• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ein Leserbrief" (17.09.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ein Leserbrief" (17.09.1987)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Ein Leserbrief

Neue Praktiken machen sich breit beim Umgang mit Bewer- bungsunterlagen:

Nach acht Monaten Arbeits- losigkeit und rund 100 Absagen bemühe ich mich, meine Bewer- bungsunterlagen zumindest durch ein besonders ansprechendes Äu- ßeres herausragen zu lassen. Ko- sten und Mühen werden dabei nicht gescheut: Fotos vom Foto- grafen, teures Papier und alles zu- sammengehalten von einem Klemmhefter zu 2,50 DM.

Neuerdings erhalte ich diese Unterlagen auf folgende Weise zurück: Das „persönliche" An- schreiben an mich ist entweder gar nicht oder i. A. von der Se- kretärin unterzeichnet, mein An- schreiben an den jeweiligen Chef- arzt liegt bei, so daß ich vermute, es ist nicht mal gelesen worden.

Ansonsten sind die Unterlagen ein- bis zweimal durchgeknickt

und daher nur noch zum Wegwer- fen gut. Der offenbar sehr be- gehrte Klemmhefter fehlt.

Als ich mich wieder einmal telefonisch darüber beschweren wollte, erklärte mir die betreffen- de Vorzimmerdame, sie wäre grundsätzlich nicht dazu ver- pflichtet, Bewerbungsunterlagen überhaupt zurückzuschicken, an- dere würden sie behalten (weg- werfen?).

Zugegeben, wir sind viele, die nunmehr auf Stellensuche sind. Aber unsere Bewerbungen sind nicht dazu gedacht, den Krankenhäusern Büromaterial zur Verfügung zu stellen. Hinter jedem dieser Anschreiben steckt jemand, der/die Hoffnungen, Zeit und viel Geld darin inve- stiert. Es ist für mich eine Frage des guten Stils, wenn man absagt, zumindest dafür Sorge zu tragen, daß die Unterlagen weiterver- wendet werden können.

Claudia Hertel, Essen Damals, es scheint schon Zeiten

her, habe ich mich mit Optimismus und Ehrgeiz auf die Suche begeben.

Examen „sehr gut", Dissertation eingereicht, verheiratet und ein Kind hatte ich einige Monate zuvor auch bekommen, keine Lücke in dem ach so wichtigen Lebenslauf.

Die braunen DIN-A4-Umschläge, die ich verschickte, lagen drei Tage später wieder im Briefkasten, zer- knickt und der Inhalt unbrauchbar gemacht für weitere Startversuche.

Nur nicht persönlich nehmen, Chir- urgie ist sowieso nichts für dich mit Familie, redete ich mir ein. Meine Kommilitonen, weiblich wie männ- lich, die bisher auf Familie verzich- tet hatten, lebten mir vor, wie ein- fach es auch in dieser Zeit ist, eine Stelle zu bekommen. „Bisher hat noch jeder eine Stelle bekommen", war ein gutgemeinter Trost. Also umsteigen auf ein anderes Pferd.

Wie war das noch mit Psychiatrie?

Da gab es noch vor einiger Zeit ei- nen gewaltigen Mangel an Ärzten.

Von fünf Versuchen zwei Einla- dungen zu einem Vorstellungsge- spräch. Na also, das war doch schon was.

Herr Dr. X gibt sich freundlich und geduldig, es macht den An- schein, als interessiere er sich tat- sächlich für mich. Bewerber gäbe es natürlich genug und vor zehn Jahren hätte ich kommen sollen, dann hätte ich sofort eine Stelle bekommen, mit diesen Worten entläßt er mich doch recht zuversichtlich, um jedoch spä- ter in einem Gespräch mit einer Kol- legin zu erfahren, daß er diese mit den gleichen Worten wieder auf den Weg geschickt hat. Eine recht dis- krete Methode, um sich Bewerbern zu entledigen, wie ich finde.

Das nächste Gespräch sollte symptomatisch

für alle folgenden werden...

16.30 Uhr stehe ich vor der ent- scheidenden Tür. Herr Dr. Y öffnet sogleich mit den Worten, ich sei die letzte in einer langen Reihe von Be- werbern. Nur nicht abschrecken las- sen, der Verwaltungsleiter, dem wohl eine entscheidende Funktion in

dererlei Gesprächen zukommt, schaut mühsam lächelnd und erhebt sich schwerfällig, um sogleich für die nächsten Minuten schweigend auf dem Stuhl zu verharren. Auf einem Tisch stapelweise die Bewerbungs- unterlagen meiner Vorgänger. Wie die Schatten ihrer Verfasser fallen sie auf das nun folgende Kurzinter- view. Gegen welche Konkurrenz muß ich hier bestehen? Wie kann ich gegen diese Schatten kämpfen? Auf diese Situation bin ich nicht vorbe- reitet. Wie setzt man sich ins beste Licht, wenn man gar nicht weiß, was

„ankommt", was zählt, was negativ bewertet wird. Jede Aussage kann im Zweifelsfall gegen mich verwen- det werden.

Herr Dr. Y macht eifrig Noti- zen, hört sich wohlwollend nickend meine Geschichte an. Ein tiefer Blick in meinen Lebenslauf: „So, so Sie haben vor acht Monaten ein Kind bekommen, was haben Sie denn in der Zwischenzeit

gemacht?"

Durchhalten und immer lächeln heißt die Parole. Nach zehn Minuten der Blick zur Uhr, eigentlich hätten

sie sich ja einen Kandidaten mit et- was Berufserfahrung vorgestellt, und wenn ich mich intensiv bemühe, bekäme ich sicherlich auch bald eine Stelle, heißt der letzte Rat.

Mit einem ziemlich demontier- ten Selbstbewußtsein fahre ich nach Hause. Nur nicht persönlich neh- men, ich konnte ja alles bieten, nur eben keine Berufserfahrung. In den folgenden Gesprächen hilft das auch nicht mehr. Nach einer solchen Aus- bildung als „Jobsucher" zu enden und immer mit den gleichen Phrasen verabschiedet zu werden, das muß ich mir wohl selbst zuschreiben, war- um habe ich meine berufliche Kar- riere nicht frühzeitig und sorgfältiger geplant, sondern erst einmal dafür gesorgt, daß der Generationenver- trag erfüllt wird und meine Herren Kollegen später ihre Rente beziehen können?

Um die Geschichte zum Ende zu bringen, es gibt natürlich kein

„happy-end". Das o. e. Gespräch

verlief stereotyp. Für Mütter keine Chance?!

Ricarda Adelmund, Laatzen Dt. Ärztebl. 84, Heft 38, 17. September 1987 (21) A-2441

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Das ist deshalb notwendig, um vor allem diejenigen unter uns zu schützen, die durch diesen Virus besonders stark in Gefahr sind: Oma und Opa, Familienmitglieder, die schon schwere

Nicht zuletzt ermöglichte die Deutschland-Politik Willy Brandts das Viermächteabkommen über Berlin (1971), mit dem die geteilte Stadt nach Jahrzehnten, wie Henry Kissinger

Da Theaterspielen und damit sich selbst präsentieren mit viel Vertrauen gegenüber den Mitspielern und Zuschauern verbunden ist, sollte auch bei Kindern, die schon

KLEVE. Donnerstagsnachmit- tag Corona-Test, Freitagsvor- mittag Deutsch-Abitur – in diesem Rhythmus geht es für die Schüler der Joseph Beuys Gesamtschule durch die Abitur-

Nullwachstum als Ziel von wirtschaft licher Entwick- lung und beim Ressourceneinsatz bedeutet für unselbstständig Erwerbstätige aufgrund der makroökonomischen Zusammen- hänge

Bewerber gäbe es natürlich genug und vor zehn Jahren hätte ich kommen sollen, dann hätte ich sofort eine Stelle bekommen, mit diesen Worten entläßt er mich doch

Doch dann verwandelt sich der Schlafanzug Nacht für Nacht in einen Raumanzug, in einen Blaumann oder in einen Superheldenumhang.. Und Lotte merkt: Im Mondlicht ist alles möglich,

In Gesprächen mit den Multiplikator*innen und gegebenenfalls mit den Adressat*innen wird abgeklärt, ob ein Fall für NinA NRW vorliegt oder ob unter Umständen andere