V A R I A
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A3262 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 495. Dezember 2003
Im entschiedenen Rechtsstreit ging es darum, ob athrosko- pische Karpaltunneloperatio- nen für einen Arzt für Pla- stische Chirurgie fachfremde Leistungen sind. Zunächst hat das Bundessozialgericht be- stätigt, dass ein Arzt bestimm- te Leistungen nicht allein des- halb abrechnen darf, weil er dafür persönlich qualifiziert ist und dies auch in der Ver- gangenheit durfte. Dass dem Arzt durch die Kassenärztli- che Vereinigung unter Quali- fikationsgesichtspunkten aus- drücklich die Genehmigung für bestimmte Leistungen er- teilt worden ist, ist im Zu- sammenhang mit der Fachge- bietszugehörigkeit der betrof- fenen Leistung unerheblich.
Genehmigungen zur Vornah- me und Abrechnung quali- fikationsgebundener Leistun- gen berechtigen einen Ver- tragsarzt nicht, als fachfremd einzustufende Leistungen zu erbringen.
Damit hängt die Entschei- dung, ob Leistungen nach Nr.
2447 EBM-Ä für den Kläger fachfremd sind, allein davon ab, ob die mittels athroskopi- scher Technik durchgeführte Karpaltunnel-OP zum Fach- gebiet der Plastischen Chirur- gie zählt. Dazu ist in erster Li- nie die Gebietsdefinition der Weiterbildungsordnung her- anzuziehen. Danach umfasst die Plastische Chirurgie die Wiederherstellung und Ver- besserung der Körperform und sichtbar gestörten Kör- perfunktionen durch funk- tionswiederherstellende oder -verbessernde plastisch-ope- rative Eingriffe. Die angeführ- ten Operationen sind für den betroffenen Arzt also nicht fachfremd. Dafür spricht auch, dass bestimmte Eingriffe in ei- ner vorgegebenen Frequenz im Rahmen der Weiterbildung für ein bestimmtes ärztliches Gebiet – hier: operative Be- handlung von Gesundheits-
störungen im Gefäß-, Ner- ven- und Lymphsystem – nach- gewiesen werden müssen.
Weiterhin ist von Bedeutung, dass die Plastische Chirurgie wie die Unfallchirurgie in der Vergangenheit lediglich eine Schwerpunktbezeichnung war und als eigenes Gebiet in Nie- dersachsen erst seit 1997 exi- stiert.
Überschneidung: möglich Der Kläger hat von der in der Weiterbildungsordnung vor- gesehenen Möglichkeit Ge- brauch gemacht, wegen eines bestimmten Umfangs seiner plastisch-chirurgischen Tätig- keit die neu eingeführte Be- zeichnung Plastische Chirur- gie zu führen. Der Umstand, dass sich ein Gebiet im Laufe der Zeit aus dem Schwer- punkt eines größeren zu ei- nem sehr eigenständigen Fach- gebiet verselbstständigt hat, darf bei der Beurteilung von ärztlichen Leistungen als fach- fremd im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Be- rufsausübungsfreiheit nicht au-
ßer Betracht bleiben. Die Ab- grenzung zwischen dem Mut- terfach (hier: Chirurgie) und den sich daraus entwickeln- den Töchterfächern (hier: Pla- stische Chirurgie) kann des- halb nicht so erfolgen, dass der für das Mutterfach umfas- send qualifizierte Arzt auto- matisch die Berechtigung ver- liert, solche Leistungen zu er- bringen, die nunmehr zu den gebietsprägenden Leistungen des verselbstständigten Toch- terfachs zählen. Überschnei- dungen zwischen beiden Ge- bieten sind zumindest für ei- ne Übergangszeit unvermeid- lich und im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Be- rufsausübungsfreiheit hinzu- nehmen.
Deshalb kann allein aus dem Umstand, dass Karpal- tunneloperationen auch von Ärzten für Chirurgie ausge- führt werden dürfen, zumin- dest derzeit nicht hergelei- tet werden, sie seien für Ärzte für Plastische Chirurgie fach- fremd. (Bundessozialgericht, Urteil vom 2. April 2003, Az.:
B 6 KA 30/02 R) Be
Arzt für Plastische Chirurgie
Abgrenzung zwischen Mutterfach und Töchterfächern
Rechtsreport