Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Der „Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen" hat die Be- darfsplanungs-Richtlinien für Kas- senärzte überarbeitet. Die Ände- rungen mögen minimal erschei- nen. Bedeutsam ist aber auch, was nach eingehender Erörterung (noch) unverändert blieb: In einer Entschließung wurde klar heraus- gestellt, daß das Instrumentari- um derzeitiger „Bedarfsplanung"
nicht ausreicht, in Zukunft eine gleichmäßige und bedarfsgerech- te patientennahe Versorgung zu erzielen. Empfohlen wurde daher eine entsprechende Überarbei- tung der bisherigen Konzeption der „Bedarfsplanung" für Kassen- ärzte.
Die Meßzahlen (Arzt:Einwohner) sowie die Anrechnungsanteile für bestimmte Gebietsarztgruppen bei der Ermittlung des Bedarfs an Allgemein-/praktischen Ärzten blieben unberührt. Nur der Lei- stungsanteil des Kinderarztes für die allgemeinärztliche Versorgung ist von bisher 0,60 auf nunmehr 0,30 reduziert worden; Begrün- dung: Kinderärzte werden an man- chen Orten noch benötigt und sol- len deshalb für die allgemeinärzt- liche Versorgung in geringem Um- fang zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus sind die Fallgrup- pen in den Planungsblättern ver- kleinert worden; dies auf Wunsch der Krankenkassen, die grund- sätzlich der Meinung sind, für je- den Arzt sollte im Planungsblatt eine exakte Fallzahl ausgewiesen werden. Das ist von den Ärzten im Bundesausschuß immer wieder abgelehnt worden mit der Begrün- dung, hierdurch würden daten- schutzwürdige Interessen des ein- zelnen Kassenarztes verletzt.
Die Planungsblätter sind für die Niederlassungsberatung der Kas- senärztlichen Vereinigung inso- weit informativer geworden, als die Liste der Praxisbesonderhei- ten, die bisher hier schon auszu- weisen waren, nunmehr ergänzt wird durch medizinisch-techni- sches Großgerät.
Zunehmende Problematik sogenannter „Überversorgung"
zwingt zum Handeln
Zwar blieb die Struktur der bishe- rigen Bedarfsplanung erhalten, al- so auch die ursprünglich im Jahre 1977 vom Gesetzgeber festgelegte Zielsetzung einer Feststellung und Beseitigung von „Unterversor- gung"; daß aber diese Zielsetzung bei weitem nicht mehr die vorran- gige Problematik in der Bedarfs- planung der kassenärztlichen Ver- sorgung darstellt, hat sich im Lau- fe der Jahre immer deutlicher er- geben.
Das heißt nun nicht, es gäbe keine Gebiete mehr, in denen Ärzte fehl- ten. Gegen solch eine Auffassung sprechen die Ausschreibungen der Kassenärztlichen Vereinigun- gen über dringend zu besetzende Kassenarztsitze, aber auch beson- ders deutlich die Sperrung von be- stimmten Gebietsarztgruppen für die Niederlassung in einigen Be- reichen Bayerns. Auch hört man immer wieder einmal die Klage, insbesondere von Kommunalpoli- tikern, daß ein Arztsitz — beispiels- weise — für einen Kinder- oder Au- genarzt in einem ländlichen Be- reich schwer zu besetzen sei. Dies ist jedoch nicht ein Problem der Zahl der überhaupt für die kassen- ärztliche Versorgung zur Verfü-
gung stehenden Ärzte, sondern die Folge einer Rechtsprechung, die im Jahre 1960 eine totale Nie- derlassungsfreiheit für Kassenärz- te eingeführt hat, wodurch es zu einer Konzentration von Gebiets- (Fach-)Ärzten besonders in den Stadtstaaten, aber auch in ande- ren größeren Städten wie Mün- chen, Heidelberg, Düsseldorf— um nur einige zu nennen—gekommen ist.
Die Statistiken der Bedarfspla- nung zeigen, daß es neben über- proportional gut mit Ärzten ver- sorgten Bereichen auch solche gibt, bei denen der Weg zum Arzt länger ist. Die Krankenkassen nen- nen die überproportional gute Versorgung von Kassenärzten
„Überversorgung" und haben bei den Beratungen im Bundesaus- schuß zur Änderung der „Bedarfs- planungs-Richtlinien/Ärzte" die Forderung aufgestellt, neben „Un- terversorgung" auch den Begriff der „Überversorgung" in die kas- senärztliche Bedarfsplanung ein- zuführen, diesen zu definieren und entsprechende Folgerungen festzulegen, wenn Überversor- gung eintrete. Hierzu fehlt aber in der Reichsversicherungsordnung wie auch in der Zulassungsord- nung, wo der Rahmen für die Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses — also des zu- ständigen Selbstverwaltungsgre- miums der Kassenärzte und Kran- kenkassen — festgelegt ist, die rechtliche Grundlage.
Ziel: flächendeckend
gleichmäßige, bedarfsgerechte kassenärztliche Versorgung Indes werden die Probleme, die sich aus der zunehmenden Arzt- dichte ergeben, auch von Kassen- arztseite sehr deutlich gesehen.
Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung hat im Mai dieses Jahres in Kassel in einer Resolution festge- stellt, daß überproportionale Arzt- dichte in Ballungsgebieten im all- gemeinen und im Hinblick auf be- Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen empfiehlt:
Konzeption der „Bedarfsplanung"
problemgerecht überarbeiten!
Änderungen der Bedarfsplanungs-Richtlinien für Kassenärzte
9. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A 24 Heft 36 vom
Wer finanziert das soziale Netz?
Beiträge der
0
ArbeitgeberBeiträge der Versicherten
staatl. sonstige Einnahmen Zuweisungen
Die sozialen Leistungen — dazu gehören Renten, Kindergeld, Ar- beitgeberleistungen, Sozialhilfe, Sozialleistungen für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst sowie die Leistungen der Krankenversicherungen und der Bundesanstalt für Arbeit — wer- den zu 37 Prozent aus Arbeitge- berbeiträgen finanziert. 36 Pro- zent der Einnahmen stammen aus öffentlichen Mitteln, d. h. aus Steuergeldern. Ein Viertel der Leistungen finanzieren die Versi- cherten selbst, und zwei Prozent des Sozialbudgets stammen aus sonstigen Einnahmen; dazu ge- hören insbesondere die Zinsein- nahmen der Sozialversiche- rungsträger Condor
Die Information:
Bericht und_Meinung NACHRICHTEN
stimmte Arztgruppen nicht der gesetzlich geforderten Grund- ordnung einer flächendeckend gleichmäßigen und bedarfsge- rechten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung entspricht. Ärzte- und Krankenkassenvertreter im Bundesausschuß haben daher nun gemeinsam über die jetzt be- schlossene Änderung der Bedarfs- planungs-Richtlinien hinaus eine Empfehlung zur Überarbeitung der Konzeption der kassenärztli- chen Bedarfsplanung abgegeben.
In dieser Empfehlung wird festge- stellt, daß das vorhandene Instru- mentarium nicht ausreicht, um ei- ne gleichmäßige und bedarfsge- rechte Versorgung zu garantieren.
Es wird vorgeschlagen, die Mög- lichkeiten auszubauen, Zulas- sungsbeschränkungen zur Ge-
währleistung einer gleichmäßigen Versorgung für einzelne Bereiche aussprechen zu können. Um die- ses Ziel zu erreichen sollten die Kassenärztliche Bundesvereini- gung und die Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Auswer- tung der Ergebnisse der kassen- ärztlichen Bedarfsplanung ent- sprechende Vorstellungen entwik- keln.
Damit hat der Bundesausschuß der Kassenärztlichen Bundesver- einigung und den Spitzenverbän- den der Krankenkassen die Emp- fehlung gegeben, Überlegungen darüber anzustellen, wie verhin- dert werden kann, daß neu hinzu- kommende Kassenärzte sich dort niederlassen, wo die kassenärztli- che Versorgung schon überpro- portional gut gewährleistet ist.
Wenn entsprechende Vorstellun- gen entwickelt worden sind, wird der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen prüfen, inwie- weit die vorgeschlagene Erweite- rung des Instrumentariums in die Regelungskompetenz des- Bun- desausschusses selbst fällt oder ob die vorgeschlagenen Änderun- gen in die Reichsversicherungs- ordnung (Bundesgesetz) bzw. in die Zulassungsordung (Rechtsver- ordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates) aufgenommen werden müßten.
Der Bundesausschuß ist der Mei- nung, daß sich die Probleme der ungleichmäßigen Verteilung von Kassenärzten, insbesondere der zu erwartenden überhöhten Zahl von Ärzten, die in der kassenärztli- chen Versorgung tätig werden wollen, nicht allein im Rahmen der Bedarfsplanung regeln lassen. In der Empfehlung wird daher aus- drücklich festgestellt, daß die Ur- sache der Problematik im System der ärztlichen Aus- und Weiterbil- dung liegt und damit der Gesetz- geber aufgerufen ist, die Regelun- gen des Zugangs zum Medizinstu- dium sowie Struktur und Organi- sation des Medizinstudiums im Hinblick auf den Praxisbezug zu überprüfen. Hanns Wirzbach
Richterspruch:
Zwitter-Stellung der Heilpraktiker
Die Heilpraktiker zählen nicht zu den Angehörigen der Freien Beru- fe im engeren und im klassischen Sinne. Der Beruf eines Heilprakti- kers ist auch nicht im Sinne der Gewerbeordnung und anderer Rechtsvorschriften als Gewerbe einzuordnn, weil seine Tätigkeit nicht in der Erbringung materieller Leistungen besteht, die vom „Ge- winnstreben geformt wird", wie es die einschlägige Rechtsprechung und Legaldefinition bei gewerbli- cher Berufsausübung als maßgeb- lich unterstellt.
Die Heilpraktiker erbringen viel- mehr eine „ideelle und persönli- che Dienstleistung in selbständi- ger Existenz bei einer Arbeit in ei- ner wirtschaftlichen Einheit".
Der Beruf der Heilpraktiker ist demnach legaldefinitorisch zwi- schen den Freien Berufen und den Gewerbetreibenden angesiedelt;
er nimmt mithin eine Zwischen- beziehungsweise Zwitterstellung im Gesamt der dienstleistungs- bringenden Berufe ein.
Mit dieser rechtlichen Standortbe- stimmung und Abgrenzung zwi- schen Heilpraktikern und Freien Berufen begründet die 9. Zivilkam- mer des Landgerichts Bonn die am 25. Juli 1983 verkündete Ent- scheidung, wonach der Bundes- verband der Freien Berufe e. V.
(BFB), Bonn-Bad Godesberg, nicht verpflichtet ist, die Deutsche Heilpraktiker e. V., Düsseldorf- Nord, als ordentliches (korporati- ves) Mitglied neben anderen Bun- desverbänden und Organisatio- nen der Freien Berufen (u. a. der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker) aufzunehmen (vgl. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 32/1983, Nach- richtenteil).
Der Urteilstenor und die jetzt vor- liegende 20seitige Begründung des abgewiesenen Antrags der Heilpraktiker folgt weitgehend der Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 36 vom 9. September 1983 25