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Archiv "Aufklärung genetischer Faktoren bei Volkskrankheiten" (10.05.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 19

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17. Mai 2013 329

M E D I Z I N

EDITORIAL

Aufklärung genetischer Faktoren bei Volkskrankheiten

Große Bedeutung für das Ursachenverständnis, Enttäuschung bei der Prädiktion Markus M. Nöthen, Peter Propping

Editorial zu den Beiträgen:

„Typ-2-Diabetes:

Prävalenz und Relevanz angeborener und

erworbener Faktoren für die Prädiktion“ von

Rathmann et al.

und

„Molekular - genetische Aspekte der Körpergewichts -

regulation“ von Hebebrand et al.

auf den folgenden Seiten

beziehungsweise des Odds Ratio. Dieser Zusammen- hang ist aber aus verschiedenen Gründen meist nur schwach. So kann auch ein Assoziationsbefund mit einem kleinen relativen Risiko auf ein für das Krank- heitsgeschehen wichtiges Gen hinweisen. Daher werden in internationalen Konsortien immer größere Zahlen von Patienten untersucht, bei vielen Krank- heiten liegen die Patientenzahlen mittlerweile im fünfstelligen Bereich. Die genomweiten Assoziati- onsuntersuchungen stellen bei diesen Krankheiten in der Regel die größten bisher durchgeführten biologi- schen Untersuchungen dar.

Nutzen für den Patienten

Für die Patienten erweist sich der Wert von Ursa- chenforschung darin, ob aus den Erkenntnissen neue Therapien resultieren. Hier gilt für die genetische Forschung das gleiche wie für andere Forschungsan- sätze in der Medizin: Der Weg von einem Hinweis auf einen entscheidenden biologischen Mechanismus bis zur Entwicklung eines neuen Medikamentes ist steinig und mit hohem finanziellem Aufwand ver- bunden. Dass dieser Weg jedoch gegangen wird, zeigt das Beispiel der altersabhängigen Makuladege- neration, bei der die Aufmerksamkeit auf die Akti- vierung des Komplementsystems gelenkt worden ist, nachdem durch eine genomweite Assoziationsunter- suchung – die erste derartige Untersuchung über- haupt – (4) die Beteiligung des Komplement-H-Gens aufgedeckt worden ist. In präklinischen und ersten klinischen Studien werden jetzt Substanzen zur Be- einflussung der Komplementaktivierung untersucht (5).

Genetische Ursachenforschung kann aber auch bedeuten, dass man Subgruppen von Krankheiten ab- grenzt, bei denen unterschiedliche biologische Me- chanismen im Vordergrund stehen. Die Realisierung der Vision einer personalisierten Medizin steht bei den meisten Volkskrankheiten aber noch ganz am Anfang.

Neben der unzweifelhaften Bedeutung für die Aufklärung der Ursachen wird von der genetischen Forschung auch eine Verbesserung der Krankheits- prädiktion erwartet. Hier hat die genetische For- schung die Erwartungen bisher nicht eingelöst. Die

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ngesichts der familiären Häufung ist jedem Arzt offensichtlich, dass genetische Faktoren, neben anderen Risikofaktoren, bei den Volkskrank- heiten eine wichtige Rolle spielen. Den Stand der ge- netischen Befunde beim Diabetes mellitus Typ 2 und der Adipositas fassen zwei Artikel in dieser Ausgabe des Ärzteblatts zusammen (1, 2). Dabei werden Er- folge, aber auch Enttäuschungen deutlich. Noch vor zehn Jahren waren bei den Volkskrankheiten nur we- nige beitragende Gene bekannt. Was hat seitdem den Durchbruch ermöglicht? Zum einen die systemati- sche Charakterisierung der Unterschiede der DNA- Sequenz zwischen den Menschen. Zum anderen die Entwicklung von Technologien, mit denen man die - se Unterschiede genomweit darstellen kann. Mit Hilfe der „genomweiten Assoziationsuntersuchun- gen“ konnte seit dem Jahr 2005 eine exponenziell ansteigende Zahl von krankheitsassoziierten Stellen im menschlichen Genom identifiziert werden. Diese wurden in einer Vielzahl von Artikeln, zum großen Teil in den führenden internationalen Fachzeitschrif- ten veröffentlicht (3). Was aber bedeuten diese Er- kenntnisse für die Medizin?

Bedeutung für die Medizin

Die zweifellos größte Bedeutung liegt im Hinweis auf biologische Prozesse, die für die Entwicklung ei- ner Krankheit eine zentrale Rolle spielen. Wenn eine genetische Variante mit einer Krankheit assoziiert ist, bedeutet dies, dass diese variable Stelle im Ge- nom biologische Funktionen in einem Ausmaß be- einträchtigt, das nicht vollständig durch andere bio- logische Mechanismen kompensiert werden kann.

Dies trifft naturgemäß auf frühe Schritte in der Ent- wicklung einer Krankheit eher zu als für nachgeord- nete Schritte. Auch wenn der Weg vom Assoziations- befund bis zur Charakterisierung der Funktionsstö- rung zusätzliche Untersuchungen erfordert, weist die Erkennung der frühen Schritte des Krankheitspro- zesses auf die besondere Stellung des genetischen Ansatzes in der Erforschung von Krankheitsursachen hin. Als ein zusätzlicher Hinweis auf eine frühe Be- teiligung am Krankheitsgeschehen dient die Stärke der Assoziation zwischen genetischer Variante und Krankheit, gemessen als Höhe des relativen Risikos

Institut für Humangenetik, Rheinische Friedrich-Wilhelms-

Universität Bonn:

Prof. Dr. med. Nöthen, Prof. Dr. med. Propping

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M E D I Z I N

bislang identifizierten genetischen Faktoren erklären nur einen kleineren Teil der Gesamterblichkeit bei diesen Krankheiten. Warum dies so ist, dazu gibt es in den letzten Jahren eine ständig wachsende Litera- tur. Zum einen bedarf es noch einer sehr viel syste- matischeren Analyse des genetischen Beitrags. Dies betrifft sowohl seltene genetische Varianten als auch Varianten mit sehr kleinen Effekten. Zum anderen hat man bislang nur ansatzweise den Beitrag von Gen-Gen- und Gen-Umwelt-Interaktionen sowie von über die Generationen weitergegebenen epigeneti- schen Veränderungen untersucht.

Ob genetische Information zu einer klinisch rele- vanten Verbesserung der Prädiktion führt, hängt auch davon ab, ob für die Krankheit schon andere Risiko- faktoren bekannt sind. Eine Verbesserung der Prä- diktion wird nur erreicht, wenn die genetischen und nichtgenetischen Risikofaktoren ihre Effekte über zumindest zum Teil unabhängige Mechanismen ver- mitteln. Für Krankheiten, bei denen durch die be- kannten Risikofaktoren schon große Teile der patho- physiologischen Mechanismen erfasst werden kön- nen (beispielsweise beim Herzinfarkt), wird die durch genetische Faktoren zusätzlich gewonnene In- formation eher geringer sein als für Krankheiten, bei denen bisher wenige Risikofaktoren bekannt sind (zum Beispiel bei psychiatrischen Krankheiten). Der erwartete Effekt auf die Prädiktion ist also von Krankheit zu Krankheit verschieden.

Entschlüsselung riesiger Datenmengen Die Menge der erhobenen genetischen Daten wird in den nächsten Jahren weiter stark ansteigen. Während bei den genomweiten Assoziationsuntersuchungen Informationen über etwa eine Million Stellen im menschlichen Genom erhoben wurden (sogenannter SNPs), werden es bei Sequenzierungen des Gesamt- genoms über 3 Milliarden Stellen sein. Die enormen Fortschritte der Sequenzierungstechnologien lassen die Untersuchung des kompletten Genoms an großen Patientenzahlen realistisch werden. Großprojekte wie die Initiative der britischen Regierung zur Se- quenzierung von 100 000 Patienten illustrieren dies eindrucksvoll (6). Das wird für viele Volkskrankhei- ten noch einmal einen wichtigen Schritt in der Auf- klärung des genetischen Beitrags bedeuten. Ange- sichts der riesigen Datenmengen wird die Datenver- arbeitung, zum Beispiel mit bioinformatischen Me- thoden, immer zentraler. Hier erwarten viele aller- dings einen Flaschenhals für die Forschung, aber auch für mögliche Sequenzierungen in der Diagnos- tik. Nur mit bioinformatischer Hilfe wird man aus der Flut genetischer Informationen die medizinisch relevante Information herausfiltern können.

Interessenkonflikt

Prof. Nöthen hat die angemeldeten Patente „Therapeutic use of lysophosphatidic acid (LPA) and lipophilic analogues for alopecia“

(EP 08 80 2632.3, US 2010/0254946 A1) und „Androgenetic alopecia“

(EP 09 73 1128 6, US 2011/0104691 A1). Er erhielt Honorar für Artikel/Buchkapitel in Spektrum der Wissenschaft (Spezial – Gene und

Umwelt 2/13), Human Genetics (4th edition, Springer Verlag) und Dialogues in Clinical Neuroscience (Vol. 12, No. 1). Des Weiteren bekam er Honorar für Gutachtertätigkeit für die Agence National de la Recherche (ANR, Frankreich) und das Rappaport Family Institute for Research in the Medi- cal Sciences – Israel Institute of Technology. Er erhielt Honorar für den Vorsitz des International Advisory Boards des iPSYCH-Consortiums (Lund- beck-Foundation, Dänemark) sowie Förderung von Forschungsprojekten durch EU FP6, EU Marie Curie Action, BMBF NGFNplus, BMBF Netzwerke für Seltene Erkrankungen, DFG und National Institute of Mental Health (USA).

Prof. Propping erhielt Honorar für Gutachtertätigkeit für die Agence Natio- nal de la Recherche (ANR, Frankreich) und die Lundbeck-Foundation (Dä- nemark). Er bezog Honorar für die Mitgliedschaft im Wiss. Beirat der Ro- bert-Bosch-Stiftung für das Institut für Klinische Pharmakologie in Stutt- gart und bekam Förderung für das Projekt „Familiärer Darmkrebs“ durch die Deutsche Krebshilfe.

LITERATUR

1. Rathmann W, Scheidt-Nave C, Roden M, Herder C: Type 2 diabe- tes: prevalence and relevance of genetic and acquired factors for its prediction. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(19): 331–7.

2. Hebebrand J, Hinney A, Knoll N, Volckmar AL, Scherag A: Molecu- largenetic aspects of weight regulation. Dtsch Arztebl Int 2013;

110(19): 338–44.

3. National Human Genome Research Institute: A Catalog of Publi - shed Genome-Wide Association Studies. www.genome.gov/gwa studies. Last accessed on 19 April 2013.

4. Klein RJ, Zeiss C, Chew EY, et al.: Complement factor H polymor- phism in age-related macular degeneration. Science 2005; 308:

385–9.

5. Troutbeck R, Al-Qureshi S, Guymer RH: Therapeutic targeting of the complement system in age-related macular degeneration: a review. Clin Experiment Ophthalmol 2012; 40: 18–26.

6. HM Governement Industrial strategy governement and industry in partnership: Strategy for UK Life Sciences One Year On. www.bis.

gov.uk/assets/biscore/innovation/docs/s/12–1346-strategy-for- uk-life-sciences-one-year-on.pdf. Last accessed on 19 April 2013.

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Markus Nöthen

Direktor des Instituts für Humangenetik der Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25

53105 Bonn

markus.noethen@uni-bonn.de

Englischer Titel:

Identifying genetic factors in common dis eases—more helpful in relation to etiology than prediction.

Zitierweise

Nöthen MM, Propping P: Identifying genetic factors in com- mon diseases—more helpful in relation to etiology than prediction.

Dtsch Arztebl Int 2013; 110(19): 329–30.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0329

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The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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