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Archiv "Angst kann wie Mehltau wirken" (21.09.1989)

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Angst kann wie Mehltau wirken

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ie Angst beim hirnor- ganischen Psychosyn- drom war das Thema eines Expertengesprächs, das im Juli vom Pharmaunterneh- men Nordmark in Freyung im Bayerischen Wald veranstal- tet wurde. Zur Psychophar- makotherapie der Angst im höheren Lebensalter, so emp- fahl der Psychiater Professor Dr. Volker Faust, sollten — je nach Indikation — neben Tranquilizern und Antide- pressiva vor allem Neurolep- tika eingesetzt werden. Bei normalen Alltagsängsten je- doch seien körperliche Akti- vität, Entspannung, Yoga und autogenes Training ausrei- chend. Wenn Medikamente notwendig erscheinen, rät Prof. Faust erst einmal zu Phytopharmaka — aber hoch- dosiert und langfristig.

„Es ist schon eigenartig,"

meinte der Leiter des Be-

reichs Forschung und Lehre am Psychiatrischen Landes- krankenhaus Ravensburg- Weissenau, „Benzodiazepine werden hochdosiert verab- reicht und Phytopharmaka in niedrigen Dosen — gerade so, als ob man Angst davor hät- te." Er nannte es einen „unse- ligen Reflex", bei Angstzu- ständen sofort Tranquilizer zu verschreiben. Diese Sub- stanzen seien zwar unersetz- lich im ambulanten und sta- tionären Bereich, etwa bei Einschlafstörungen im Rah- men von Involutionsdepres- sionen, sie müßten jedoch ge- nerell zeitlich begrenzt und so niedrig-dosiert wie möglich verabreicht werden. „Tran- quilizer lösen die Angst nicht, sondern decken sie zu." Vor allem bei älteren Menschen

resultiere neben drohender Abhängigkeit selbst bei nied- riger Dosierung schnell eine Indolenz. Dieses „Wurstig- keitssyndrom" hält Prof.

Faust gerade bei älteren Pa- tienten für gefährlicher als die Abhängigkeit. Überdies komme es im höheren Le- bensalter schnell zu Überdo- sierungen, zu erkennen an verwaschener Sprache und Gangunsicherheiten.

Wenn er Tranquilizer ab- setzt — „bei über 70jährigen würde ich das nicht machen"

—, lindert er die „Mühsal des Entzugs" mit niederpotenten Neuroleptika. Je älter der Pa- tient, so seine Faustregel, de- sto eher greift der Psychiater dann zu Butyrophenonen wie zum Beispiel Eunerpan® oder Dipiperon®. Organisch be-

gründbare Psychosen im hö- heren Lebensalter sieht Prof.

Faust ebenso wie der Leiter der Tagung, Dr. Lothar Bla- ha, Deggendorf, als Indika- tion für hochpotente Neuro- leptika an. Auch in diesen Fällen räumt Blaha den Buty- rophenonen absolute Priori- tät ein. Besonderes Augen- merk ist nach Ansicht dieser Altersgruppe auf die extrapy- ramidalen Nebenwirkungen zu richten, die additive Gabe von Biperiden (Akineton®) zur Vermeidung von Früh- dyskinesien dürfe den Effekt der Neuroleptika dabei nicht

„neutralisieren".

Generell werde die Pro- blematik der Angst bei älte- ren Patienten mit hirnorgani- schen Störungen oft unter- schätzt. Dr. Hans Gutzmann, Berlin, begründete dies mit seinen Erfahrungen in der Gerontopsychiatrie: Angst

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maßen, Muskelschwäche oder -krämpfe, Claudicatio intermittens und Raynaud-Syndrom verstärkt. Hypotonie, Bradykardie, AV-Überleitungsstörungen, verstärkte Herz- insuffizienz, Mundtrockenheit, Konjunktivits, verminderter Tränenfluß, Potenzstörungen, bei Prädisposition Bronchialobstruktion und Atemnot. Latenter Diabetes mellitus kann manifest, ein manifester kann verstärkt werden; Diabetessymptome können verschleiert werden; Therapieüberwachung. Beeinträchtigung des Reaktionsvermögej s, insbesondere mit Alkohol. Wechselw.:Antidiabetika,Antihypertensiva, He rzglykoside, Antiarrhythmika, Narkotika.

Dos.: individ. bis 100 mg/die vor den Mahlzeiten einnehmen, Ende ausschleichend. Handf.: ATENDOL® 50 20 Tabl. DM 11,76, 50 Tabl. DM 27,35, 100 TabI.DM 49,85; ATENDOL ® 100 20 Tabl. DM 18,15, 50 Tabl. DM 42,65, 100 Tabl. DM 78,55; AP auf Anfrage. G. Pohl-Boskamp GmbH & Co., D-2214 Hohenlockstedt (Stand 08/89).

G. Pohl-Boskamp

GmbH & Co D-2214 Hohenlockstedt

Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989 (101) A-2689

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Nicht nur bei psychiatri- schen Krankheitszuständen, sondern auch bei chronischen Kopfschmerz-Syndromen ha- ben trizyklische Antidepressi- va Platz im Therapieplan.

Man geht von der These aus, daß Schmerzen nicht nur durch die Intensität der Sti- muli, sondern auch durch die Aktivitäten des Arousal-Sy- stems („Aufweck"-Systems) und die Imbalance der Neu- rotransmitter Noradrenalin und Serotonin bestimmt wer- den.

Bei einem Satelitten-Sym- posium der Rhöne-Poulenc Pharma anläßlich des 29. In- ternationalen Neuropsychia- trischen Gerald-Grinschgl- Symposiums, Ende Mai in Pula (Jugoslawien) nannte der niedergelassenen Neuro- loge und Schmerzexperte Professor Dr. Volker Pfaffen- rath, München, die typischen Symptome des Spannungs- kopfschmerzes: Die Patien- ten klagen über einen beid- seitigen dumpfen Schmerz, der wie ein Schraubstock die Schädeldecke einzudrücken scheint. Im frühen Stadium ist noch eine Tagesrhythmik erkennbar, mit den Jahren

„stehen die Patienten mit dem Schmerz auf und gehen

Fortsetzung von S. 2689 wirkt sich negativ auf die ko- gnitiven Leistungen aus. Die- se wiederum sind bei den be- troffenen Patienten sowieso schon gestört. Wenn der Arzt nicht frühzeitig interveniert, entsteht ein Circulus vitiosus

— der Zugriff auf Bewälti- gungs-Strategien wird immer schwerer und geht schließlich ganz verloren.

Damit es gar nicht erst so weit kommt, soll nach Ansicht der Experten bei körperlich begründbaren Psychosen — mit leichten bis mittleren For- men einer ängstlich-depressi-

damit schlafen". Im Gegen- satz zu früher w_ eiß man heute, daß eine Muskelan- spannung nur etwa bei 30 bis 40 Prozent der Patienten primär besteht, meist treten die Muskelkontraktionen erst sekundär auf. Hat der Schmerz eine pulsierende Qualität, wird er häufig mit einer Migräne verwechselt.

Es liegt dann meist ein Kom- binationskopfschmerz vor und fast immer ein Analgeti- ka-Mißbrauch. Doch, so Pro- fessor Pfaffenrath, kaum ein anderes Krankheitsbild ist so uneinheitlich definiert wie dieses Kopfschmerz-Syn- drom.

Der Analgetika-Miß- brauch steht bei solchen Schmerz-Patienten häufig im Vordergrund und hält die Symptomatik aufrecht. Diese paradoxe Reaktion wird ver- mutlich durch den Einfluß der Schmerzmittel auf das an- tinozizeptive System ausge- löst. Langjähriger Analgetika- Konsum blockiert die Schmerzbahnen und senkt die Schmerz-Toleranz soweit ab, daß immer mehr Analge- tika benötigt werden. Als Fol- ge verändert sich eine Migrä- ne zum Dauerschmerz, der Spannungskopfschmerz wird

ven Grundstimmung — schon frühzeitig therapiert werden.

Der „richtige" Zeitpunkt ist allerdings nicht ganz einfach zu ermitteln, da einerseits die hirnorganischen Störungen schleichende Prozesse sind, andererseits die Angst bei äl- teren Patienten höchst viel- fältige — hypo- und hyperakti- ve — Formen zeigen kann.

„Angst kann stimulierend sein, zuviel Angst legt sich aber wie Mehltau auf die Per- son und dämpft die Hand- lungsbereitschaft," formulier- te Hans Gutzmann.

Dr. R. Leinmüller

durch den Analgetika-Kopf- schmerz überlagert.

Bevor in solchen Fällen Therapiekonzepte greifen, muß zuerst ein Analgetika- Entzug stattfinden. Professor Pfaffenrath rät hier zu nicht- steroidalen Antirheumatika, weil diese kein Suchtpotential aufweisen. Erst danach kann eine Behandlung mit trizykli- schen Antidepressiva begin- nen. Wenn Trizyklika vom Amitriptylin-Typ nicht an- sprechen, wird meistens auch keine Wirkung mit anderen Substanzen dieser Klasse er- reicht.

Die schmerzlösende Wir- kung der Antidepressiva er- klärt man sich durch eine zen- tral-synaptische Hemmung der Wiederaufnahme von Se- rotonin sowie durch die Blok- kade von alpha-l-adrenergen und serotonergen postsynap- tischen Rezeptoren. Der zen- trale serotonerge Effekt von Amitriptylin kann jedoch

Kurz informiert

Frühzeitige Grippeschutz- impfung - Die Marburger Behringwerke bieten nun ih- ren neuen Dreifach-Impfstoff

„Begrivac® 89" zur frühzeiti- gen Grippeschutzimpfung an.

Der Impfstoff enthält nach Empfehlungen der WHO ge- reinigte Influenza-Virus-An- tigene der Typen „A (HIHI) entsprechend Singapo- re/6/86" (15 1.1g HA) „A ((H3N2) entsprechend Shanghai/11/87" (15 1.tg HA) sowie „B Yamagata/16/88"

(10 tg HA) H/S Milde Diurese — Zur Hochdrucktherapie mit einer möglichst niedrigen Diureti- ka-Dosis hat das Unterneh- men Schwarz Pharma, Mon- heim, neben dem bewährten diucomb® (25 mg Bemetizid plus 50 mg Triamteren) nun vor allem für ältere Hyperto- niker das Präparat diucomb mild® (10 mg Bemetizid plus 20 mg Triamteren) einge- führt. In Studien zeigte sich, daß die unter Diuretika- Therapie beobachteten Stoff-

auch über eine Interaktion von noradrenergen mit sero- tonergen Systemen zustande- kommen.

Obwohl der Einsatz von Trizyklika bei Kopfschmerz- Syndromen schon in der Pra- xis etabliert ist und viele Pa- tienten davon profitieren, gibt es bis heute kaum über- zeugende Therapie-Studien, betonte Professor Pfaffen- rath. Deshalb soll jetzt die Wirksamkeit und Verträg- lichkeit von Amitriptylinoxid mit derjenigen von Amitripty- lin in der Therapie des chro- nischen Spannungskopf- schmerzes in fünf Zentren bei je 45 Patienten gegen Plazebo geprüft werden. Amitriptylin- oxid ist eine Modifikation des Amitriptylins. Die Wirk- eigenschaften sind vergleich- bar mit denen der Muttersub- stanz. Es treten jedoch unter der Behandlung signifikant weniger anticholinerge und kardiale Effekte auf. B1

wechselfolgen (Elektrolyt- haushalt, Glukose-Toleranz, Blutfette) dosisabhängig sind und in der Langzeitbehand- lung mit diucomb mild® ver- hindert oder gemildert werden können. Die Niedrig-Dosis ist außerdem verträglicher. pe Mehr Schutz vor Hepatitis A — Ein Hyperimmunglobulin zur Vorbeugung gegen Hepa- titis A vor Fernreisen hat die Immuno GmbH, Heidelberg, mit „Gammabulin A Immu- no" eingeführt. Durch die Auswahl von Plasmen mit ho- hen A-Antikörpertitem be- trägt der Gehalt an Hepatitis- A-Antikörpern mindestens 200 I.E. pro Milliliter. Damit ist, darauf weist die Immuno GmbH besonders hin, erst- mals ein Präparat mit kon- trolliertem Hepatitis-A-Anti- körpergehalt verfügbar. Die Standarddosis konnte des- halb von 5 ml auf 2 ml gesenkt werden, verursacht also ent- sprechend weniger Schmer- zen. Die Schutzdauer von Gammabulin A Immuno ver- längert sich, so der Herstel- ler, gegenüber herkömm- lichen Präparaten auf fünf Monate. pe Chronische Kopfschmerzen:

Trizyklische Antidepressiva gleichen Innbalance der Neurotransmitter aus

A-2690 (102) Dt. Ärztebl. 86, Heft 38, 21. September 1989

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