabetische Schriften auf¬
gebaut. Das Kernstück ist in besonders eingehender Dar¬
stellung die semitische Buchstabenschrift, und mit der Ent¬
wickelung und Verzweigung der vorderasiatischen und euro¬
päischen Alphabetschriften erreicht die Darstellung die
Gegenwart. Die Schriften Amerikas, die uns ganz fernstehen,
und die uns auch nicht sehr nahestehenden vorder- und
hinterindischen Alphabetschriften werden in zwei Exkursen
lose angehängt, nur damit eben eine vollständige Schrift¬
geschichte zustande kommt.
Allerdings läßt sich in diesen wohlgegliederten Aufbau
auch nicht alles ohne Willkür hineinpressen. So steht die
Indusschrift lose zwischen der Keilschrift und der kretischen
Schrift, und ebenso locker folgen die chinesische, die Oster-
inselschrift und die Bamumschrift aufeinander. Ebenso zu¬
sammenhangslos sind die syllabischen Schriften, und auch
sonst geht es nicht ohne Willkür ab. Ägyptische Schrift,
Keilschrift und hethitische Bilderschrift sind wohl nach ihrer
Herkunft, aber nicht nach ihrer tatsächlichen Verwendung
ideographische Schriften. Irreführend könnte auch die Ein¬
reihung der Bamumschrift unter den ideographischen, der
Vaischrift dagegen unter den syllabischen Schriften wirken.
Denn auch die Bamumschrift, deren kurze und rasche Ent¬
wickelung wir besonders gut kennen (vgl. Rezensent ZDMG 91
S. 326 ff.), ist zwar nach ihrer Herkunft, aber nur noch zum
Teil nach ihrer tatsächlichen Verwendung eine ideographische
Schrift, und die Vaischrift, deren längere Entwickelung
weniger gut zu überschauen ist, wird zwar heute als sylla-
bische Schrift verwendet, geht aber nach den Forschungen
Klingknhkben's wahrscheinlich auch auf eine ideographische
Schrift zurück.
Doch das sind Schwierigkeiten, die mehr oder weniger im
Stoffe begründet sind und also nicht dem Verfasser zur Last
fallen. Mit ihrer Betonung wollte ich nur zeigen, wie wichtig
es ist, daß künftige Schriftgeschichten sich nicht mit einer
lockeren Aneinanderreihung des StofTes und mit einer Ver¬
gleichung der äußeren Zeichenformen begnügen, sondern die
Schrift etwas innerlicher als Spiegel menschlicher Kultur¬
entwickelung auffassen und darstellen. Beispiele dafür, wie¬
viel sich aus einer Betrachtung der inneren Schriftentwicke¬
lung noch herausholen läßt, hat der Rezensent im Archiv
für Schreib- und Buchwesen N. F. 2 (1935), S. 8—18 und
in ZDMG 91 S. 319—342 gegeben. Bei Diringer wie bei
Jensen sind Untersuchungen dieser Art vorerst höchstens an¬
gedeutet.
Eine weitere im Stoffe begründete Schwierigkeit jeder
Schriftgeschichte ist die, daß der Verfasser ganz unmöglich
seinen Stoff vollständig beherrschen kann. In den meisten
Fällen ist die Kenntnis einer Schrift nicht nur an eine mehr
oder weniger äußerliche Kenntnis der betreffenden Sprache,
sondern an eine engere Vertrautheit mit der betreffenden
Philologie geknüpft. Diese Kenntnisse aber kann sich ein
einzelner unmöglich für alle Schriften der Erde verschaffen,
und dieser Mangel ist wobl ein Grund mit dafür, daß wir
nocb keine von hoher Warte ausschauende und das Ganze
einheitlich gestaltende Schriftgeschichte besitzen. Jeder
Schriftforscher muß sich also unvermeidlich in fernerliegenden
Stoffgebieten auf die Angaben anderer verlassen, und bei
deren Übernahme ist jederzeit die Möglichkeit kleinerer oder
größerer Mißverständnisse gegeben. Von Diringer's Buche
muß man sagen, daß sich der Verf. in der außerordentlich
zerstreuten Literatur sebr gut umgesehen hat und daß er in
klarer und übersichtlicher, manchmal etwas breiter Darstel¬
lung einen für den Wissenschaftler wie für weitere Kreise
gleich gut lesbaren Überblick gegeben hat. Ein besonderer
Vorzug des Buches ist das außerordentlich reiche und bei
einem solchen Werke besonders schätzenswerte Abbildungs¬
material. Mancherlei Versehen der eben geschilderten Art
enthält natürlich Diringer's Buch wie jede Schriftgeschichte.
Ich wähle hier nur als Beispiel das bei ihm (S. 115) wie bei
Jensen (S. 66) sich findende Versehen aus, das Keilschrift¬
zeichen KUR habe neben den Sinnwerten ,,Land" und
„Berg" auch den von „Pferd" gehabt Aber von der Auf¬
zählung solcher Kleinigkeiten soll hier, wo es auf die große
Linie ankommt, abgesehen werden.
Die Konzentrierung auf die semitische Buchstabenschrift
führt weiter dazu, daß letztere besonders breit, dagegen
andere Schriften von nicht geringerem Interesse, die nur zu
dem scharf umrissenen Thema des Buches in weniger engem
Zusammenhang stehen, bisweilen allzu kurz abgehandelt
werden. So sind die Bamumschrift (S. 206f.) und die Vai¬
schrift (S. 222 ff.) ziemlich flüchtig besprochen; von der
neuesten Entwickelung der ersteren erfährt man fast nicbts,
vor allem nicht durch Abbildungen. Sehr kurz kommt S. 448
die Awestaschrift weg, und S. 461 ff. wird die lydische Schrift
durch ungewöhnlich zahlreiche Textproben belegt, die ly-
kische Schrift hingegen ganz kurz und ohne alle Textproben
abgetan. Ebenso werden S. 651f. die Schriften von zwei so
wichtigen hinterindischen Kulturländern wie Siam und Java
sehr kurz behandelt, und die alt javanische Schrift ist offenbar
überhaupt vergessen worden*). Aber andererseits zeigt die
Aufnahme von manchen ganz neuen Texten, wie der eben
erst veröffentlichten neupunischen Inschrift aus Leptis Magna
mit Datierung nach der Regierung des Kaisers Augustus
(S. 409) oder von abgelegenem Material wie der Micmac-
Schrift, der Guna-Schrift und verschiedener anderer amerika¬
nischer Schriftarten (S. 599 ff.), wie rührig sich der Verf. auf
dem schier uferlosen Gebiete umgesehen hat. Ganz voll¬
ständig wird bei dem ungeheuren Material eben keine Schrift¬
geschichte sein können.
Der folgende Überblick über die einzelnen Kapitel des
Buches soll zugleich noch die Möghchkeit zu kleinen Be¬
merkungen über das, was mir bei der ersten Durchsiebt des
Buches aufgefallen ist, geben.
1) In Wirklichkeit ist KUR nur = „Berg, Land", und „Pferd"
wird durch ANSu.KUR.RA, d. h. im Sumerischen „Esel des Berg¬
landes", ausgedrückt.
2) Nebenbei bemerkt: Die Abb. 290 (auf besonderer Tafel) mit alt- und neuindischen Alphabeten, auf die hier und anderwärts wiederholt verwiesen wird, fehlt in meinem Exemplare.
Dem Ganzen ist eine ausführliche Einleitung von Guido
Mazzoni vorausgeschickt, die Mitteilungen über den Studien¬
gang des Verf., aber in bunter Folge auch allerlei Wissens¬
wertes über frühere Bücher und einzelne Äußerungen nament¬
lich italienischer Forscher und Denker zur Schrift und Schrift¬
geschichte enthält. Dann handelt der Verf. selbst in einem
einführenden Teile über die Wichtigkeit sowie die äußeren
und inneren Ursprünge der Schrift. Es folgt der erste Teil
über die nicbtalphabetischen Schriften. Der erste Abschnitt
umfaßt die ihrer Herkunft nach ideographischen Schriften,
die ägyptische Schrift, die Keilschrift, Indusschrift, die kreti¬
schen Schriften, die hethitische Hieroglyphenschrift, die
chinesische Schrift, die Schrift der Osterinsel und die Bamum¬
schrift. Im zweiten Abschnitt folgen die syllabischen Schriften,
die kyprische, japanische und Vaischrift, im dritten die halb¬
alphabetischen, die altpersische Keilschrift und die mero¬
itische Schrift.
Zu dem Kapitel „Altre scritture ideografiche" (S. 208)
gestatte ich mir, die erst ganz neuerdings bekannt gewordene
sibirische Wortschrift nachzutragen, von der ich vor¬
läufig nur durch die Bemerkungen Bouda's, ZDMG 91 (1937)
S. 219 f. Kunde habe; das von Bouda dort besprochene
russische Werk kenne ich nicht. Über die S. 225 nur sehr
unbestimmt erwähnte Schrift der Mende-Neger werden wir
durch die Forschungen von Eberl-Elbkr bald besser Bescheid
wissen. Daß der Verf. von der Schrift der Basa in Liberia
nichts weiß, ist nur zu natürlich (vgl. vorläufig Rezensent
ZDMG 91 S. 328"). Gerade über die Schriften, deren Ent¬
wickelung sich in der Gegenwart vor unseren Augen vollzieht,
sind wir eben oft weniger gut unterrichtet als über längst
vergangene.
Besonders ausführlich ist der zweite Teil gehalten, der die
Entstehung ,,des Alphabets", d. h. der semitischen Buch¬
stabenschrift, behandelt. Auf diesem Gebiete ist der Verf.
besonders gut bewandert, daher gibt er recht geschickt einen
gut orientierenden Überblick über ein wegen der Fülle des
Stoffes beute nicht mehr ganz leicht zu überschauendes Ge-
3 i
biet. Eine Verwertung der noch so problematischen Sinai-
Schrift für die Frage nach der Entstehung der semitischen
Buchstabenschrift lehnt der Verf. mit anerkennenswerter
Vorsicht ab (S. 245—257). Zurückhaltend ist er auch in der
Frage der Verwandtschaft zwischen semitischer Buchstaben¬
schrift und Ras-Schamra-Keilschrift (S. 264—272). Opti¬
mistischer ist er gegenüber den paar unklaren Graffiti, die
man in den letzten Jahren als Zeugen für die Verwendung des
semitischen Alphabets schon in der ersten Hälfte dea 2. Jahr¬
tausends v.Chr. geltend gemacht hat (S. 273 ff.). Auf die
Gesamtanschauung des Verf. vom Ursprünge des semitischen
Alphabets hat das glücklicherweise keinen Einfluß. Er sieht
darin eine in den Zeichenformen selbständige Erfindung eines
einzelnen, die nur in der inneren Form mancherlei Einflüsse
von Seiten der Schriften umliegender Kulturvölker, vor allem
von Seiten der ägyptischen Schrift, erfahren hat. Das ist im
wesenthchen aucb die Ansicht des Rezensenten. Vgl. auch
das inzwischen erschienene Heft von Hans Bauer, Der Ur¬
sprung des Alphabets, Leipzig 1937 (= Der Alte Orient 36,
1/2), das diese Auffassung noch vertieft und S. 35 f. auch
Beispiele für willkürliche Entstehung von Schriftzeicben-
formen bringt.
Der dritte Teil verfolgt die Entwickelung der alphabeti¬
schen Schriften, zunächst die wenig produktiven südsemiti¬
schen Alphabete, dann das griechische Alphabet mit seinen
etruskischen und italischen Ablegern, endlich unter dem
Titel „L'Alfabeto alla conquista del mondo" wieder recht
ausführlich die verschiedenen nordsemitischen Alphabete, die
Entwickelung der hebräischen und arabischen Schrift, sowie
kürzer die iranischen Schriftarten mit ibren Abzweigungen
nach Innerasien und bis zu den Mongolen sowie andererseits
zu den Armeniern und Georgiern. Das numidische Alphabet
wird S. 41311., wenn auch zögernd, als ein direkter Abkömm¬
ling der punischen Schrift betrachtet; der Rezensent ist
darüber anderer Meinung (ZDMG 91 S. 334—341). Es folgen
die Nachkömmlinge der griechischen Schrift in Kleinasien,
im christlichen Ägypten (bei der koptischen Schrift S. 465
wären m. E. auch die Bemerkungen zu den Besonderheiten
der christHch-nubischen Schrift besser angebracht gewesen
als auf S. 233), bei den slawischen und germanischen Völkern.
Ein weiterer Abschnitt gibt schließlich die Entwickelung der
lateinischen Schrift durch die Jahrhunderte. Hier wäre noch
das neuerdings in Italienisch-Ostafrika entstandene Somali-
Alphabet zu erwähnen, über das Ckrulli im Oriente mo¬
derno 12 (1932) S. 212 f. (und anschheßend H. Bauer, Der
Ursprung des Alphabets S. 32f.) berichtet. Es ist eine rich¬
tige Alphabetschrift, deren äußere Formen im Duktus der
äthiopischen Schrift frei erfunden sind, während die innere
Form in der Schaffung von Vokalzeicben von der italienischen,
in sonstigen orthographischen Besonderheiten aber und auch
in der Reihenfolge der Buchstaben von der arabischen Schrift
beeinflußt ist.
Ein erster Exkurs bebandelt alles das, was in Amerika
an Schrift und Schriftersatz zu fmden ist, Felszeichnungen,
Wampumgürtel, peruanische Knotenschrift, die höher ent¬
wickelten Schriften der Azteken und Maya, endhch die von
Europäern (Schrift der Cree-Indianer) oder von Eingeborenen
nacb europäischem Vorbilde geschaffenen Schriften (die
Schrift des Tscherokesen Sequoja) usw. Ein zweiter Exkurs
verfolgt die weitgehende Verzweigung der indischen Alpha¬
bete in Vorder- und Hinterindien. Als Ableger dieser Alpha¬
bete wird S. 652 f. zweifelnd auch die koreanische Schrift
angesehen, worüber der Rezensent wieder anderer Meinung
ist (ZDMG 91 S. 340f.). Ein dritter Exkurs behandelt allerlei
noch rätselhafte bzw. wenig erforschte Schriften, vor allem
aus dem Inneren Chinas, aber auch aus Vorderasien usw.
Hier wäre es angebracht gewesen, in Fig. 317 neben der von
Eilers, Archiv f. Orientf. 10 (1936) S. 359 ff. bebandelten
Inschrift auch die vielleicht indische Zeile in einem achämeni¬
dischen Keilschrifttext abzubilden und nicht nur S. 692 zu er¬
wähnen (vgl. zu ihr noch Bobrinskoy, Journal of the
American Oriental Society 56 S. 86—88 mit 1 Tafel). An
dieser Stelle wären auch die von Böhl, Archiv f. Orient¬
forschung 8 (1933) S. 173f. (mit Tafel I und II) veröffent-
lichten Tontäfelchen mit unbekannter Schrift mitzuteilen
gewesen; sie fehlen bei Diringer wie bei Jensen.
Ein Schlußteil gibt noch allerlei Bemerkungen zur Steno¬
graphie, zu den Zahlzeichen, vor allem zu den sogenannten
arabischen Ziffern, und bespricht endlich noch kurz die Fäl¬
schungen von Inschriften. Dabei wird u. a. auch die angeb¬
liche phönizische Inschrift von Parahyba in Brasilien wenig¬
stens kurz gestreift, die Schlottmann ZDMG 28 (1874)
S. 481 ff. behandelt hat (vgl. auch Lidzbarski, Handbuch der
nordsemitischen Epigraphik S. 132). In diesem Zusammen¬
hange darf man auf einen ähnlichen Fund hinweisen, der in
den letzten Jahren in Brasilien gemacht wurde, aber in
Europa offenbar, und mit Recht, unbekannt geblieben ist.
An einem hochragenden Felsen inmitten von Rio de Janeiro,
der sogenannten „Gavea", glaubte der brasilianische Archäo¬
loge Bernardo A. da Silva Ramos eine Inschrift entdeckt
zu haben, die von Phöniziern der Zeit von etwa 850 v. Chr.
herrühren soll. Sein Buch ,,Inscrip5Öes e tradiföes da America
prehistorica, especialmente do Brasil" (Manäos 1932) ist mir
nicht zugänglich. Ich habe von der angeblichen Inschrift nur
Kunde durch einen Artikel in der Tageszeitung Jornal da
Noite, Porto Alegre, vom 9. Mai 1932, den mir mein früherer
Schüler Dr. Kunstmann, in Porto Alegre wohnhaft, zugäng¬
lich gemacht hat. Man sieht da im Felsen eine Reihe von
Rissen, die wie eine Zeile von Scbriftzeichen aussehen. Sie
haben folgende Gestalt:
Wer nicht an ein zufälliges Spiel der Natur glauben will,
hat immer noch die Möglichkeit, in den Rissen eine Fels¬
zeichnung zu sehen, wie sie in verschiedenen Gegenden
Amerikas vorkommen (vgl. bei Diringer S. 553 ff., auch
S. 700). Auf keinen Fall werden wir darin mit dem brasilia-
nischen Archäologen eine phönizische Inschrift sehen, die
er folgendermaßen liest und übersetzt:
TZUR FOENISIAN BADZIR RAB JETHBAAL
.TYRO PHENICIA, BADEZIR PRIMOGENITO de JETHBAAL".
Ein Kommentar ist wohl überflüssig. Der Auffassung des
Verf. widersprechen die Form der Scbriftzeichen, die Ortho¬
graphie, Grammatik und das Lexikon sowie der Tenor der
bekannten phönizischen Inschriften. Die Inschrift fällt übri¬
gens nicht einfach unter das Kapitel ,, Fälschungen". Der
Verf. handelt ja im guten Glauben, er ist aber einer Selbst¬
täuschung zum Opfer gefallen.
JoHAXKKS FniEDRicH-Leipzig
H. C. Ray, The Dynastie History of Northern India [Early
Mediaeval Period), vol. I, 1931, II, 1936.
Eine Darstellung der Gescbichte Nordindiens nach dem
Niedergange der Gupta- Dynastie und dem Verfall des Harsa-
Reiches bis zur Aufrichtung der mohammedanischen Herr¬
schaft gehört zu den schwierigsten Kapiteln der indischen
Historiographie. Für etwa zwei Jahrhunderte nach dem Tode
Harsa's ist ein zusammenhängender Bericht über die Ereig¬
nisse in Nordindien überhaupt kaum möglich. Zu Anfang des
10. Jahrh. gründen noch einmal die Gurjara-Pratihäras ein
großes Reich, das mit Kanauj als Mittelpunkt von Bengalen
bis zum Punjab und nach Kathiawar sich erstreckt. Aber es
hat nur kurzen Bestand. Nordindien zerfällt nunmehr in eine
Reihe von kleineren Territorien, in denen lokale Dynastien
die Regierung führen. Einzelne hervorragende Persönlich-
3 1 *
keiten aus diesen Dynastien breiten wohl ihre Herrschaft und
ihren Einfluß über die engeren Grenzen ihres Gebietes aus;
aber es handelt sich da immer nur um mehr vorübergehende
Erscheinungen, die wohl Verschiebungen der Machtverhält¬
nisse bedingen, aber zu keinen umfassenderen und dauernden
Reichsschöpfungen führen.
Eb ist diese Periode seit etwa 915 n. Chr., die Dr. Hema-
chandra Ray, Lecturer für altindische Geschichte und Sans¬
krit an der Universität Kalkutta, zum Gegenstand seines auf
drei Bände berechneten Werkes gemacht hat, von dem nun
die beiden ersten Teile vorliegen. In ihnen ist die gesamte
politische Geschichte bis etwa 1200 behandelt, während Wirt¬
schaft, Kunst, Literatur und Religion dem dritten Bande vor¬
behalten sind. Hier sollen auch die Ursachen, die zu dem
Siege der Mohammedaner über die Hindus geführt haben,
erörtert werden. Bemerken möchte ich noch, daß der Verf.
sich erfreulicherweise nicht allzu peinlich an die Jahre 915
und 1200 als Grenzen seiner Darstellung bindet. Dadurch,
daß er den Ursprung und die Vorgeschichte der jeweils be¬
bandelten Dynastie eingehend zu besprechen pflegt, wohl
auch da und dort den weiteren Verlauf der Begebenheiten
nach dem endgültigen Sieg des Islams verfolgt, greift er
über jene Grenzen vielfach nach rückwärts und nach vor¬
wärts hinaus.
Ich stehe nicht an Dr. Ray's Buch den umfassendsten
und wertvollsten Werken der Geschichtsschreibung über
Indien zuzuzählen. Der Verfasser besitzt eine erstaunliche
Kenntnis der sebr verschiedenartigen und weit zerstreuten
Literatur und verbindet mit seiner Gelehrsamkeit ein ge¬
sundes kritisches Urteil. Er hat die Jahre 1927—29 in Europa
zugebracht und in dieser Zeit sein Werk geplant und zum
großen Teile ausgeführt. Im „preface" gedenkt er der Ge¬
lehrten, mit denen er in Berührung trat und bei denen er
Verständnis und Unterstützung für seine Arbeit gefunden
hat. Unter ihnen nennt er vor allem L. D. Barnett, der auch
ein Vorwort zu dem Werke geschrieben hat und dessen an¬
erkennendem Urteil ich in vollem Umfange zustimmen kann.
Der Verf. selbst spricht von seinem Werke mit allergrößter
Bescheidenheit (II, S. VIII). Er will mit ihm nur eine sichere
Grundlage für weitere Forschung liefern, und es ist ihm das
auch in vorzüglicher Weise gelungen. Es ist ja auch ganz
selbstverständhch, daß bei einer solchen Fülle von ver¬
wickelten Einzelproblemen, wie sie in Ray's Buch behandelt
werden — ich greife als Beispiel ganz willkürlich die Erörte¬
rung S. 572 ff. über Namen und Daten der Nachfolger Mahi-
päla's von Kanauj heraus — manches Rätsel ungelöst bleiben
oder vielleicht eine neue Lösung fmden muß. Mit seinen Vor¬
gängern setzt sich der Verf. stets in würdiger und rein sach¬
licher Form auseinander, und ich bekenne gerne, daß mir
dadurch sein Buch besonders sympathisch wurde.
Wie dies durch die Natur des Gegenstandes vorgezeichnet
war, behandelt der Verf. die Gescbichte der Dynastien nach
den Landschaften, in denen sie auftreten. Er beginnt im
ersten Kapitel von Bd. I mit Sind, das schon 712 von Arabern
erobert wurde, die sich freilich zunächst nur in den größeren
Städten festsetzten, während das offene Land unter der
Herrschaft von Hindufürsten verblieb. Im zweiten Kapitel
wird die Geschichte der Sähis von Afghanistan und dem
Punjab behandelt, und im dritten die von Kashmir, wo die
Dynastie der Kärkotas 855 von der der Utpalas und den
Linien Viradeva's und Abhinava's, diese wieder 1003 von der
Lohara-Dynastie abgelöst wurden. In den folgenden Kapiteln
wird die dynastische Geschichte von Nepal, Assam, Bengal
und Bihar sowie von Orissa dargestellt. Kap. 8 ist der Ge¬
schichte der Gähadavälas (Gaharwars) von Väränasi und
Känyakubja gewidmet, Kap. 9 und 10 der der Rästrakütas
in Nordindien und der Gurjaras von Kanauj. Gewiß hat —
um eine Einzelheit herauszugreifen — der Verf. recht, wenn
er (S. 550) eine dravidische Ableitung des Ausdruckes Rästra¬
küta ablehnt und ihn in Zusammenhang bringt mit den Be¬
zeichnungen Rästriya, Rästrapäla usw. für das Oberhaupt
einer Provinz. Im mittelalterlichen Mahävamsa wird ebenso
die Paliform Ratthiya für den Vorsteher eines Distriktes im
sinhalesischen Königreich gebraucht.
Im zweiten Band werden in Kap. 11—19 die Candrätreyas
(Candellas) von Jejäbhukti (Bundelkhand) besprochen, unter
denen Dhaöga (2. Hälfte des 10. Jahrh.) und sein Enkel
Vidyädhara (1. Hälfte des 11. Jahrh.) hervorragen. Ferner
die Haihayas in den Vereinigten Provinzen und in Zentral¬
indien, sowie die Dynastie der Kacchapaghätas (Kachwähas)
von Rajputana und Zentralindien und die der Paramäras von
Gujarat, Malwa und Rajputana. Daß die Paramäras zu dem
Stamme der Hüna-Gurjara gehören, ist kaum anzunehmen.
Sie leiten sich vielmehr wahrscheinlich von den Rästrakütas
ab. Unter ihnen ist Bhojadeva (1. Hälfte des 11. Jahrh.) eine
prominente Persönlichkeit, groß im Felde, größer noch in den
Künsten des Friedens. Er gilt als Autor zahlreicher Werke
verschiedensten Inhalts, die vermutlich zum großen Teil von
Gelehrten an seinem Hofe verfaßt und dem Fürsten zu¬
geeignet sind.
Den Beschluß bildet (Kap. 15—18) die Geschichte der
Caulukyas von Anahilapätaka, der Cähamänas vom Punjab,
Rajputana und Gujarat, der Tomaras von Delhi, und endlich
der Guhila-putras vom Punjab, Rajputana und Kathiawar.
Unter den Cähamänas ragt Prthiviräja III hervor, der aber
nach anfänglich erfolgreichem Widerstand 1192 den moham¬
medanischen Eroberern unterliegt. Damit ist dem Hindu-
Einfluß im Madhyadeäa ein Ende gemacht.
Mit besonderem Nachdruck möchte ich noch auf das
Schlußkapitel in Dr. Ray's Werk (S. 1211 ff.) hinweisen, in
dem, in fünf Epochen eingeteilt, die ganze wechselvolle, so
vielfach ineinandergreifende Geschichte dieser Dynastien
kurz und übersichtlich zusammengestellt wird. Es reiht sich
daran (S. 1219 ff.) eine chronologisch geordnete Liste der
Dynastien und der von ihnen jeweils beherrschten Gebiete.
In jedem einzelnen Kapitel folgen auf die Darstellung
genealogische Tafeln sowie ein Verzeichnis der in dem be¬
treffenden Abschnitt verwerteten Literatur. Sie ist nieder¬
gelegt in zahlreichen Buchwerken und in Zeitschriften in
Europa und Indien. Mit größter Sorgfalt sind auch die Er¬
gebnisse der epigraphischen Forschung benützt, und es ist
erstaunlich, welche Fülle von Material aus den Inschriften
geschöpft werden kann. Endlich weise ich noch darauf hin,
daß jedem Kapitel eine Karte des in Frage stehenden Ge¬
bietes beigegeben ist. Auf diesen Karten sind die modernen
Ortsnamen in schwarzer, die Flußnamen in blauer und die
historischen Namen in roter Schrift eingetragen. Ihre tech¬
nische Ausführung hat den Herrn Verfasser nicht befriedigt.
Die Orientierung ist ja auch zuweilen nicht leicht. Die Nütz¬
lichkeit der Karten steht aber trotzdem außer Frage. Sehr
ausführliche Indices erleichtern den Gebrauch des umfang¬
reichen Werkes außerordentlich.
Der Raum, der mir zur Verfügung steht, gestattet es
nicht, auf den reichen Inhalt des Buches ins einzelne einzu¬
gehen. Aber ich freue mich, dem Verfasser den Dank der
Fachgenossen aussprechen zu dürfen für die mühevolle Ar¬
beit, der er sich unterzogen hat, und ich beglückwünsche ihn,
daß er seine Aufgabe in so erfolgreicher Weise durchzuführen
vermochte. Wilh. GEioER-München
Friedrich Blome, Die Opfermaterie in Babylonien und Israel
(Sacra Scriptura Antiquitatibus Orientalibus illustrata 4).
Romae 1934. Preis 78 Lire.
Die Arbeit gibt einen Aufriß des gesamten Opferwesens im
antiken Orient und ist, bei der Fülle des Materials heute, für
die Geschichte des Opfers und der Opferauffassung von großer
Bedeutung. Der vorliegende I. Teil beschränkt sich „auf die
Sammlung und Gegenüberstellung des beiderseitigen
Opfermaterials, weil die Beantwortung nach etwaigen Ab¬
hängigkeiten der einen von der anderen Seite nur auf einer
breiteren Basis angängig scheint" (Vorwort). Ein zweiter
Teil über Menge, Herkunft und Verbleib der Opfergaben,
eventuell über weitere Sparten des Opferwesens wie Opfer¬
ritual, Opferaltar usw., soll noch folgen. Doch enthält bereits
der Schlußabschnitt (S. 415 ff.) einen zusammenfassenden
Rückblick. Es ergibt sich, daß in den Grundlinien vielfache
Übereinstimmungen zwischen der Opfermaterie in Babylonien
und Israel sich fmden, daß ebenso selbstverständlich jede
Seite auch ihre besonderen Eigentümlichkeiten aufweist. Im
übrigen „kann man unter dem Sondergut an Opfermaterie
weder hier noch dort etwas aufzeigen, was sich aus den An¬
schauungen der betreffenden Religion zwangsläufig ergäbe
oder was auf der Gegenseite auf Grund eben ihrer diesbezüg¬
lichen Anschauungen unmöglich wäre" (S. 424). Im Haupt¬
teile werden alle einschlägigen Fragen behandelt. Auf eine
kurze Darstellung der „Eigenart der Quellen, namentlich der
babylonischen" und der „allgemeinen Auffassungen über
Opfergaben" (Opfer als Speise Gottes, Totenspenden, Opfer¬
pflicht usw.) folgt „die Opfermaterie im einzelnen". Zuerst
werden „Haus- und Feldtiere" behandelt: Stiere und Kühe;
Schafe und Ziegen; seltenere Opfertiere wie Esel, Pferd,
Kamel, Schwein und Hund und deren AusschHeßung im
Jahwekult. Dann folgen die „Vögel und Fische", an dritter
Stelle die ,, leblosen Naturalien": Stoffe in fester Aggregat¬
form, d. h. Speiseopfer und sonstige Verwendungsarten außer
eigentlichen Räucheropfern, dann diese selbst. Ein vierter
Abschnitt zeigt die „Zusammenstellungen von Opfergaben",
ein fünfter behandelt speziell die „Menschenopfer und Re¬
miniszenzen daran". Das Material ist weitläufig erfaßt, be¬
sonders die sumerischen und altbabylonischen Texte sind ein-
gehends herangezogen. Gelegentlich fällt der Blick auch auf
ägyptische, hethitische und phönikische Gebräuche. Indes ist
auch dort eine Vollständigkeit nicht beabsichtigt. Leider sind
aber die zahlreich vorhandenen assyrischen religiösen
Texte fast nicht berücksichtigt, mehr kommt wieder das neu-
babylonische Material zu Worte. Das ist im Interesse des
monographischen Charakters der Arbeit und des historischen
Aufrisses des Ganzen zu bedauern. Es ließen sich fast überall
interessante und sprechende Belege gerade aus den assyrischen
Texten anführen. Ebenso ist auch die neuere Literatur zu den
ganzen Fragen wenig berücksichtigt. Auch für die babylo¬
nischen Texte stehen doch heute andere Bearbeitungen als
M. Jastrow, Die Religion Babyloniens und Assyriens (1905
und 1912!) zur Verfügung. Auf Einzelheiten soll hier nicht
eingegangen werden. Nur wäre es an der Zeit, daß das be¬
rühmte „akal pänu" als Parallele zu den atl. „Schaubroten"
„n^35 nnb" aus der Literatur verschwände (S. 248ff., 268f.
und 426). Es ist nachgewiesen, daß „alappanu" zu lesen ist;
siehe bereits Br. Meissner, MVAG 1913, 2 S. 37 und
E. Dhorme, Rev. Bibl. 1921 p. 396. Hoffen wir, daß der ver¬
sprochene zweite Teil diese Mängel noch ausgleichen wird.
L. DüRR-Freising
Fr. W. VON Bissing, Ägyptische Kunstgeschichte von den älte¬
sten Zeiten bis auf die Eroberung der Araber. Systematisches
Handbuch. Lief. 1 — 3. Ägyptologischer Verlag Miron Gold¬
stein. Berlin-Charlottenburg 1934/35.
Die knappe Einführung in „die Kunst der alten Ägypter",
die Prof. v. Bissing bald nach der Jahrhundertwende zur
Ausgabe brachte, war eigentlich als eine Programmschrift
aufzufassen, die später durch eine ausführliche Darstellung
ersetzt werden sollte. Nach langjähriger Vorbereitung und
als Ergebnis eines Menschenalters Vertiefung in den künstle¬
rischen Nachlaß der alten Ägypter schenkt uns Prof. v. Bis¬
sino diese in seiner „Ägyptischen Kunstgeschichte von den
ältesten Zeiten bis auf die Eroberung der Araber", von der
wir jetzt die drei ersten Lieferungen einsehen können, wo die
Gestaltung der ägyptischen Kunst etwa bis zum Ausgang des
Mittleren Reiches verfolgt wird. Prof. v. Bissino hat seine
„Kunstgeschichte" als ein systematisches Handbuch ge¬
schrieben, indem er es als seine Aufgabe faßt „aus der un¬
geheuren Fülle der in unseren Sammlungen und wissenschaft¬
lichen Veröffentlichungen verstreuten Denkmäler, aus der
gewaltigen Masse der noch im Ursprungslande stehenden
Bau- und Bildwerke diejenigen herauszuheben, die für die
Kunstgeschichte bezeichnend und bedeutend scheinen". Mit
überlegener Kenntnis des fast unübersehbaren Materials, auf
dem die altägyptische Kunstgeschichte fußt, hat v. Bissino
Zeitachrift d. DMO Bd. 91 (Neue Folge Bd. 16) 35
ein glückliches Vermögen, immer das Wesentliche hervor¬
zuheben und eben dadurch die Eigentümlichkeiten der ver¬
schiedenen Perioden in der Kulturentwicklung des alten
Ägyptens und ihre Bedeutung für die Gestaltung und Aus¬
formung der Kunst zu zeigen: er führt in der streng syste¬
matischen Darstellung des ,, Textbandes" dem Leser die
Hauptlinien im Werdegang der ägyptischen Kunst klar vor
das Auge, gestützt auf die Abbildungen im „Tafelband", und
leitet ihn mit Aufgebot von einer fast überwältigenden Zahl
von Nachweisen im Text und in den „Erläuterungen"
(Bd. II) — wo auch kritisch ergänzende Übersichten und
längere erklärende Ausführungen zusammengestellt sind —
durch die umfangreiche und zerstreute Literatur. Wir sind
Prof. V. Bissing für seine „Ägyptische Kunstgeschichte" zu
großem Dank verpflichtet, und wir hoffen, daß es ibm ge¬
linge — trotz allen Schwierigkeiten der heutigen Zeit — dies
Werk, mit dem der Verfasser neue tiefe Furchen in unserem
Wissen von der alten Kunst Ägyptens gezogen hat und an
dem neue Forschungen sicher anknüpfen werden, zu einem
baldigen Abschluß zu bringen.
Otto KoKFOED-PETKRSEN-Kopenbagen
Ottoman statecraft. The hook oj counsel jor vezirs and
governors (Nasä'ih äl-vüzera ve'l-ümera) oj San Mehmed
Pasha, the Defterdär. Turkish text with introduction, trans¬
lation, and notes by Walter Livingston Wright, jr. —
Princeton: University Press; London: Milford 1935. XV,
172, \To S. 80. (Princeton oriental texts 2.) ^3.50.
Die bekannteste Darlegung der Verfallserscheinungen im
osmanischen Reiche ist die Denkschrift Qoöi Beg's, die dieser
im Jahre 1630 für Sultan Muräd IV. verfaßte. Während diese
Denkschrift schonungslos die Schäden in der Verwaltung
aufdecken und Vorschläge zu ihrer Behebung machen will,
gehört die vorliegende Veröffentlichung mehr in die scbon in
der arabischen Literatur in früher Zeit gepflegte Literatur-
gattung der Fürstenspiegel, von denen es auch in türkischer
Sprache noch eine ganze Reihe meist unveröffentlichter
Werke gibt. Diese Werke sind für die Zustände der jeweiligen
Epoche von großem Wert, zumal wenn sie wie das vorliegende
von einem Manne geschrieben sind, der selbst zu den höchsten
Würdenträgern des Reiches zählte und infolgedessen einen
tiefen Einblick in die Verhältnisse hatte. Es ist daher an sich
schon ein Verdienst, ein solches Werk bekannt zu machen.
Das vorliegende Werk aus der Zeit Sultan Ahmeds III.
(1703—30) handelt in neun Kapiteln über den Groß-Wezir,
über die anderen hohen Würdenträger und die Schäden der
Korruption, über den Defterdär und die Mitglieder des
Diwän, über die Janitscharen, über die Untertanen, über die
Grenzen des Reiches und den Ser-'asker, über moralische
Eigenschaften der Beamten, über Freundschaft und Ver¬
leumdung und endlich über die Zi'ämet- und Timar-Lehen,
wobei dem Verfasser die glorreichen Zeiten Sulaimäns des
Prächtigen als Vorbild vorschweben.
In der Einleitung weist der Herausgeber überzeugend den
Defterdär Baqqäl oglu Sari Mehmed Pa§a (hingerichtet
1129/1717) als Verfasser dieses anonym überbeferten NasäHh-
Werkes sowie der osmanischen Reichsgeschichte Ziibdet el-
weqffi' nach (gegen Babinger, Geschichtsschreiber der Osmanen
und ihre Werke, S. 248). Danach schildert er das Leben des
Autors, berichtet über die Handschriften und gibt auf Grund
dieses Werkes einen Abriß des osmanischen Verwaltungs¬
systems, wobei er die Schriften zeitgenössischer europäischer
Diplomaten und Reisenden zum Vergleich heranzieht. Das
Werk liegt in zwei Rezensionen vor, einer anscheinend ur¬
sprünglichen, deren einzigster Vertreter die Hs. Stambul,
Es'ad Efendi, Nr. 1830 ist, und einer zweiten jüngeren Re¬
zension mit zahlreichen Interpolationen. Daher legt der
Herausgeber die Stambuler Hs. seiner Ausgabe zugrunde und
notiert dazu die Varianten der anderen Handschriften.
Leider entsprechen aber Edition und Übersetzung nicht
den Anforderungen, die man billigerweise an eine solche
Arbeit stellen muß, vor allem nicht, wenn man bedenkt, daß
35»
eine Quelle wie die vorliegende auch von Historikern benutzt
wird, die meist nicht selbst in der Lage sind, die Richtigkeit
der Übersetzung nachzuprüfen. Abgesehen von kleineren
Versehen und Unebenheiten (z. B. sucht der Übers, auf
S. 117 hinter den synonymen Wörtern memleket und wiläyet,
äbädän und Hn irrtümlich verschiedene Dinge) sowie von
Verstößen gegen die arabische Sprachlehre (z. B. hält er auf
S. 117 Anmerk. 6 badä'i' für einen Plural von bid'a statt von
badVa oder versieht auf S. 7 den Elativ zweimal mit Tanwin)
ist es dem Übersetzer nicht gelungen, sich in kompliziertere
türkische Satzkonstruktionen hineinzudenken und sie richtig
wiederzugeben. Zum Belege seien aus einigen wenigen Seiten,
die ich näher geprüft habe, einige Beispiele angeführt:
S. 64 Z. 7: „it has consequently become a necessary
responsibility and obvious obligation of tbe pädishäh to
fulfil the incumbent gratitude due for this Divine Grace in
accordance with the precept 'Every one of you is a shepherd
and every one of you is responsible for his flock'. [Therefore]
he should make affluent tbe condition of the governed and
establish good order in the affairs of the citizens ..." muß
lauten: „so ist zur Abstattung des schuldigen Dankes für
diese Gnade der göttlichen Wohltaten folgendes die Obliegen¬
heit und vornehmste Verpflichtung der Königlichen Güte:
In Übereinstimmung mit den Worten , Jeder von euch ist ein
Hirte und jeder von euch ist für seine Herde verantwortlich'
die Verhältnisse der Ra'äyä zu verbessern und die Angelegen¬
heiten der Baräyä zu ordnen . ..", wobei Ra'äyä vornehmlich
die Bauern, also den Nährstand, Baräyä aber die Lehnsleute,
also den Wehrstand, bezeichnet. Ebenso gehört Z. 17 die
Maxime „according to the rule: 'There is no state ...'" nicht
in den Nebensatz, sondern in den Hauptsatz. — S. 65 Z. 13 ff.
„The unrestrained grand vezir must have the favor of his
patron and must seek after tbe highest virtues. As partaker
in the freshness of one who shares the harvest of both noble
and peasant, let him make laudable efforts and abundant
endeavors utterly to destroy illegal practices and injustice..."
muß lauten: ,,Und der Groß-Wezir soll als unumschränkter
Bevollmächtigter entsprechend dem, was sein Streben und
sein Verlangen nach vorzüglichem Charakter erfordert, ein
Erneuerer {teräwet-bahS) für die Geschäfte [eig.: bestellte
Felder] der Niedrigen und Hohen sein und soll sich viel Mühe
geben und große Anstrengung machen, um durch Erweise
von Recht und Gerechtigkeit die rechtswidrigen und un¬
gerechten Gewohnheiten zu unterdrücken ..." — S. 66 Z. 20:
„until the evidence is complete" muß lauten „solange ihre
Klagen nicht entschieden sind". — S. 67 Z. 2: „he gains not
this reward" ,,er kann diese Vergeltung nicht finden"
(jUj; ist eine ältere Form des Unmöglicbkeitsstammes für
buUmaz). Z. 4: „for the word of truth is the finest alms"
„Das Wort der Wahrheit ist wie das beste Almosen" (lies:
haqq sözü). Diese wenigen Beispiele ließen sich noch leicht
vermehren. Sehr störend sind auch die zahlreichen Druck¬
fehler, fast auf jeder Seite. Zwei zufällig ausgewählte Ab¬
schnitte mögen dies belegen, wobei auch noch einige Vor¬
schläge zur Textverbesserung angeführt seien:
Es ist zu lesen:
S. iio: JlyJI (ohne Taädid!); t^: JLil.
S. »i:^*l«; «lo: ^'Iji (ohne darauf folgendes Hamza 1).
S. ^lo^^ ^j-i- statt (in der Übersetzung richtig).
S. Vio: statt
S. Ai: ^y*^y, A3: J.ÜI statt jUt»l; Aiq:
S. Sg: Ijl—"; s»: ^Icj statt ^j'\ei.
S. V «9: jyLSj'statt ^^ili^(dann stimmt auch das Metrum).
S. v^b: statt VSis'. statt cJ).
S. vris: statt ^b'^; VYui ^ij^-^^y
S. VTi: besser ^ J; vr4: o-^-'-?} s*^** C3^ih\
Vfs: ^y»L- und J>til; Vfig: wohl «ili^j statt cilljj.
S. V 0 Z. 4 j ist mit den anderen Hss. zu tilgen, da es nach
dem Gerundium auf -üb nicht stehen kann. In derselben Zeile
lies J:i. Z. 8 dürfte wohl jjUI ^/[y— tilCL. zu lesen und j-i
JL als Glosse zu streichen sein.
Es ist sehr bedauerlich, daß diese in so vornehmem Ge¬
wände erscheinende, fast prunkvoll ausgestattete Ausgabe
(jede Seite der Hs. auf einer Seite des Druckes!) eines für die
Geschichte der osmanischen Staatsverwaltung so interessan¬
ten Textes so viele Mängel aufweist, w. HKFFENiNo-Bonn
Georgica. A Journal of Georgian and Caucasian
Studies. Published by Stephen Austin Sons, Ltd., for
The Georgian Historical Society, London. Vol. I, No. 1
Oktober 1935. 136 S. Preis 12 sh. 6 d. — Vol. I, No. 2/3.
Oktober 1936. 188 S. Preis 30 sh.
Im Jahre 1935 bat sich in England unter dem Vorsitz
von Sir E. Dbnison Ross die Georgian Historical Society
gebildet, die sich zur Aufgabe gemacht hat, das Verständnis
für die georgische Kultur und die Kenntnis der kaukasischen
Völker und Sprachen zu vermitteln, das Studium der Ge¬
schichte, Literatur und Kunst Georgiens und der Geschichte,
Ethnologie und Archäologie des Kaukasus zu fördern und zu
diesem Zwecke Vorträge zu veranstalten, eine Zeitschrift und
einzelne Werke herauszugeben und eine Fachbibliothek zu
gründen. Von dem Organ dieser Gesellschaft, als dessen
Herausgeber W. E. D. Allen und A. Gugushvili zeichnen,
liegen nun das 1. Heft und noch ein Doppelheft des 1. Bandes
vor; es erschwert das Zitieren, daß die Seiten nicht innerhalb
des Bandes durchgezählt werden.
Heft 1 beginnt mit einem kurzen Vorwort von Sir
E. Denison Ross über die Aufgaben der Gesellschaft; dann
berichtet W. E. D. Allen über „The present state of Cau¬
casian studies" (S. 2—8), wobei man, da weit weniger be¬
deutende Gelehrte genannt sind, die Namen des Kirchen- und
Literarhistorikers Kornili Kkkelidzk und des Sprachwissen¬
schaftlers Akaki Schanidze vermißt. Der nun als Emigrant
in Paris lebende Altmeister der georgischen Archäologie und
Epigraphik E. Taqaishvili beschäftigt sich in seinem Artikel
„Georgien chronology and the beginnings of Bagratid rule
in Georgia" (S. 9—27) mit der Frage, warum das Jahr
780 p. C. als Beginn der georgischen Ära gewählt worden ist.
Bekanntlich wurde in Georgien seit dem 9. Jahrh. vorwiegend
oder ausschließlich weder nach Christi Geburt noch nach
Erschaffung der Welt datiert, sondern nach der Chronikon-
rechnung; dabei bedeutete k'oronikonsa x „im x-ten Jahr
eines Osterzyklus von 532 Jahren". Der Zyklus wurde dabei
nicht genannt; praktisch kommen nur der 13. (781—1312)
und der 14. (1313—1844) in Betracht. Um bis 780 eine volle
Zahl von Zyklen herauszubekommen, wurde von den Geor¬
giern als Jahr der Erschaffung der Welt das Jahr 5604 v.Chr.
angenommen (5604+780 = 12 x532), abweichend von der
alexandrinischen und byzantinischen Ära. Obgleich als Jahr
des Regierungsantritts des Ahnherrn der georgischen Bagra-
tiden, des Kuropalaten Aschot I, das Jahr 786 überliefert ist,
möchte ihn Thaqaischwili doch in das Jahr 780 verlegen
nnd hierin das wichtige Ereignis sehen, das zur Wahl gerade
dieses Jahres geführt hat. Im Zusammenhang damit kommt
er auch auf andere Fragen der georgischen Chronologie zu
sprechen, so auf den vorchristlichen Kalender, dem P. Ingo-
EOQWA im Bulletin du Musee de Georgie (ab VI, 1929/30)
eine anregende Untersuchung gewidmet hat. Thaqaischwili
scheint alle Ergebnisse Ingoroqwa's anzunehmen, so die
ganz phantastische Deutung einiger altgeorgischer Monats¬
namen, wie ardadegisaj, tiris-denisaf und tiris-knisaj (in den
beiden letzteren steckt jedenfalls der mpers. Tlr). Auch das
von ihm vorausgesetzte Tierkreisjahr mit ungleichen Monaten
vermag ich nicht als bewiesen anzuerkennen; geschichtlich
allein wahrscheinlich ist ein Jahr aus 12 Monaten zu je
30 Tagen und 5 Epagomenen. Auf keinen Fall kann man
auch in den von Saba-Sülchan Orbeliani als angeblich
altgeorgisch-heidnisch überlieferten Wochentagsnamen wie
kronosis dye usw. etwas anderes sehen, als die griechischen
Namen, die Orbeliani bei einem Kirchenvater als heidnisch
gefunden und die er den heidnischen Georgiern zugeschrieben
hat, ähnlich wie er die griech. Planetennamen ermi, aria, dia,
kronosi für „georgisch" erklärt. Nur bei den westlichen
Khartbwelern bat es unter griech. Einfluß eine Planeten¬
woche gegeben, und deren Tagesnamen sehen denn auch ganz
3
anders aus. — M. Tseretheli untersucht „The Asianic (Asia
Minor) elements in national Georgian paganism according to
information contained in ancient Georgian literature" (S. 28
bis 66); es bleibt aber alles unsicher, so daß er m. E. nicht
über die vorsichtig kritische Darstellung des georgischen
Heidentums hinauskommt, die I. Dschawachischwili in
der 3. Auflage seiner „Geschichte des georgischen Volkes"
Bd. I (TifHs 1928) gegeben hat. Das liegt hauptsächlich am
Zustand der Quellen, die einander widersprechen und ent¬
weder bloße Namen geben oder, wo sie ausführlicher sind,
den begründetsten Verdacht erwecken, daß sie nur spätere
phantastische Ausmalungen im Sinne der christlichen Vor¬
stellungen vom heidnischen „Götzendienst" geben. Wieviel
Glauben verdienen denn die genauen Angaben der „Be¬
kehrung Georgiens" und des „Lebens der hl. Nino" über
die Statue und den Kult des Armaz?; sind sie doch erst
500 Jahre nach den geschilderten Ereignissen und durch
fremde Berichte angeregt entstanden. Dort erscheint Armaz
allerdings einem kleinasiatischen Wettergott ähnlich und
durchaus nicht dem Ahuramazda, aber trotz Tseretheli
wird man sich schwer dazu entschließen, seinen Namen von
dem Ahuramazdas zu trennen. Wenn man die Angaben der
Chroniken nicht gänzlich verwerfen will, so bleibt nicbts
anderes übrig, als eine rein äußerliche Iranisierung eines ein¬
heimischen Gottes anzunehmen. — Z. Avalishvili, A fifteenth-
century Georgian needle painting in the Metropolitan Mu¬
seum, New York (S. 67—74, dazu 2 Tafeln) bebandelt eine
Decke für einen Abendmahlskelch mit Stickerei in Kreuz¬
form, die georgische und griechische Beischriften enthält; im
Mittelstück, das den kindlichen Erlöser im Kelch ruhend
darstellt, steht außerdem „Jesus der Messias" auf Arabisch.
Diese Sprachmischung weist ebenso wie der Name des Stif¬
ters, Solomon Schawraschidze, auf Abchasien. — John
F. Baddeley, The Holy Lance of Echmiadzin (S. 75—-79)
erzählt nach der Kavkazskaja Starina von 1873 eine Anek¬
dote, die sich im Jahre 1797 bei der Verleihung der bl. Lanze
von Etschmiadzin nach Tiflis zwecks Bekämpfung der Pest
ereignet haben soll und erörtert im Anschluß daran die Her¬
kunft dieser Lanze. — G. Peradze, Georgian manuscripts
in England (S. 80—88) gibt eine Übersicht über die geor¬
gischen Handschriften in England; da diejenigen des Briti¬
schen Museums und der Universitätsbibliothek Cambridge
bereits beschrieben sind, ist sein Verzeichnis der Bestände der
Bodleiana in Oxford besonders dankenswert. Dank der
Sammeltätigkeit von Miß Marjory und Sir Oliver Wardrop
ist es die an georgischen Handschriften reichste Sammlung
in Westeuropa, allerdings sind die meisten nicht älter als das
18. Jahrh. — S. 89—100 nimmt die engl. Übersetzung eines
im Bulletin du Musee de Georgie II (1923—25) erschienenen,
auf reicher Materialkenntnis beruhenden Aufsatzes von
G. Tschit aia über das swanische sakurcxil ein ; das ist ein
reich mit Schnitzwerk verzierter Lehnstuhl, der in jedem
swanischen Hause zu fmden ist und dem Hausvater, bei den
Totengedächtnisfeiern dem Ahnherrn des Geschlechtes zu¬
steht. Falsch ist, was Tschitaia über die Etymologie des
Wortes sakurcxil sagt; es ist unverkennbar Lehnwort aus
dem Georgischen, wenn aucb das zugrunde liegende geor¬
gische sakurcxuli ganz selten und unerklärt ist. — A. Gu¬
gushvili, Nicholas Marr and bis Japhetic theory (S. 101—115
befindet sich ganz im Banne der Japhetitischen Theorie, die
zum Schaden einer gesunden sprachwissenschaftlichen Me¬
thode so viel Unheil angerichtet hat; dagegen hätten in dieser
Zeitschrift Marr's große Verdienste um die georgische Philo¬
logie ausführlicher gewürdigt werden können. Es folgt eine
Besprechung (S. 116—125) von Z. Avalishvili, Vep'xis
tqaosnis sakit'xebi (Paris 1931) durch V. Nosadze. Den
Schluß bildet A. Gugushvili, The Georgian alphabet. Trans¬
literation, pronunciation, and classification of Georgian
speech-sounds (S. 126—136); bier hat sich der Verf. auf ein
Gebiet begeben, das ihm offenbar recht fern liegt, und so
kann denn sein Ergebnis nicht als Basis für eine Diskussion
über eine einheitliche Umschrift des Georgischen dienen,
sondern ist nur geeignet weitere Verwirrung zu schaffen.
Statt sich ■— um die experimentalphonetischen Unter-
suchungen, die die Natur der georgischen Laute aufgeklärt
haben, gar nicht zu erwähnen — einfach auf die K' art' uii
gramatika I Morp'ologia (Tiflis 1930) von A. Schanidze zu
stützen, wo er eine richtige Klassifikation der georgischen
Laute gefunden hätte, verläßt sich Gugushvili auf Marr,
dessen jeder Phonetik Hohn sprechende Einteilung er auf
der letzten Seite vorführt; hier ist z. B. v der stimmhafte
Laut zum stimmlosen m, n ist stimmlos, der entsprechende
stimmhafte Laut ist l und der halbstimmhafte r ! So ist denn
Gugushvili auch völlig hilflos in der phonetischen Beschrei¬
bung der georgischen Laute; nachdem seit Jahrzehnten die
Rolle klargestellt ist, die der begleitende Kehlkopfverschluß
im georgischen Lautsystem spielt, kann man ihn doch nicht
mehr einfach ignorieren und statt dessen „the chirp of
sparrows" zur Verdeutlichung der Aussprache des IP heran¬
ziehen. Auch mit der von Gugushvili vorgeschlagenen
wissenschaftlichen Transliteration (die populäre, d. h. der
englischen Rechtschreibung entgegenkommende Umschrift
mag bingehn, bis auf das de) kann ich mich nicht einver¬
standen erklären: die ganz neuen Ligaturen aus t-\-s und
d-}-z sind unschön, auch das c ist seltsam und macht das
Verhältnis zum entsprechenden aspirierten Laut nicht deut¬
lich. Da ist doch die angeführte Umschrift von Blake noch
besser; die unter meinem Namen angeführte Transliteration
ist übrigens nicht die, die ich allgemein für das Georgische
verwende, sondern stammt aus meiner Dissertation, wo ich
aus besonderen Gründen die HüBscHMANN'sche Umschrift
des Armenischen für das Georgische benutzt habe.
Heft 2 u. 3. Z. Avalishvili, The cross from overseas
(S. 3—11): im Jahre 1108 schickte Ansellus, der Präcentor
des Heiligen Grabes, aus Jerusalem ein Kreuz nach Frank¬
reich, das aus dem Holze des Kreuzes Christi gefertigt sein
sollte; es wurde dann in Notre Dame de Paris aufbewahrt,
bis es während der Französischen Revolution verlorenging.
Ansellus wollte das Kreuz von der Witwe des Königs David
von Georgien erhalten haben, die damals in Jerusalem lebte;
es kann sich nur um die bei Matthäus von Edessa erwähnte
erste Gemahlin des Königs David II. des Erneuerers han¬
deln, von der er sich scheiden ließ, um die Tochter des Chans
von Kiptschak zu heiraten. E. Taqaishvili, The icon of the
crucifixion in the Dsalenjikha church in Megreha (S. 12/13,
dazu 4 Tafeln) beschreibt ein kleines Ikon der Kreuzigung
aus Gold und Silber in Form eines Triptychons, das Tha¬
qaischwili 1913 in der Kirche von C'alen'^ixa entdeckt und
photographiert hatte, das aber während der Revolution ge¬
stohlen worden ist. Muß man aus der Beischrift schließen,
daß es aus dem 13. Jahrh. stammt?; sie spricht bloß vom
mehrfachen „Verzieren" des Ikons, das kann sich auf die
Edelsteine und Perlen beziehen, mit denen es förmlich über¬
laden ist, während die Arbeit selbst älter sein könnte. Die
Anm. 5 auf S. 13 muß auf das vorhergehende Wort bezogen
werden: das Davit bedeutende d ist erst eingefügt worden,
nachdem der Hintergrund schon gepunzt war. — Gregor
Peradze, Georgian influences on the cultures of the Balkan
peoples (S. 14—23): unter diesem etwas zu viel versprechen¬
den Titel beschreibt Pheradze eine Reise, die er im Sommer
1935 durch Rumänien und Bulgarien auf den Athos unter¬
nommen hat. In Rumänien hat als Erzbischof von Bukarest
ein Georgier gewirkt, Antim Iverianul (f 1716), der sich um
die rumänische Kirche große Verdienste erworben hat; es ist
Ph. nicht gelungen, neue Materialien zu seiner Biographie zu
finden. Dagegen entdeckte er in der Bulgarischen National-
bibliotbek das georgische Original der Regel des Klosters von
Petritzoni (jetzt Baökovo), von dem bisher nur die griechische
Fassung bekannt war; dieses von dem byzantinischen Heer¬
führer georgischer Herkunft Grigol Bakuriani Ende des
11. Jahrh. gegründete Kloster hat für die georgische Geistes¬
geschichte namentlich durch den Neuplatoniker loane Petri-
c'oneli Bedeutung erlangt. Auf dem Athos besuchte Ph. die
wenigen und schon sehr alten georgischen Mönche, die dort
noch leben, nachdem sie im Jahre 1919 auch ihrer letzten
Zuflucht, der sog. Zelle des Apostels Johannes, beraubt
worden waren; das berühmte Iviron-Kloster hatten die Geor¬
gier ja schon etwa zwei Jahrhunderte früher verloren. —
3 ;> •
Titus Margelashvili, The Georgian epic: „The Man in the
Panther 's Skin" (S. 24—43) vergleicht Motive aus dem
georgischen Nationalepos mit solchen aus dem Gilgamesch¬
epos, wobei er aber versäumt, zunächst die georgische Dich¬
tung von ihrem literarischen Hintergrunde, dem neupersi¬
schen romantischen Epos, abzuheben ; erst was dann als cha¬
rakteristisch nachbleibt, dürfte zu kleinasiatisch-vorindo¬
germanischen Motiven und mutterrechtlichen Kulturen in
Beziehung gebracht werden. Die Rolle etwa, die die Gestirne
im Vep'xis Tqaosani spielen, erklärt sich teils aus neuplato¬
nischen Einflüssen teils aus Gewohnheiten der poetischen
Bildersprache und hat nichts mit dem Sterndienst im Gil¬
gameschepos zu tun. Und manche gemeinsame ,, Motive" wie
Freundschaft = Brüderlichkeit oder Ehre sind zu allgemein
verbreitet, als daß sie irgendeine nähere Beziehung begründen
könnten. Aber die aufgezeigte Parallele zwischen Engidu und
Tariel ist bemerkenswert, und die aktive Rolle der Frau ira
Vep'xis Tqaosani ist gut herausgestellt. — John F. Baddeley,
The rising of 1877 in Dagbestan and Tchetchnia (S. 44—49)
berichtet nach einem Artikel im Terskij Sbornik I 2 (1890)
über die durch den russisch-türkischen Krieg von 1877/78
ausgelöste Aufstandsbewegung im nördlichen Kaukasus. —
G. Bodchoridze, The monument of Juarisa (S. 50—54, dazu
4 Tafeln) ist eine Übersetzung aus Sak'art'velos Ark'ivi III
(Tiflis 1927), 206—208; es hätte sich empfohlen, die Behand¬
lung desselben Denkmals durch denselben Boc'orije im
Bulletin du Musee de Georgie V (1930), 173—178 heranzu¬
ziehen, wo er es nicht mehr dem 6., sondern sogar dem
5. Jahrb. p. C. zuschreiben möchte. Dieses Denkmal, ein
silberbeschlagenes Reliquiar mit dem Bilde des hl. Georg
Thaumaturges, trägt eine paläographisch äußerst interessante
Inschrift, die zu den allerältesten georgischen Inschriften
überhaupt gehört; der Übersetzer hat sie englisch nicht ganz
korrekt wiedergegeben, es ist nur ein Satz: „Heiliger Georg
der Wundertäter, behüte deine dir anvertraute Dienerin
Sahakducht vor allem Übel." — A. Gugushvili, Ethnogra¬
phical and historical division of Georgia (S. 53—71 mit
1 Karte) gibt eine Übersicht über die Provinz- und Land¬
schaftsnamen Georgiens, die zu den verschiedenen Zeiten in
Gebrauch waren; wenn der Arbeit auch kein selbständiger
wissenschaftlicher Wert zukommt, ist es doch eine nützliche
Zusammenstellung; wertlos sind die meisten der von Marr
übernommenen etymologischen Erklärungen. — Serge Ma-
KALATiA, Kolchian didrachmas (S. 72—77, 1 Tafel): Über¬
setzung eines im Bulletin du Musee de Georgie VII (1931/32)
erschienenen Aufsatzes. — S. Kakabadze, The date of the
building of the cathedral „The Living Pillar" (S. 78—91):
Übersetzung eines Artikels in Saistorio krebuli I (Tiflis 1928),
wonach der Wiederaufbau der Kathedrale Sveti cxoveli in
Mcxet'a in die Jahre 925—945 fällt. — Alexander Java-
KHisHviLi, The Caucasian race (S. 92—108): Übersetzung aus
dem Bulletin de l'Universite de Tiflis III (1923), die einzige
zusammenfassende Darstellung der Anthropologie der kauka¬
sischen Völker, die die gesamte Spezialliteratur verwertet;
sie basiert aber auf einem ganz veralteten und unklaren
Rassenbegriff, indem eine in verschiedene Gruppen und
Typen zerfallende „kaukasische Rasse" der „slawischen",
,, iranischen" usw. „Rasse" gegenübergestellt wird. Vielleicht
vermag der Rassenforscher mit den Tabellen, in denen die
prozentuale Häufigkeit einer Reihe von anthropologischen
Daten innerhalb der verschiedenen Typen der Kaukasus¬
völker gegeben werden, etwas anzufangen — der Laie ge¬
winnt nicht mehr als ein ungefähres Bild von dem Aussehen
der einzelnen Völker. — A. Gugushvili, The chronological-
genealogical table of the Kings of Georgia (S. 109—153) ist
eine fleißige, aber nicht selbständig nach den Quellen ge¬
arbeitete und auch die Literatur (z. B. Markwart) nicht
ausschöpfende Zusammenstellung der Herrscher Georgiens
und seiner Teilstaaten mit erläuterndem Text und Stamm¬
tafeln. Den völlig sagenhaften Angaben der Chronik über
Azo, P'arnavaz, K'u^i usw. schenkt Guguschwili immer
noch zu viel Glauben, vgl. den eine Übersetzung durchaus
lohnenden Artikel von K. Kkkelidze über die litararischen
Quellen des Leonti Mroveli im Bulletin de l'Universite de
Tiflis III (1923). S. 109 Anm. 1 finden sich einige Ungenauig¬
keiten : die uns voriiegende „Bekehrung Georgiens" ist nicht
ein Werk des Diakons GrigoH, „who admits, himself, having
used a more extensive chronicle", sondern führt an einer
Stelle eine kurze ,, Bekehrung Georgiens" des Diakons GrigoH,
von der man sonst nichts weiß, als Quelle an. Die maßgebende
Ausgabe der ,, Bekehrung Georgiens" und des „Lebens der
bl. Nino" ist übrigens die von Thaqaischwiu, Opisanie
rukopisej ... II 708ff. — E. Taqaishvili, Four Basilican
churches of the Qvirila Valley (S. 154—173, dazu 28 Tafeln)
gibt eine Beschreibung von vier Kirchen des Qvirila-Tales,
die er im Sommer 1920 archäologisch untersucht hatte,
nämlich denen von Savane (erbaut 1046), Darkvet'i (Ende
des 11. Jahrb.), Exevi (vermutlich 11. Jahrh.) und Speti
oder Sakvirike (10. Jahrb.), mit ausgezeichneten Photo¬
graphien. — Es folgt eine Besprechung von Tschubina-
schwili und Smirnov, Georgische Baukunst II Tiflis 1934)
durch D. Talbot Rice (S. 174—177), ein Resümee von zwei
Vorträgen, die Jurgis Baltrusaitis im Januar 1936 am War¬
burg-Institut über „Armenian architecture and Gothic art"
gehalten hat (S. 178—180) und A. Gugushvili, The Georgian
alphabet (S. 181—188), worüber dasselbe zu sagen ist wie
über den letzten Artikel von Heft 1.
Es hat seine großen Schwierigkeiten, eine philologische
Zeitscbrift, deren Inhalt im wesentlichen von Emigranten
oder Ausländern bestritten wird, dauernd auf einem hohen
wissenschaftlichen Niveau zu halten; die Gefahr liegt nahe,
daß bloße Spekulation oder Popularisierung von schon Be¬
kanntem an die Stelle von fruchtbarer, aus der Fülle des
Materials fließender Forschung tritt. Es wäre daher zu wün¬
schen, wenn die Zeitscbrift in Zukunft auch noch nicht ver¬
öffentlichte Forschungsergebnisse von in der Heimat ge¬
bliebenen georgischen Gelehrten in Übersetzung bringen
würde. Auf jedem Fall ist dem dankenswerten Unternehmen
auch ferneres Gedeihen zu wünschen.
G. DEETERS-Bonn
Divari vazisa. La Croix de Sainte Nino. Bulletin paroissial
de la Paroisse orthodoxe georgienne de Paris. Nr. 1, Paris
1931. 48 S. — Nr. 2, 1932. 48 S. — Nr. 3, 1933. 68 S. —
Nr. 4, 1934. 56 S.
Dieses Gemeindeblatt der georgischen griechisch-ortho¬
doxen Gemeinde in Paris „Das Kreuz von Reben" (der
Legende nach betete die hl. Nino, die Bekehrerin Georgiens,
in der Einsamkeit vor einem Kreuz, das sie sich aus Wein¬
reben gemacht hatte) wird herausgegeben von K. Dadkske-
liiANi und Archimandrit Gregor Peradze, Professor für
Kirchengeschichte an der Universität Warschau, früher
Lektor für Georgisch in Bonn; und auch der Inhalt des
Blattes wird von dem letzteren allein bestritten, wenn man
von einigen abgedruckten Hirtenbriefen und kirchlichen
Nachrichten absieht. Aucb einige wissenschaftliche Aufsätze
hat er darin untergebracht. Nr. 1, 19—24 veröffenthcht er
aus einer Handschrift der Sammlung Wardrop in der Bod¬
leiana ein anonymes Gedicht voller künstlicher Wortspiele
in den Reimen, das er nach Stil und Sprache dem Dichter
Besarion GabaäviH (1750—91) zuschreiben möchte. Nr. 2, 6
bis 35 Der bl. Georg im Schöpfertum des georgischen Volkes.
(Zum georgischen Heidentum): dieser Aufsatz beschäftigt
sich mit der These I. Dschawachischwili's, daß der hl. Georg
in Georgien in der Überlieferung und im Kultus an die Stelle
des Mondgottes, des obersten Gottes der alten Georgier, ge¬
treten sei. Daß im Volksglauben der Georgier der Mond
männlich, die Sonne weiblich ist, läßt sich allerdings nicht
durch Hinweise auf das Vep'xis Tqaosani widerlegen, denn
in dem Gebrauch, den es von Sonne und Mond in Gleich¬
nissen und Bildern für Männer und Frauen macht, folgt es
dem Vorbilde der neupersischen Epik. Aber wichtig ist
Pbradze's — wegen Mangel an Material nicht im einzelnen
ausgeführter — Hinweis darauf, daß der hl. Georg erst seit
dem 11. Jabrh. in Georgien volkstümlich wird, und zwar zu¬
nächst als Heiliger eines bestimmten Standes, des ritterlichen
Adels, und daß er erst allmählich andere Heilige verdrängt
hat, so daß die große Verbreitung von Kultstätten des hl.
Georg für die Frühzeit und damit für die Verbindung mit
solchen des alten Mondgottes nichts besagt. — S. 35—47 ver¬
öffentlicht Peradze eine eigne Übersetzung des Hohenliedes
aus dem Urtext ins Neugeorgische, wobei er sich allerdings
von dem Einfluß der alten Übersetzung nicht hat freimachen
können: er verwendet Wörter und Formen, die der lebenden
Sprache fremd sind, oder flektiert altgeorgische Wörter auf
neugeorgische Weise (z. B. jaZuji' ,,sie können"); störend
sind die vielen Druckfehler. Heft 4, S. 7—30 gibt Peradze
Auszüge aus einer georgischen Hs. der Bodleiana (Coli.
Wardrop Nr. 56) von 1798. Sie enthält u. a. Lebensbeschrei¬
bungen und erbauliche Geschichten von Mönchen aus den
Klöstern des hl. Johannes des Täufers und des hl. David von
Gares-^a (eines der ,, syrischen Väter", die das Mönchtum in
Georgien einführten) im SO von TifHs in der Wüste von
Qaraja, die in unwirtlicher und den Überfällen der Lesgier
ausgesetzter Gegend ein Leben voll Entbehrungen und stän¬
diger Todesbereitschaft führten. Bemerkenswert ist, ein wie
reines Altgeorgisch diese Mönche noch im 18. Jahrh. schreiben
konnten. G. DEKTERs-Bonn
Corpus Juris Ibero-Caucasici. Premiere section: Droit
national georgien codifie. Tome /* (livre deuxieme): Code
Georgien du roi Vakhtang VI. Commentaire ou Precis du
Droit ibero-caucasien par Joseph Karst. Livre deuxieme. —
Straßburg: Heitz & Cie. 1937. XIII, 576 S., 1 Karte.
Zu den in dieser Zeitschr. Bd. 90, 460 ff. angezeigten ersten
beiden Bänden von Karst's Bearbeitung des georgischen
Rechtes ist dank seiner unermüdlichen Arbeitskraft nunmehr
ein umfangreicher 3. Band getreten. Er behandelt das Agrar¬
recht, das Lehnsrecht und die Leibeigenschaft, das Familien-
und Erbrecht, das Schuldrecht und schließlich Kauf und
Verkauf, Tausch und Schenkung. Es folgen zwei Anhänge,
einer über die Entwicklung des georgischen Rechts im 18. und
19. Jahrh. und seine teilweise Übernahme in das unter der
russischen Herrschaft geltende Provinzialrecht, der zweite
bringt Nachträge zu beiden Teilen des Kommentars. Den
Schluß bilden ein sehr ausführlicher Sachindex, ein Ver¬
zeichnis der Orts- und Personennamen und ein Index der
georgischen Rechtsausdrücke. Es hätte sich empfohlen, im
letzteren alle terminologischen Erörterungen und Erklärungen,
die hier und da und oft mehrfach im Text verstreut sind,
zusammenzufassen, auch die Etymologien; letztere sind aller¬
dings oft zu beanstanden. S. 491 mit'anadi kann weder laut¬
lich noch bedeutungsmäßig aus arab. matbanat stammen;
ebd. herovani „Notabler" ist altgeorg. haerovani „schön";
für ebd. k'ot'losani gibt Karst an dritter Stelle zweifelnd die
allein richtige Erklärung, denn das Suffix -osani erweist das
Wort als Ableitung aus einer Sachbezeichnung; S. 492 xati
kann nicht aus arab. halt stammen, da es in der Bedeutung
elHü)v schon in der Bibelübersetzung ganz üblich ist. S. 493
mani „Brautpreis" kenne ich nur aus Orbehani, es sieht wie
eine Verschreibung oder Verlesung für mari aus; übrigens
wird von mari oder k'ebini nur gesprochen, wenn es sich um
Mohammedaner handelt, im Eberecht der Georgier gibt es
keinen Brautpreis.
Wertvoll ist die Mitteilung zahlreicber Urkunden in fran¬
zösischer Übersetzung, aus denen man sich ein Bild von der
praktischen Anwendung der Rechtsnormen machen kann;
sie sind im allgemeinen sehr genau übersetzt. S. 354 in der
Titulatur muß es statt ,,roi, chirvan-chah et chahan-chah
des Abkhases" usw. heißen: ,,roi des A., K., R., C. et Arme¬
niens, chirvan-chah et chahan-chah, rögne . . ." S. 357 Mitte
nicht ,,Au cas oü on produirait (litt, oü paraitrait) un autre
titre . . .", sondern „Au cas oü un autre produirait (litt, sur
un autre paraitrait; sxuas gamoatndes, Version sazedao nach
ScHANiDZES Terminologie) un titre . . .".
Als nächster Band der Veröffentlichung ist eine kommen¬
tierte Übersetzung des Codex Georgs V und des Codex Bek'a-
Aybuya in Aussicht genommen. G. DEKTKRs-Bonn
Zeitschrift d. DUO Bd. Ol (Neue Folge Bd. 16) 38
Eingegangene Bücher Angezeigt von Wilhelm Printz
Bibliographie bouddhique. VII—VIII. Mai 1934— Mai 1936.
— Paris: Adrien Maisonneuve 1937. XII, 183 S. 4".
Mit 910 Titeln für zwei Berichtsjahre ist diese wertvolle Biblio¬
graphie wieder aufs Laufende gebracht worden. Die einschlägige
japanische Literatur ist wiederum ausgiebig berücksichtigt. Eine
sehr willkommene Zugabe bildet die vollständige Verzeichnung der
Schriften von Sylvain Lfivi durch Maurice Maschino (357 Titel)
mit einem 31 engbedruckte Seiten umfassenden Index von Nadine
Stchoupak, worin für alle nicht mit Index versehenen Schriften
ein Nachweis besprochener Wörter, Autoren usw. eingearbeitet ist.
Lukas, Johannes : A Study of the Kanuri language. Grammar and
Vocabulary. Published for the Inierttational Institute of African
Languages & Cultures. — London: Oxford Univ. Press 1937.
XVII, 253 S. 8». 12/6.
Der Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, die sprachlichen Ver¬
hältnisse in den Ländern um den Tschadsee zu klären (vgl. Africa 9,
1936, 332—349; Forschungen u. Fortschritte 10, 1934, 356-357).
Als Teil dieser Arbeit hat er sich eingehend mit der im nordöstl.
Nigerien gesprochenen Kanuri-Sprache beschäftigt (vgl. Z. f. Ein-
geb.-Spr. 25 u. 26) und bringt nunmehr ein Lehrbuch heraus, das
in der Grammatik eingestreute Übungssätze enthält, dazu ein paar
Seiten Texte samt ihrer Übersetzung sowie ein Wörterbuch. Ein
wichtiger Fortschritt in der Kenntnis des Kanuri ist die Ermittlung der fünf Töne und ihrer lexikaUschen Bedeutung. In der Schreibung
der Lautzeichen kommt L. mit ganz wenigen Sonderbuchstaben aus
(bilabiales / neben labiodentalem, retroflexes l neben gewöhnlichem).
Bauer, Hans : Die Alphabetischen Keilschrifttexte von Ras Schamra
{Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen herausgegeben von
Hans Lietzmann 168). — Berlin: Walter de Gruyter 1936. 8".
VIII, 75 S. Preis RM. 3.50.
Die große Bedeutung der seit nunmehr 8 Jahren in Ras Schamra
zutage geförderten Texte, namenthch der im keilschrifthchen Alphabet geschriebenen, hat es mit sich gebracht, daß Gelehrte verschiedener
Länder etwa gleichzeitig und unabhängig voneinander an die Heraus¬
gabe einer für weitere Kreise zugänghchen und erschwingUchen Zu¬
sammenstellung der in der Syria veröfFentüchten Texte gegangen
sind. In Amerika hat es J. A. Montgomery im Verein mit Z. S. Har-