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Archiv "Genetische Faktoren beim Brustkrebs" (26.03.1993)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Genetische Faktoren beim Brustkrebs

Jenny Chang-Claude°, Nancy Eby°,

Jürgen Wahrendorf° und Gunther Bastert°

rustkrebs ist die in west- lichen Ländern häufig- ste Krebsform bei der Frau. Hinweise darauf, daß dabei genetische Faktoren eine Rolle spielen können, liegen seit langem vor und können heute als gesichert gelten (10, 12).

Brustkrebsfälle mit vorwiegend oder ausschließlich genetischer Ursache zeichnen sich dadurch aus, daß die Krankheit insbesondere im frühen Lebensalter auftritt, und daß häufig beide Brüste befallen sind. Für eine nicht an Brustkrebs erkrankte Frau ist das Erkrankungsrisiko gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt gleich alter Frauen etwa auf das Doppelte erhöht, wenn die Mutter oder eine Schwester erkrankt ist.

Wenn aber beide — Mutter und Schwester — erkrankt sind, so erhöht sich das Erkrankungsrisiko auf das Fünf- bis Zehnfache (2, 3, 16). Je niedriger das Erkrankungsalter der Probandin ist, desto höher ist das Brustkrebs-Risiko für die nahen Verwandten (5, 9). Dieses Risiko speziell für die Schwestern der Pro- bandinnen ist am höchsten, wenn bei diesen beide Brüste von Krebs be- troffen waren (3, 18).

Ein erhöhtes Risiko für Ver- wandte von Brustkrebsfällen allein braucht nicht unbedingt für geneti- sche Faktoren zu sprechen; denn in der familiären Umwelt wirkende, nicht genetische Faktoren sind nicht auszuschließen. Hier bietet ein deut- lich höheres Erkrankungsrisiko für Brustkrebs bei der Zwillingsschwe- ster eines erkrankten Zwillings so- wohl bei eineiigen als bei zweieiigen Zwillingen einen wichtigen zusätzli- chen Hinweis (8). Die erhöhte Kon- kordanz bei eineiigen Zwillingen war jedoch nicht statistisch signifikant.

Das formale Muster eines Mendel-

schen Erbganges spricht sehr für den überwiegenden oder ausschließli- chen Einfluß eines mutierten Gens;

so konnte ein autosomal-dominanter Erbgang in sogenannten „Krebsfami- lien" nachgewiesen werden. Auch dort ist ein frühes Erkrankungsalter charakteristisch (12). Ein autosomal- rezessiver Erbgang wurde unter an- derem bei Krebsformen beobachtet, die auf einen DNA-Reparaturdefekt zurückzuführen sind, wie etwa dem Xeroderma pigmentosum. In den meisten Familien — auch beim Brust- krebs — ergibt sich jedoch ein so ein- deutiges Vererbungsmuster nicht.

Hier können — mit Kritik angewandt

— mathematisch-statistische Metho- den der sogenannten „Segregations- analyse" Hinweise darauf geben, ob etwa die Mutation eines sogenann- ten „Hauptgens" in bestimmten Fa- milien für das Auftreten der Krank- heit verantwortlich ist. Dabei ver- gleicht man den Anteil an Erkrank- ten in den Familien mit den Voraus- sagen aufgrund bestimmter gene- tischer Hypothesen (etwa autoso- mal-dominanter Erbgang mit ver- minderter Penetranz; autosomal-re- zessiver Erbgang; Wirkung eines do- minanten Hauptgens in bestimmten Familien; polygene Vererbung in.

Kombination mit einem Schwellen- wert; usw.).

Sprechen die Daten in einem Teil der Familien — etwa in solchen, die über Probandinnen mit frühem Krankheitsausbruch und doppelseiti- gem Befall erfaßt wurden — eindeutig für einen einfachen Mendelschen Erbgang, so sind wir zwar einigerma- ßen sicher, daß jeweils die Mutation eines Genes die Krankheit verur- sacht hat. Wir wissen jedoch noch nicht, wo dieses Gen im menschli- chen Genom lokalisiert ist, und vor

()Abteilung Epidemiologie (Direktor:

Prof. Dr. med. Jürgen Wahrendorf), Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg;

nFrauenklinik (Geschäftsführender Direktor:

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Gunther Basten) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

allem, welche Funktion das Normal- Allel im Organismus hat, und warum der Verlust oder die Veränderung dieser Funktion zum Brustkrebs führt. Ja, wir wissen nicht einmal, ob in allen betroffenen Familien das gleiche Gen durch die Mutation be- troffen ist.

Der erste Schritt bei der Beant- wortung dieser Fragen ist die Lokali- sation des Gens (oder der Gene) auf einem der menschlichen Chromoso- men. Dazu führt man eine sogenann- te „Kopplungsanalyse" durch, das heißt, man bestimmt in den betref- fenden Familien eine große Anzahl von genetischen „Polymorphismen", also von Genen für Merkmale mit einfachem Erbgang, deren Lokalisa- tion man genau kennt. Eine gemein- same Vererbung von Brustkrebs mit Allelen eines derartigen Polymor- phismus weist auf Lokalisation des Brustkrebs-Gens in der Nähe dieses Polymorphismus-Gens hin. Hier ha- ben sich in den letzten Jahren die Polymorphismen in der DNA-Struk- tur, die man mit neuen molekularge- netischen Methoden untersuchen kann, als besonders nützlich erwie- sen.

Die Ergebnisse mehrerer Segre- gationsanalysen sprechen für einen autosomal-dominanten Erbgang ei- nes oder mehrerer seltener Gene in einer kleinen Anzahl von Familien.

(1, 4). Die ererbte Prädisposition er- klärt nur einen kleinen Anteil aller Brustkrebsfälle, nämlich solche mit frühem Erkrankungsalter, oft dop- pelseitigem Auftreten, und starker familiärer Häufung. Alle anderen Brustkrebserkrankungen treten spo- radisch auf.

Bei der Kopplungsanalyse ver- gleicht man die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der untersuchte Stamm- baum beobachtet wird, wenn das be- treffende Tumor-Gen mit dem un- tersuchten polymorphen Marker- Gen eng gekoppelt ist, mit der Wahr- scheinlichkeit, daß er auftreten wür- de, wenn Tumor-Gen und Marker- Gen unabhängig voneinander segre- gieren würden („Likelihood ratio").

Da die Ergebnisse der untersuchten Stammbäume alle zu einer Gesamt- Aussage kombiniert werden müssen, ist es praktisch, nicht das Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten selbst, A1-880 (56) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

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sondern ihren Logarithmus zu be- trachten. Die Logarithmen für die einzelnen Familien können nämlich einfach addiert werden. Das ist der LOD score ( = logarithm of the odds) (14). Je größer der LOD score, desto stärker sprechen die Beobach- tungen für eine Kopplung. Allge- mein gilt ein LOD score von 3.0, ent- sprechend einem Verhältnis von 1000 zu 1, als starker Hinweis auf ei- ne Kopplung, hingegen ein LOD score von — 2.0 als Hinweis gegen ei- ne Kopplung.

Bei Familien mit gehäuftem Vorkommen an Brustkrebs haben jetzt Kopplungsanalysen mit DNA- Polymorphismen auf dem Chromo- som 17q Hinweise für das Vorhan- densein eines brustkrebsdisponie- renden Gens ergeben. Zunächst konnten Hall et al. (6) die enge Kopplung der DNA-Sonde CMM86 (D17S74) auf 17q12-q21 mit Mam- makarzinom für 23 Familien mit ins- gesamt 146 Brustkrebsfällen feststel- len (LOD score = 3.28 bei

= 0.001). Dabei war die Kopplung für sieben Familien mit Brust- und Ovarialkarzinomfällen, deren Durchschnittsalter bei der Diagnose unter 45 Jahren war, stärker (LOD score = 5.98 bei 6 = 0.001). Dieser Befund wurde bei drei von fünf Brust- und Ovarialkarzinom-Fami- lien, die von Henry Lynch gesammelt wurden, bestätigt (13). Inzwischen wird die Lokalisation des Gens (BRCA1) proximal, das heißt etwas näher zum Centromer hin gelegen angenommen zu dem ursprünglich vermuteten Chromosomenbereich (7).

Verschiedene Arbeitsgruppen aus den USA und sieben europäi- schen Ländern, die sich im Breast Cancer Linkage Consortium zusam- mengeschlossen haben, haben die Daten der von ihnen untersuchten 194 Brustkrebs-Familien (darunter 57 Familien mit sowohl Brust- als auch Ovarialkarzinomen) gemein- sam ausgewertet, um aussagekräfti- gere Ergebnisse zu gewährleisten (11). Die intensive Zusammenarbeit führte zu der Eingrenzung des BRCA1-Gens auf einem etwa 10 bis 16 cM (centi-Morgan; 1 cM =1 Milli- on Basenpaaren) Genabschnitt auf dem Chromosom 17q. In dieser

Chromosomenregion liegen unter anderem das Gen für einen epider- malen Wachstumfaktorenrezeptor, HERZ, das Gen für Ostradio1-17(3 Dehydrogenase, ein Enzym für die Umwandlung von Ostrone in Ostra- diol, und das Prohibitin-Gen, ein Deregulator von Zellproliferation, vor (15, 17).

Das BRCA1-Gen erklärt jedoch, erst 60 Prozent der untersuchten Fa- milien mit gehäuftem Vorkommen an Brustkrebs (T. Bishop, persönli- che Mitteilung). In den Familien, die nicht mit Chromosom 17q gekoppelt waren, kamen häufiger ältere Brust- krebsfälle (über 55 Jahre bei der Diagnose) vor. Daher liegt die Ver- mutung nahe, daß es für ältere Brustkrebsfälle weitere brustkrebs- disponierende Gene gibt.

Forschungsprojekt am Deutschen

Krebsforschungszentrum

Die obengenannten Daten las- sen erkennen, daß die familiäre Häufung von Brustkrebs bei Ver- wandten ersten Grades einen der stärksten Risikofaktoren für Brust- krebs darstellt. Dennoch wird, wie zuvor am Anfang gesagt, nur ein kleiner Anteil aller Brustkrebser- krankungen durch eine Familienvor- geschichte erklärt, was die Mitver- antwortung nichtgenetisch bedingter Faktoren bei der Brustkrebsentste- hung unterstreicht. Die Rolle der ge- netischen Suszeptibilität für Brust- krebs kann erst mit der Identifizie- rung der beteiligten Gene vollkom- men verstanden werden.

Daher wurde in der Abteilung für Epidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidel- berg ein Forschungsvorhaben zu ge- netischen Faktoren in der Entwick- lung von Brustkrebs etabliert, das aus zwei Teilen besteht: eine Brust- krebs-Familienstudie mit Schwerge- wicht auf Risikofamilien gemäß der oben gegebenen Definition und eine bevölkerungsbezogene Brustkrebs- studie.

Die Brustkrebs-Familienstudie sieht vor, Familien mit einer Häu- fung an Brustkrebs für die Kopp- lungsuntersuchung zu identifizieren

und zur Mitarbeit zu gewinnen mit der Zielsetzung, die entsprechenden Gene zu lokalisieren und zu identifi- zieren. Seitens der Frauenklinik der Universität Heidelberg wurde dazu an die Mitglieder des Berufsverban- des der Frauenärzte geschrieben, und um Meldung von prämenopau- salen Brustkrebspatientinnen mit au- ßergewöhnlicher Familienanamnese zu bitten. Obwohl einige Familien schon in der Bearbeitung sind, wer- den weitere Meldungen benötigt, da viele Familien aufgrund der Nicht- verfügbarkeit von weiblichen Famili- enmitgliedern (auch zweiten Gra- des) beziehungsweise von noch le- benden Brustkrebspatientinnen für die Kopplungsuntersuchung nicht geeignet sind. Der meldende Arzt hat dabei nur die Aufgabe, das Ein- verständnis der Patientin einzuho- len, bevor er die Abteilung Epidemi- ologie am Deutschen Krebsfor- schungszentrum über die Familien informiert. Die weiterführende Auf- arbeitung der gemeldeten Familien erfolgt direkt aus der Abteilung Epi- demiologie.

Gesucht werden Familien mit mindestens drei Brustkrebsfällen in- nerhalb dreier Generationen, wobei mindestens zwei Patientinnen noch am Leben sein sollten. Untersuchun- gen an Patientinnen, die vor ihrem 45sten Lebensjahr diagnostiziert wurden, sind besonders aussichts- reich. Auch Familien mit mindestens zwei Ovarialkarzinomfällen sind von Interesse, da eine Kopplung mit DNA-Markern auf dem Chromosom 17q für beide Tumorarten beobach- tet wurde.

Dt. Arztebl. 90 (1993) A 1 -880-882 [Heft 12]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordem über die Verfasser,

Anschrift für die Verfasser:

Dr. sc. hum. Jenny Chang-Claude Deutsches Krebsforschungszentrum Abteilung Epidemiologie

Im Neuenheimer Feld 280 W-6900 Heidelberg 1 A1-882 (58) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

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