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Archiv "Nuklearmedizinische Verfahren in der Diagnostik an den Haltungs- und Bewegungsorganen" (22.01.1993)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Klaus Hahn

und Jochen Heine

Mit zunehmender Lebenserwartung der Bevölkerung steigt die Zahl von Erkrankungen im Bereich des Haltungs- und Bewegungsappara- tes. Wesentliche Fortschritte im Bereich der nuklearmedizinischen Ge- rätetechnik und der Radiopharmakologie, zum Beispiel durch die Mög- lichkeit zur radioaktiven Markierung von Granulozyten, haben dazu ge- führt, daß in den vergangenen Jahren die Diagnostik dieser Erkrankun- gen in zunehmendem Maße durch die Skelettszintigraphie in Mehrpha- sentechnik sowie die verschiedenen Verfahren zur Entzündungslokali- sation erweitert wurde.

Nuklearmedizinische Verfahren in der Diagnostik an den

Haltungs- und Bewegungsorganen

ie moderne nuklearme- dizinische Funktions- diagnostik des Skeletts und der Weichteile hat sich in den letzten Jah- ren in zunehmendem Maße als wich- tiges diagnostisches Hilfsmittel des Orthopäden erwiesen. Wesentliche Fortschritte im Bereich der nuklear- medizinischen Gerätetechnik, wie zum Beispiel hochauflösende Kolli- matoren, sowie im Bereich der Ra- diopharmakologie, etwa durch die Möglichkeit zur radioaktiven Mar- kierung von Granulozyten, können auch in der Orthopädie zu diagnosti- schen Ergebnissen führen, die mit keinem anderen Verfahren erreicht werden können. Die Knochenszin- tigraphie, vorwiegend in Form der Mehrphasen-Szintigraphie, hat hier- bei die größte Bedeutung und Ver- breitung erlangt, da mit ihrer Hilfe bei vertretbarer Strahlenbelastung (Tabelle 1) eine Vielzahl von Skelett- erkrankungen frühzeitig zu erfassen ist, teilweise bereits lange vor dem Eintreten röntgenologisch erkennba- rer Veränderungen. Grund hierfür sind die generellen Unterschiede zwischen röntgenologischer und nu- klearmedizinischer Diagnostik.

Während röntgenologisch vor- wiegend Mineralsalzveränderungen des Skelettes morphologisch erfaßt werden können, werden in der Nu- klearmedizin einzelne oder generali-

sierte Knochenstoffwechselverände- rungen sichtbar gemacht. Die hierbei verwendeten, mit 99m-Technetium markierten Phosphatverbindungen, wie zum Beispiel Methylendiphos- phonat (MDP), haben aufgrund ih- rer minimalen Menge keinerlei Ein- fluß auf den Knochenstoffwechsel oder gar das Wachstum des Kno- chens bei Kindern.

Mit Hilfe des nuklearmedizini- schen Schichtverfahrens „Single-Pho- ton-Emissions-Computer-Tomogra- phie" (SPECT), oder auch „Emissi- ons-Computer-Tomographie" (ECT) genannt, ist es zudem möglich ge- worden, Knochenstoffwechselverän- derungen in einzelnen Skelettarea- len überlagerungsfrei dreidimensio- nal darzustellen. Dies hat sich nach unseren Erfahrungen insbesondere bei der Diagnostik von Wirbelsäu- len- und Schädelveränderungen wie auch bei der Differenzierung von Weichteil- und Knochenveränderun- gen als sehr hilfreich erwiesen.

Technik der

Skelettszintigraphie Spricht der klinische oder rönt- genologische Befund des Patienten für einen lokalisierten Skelettbefall, zum Beispiel einen Knochentumor oder eine Osteomyelitis, sollte die

Skelettszintigraphie in der Drei-Pha- sen-Technik, die aus einem Radio- nuklidangiogramm, einer Frühauf- nahme und den üblichen Spätauf- nahmen besteht, durchgeführt wer- den.

Radionuklidangiographie Für die Radionuklidangiogra- phie erfolgt die Injektion des Radio- pharmakons direkt an der Gamma- kamera, von der die Erstpassage der Substanz durch das arterielle Gefäß- system des Untersuchungsgebietes registriert wird. Hierbei kann die ar- terielle Durchblutung, zum Beispiel eines bekannten Knochenprozesses, quantitativ beurteilt werden. Zusätz- lich ist hiermit häufig die Unterschei- dung von stark vaskularisierten Weichteilprozessen und primären Knochenprozessen möglich.

Frühaufnahmen

Die Frühaufnahmen des Blut- pools, die unmittelbar im Anschluß an die Radionuklidangiographie an-

Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Klaus Hahn) und Klinik und Poliklinik für Orthopädie (Direktor: Prof. Dr. med. Jochen Heine), Johannes Gutenberg-Universität Mainz A1-110 (38) Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22 . Januar 1993

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ISM 423. 6 8888 486. 9

Abbildung 1: Knochenszintigraphie und Entzündungslokalisation bei einem Patienten mit Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogengelenkes. In der Frühphase intensive Hyper- ämie im Bereich des rechten Ellenbogengelenkes (a oben links); Spätaufnahme (b oben rechts): intensiv verstärkter Knochenstoffwechsel; deutliche Anreicherung von mit Techneti- um markierten Granulozyten (c unten) als Bestätigung der Verdachtsdiagnose eines ent- zündlichen Gelenkprozesses

Tabelle: Strahlenbelastung von Erwachsenen und Kindern durch die Knochenszintigraphie (in mGy/MBq) (nach 4)

gefertigt werden, demonstrieren so- wohl die arterielle als auch die venö- se Durchblutung eines Skelettareals und ermöglichen damit gewisse art- diagnostische Aussagen insbesonde- re zwischen entzündlichen und de- generativen Skelettveränderungen.

Durch moderne Doppelkopf-Garn- makamera-Systeme ist es heute mög- lich, den Blutpool des gesamten Kör- pers unmittelbar nach Injektion des Radiopharmakons darzustellen und damit einzelne oder multiple hy- perämische Areale, zum Beispiel bei Patienten mit chronischer Polyar- thritis, zu erkennen.

Spätaufnahmen

Zwei bis vier Stunden nach In- jektion des Radiopharmakons wer- den die üblichen Spätaufnahmen der Skelettszintigraphie angefertigt, in der Regel durch Ganzkörperaufnah- men von ventral und dorsal. Zusätz- lich können Einzelaufnahmen be-

Erwachsener 5jähriges Kind

sonders wichtiger Skelettabschnitte mit einer Gammakamera mit hoch- auflösendem Kollimator angefertigt werden.

In ausgewählten Fällen kann zu- sätzlich eine SPECT-Tomographie angeschlossen werden. Bei dieser Untersuchung rotiert eine Gamma- Kamera mit einem oder mehreren Köpfen um den Patienten. Die so er- haltenen Meßdaten werden in einem Computersystem gespeichert. Nach der Untersuchung können damit alle gewünschten Tomographie-Ebenen dargestellt werden. Die Spätaufnah- men der Knochenszintigraphie er- möglichen genaue Aussagen über

Lokalisation, Ausdehnung und In- tensität pathologischer Knochenum- bauvorgänge.

Nuklearmedizinischer Entzündungsnachweis

Zum spezifischen Nachweis ent- zündlicher Knochen- und Weichteil- veränderungen stehen mehrere nu- klearmedizinische Verfahren zur Verfügung. Neben dem seit langer Zeit verwendeten 67-Gallium-Citrat (1) hat in den letzten Jahren die ra- dioaktive Markierung von Granulo- zyten bei der Diagnostik von ent- zündlichen Veränderungen eine zu- nehmende Bedeutung erhalten. Zur Markierung wird vorwiegend 111-In- dium-Oxin eingesetzt, das jedoch nicht als ideales nuklearmedizini- sches Radiopharmakon angesehen werden kann. Daher werden neu- erdings Granulozytenmarkierungen mit 99-m-Technetium-markierten monoklonalen Antikörpern oder mit 99-m-Technetium-HMPAO bevor- zugt. Seit einigen Jahren hat ein wei- teres Verfahren zur Entzündungslo- kalisation Eingang in die nuklearme- dizinische Routinediagnostik gefun- den. Hierbei handelt es sich um mit 99-m-Technetium markierte Mikro- kolloide, die aufgrund von entzünd- lich bedingten Veränderungen der Basalmembran des Gefäßendothels aus der Blutbahn in die Entzün- dungsherde austreten und dort mit Hilfe der Gammakamera lokalisiert werden können (5).

Indikationen

Im Mainzer Universitätsklini- kum besteht seit vielen Jahren eine besonders intensive Zusammenar- beit zwischen der Orthopädie und der Nuklearmedizin. In dieser Zeit Ovarien Testes Knochen

4,1 4,1 11

32 57 38

Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993 (41) A1-113

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sind die diagnostischen Bemühungen der Orthopädie in zunehmendem Maße durch nuklearmedizinische Untersuchungen des Haltungs- und Bewegungsapparates ergänzt und er- weitert worden (2). Im folgenden soll

— unter Verzicht auf Vollständig- keit — auf die wesentlichen Indika- tionen für nuklearmedizinische Un- tersuchungen in der Orthopädie ein- gegangen werden.

1. Entzündliche Weichteil- und Skelettveränderungen

Bei Verdacht auf Skelettentzün- dungen ist die Knochenszintigraphie in Zwei- oder Drei-Phasen-Technik als Basisuntersuchung anzusehen, da sie in der Lage ist, mit hoher Empfindlichkeit entzündlich beding- te Veränderungen des Knochen- stoffwechsels nachzuweisen zu ei- nem Zeitpunkt, zu dem das Rönt- genbild noch unauffällig sein kann.

Dies gilt nicht nur für Erwachsene und Kinder, sondern auch für Neu- geborene und Säuglinge.

Jedoch ist auch mit Hilfe der Drei-Phasen-Skelettszintigraphie nicht immer eine eindeutige Aussage über die Genese der verstärkten Knochenstoffwechselvorgänge zu er-

Abbildung 2: Ganz- körper-Knochenszin- tigraphie eines Pa- tienten mit Prostata- Ca.: multiple Kno- chenmetastasen im Bereich der Schädel- kalotte, der unteren BWS, in einer der mittleren Rippen re.

dorsal, des Beckens und des proximalen Oberschenkels re.

halten. Hier kann durch den Einsatz eines der beschriebenen nuklearme- dizinischen Entzündungslokalisati- ons-Verfahren der Nachweis oder Ausschluß eines entzündlichen Kno- chenprozesses mit großer Sicherheit

erbracht werden (Abbildung 1). Bei einem Verdacht auf entzündliche Gelenkveränderungen hat sich die Skelettszintigraphie in Zwei-Phasen- Technik als sensitives Verfahren er- wiesen. Während die Frühaufnah-

Abbildung 3: Knochenszintigraphie des rechten Fußes einer Patien- tin mit Morbus Sudeck. Die Radionuklidangiographie (a oben links) zeigt eine deutlich gesteigerte arterielle Durchblutung des rechten Fußes; deutliche Hyperämie auf den Frühaufnahmen (b oben rechts) und auf den Spätaufnahmen (c unten) intensiv verstärkter Knochenstoffwechsel im gesamten rechten Fuß. Diagnose: Stadium I der Erkrankung

A1-114 (42) Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993

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R

4

Abbildung 4: Knochenszintigraphie eines Patienten 7 Jahre nach Totalendoprothese rechts.

Frühaufnahme (a): deutliche Hyperämie im mittleren Schaftanteil; Spätaufnahme (b): inten- siv verstärkter Knochenstoffwechsel in den prothesennahen Knochenanteilen. Der Befund spricht am ehesten für eine entzündliche Prothesenlockerung

sich — bewiesen durch zahlreiche Studien — die Ganzkörper-Skelett- szintigraphie als empfindlichstes Verfahren herausgestellt, das bei dieser Fragestellung als Basisdiagno- stik eingesetzt werden sollte (Abbil- dung 2). Zusätzliche Röntgenauf- nahmen sind in der Regel nur zur Beurteilung einer Frakturgefähr- dung oder bei fraglichen nuklearme- dizinischen Ergebnissen erfoderlich.

Regelmäßige skelettszintigraphische Verlaufskontrollen ermöglichen au- ßerdem eine gute Aussage über die Wirksamkeit der therapeutischen Maßnahmen.

Bei Vorliegen von primären Knochentumoren ist die Skelettszin- tigraphie in erster Linie zum Nach- weis oder zum Ausschluß von Zweit- herden indiziert. Darüber hinaus er- möglicht sie jedoch auch in gewissem Umfang artdiagnostische Aussagen, wenn sie in Drei-Phasen-Technik durchgeführt wird und die einzelnen

Abbildung 5: Röntgenaufnahmen (a und b oben links und rechts) und Knochenszinti- graphie einer Patientin mit Kniegelenksen- doprothese beidseits. Auf der Frühaufnah- me (c unten links) erkennt man im rechts- seitigen Tibiaplateau nur eine geringe Hy- perämie, während linksseitig eine intensive Hyperämie nachweisbar ist. Entsprechend zeigt die Spätaufnahme (d unten rechts) ei- nen nur gering verstärkten Knochenstoff- wechsel rechts, links jedoch einen intensiv verstärkten Knochenumbau. Diagnose: Pro- thesenlockerung links

men, entweder in Ganzkörpertech- nik oder als Teilaufnahmen durchge- führt, genaue Aussagen über den Grad der Hyperämie und damit die Aktivität des entzündlichen Gelenk- prozesses erlauben, zeigen die Spät- aufnahmen die Intensität und die Ausdehnung der knöchernen Beteili- gung am entzündlichen Prozeß.

2. Tumoröse

Skelettveränderungen

Die zahlenmäßig wichtigste In- dikation zur Durchführung von Kno- chenszintigraphien ist die Suche nach Knochenmetastasen von poten- tiell in den Knochen metastasieren- den malignen Tumoren. Hierbei hat

Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993 (43) A1-115

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Phasen quantifiziert werden. Zur Artdiagnose von Knochentumoren kann generell festgestellt werden, daß eine fehlende oder nur geringe Hyperämie, verbunden mit einem normalen oder nur gering verstärk- ten Knochenstoffwechsel, für beni- gne tumoröse Veränderungen spricht. Dagegen ist bei einem deut- lich oder intensiv verstärkten Kno- chenumbau eine nuklearmedizini- sche Differentialdiagnose zwischen einem malignen oder benignen Kno- chentumor in der Regel nicht mög- lich. Zwar weisen primäre maligne Knochentumoren — abgesehen von wenigen in der Literatur beschriebe- nen Ausnahmefällen — immer einen deutlich verstärkten Knochenstoff- wechsel auf, jedoch können zum Bei- spiel auch Metastasen ähnliche szin- tigraphische Bilder zeigen. Auch bei einzelnen benignen Knochentumo- ren finden sich intensiv verstärkte Knochenumbauvorgänge, wie zum Beispiel bei stark wachsenden juve- nilen Knochenzysten oder Osteoid- osteomen.

3. Besondere traumatische Skelettveränderungen

Bei Verdacht auf Knochenfrak- turen ist die Röntgendiagnostik die Methode der Wahl. Jedoch kann in speziellen Fällen die Skelettszinti- graphie entscheidende Zusatzinfor- mationen liefern. Eine Indikation für ihren Einsatz ist immer dann gege- ben, wenn eine Diskrepanz zwischen dem klinischen Befund und dem Er- gebnis der Röntgenuntersuchung vorliegt. Dies ist der Fall, wenn bei entsprechenden klinischen Be- schwerden der Röntgenbefund un- auffällig ist oder wenn einem auffäl- ligen Röntgenbefund eine fehlende klinische Symptomatik gegenüber- steht. Wesentliche diagnostische Aussagen, die vor allem auch bei ver- sicherungsrechtlichen und gutach- terlichen Fragestellungen von ent- scheidender Bedeutung sein können, lassen sich auch durch die Ganzkör- per-Knochenszintigraphie bei multi- traumatisierten Patienten erreichen, da hierbei durch eine Untersuchung alle traumatisch bedingten Knochen- läsionen mit hoher Sensitivität erfaßt werden können.

Abbildung 6: Knochenszintigraphien eines Patienten mit röntgenologisch nachgewie- senen Höhenminderungen zahlreicher Wir- belkörper. Die wegen Schmerzen angefer- tigte Skelettszintigraphie zeigt eine frische osteoporotische Kompressionsfraktur im 1.

LWK (a oben). Die Kontrolluntersuchung 5 Monate später (b Mitte) ergibt einen nur noch gering verstärkten Knochenstoffwech- sel in diesem Bereich, während die weitere Kontrolle nach einem Jahr (c unten) wieder regelrechte Knochenumbauvorgänge er- kennen läßt

Bei Verdacht auf Wirbelkörper- frakturen sollte jedoch beachtet wer- den, daß eine sichere nuklearmedizi- nische Diagnose erst etwa acht Tage nach dem Trauma möglich ist (3).

Ein besonders hoher Stellenwert kommt der nuklearmedizinischen Diagnostik beim Nachweis von rönt- genologisch nur sehr schwer erfaßba- ren Frakturen der Rippen und des Os sacrum zu, die durch die Skelett- szintigraphie einfach und mit hoher Sicherheit erkannt werden können.

Auch bei Ermüdungsfrakturen kann die Skelettszintigraphie häufig vor der Röntgendiagnostik zu einer ra- schen Diagnose führen.

Wertvolle Informationen liefert die Knochenszintigraphie, wenn sie in Drei-Phasen-Technik quantifiziert durchgeführt wird, auch bei klinisch oder radiologisch begründetem Ver- dacht auf das Vorliegen eines Mor- bus Sudeck, da insbesondere durch die erste Phase, die Radionuklid- angiographie, die Frühstadien des Morbus Sudeck erkannt werden kön- nen (Abbildung 3).

4. Postoperative Verlaufskontrollen

Auch Nachuntersuchungen nach orthopädischen Skelettoperationen werden in der Regel mit Hilfe der Röntgendiagnostik durchgeführt. Je- doch bestehen auch in diesem Be- reich einige Indikationen für den zu- sätzlichen Einsatz der Skelettszin- tigraphie. Hier ist in erster Linie an die Beurteilung von fraglichen Pseudarthrosen zu denken, die auf- grund ihres verstärkten Knochenum- baues nuklearmedizinisch leicht zu erfassen sind. Zu dieser Gruppe zäh- len auch nuklearmedizinische Ver- laufskontrollen nach Spondylodesen, bei denen der Einheilungsprozeß der angelagerten Knochenspäne gut be- urteilt und etwaige Pseudarthrosen in der Spanstraße mit hoher Sensiti- vität ausgeschlossen werden können.

Einen großen Bereich für den Einsatz nuklearmedizinischer Ver- fahren stellen Verlaufskontrollen nach Endoprothesen dar. Hier ist die Knochenszintigraphie als nuklear- medizinische Basisdiagnostik dann, anzusehen, wenn mit Hilfe der Rönt- A1-116 (44) Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993

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gendiagnostik und der klinischen Symptome kein sicherer Nachweis oder Ausschluß einer Endoprothe- senlockerung erreicht werden kann (Abbildung 4 und 5). Besteht der Verdacht auf eine entzündliche Lok- kerung, sollte zusätzlich zur Skelett- szintigraphie ein weiteres nuklear- medizinisches Verfahren zur Ent- zündungslokalisation, zum Beispiel mit radioaktiv markierten Granulo- zyten, eingesetzt werden.

5. Degenerative Veränderungen Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke kommen knochenszintigraphisch in der Regel mit typischem Muster zur Darstellung. Kann röntgenologisch nicht sicher zwischen degenerativen und entzündlichen Gelenkverände- rungen unterschieden werden, kann die Skelettszintigraphie dann wei- terhelfen, wenn ein unauffälliges oder für degenerative Veränderun- gen typisches Verteilungsmuster vorliegt. In der präoperativen Phase hat sich die nuklearmedizinische Beurteilung der Aktivität degenera- tiver Gelenkveränderungen insbe- sondere im Bereich der Kniegelen- ke als wichtige Indikation vor der Durchführung einer Umstellungs- osteotomie erwiesen. Nur bei den Patienten, bei denen die durch die Umstellungsosteotomie mehrbela- steten Kniegelenksanteile einen re- gelrechten Knochenumbau aufwei- sen, hat dieses orthopädische Ope- rationsverfahren eine gute Aussicht auf länger anhaltende Beschwerde- freiheit des Patienten.

6. Aseptische Knochennekrosen Die hohe Empfindlichkeit der Skelettszintigraphie bei der Früher- fassung eines Morbus Perthes in ei- nem Stadium, in dem die Röntgen- aufnahmen noch unauffällig sind, ist allgemein bekannt. Es kann davon ausgegangen werden, daß eine Hüft- kopfnekrose auch in der frühesten Phase nuklearmedizinisch nicht zu übersehen ist. Die bisherigen Erfah- rungen mit der Magnetresonanz-To- mographie bei diesem Krankheits-

bild haben gezeigt, daß damit offen- sichtlich in geringer Zahl auch Fehl- diagnosen möglich sind. Daraus er- gibt sich, daß die Skelettszintigra- phie in Drei-Phasen-Technik immer dann eingesetzt werden sollte, wenn entweder eine Untersuchung mit der Magnetresonanz-Tomographie nicht möglich oder wenn deren Ergebnis bei klinischen Hinweisen auf einen Morbus Perthes unauffällig oder un- sicher ist.

Auch bei anderen Osteonekro- sen sollte die Nuklearmedizin einge- setzt werden, falls die Ergebnisse von Röntgenuntersuchungen nicht eindeutig sind.

7. Osteoporose

Alle Versuche, die diffuse Osteoporose mit Hilfe einer quanti- fizierten Skelettszintigraphie zu er- fassen, hatten nur einen so begrenz- ten Erfolg, daß sich dies nicht zu ei- nem Routineverfahren entwickeln konnte. Heute stehen hierfür die Knochendichtebestimmung mit der Photonen-Absorptions-Messung oder mit der quantifizierenden Com- puter-Tomographie zur Verfügung.

Dennoch gibt es eine Reihe von Indikationen, bei denen die Skelett- szintigraphie im Rahmen der Dia- gnostik oder zu Verlaufskontrollen bei Patienten mit Osteoporose ein- gesetzt werden sollte. Als Ursache von Schmerzen bei bekannter Osteo- porose können röntgenologisch nicht nachweisbare Frakturen, zum Bei- spiel im Thoraxbereich, nuklearme- dizinisch erfaßt werden. Diese fin- den sich besonders häufig im Ster- num und an den Knorpelknochen- grenzen der Rippen. Patienten mit ausgeprägter Osteoporose weisen zudem röntgenologisch in der Regel multiple Höhenminderungen der Wirbelkörper auf. Bei entsprechen- der klinischer Symptomatik ist es je- doch wichtig zu wissen, ob diese Wir- belkörperfrakturen frisch oder alt sind. Diese Aussage ist mit Hilfe der Knochenszintigraphie in einfacher Weise möglich, da Wirbelkörper- frakturen, einige Tage nach dem Trauma beginnend, einen intensiv verstärkten Knochenumbau aufwei- sen, der sich über mehrere Monate

mit abnehmender Intensität nach- weisen läßt (Abbildung 6).

Dt. Arztebl. 90 (1993) A 1 -110-118 [Heft 3]

Literatur

1. Botsch, H.: Gallium-Szintigraphie-Diagno- stik bei entzündlichen Erkrankungen und Tu- moren. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1985

2. Brussatis, F.; Hahn, K. (Hrsg.): Nuklearmedi- zin in der Orthopädie. Springer Verlag, Ber- lin, Heidelberg, New York, Tokyo 1990 3. Spitz, J.; Tittel, K.; Weigand, H.: Grundsätz-

liche Aspekte der Skelettszintigraphie in der Traumatologie. Der Nuklearmediziner 13 (1990) 255

4. Roedler, H. D.; Kaul, A.; Hine, G.: Internal Radiation Dose in Diagnostic Nuclear Medi- cine. H. Hoffmann Verlag, Berlin, 1981 5. Winkler, K. H.; Reuland, P.; Bihl, H.: Infekti-

onsdiagnostik am Skelettsystem mit 99-m-Tc- markierten Nanokolloiden. Nuc. Compact 6, (1989) 219

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Klaus Hahn Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin

Prof. Dr. med. Jochen Heine Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie Universitätsklinikum Mainz Langenbeckstraße 1

W-6500 Mainz A1 -118 (46) Dt. Ärztebl. 90, Heft 3, 22. Januar 1993

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