Medizinethik
Keine
Patentrezepte
Günther Ritzel (Hrsg.): Bei- hilfe zum Suizid. Ein Weg im Streit um Sterbehilfe? S. Roderer Verlag, Regensburg, 1998, 108 Seiten, kartoniert, 38 DM
Der Herausgeber, ärztli- cher Direktor des Nieder- sächsischen Landeskranken- hauses in Hildesheim, hat 13 Vorträge zusammengefaßt, die Ärzte, Philosophen und Juristen im Verlauf eines in- terdisziplinären Symposiums im April 1997 hielten (dazu DÄ, Heft 18/1997). Als Leitli- nie war vorgegeben, daß es in Deutschland „eine Akzep- tanz oder Freigabe von ak- tiver Suizidbeihilfe nicht ge- ben darf“. Wie aber soll in
„bedrückenden Einzelfällen“
vorgegangen werden, wenn der „assistierte Suizid“ abge- lehnt wird? Dazu wurden auf diesem Symposium Meinun- gen zusammengetragen.
K. H. Wehkamp kam auf- grund einer repräsentativen Fragebogenaktion zu dem Er- gebnis, daß von 184 klinisch tätigen Ärzten in Deutsch- land sechs Prozent angaben, Fälle erlebt zu haben, bei de- nen „aktive Sterbehilfe prak- tiziert“ wurde, bei den nieder- gelassenen Ärzten (282 nah- men an der Fragebogenaktion teil) waren es elf Prozent.
0,8 Prozent der Kliniker und 7,8 Prozent der Niedergelas- senen berichteten von Fällen,
„wo sie selbst einem Tötungs- wunsch seitens eines Patien- ten entsprochen hätten“.
In den Niederlanden sind nach A. Simon für 1995 rund 3 200 Fälle von „Tötung auf Verlangen“ durch Ärzte, 400 Fälle mit Beihilfe zum Suizid und 900 Fälle einer „Tötung ohne ausdrückliches Verlan- gen“(!) gemeldet worden, bei einer Gesamtzahl von 135 700 Todesfällen. Aus einer Über- sicht von G. K. Kimsma und E. van Leeuwen aus Amster- dam ergibt sich, daß die De- batte zu diesen Themen in den Niederlanden in aller Öf- fentlichkeit geführt wird und
dieses Land auch in Zukunft eine Art „Experimentierfeld“
bei der Lösung von Euthana- siefragen sein wird.
Diesen „liberalen“ Auffas- sungen, mit der Gefahr eines
„Dammbruches“ auf dem Ge- biet der Euthanasie, stellte E.
Beleites die damals im Ent- wurf vorliegenden „Grundsät- ze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung“ gegenüber, die inzwischen beschlossen und veröffentlicht wurden.
Abschließend bleibt festzu- halten, daß das Bedürfnis nach weiterer Diskussion auch auf diesem Symposium sehr deutlich artikuliert wurde, daß es aber keine „Patentrezepte“
zur Lösung im Einzelfall gibt.
Es sei denn, man würde sich nur auf die juristische Ent- scheidungsebene zurückzie- hen, wie sie zuletzt vom Ober- landesgericht Frankfurt/Main signalisiert wurde.
Hans-Joachim Wagner, Homburg/Saar
Gedankensammlung
Reizvoll
Karl Seidel: Akupunktur mit spitzer Feder. Aphorismen und Epigramme, Verlag Thomas P.
Kiper, Bielefeld, 1998, 102 Seiten, broschiert, 20 DM
Der Autor, Arzt in Biele- feld, legt ein bemerkenswertes Bändchen vor. Es ist Sinn ei- nes „Aphorismus“, ein Denk- anstoß zu sein, der nachzuvoll- ziehende Konsequenzen pro- voziert. Ein Epigramm unter- scheidet sich davon weitge- hend nur durch die Form. Die- sen Prämissen folgt Karl Sei- del in ausgezeichneter Weise.
Seine Gedankensammlung ist ein kleines Brevier mit über- greifendem Anspruch. Die Aspekte seiner Aphorismen sind thematisch geordnet und so nach Wunsch zu verfolgen.
Besonders reizvoll sind durch- aus kritische Gedankensplit- ter zu seinem eigenen Berufs- stand. Auch den allgemeinbe- zogenen Epigrammen kann man sich kaum entziehen.
Rudolf Clade, Bad Neuenahr A-2666 (14) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 43, 23. Oktober 1998
S P E K T R U M BÜCHER