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ie Zahl der Herzklappenopera- tionen ist von 7 437 im Jahr 1990 auf mehr als 15 000 im Jahr 2000 gestiegen, und 2004 wurden bereits 18 552 Patienten operiert. Der Anstieg der OP-Zahlen bis zur Jahrtausend- wende war hauptsächlich durch eine verbesserte Versorgung mit herzchirur- gischen Zentren in Deutschland und ei- ner intensiveren, kardiologischen Dia- gnostik bedingt. Die weitere Zunahme in den letzten Jahren ist in erster Linie auf das steigende Alter der Patienten und die dadurch bedingte Häufung besonders von degenerativen Klappen- fehlern, vor allem bei Aortenklappen- erkrankungen, zurückzuführen. Dar- über hinaus haben sich die Ergebnisse durch Weiterentwicklungen auf allen Gebieten der Herzchirurgie verbessert und ein sehr hohes qualitatives Niveau erreicht. Dies trifft sowohl zu für den günstigen perioperativen Verlauf – trotz deutlicher Erhöhung des Risikoprofils der Patienten – als auch für eine sehr geringe Zahl an Protheseninfektionen, paravalvulären Lecks und neurolo- gischen Komplikationen. Auch der Anteil der Rekonstruktionen bei der isolierten Mitralklappenchirurgie ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen: von 20,8 Prozent im Jahr 1994 auf 52,7 Prozent im Jahr 2004. Da- mit liegt der Prozentsatz an rekonstru- ierten Mitralklappen, bezogen auf die Gesamtzahl der Mitralklappen-Opera- tionen, über dem US-amerikanischen Durchschnitt.Aufgrund dieses hohen Qualitäts- standards der Herzchirurgie bei Klap- penvitien gehen weitere Forschungen dahin, Klappen zu konstruieren, die ei- ne dauerhafte Haltbarkeit und gute Hä- modynamik aufweisen, keine Antikoa- gulation benötigen, und keine Begleit-
erscheinungen, wie beispielsweise Ge- räuschentwicklung, verursachen.
Die Techniken der Klappenrekon- struktion wurden weiterentwickelt. Bei Trikuspidalinsuffizienz ist bereits heute eine Rekonstruktion in den meisten Fällen möglich. Darüber hinaus erfolgen immer häufiger Mitralrekonstruktionen mit sehr guter Langzeitprognose. Sogar eine Rekonstruktion von insuffizienten Aortenklappen ist unter bestimmten Umständen möglich. Ferner hat sich die Haltbarkeit von biologischen Herz- klappen und die Antikoagulation durch Entwicklung von oralen Thrombin- inhibitoren, die Marcumar ersetzen können, verbessert. Die Implantation von Homografts und die Autograft- Implantation (Ross-Operationen) stellen alternative Methoden dar.
Eindrucksvolle Entwicklung
Der in diesem Heft veröffentlichte Ar- tikel von Prof. Hans Sievers und den Mitarbeitern des Deutschen Ross-Re- gisters belegt eindrucksvoll die Ent- wicklung auf dem Gebiet der Auto- graft-Implantation während der letzten Jahre. Bereits vor 25 Jahren hat Donald Ross diesen Eingriff erstmals vorge- nommen. Aufgrund der Komplexität des Eingriffs und der Tatsache, dass ei- ne univalvuläre Erkrankung durch ei- nen bivalvulären Herzklappenersatz behandelt wird, wurde sie erst durch die beschriebenen Weiterentwicklun- gen der Herzchirurgie öfters durchge- führt. Besonders in der Kinderherz- chirurgie ist der Eingriff oft vorteilhaft, weil das Autograft ein deutliches Wachstumspotenzial birgt.
Die Indikationen, Kontraindikatio- nen sowie Vor- und Nachteile der Ross- Operation stellen Sievers et al. objektiv und klar verständlich dar. Die einge- schlossenen Patienten (n = 734) haben
eine sehr niedrige perioperative Sterb- lichkeit (0,9 Prozent) und einen zufrie- den stellenden mittelfristigen Verlauf bei 605 Patienten: 14 Patienten starben während dieser Nachbeobachtungszeit, und mit der Ross-Operation verbunde- ne erneute Interventionen waren bei 25 Patienten notwendig. Damit ist die Ross-Operation bei strenger Indikati- onsstellung und unter Abwägung der Vor- und Nachteile eine alternative Me- thode zum Herzklappenersatz, bei der die weiteren Langzeitergebnisse über den künftigen Stellenwert dieser Ope- ration entscheiden werden.
Sämtliche beschriebenen Metho- den zum Klappenersatz können heute mit sehr guten kurz-, mittel- und lang- fristigen Ergebnissen durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund sind mehrere Entwicklungen zur Minimie- rung der Zugangswege kritisch zu se- hen, wie beispielsweise der perkutane Klappenersatz.
Patienten mit Herzklappenfehlern sollten heute rekonstruierenden oder ersetzenden Maßnahmen zugeführt werden, so lange noch keine Sekundär- schäden vorliegen. Aufgrund der stei- genden Lebenserwartung und der ver- besserten operativen Ergebnisse kön- nen sich auch ältere Patienten, bei- spielsweise mit Aortenstenose, einer Klappenersatzoperation mit guter Er- folgsaussicht unterziehen.
Manuskript eingereicht: 28. 2. 2005, revidierte Fassung angenommen: 3. 3. 2005
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2089 [Heft 30]
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Friedhelm Beyersdorf Abteilung Herz- und Gefäßchirurgie Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg E-Mail: beyers@ch11.ukl.uni-freiburg.de M E D I Z I N
Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 3029. Juli 2005 AA2089
Zunehmende Zahl der
Herzklappenoperationen
Friedhelm Beyersdorf
Editorial
Abteilung Herz- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr.
med. Friedhelm Beyersdorf), Universität Freiburg