Deutsches Ärzteblatt
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14. März 2014 179M E D I Z I N
EDITORIAL
Bildgebung in der Diagnostik von Lungenerkrankungen
Differenziertere Verfahren erfordern eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit Tobias Welte
Editorial zum Beitrag:
„Radiologische Diagnostik von Lungen - erkrankungen:
Beachtung der Therapieoptionen
bei Wahl des Verfahrens“ von Mark O. Wielpütz und Koautoren auf den folgenden
Seiten
Computertomographie
Computertomographische Untersuchungen sind seit Jahren als Standardverfahren zur Diagnose einer Vielzahl von Lungenerkrankungen bekannt. Die an- zuwendende CT-Technik unterscheidet sich jedoch deutlich für so unterschiedliche Erkrankungen wie
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die akute Lungenembolie●
die chronische pulmonale Hypertonie●
interstitielle Lungenerkrankungen●
Lungeninfektionen●
Bronchialkarzinom (Staging)●
Emphysem (Quantifizierung).Klinisch tätige Mediziner wissen häufig wenig über die vielfältigen Methoden der radiologischen Bildgebung. Was selbstverständlich erscheint, wird im klinischen Alltag leider nicht immer umgesetzt:
Nämlich, dass Radiologen im Detail über die klinische Symptomatik und über die an die mit Hilfe der CT- Untersuchung zu klärenden Fragen infor- miert sein müssen, um eine zielgenaue Diagnostik durchführen zu können.
Ausbildungszeiten in der Radiologie sind in den meisten internistischen Weiterbildungen nicht mehr vorgesehen, der Strahlenschutzkurs vermittelt die Kenntnise zu den lungenerkrankungsspezifischen ra- diologischen Verfahren nur unzureichend. Die eige- ne Erfahrung hat gezeigt, dass häufig Doppelunter- suchungen nötig werden, weil die CT-Diagnostik beim ersten Mal nicht der eigentlichen Fragestellung entsprach.
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie ist aufgrund der nicht vorhandenen Strahlenbelastung gerade für seri- elle Untersuchungen eine interessante Alternative.
Die Domäne der Magnetresonanztomographie sind Untersuchungen zur Diagnostik vaskulärer Erkran- kungen, wie der pulmonalen Hypertonie, oder kom- plexer Erkrankungen, wie der zystischen Fibrose.
Die Feindarstellung interstitieller Strukturen, wie sie für die Differenzialdiagnostik der bindegewebi- gen Lungenerkrankungen notwendig ist, bleibt wei- terhin die Stärke der Computertomographie. Mög- lichweise erweitern technische Verbesserungen der MRT deren Untersuchungsspektrum um diese Opti- on. Die Frage ist jedoch, zu welchem Preis?
D
ie Weiterentwicklung etablierter radiologischer Verfahren wie der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) hat die Diagnostik von Lungenerkrankungen wesentlich ver- bessert. Einhergehend mit der Optimierung der Technik ist es jedoch auch zu einer Differenzierung innerhalb der radiologischen Verfahren gekommen, die vollkom- men neue Ansprüche sowohl an die Kooperation von Radiologen und Pneumologen als auch an die dafür notwendigen fachübergreifenden Kenntnisse beider Disziplinen stellt.Wielpütz et al. beschreiben in dieser Ausgabe (1), bei welchen Lungenerkrankungen welche diagnosti- schen Verfahren heute eingesetzt werden sollten.
Einsatzbereiche verschiedener Verfahren
Die Vorteile des klassischen Röntgen-Thorax bestehen darin, dass mit dieser Methode zum einen eine geringe Strahlenbelastung einhergeht und zum anderen niedrige Kosten entstehen. Daher ist der Röntgen-Thorax noch immer das Standardverfahren zur orientierenden Erst- diagnostik, vor allem bei infektiösen, malignen und ob- struktiven Atemwegserkrankungen (2).Auch wenn die Strahlenbelastung bei computerto- mographischen Untersuchungen in den letzten Jahren deutlich reduziert werden konnte, so kumuliert sie bei seriellen Untersuchungen, und trägt dadurch zumindest bei Risikopatienten zum Krebsrisiko bei (3).
Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine überzeugenden Ergebnisse, die eine positive Nutzen-/Risikoeinschät- zung der computertomographischen Untersuchung als Screeningverfahren erlauben. Der Vorteil in der Früh - diagnostik des Bronchialkarzinoms – zumindest bei Hochrisikopatienten mit langjähriger Raucheranamne- se – wird durch den Nachteil der häufigen falschpositi- ven Befunde, die zu einem erhöhten weiteren diagnos- tischen Aufwand führen und zudem für die Patienten mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden sind, aufgehoben. Die Autoren eines gerade veröffent- lichten Cochrane Review (4) sehen zurzeit keine Indi- kation für ein generelles Bronchial-Karzinom-Scree- ning mit Computertomographie und/oder Sputumzyto- logie. Weitere große Studien zu diesem Thema werden in mittelbarer Zeit abgeschlossen. Ob sich dadurch je- doch eine andere Einschätzung ergibt, bleibt abzuwar- ten.
Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover:
Prof. Dr. med. Welte
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Ausblick
Wielpütz und Koautoren stellen die Differenzialindi- kation für verschiedene radiologische Verfahren in der Diagnostik von Lungen- und Bronchialerkran- kungen dar. Radiologischen Verfahren werden je- doch auch außerhalb der klinischen Diagnostik in Zukunft neue Aufgaben zukommen.
So könnten bildgebende Verfahren künftig eine wesentliche Rolle in klinischen Studien spielen, weil sie helfen, medikamentös bedingte Veränderungen im bronchiopulmonalen System schneller und ge- nauer abzubilden als bisher. Während die heute in klinischen Studien verwendeten Endpunkte, wie bei- spielsweise die Lungenfunktionsparameter, nur lang- same Veränderungen zeigen und damit Langzeitstu- dien notwendig machen, um Medikamenteneffekte darzustellen, könnte dies mit bildgebenden Verfah- ren schneller und besser quantifizierbar gelingen.
Eine Verkürzung der Dauer klinischer Studien würde helfen, Zeit zu gewinnen. Effektive Medika- mente wären schneller verfügbar, und es würden er- hebliche Kosten gespart – sofern sich geeignete Sur- rogat-Parameter finden. Translationale, interdiszipli- näre Forschungseinrichtungen wurden im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung und For- schung (BMBF) geförderten Deutschen Zentrums für Lungenforschung in Heidelberg, Hannover und München etabliert, um diese Entwicklung voranzu- treiben.
Der radiologischen Bildgebung gehört in der Di- agnostik von Lungenerkrankungen mehr noch als heute die Zukunft – in Klinik wie in Forschung. Um dies bestmöglich nutzen zu können, kommt einem intensiveren Austausch von praktisch tätigen Ärzten und Radiologen eine wichtige Bedeutung zu.
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
LITERATUR
1. Wielpütz MO, Heußel CP, Herth FJF, Kauczor HU: Radiological diagnosis in lung disease—factoring treatment options into the choice of diagnostic modality. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(11): 181–7.
2. Dalhoff K, Ewig S; on behalf of the Guideline Development Group:
Clinical Practice Guideline: Adult patients with nosocomial pneumo- nia—epidemiology, diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(38): 634–40.
3. Sodickson A, Baeyens PF, Andriole KP, et al.: Recurrent CT, cumula- tive radiation exposure, and associated radiation-induced cancer risks from CT of adults. Radiology 2009; 251: 175–84.
4. Manser R, Lethaby A, Irving LB, et al.: Screening for lung cancer. Cochrane Database Syst Rev 2013; 6: CD001991.
doi:10.1002/14651858.CD001991.pub3.
Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Tobias Welte Klinik für Pneumologie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover
Englischer Titel:
Imaging in the diagnosis of lung disease: more sophisticated methods require greater interdisciplinary collaboration
Zitierweise
Welte T: Imaging in the diagnosis of lung disease: more sophisticated methods require greater interdisciplinary collaboration. Dtsch Arztebl Int 2014; 111(11):
179–80.DOI: 10.3238/arztebl.2014.0179
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The English version of this article is available online:www.aerzteblatt-international.de