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Archiv "SPD: „Eine Reform, die ihren Namen verdient“" (29.11.1990)

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SPD: „Eine Reform,

die ihren Namen verdient"

Der Titel klingt forsch und zu- packend. „Fortschritt '90: Offensive für ein modernes Deutschland", ha- ben die Sozialdemokraten ihr Regie- rungsprogramm überschrieben. Ge- rade so, wie Wahlkampf-Strategen politische Inhalte eben „auf den Punkt" zu bringen pflegen. Tatsäch- lich sind es aber 100 Punkte, von de- ren Überzeugungskraft sich die SPD um Oskar Lafontaine die Wachablö- sung in Bonn verspricht. Ganze vier davon widmen sich der Gesundheits- politik. Im Mittelpunkt: eine Ge- sundheitsreform, die (Originalton SPD) „ihren Namen verdient, die fehlerhafte Strukturen überwindet, statt bei Patienten abkassiert".

Daß das frontal gegen die Blüm- sche Reform geht, versteht sich von selbst. Der unmittelbar darauffol- gende Satz könnte dann aber wieder vom amtierenden Bundesarbeitsmi- nister selbst stammen: „Dazu müs- sen alle ihren Beitrag leisten, von der Pharma-Industrie bis zu den Zahn- ärzten." Fortschritt '90 zeigt in Stich- worten die (sozialdemokratische) Richtung auf:

• freie Wahl der Krankenkasse für alle, mehr Rechte für die Kran- kenversicherung;

• Neuordnung und Bereini- gung des Arzneimittelmarktes durch ein unabhängiges Arzneimittelinsti- tut und

• die Zusammenstellung einer Liste verordnungsfähiger Präparate (Positivliste).

Viel mehr geht aus dem Regie- rungsprogramm in Sachen Reform der Reform zwar nicht hervor, doch alles ist dies beileibe nicht. Ins Detail gehen die Sozialdemokraten nämlich mit einem Papier, das sie bereits im März 1988 vorgelegt haben: mit den

„Eckdaten eines sozialdemokrati- schen Konzepts zur Strukturreform im Gesundheitswesen". Und da heißt es gleich zu Beginn: „Spitzenein- künfte bei Zahnärzten und Arzten sowie Rekordbelastungen für die Beitragszahler sind die zum Teil wi- dersprüchlichen Inhalte einer aktu-

ellen Zustandsbeschreibung." Die Sozialdemokraten attestieren dem

„eher zufällig als geplant gewachse- nen Gesundheitswesen" einseitige Machtverhältnisse und Interessen- verfilzungen. Das System sei auf dem Wege, sich selbst zu korrumpieren, ein gesundheitspolitischer Neuan- fang daher notwendig.

Ein Orientierungsrahmen, der zunächst die Ziele bestimmt und dann die finanziellen Mittel prüft, hat für die SPD dabei oberste Priori- tät. Es geht um die Steuerbarkeit des Gesundheitswesens: am besten über eine Regionalisierung der Gesund- heitsversorgung.

Zitat aus den Eckdaten: „Zu diesem Zweck werden auf regionaler Ebene gesundheitliche Versorgungs- bereiche gebildet, in denen Kran- kenkassen, Leistungserbringer und Gebietskörperschaften (regionale Gesundheitskonferenzen) drittelbe- teiligt zusammenarbeiten. Die Fest- legung der Größe dieser Versor- gungsbereiche soll den Ländern ob- liegen. Die regionale Gesundheits- konferenz transportiert den Orien- tierungsrahmen auf die regionale Ebene, detailliert ihn, fügt regionale Besonderheiten ein und begründet Abweichungen von den bundeswei- ten Empfehlungen. Sie legt die in der Region zu erfüllenden gesund- heitspolitischen Aufgaben bei Prä- vention, Rehabilitation und Versor- gung sowie den regionalen Finanz- rahmen fest."

Der Sicherstellungsauftrag geht bei dieser Konstellation auf die re- gionalen Gesundheitskonferenzen über und mündet in einen verbindli- chen Gesundheitsplan, der das bis- herige Verhältnis zwischen Kassen, Krankenhäusern und niedergelasse- nen Arzten völlig umkrempelt. So- wohl für den stationären als auch für den amublanten Sektor will die SPD ein „Einkaufsmodell". Das heißt:

Die Krankenkassen schließen Ver- träge nur mit den niedergelassenen Ärzten, die sie brauchen, und „si- chern sich" in der stationären Ver-

sorgung nur jenen Bettenanteil, den

„der Plan vorschreibt".

Auch die vorgesehenen Vergü- tungsformen passen da ins Bild: für niedergelassene Arzte bedeutet das den endgültigen Abschied vom Ein- zelleistungshonorar und statt dessen Leistungskomplexe und diagnoseab- hängige Fallpauschalen, für die Krankenhäuser „gestufte Pflegesät- ze", die mit längerer Verweildauer niedriger werden, oder — alternativ dazu — ebenfalls diagnoseabhängige Fallpauschalen.

Die Krankenhäuser sollen in Zukunft nur noch über den Pflege- satz finanziert werden. Rund vier Milliarden Mark würde das die Krankenkassen pro Jahr zusätzlich kosten, doch die notwendigen Mittel seien über einen Bettenabbau wie- der hereinzubringen.

Während die Sozialdemokraten bis dahin die Verwirklichung ihrer Vorstellungen für durchsetzungsfä- hig halten, üben sie sich in bezug auf die Reform des Krankenversiche- rungswesens in Selbstbeschränkung.

Ideal wäre sie schon, die nur regional gegliederte Einheitsversicherung, glauben die SPD-Gesundheitsexper- ten. Aber: „Für sie gibt es weder bei den Bürgerinnen und Bürgern selbst, aber auch innerhalb von SPD und Gewerkschaften, keine Mehrheit."

Was bleibt, ist der Umbau des bestehenden Systems: Wenn schon keine Einheitsversicherung, dann aber doch einheitliche Bedingungen für alle Kassen, bundesweiter Fi- nanzausgleich innerhalb der Kassen- arten und absolute Wahlfreiheit der Versicherten.

„Fortschritt '90" enthält schließ- lich — neben der bekannten Position der Sozialdemokraten zum Schwan- gerschaftsabbruch — noch die beiden Stichworte Pflege und Polikliniken.

Letzteres behandelt die SPD in ei- nem einzigen Satz: „Im östlichen Teil Deutschlands sind die Ambu- lanzen und Polikliniken zu erhal- ten." Zur besseren Absicherung des Pflegerisikos setzen sich die Sozial- demokraten für einen eigenständi- gen neuen Sozialversicherungszweig ein, der abgestufte Leistungen (je nach dem Grad der Pflegebedürftig- keit) von 300 bis 600 Mark monatlich gewährt. JM A-3822 (34) Dt. Ärztebl. 87, Heft 48, 29. November 1990

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