QUALITÄTSBEURTEILUNG VON ROHMILCH:
DAS RISIKO EINER MEHRFACHÜBERTRETUNG DER ZELLZAHLLIMITE IST MEHR ALS BLOSSER ZUFALL
G. Bühlmann
Agroscope Liebefeld-Posieux, Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere und Milchwirtschaft (ALP), CH-3003 Bern georges.buehlmann@alp.admin.ch, www.alp.admin.ch
EINLEITUNG
Eine Rohmilchprobe mit mehr als 350'000 Somatischen Zellen pro Milliliter (SCC/ml) gilt in der Schweiz als beanstandet. Bei jeder
Beanstandung wird geprüft, wie oft der jeweilige Milcherzeuger während den letzten fünf Monaten der Toleranzlimite überschritten hat. Dies dient privatrechtlich als Kriterium für eventuelle Preisabzüge und, im Fall von fünf Beanstandungen in Serie, für das Verhängen der Milchliefersperre.
MEHRFACHÜBERTRETUNGEN BEOBACHTET UND ERWARTET
Die nach dem Prinzip „gleiches Risiko für alle“ berechneten Erwartungswerte für Einfach- und Mehrfach- Beanstandungen unterscheiden sich deutlich von den tatsächlich vorgefundenen Zahlen. Beanstandungen sind also nicht zufällige Ereignisse. Die relativ geringe Zahl von Einfach- und die hohe Zahl der Mehrfach- Beanstandungen sind ein Hinweis auf ursächliche Verknüpfung mit Lieferanten abhängigen Faktoren.
Im Jahr 2001 wurden in der Schweiz 13’015 statt der erwarteten 16’134 Lieferanten mit einer einzigen Beanstandung nach einer beanstandungsfreien Vorgeschichte von mindestens fünf Untersuchungen gezählt, das sind nur 81
% des erwarteten Werts. Dafür gab es 65 % Lieferanten mehr als erwartet mit zwei und mehr Beanstandungen, nämlich 7’873 statt 4’753.
Die Qualitätsstatistiken der Jahre 1997 bis 2004 zeigen ähnliche Verhältnisse.
Die Beanstandungsquoten sind jeweils auch abhängig von Jahreszeit und geografischer Region. Erhöhte Zellzahl wird vor allem im Spätsommer registriert. Beanstandungen sind im Allgemeinen seltener im Mittelland und häufiger in gewissen eher abgelegenen Regionen. Werden diese
veränderlichen Faktoren in die Berechnung der erwarteten Häufigkeiten einbezogen, so ergeben sich einige Modifikationen.
FOLGERUNGEN
Das Risiko einer Beanstandung ist dynamisch und enthält mindestens drei signifikante Komponenten:
a) die Jahreszeit,
b) die Region und vor allem
c) die mittelfristige Geschichte der Probenqualität des jeweiligen Betriebs.
Während bei a) und b) Verbesserungsmöglichkeiten genereller Art möglich sind (allgemeine Hygiene, Betriebsweise, Haltung und Pflege der Tiere, Logistik), muss bezüglich c) bei gefährdeten Betrieben gezielt nach Schwachpunkten gesucht werden.
Die Qualitätskontrolle der Verkehrsmilch unter Berücksichtigung der Vorgeschichte bewährt sich als Instrument zur objektiven Beurteilung und zum Erkennen von ungünstigen Situationen, die abgestufte Gewichtung ist selektiv, Aussage kräftig und wirksam.
WAHRSCHEINLICHKEIT DER BEANSTANDUNGEN beobachtet (rot) and erwartet (blau)
JAHRE
BEANSTANDUNG EINFACH Pbeobachtet = 0.03121 Perwartet = 0.03849
ALP 2006
0.0000 0.0125 0.0250 0.0375 0.0500
P
BEANSTANDUNG DOPPELT Pbeobachtet = 0.01277 Perwartet = 0.01001
ALP 2006
0.000 0.005 0.010 0.015
P
BEANSTANDUNG DREIFACH Pbeobachtet = 0.00438 Perwartet = 0.00105
ALP 2006
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 JAHR
0.000 0.001 0.002 0.003 0.004 0.005
P
MONATE
BEANSTANDUNG EINFACH Pbeobachtet = 0.03121 Perwartet = 0.03849
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06
P
BEANSTANDUNG DOPPELT Pbeobachtet = 0.01277 Perwartet = 0.01001
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03
P
BEANSTANDUNG DREIFACH Pbeobachtet = 0.00438 Perwartet = 0.00105
ALP 2006
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
MONAT 0.000
0.001 0.002 0.003 0.004 0.005 0.006 0.007 0.008
P
REGIONEN
EINFACH
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06
P
DOPPELT
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03
P
DREIFACH
ALP 2006
IR BESGA ZSNOS
FR+NE SO TGNWS AG VS VD+GE TI REGION
0.000 0.002 0.004 0.006 0.008 0.010 0.012
P
PERIODIZITÄT
EINFACH
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06
P
DOPPELT
ALP 2006
0.00 0.01 0.02 0.03
P
DREIFACH
ALP 2006
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 ZEIT
0.000 0.001 0.002 0.003 0.004 0.005 0.006 0.007 0.008 0.009 0.010
P
65. JAHRESVERSAMMLUNG SMG/SSM - Lausanne 2006