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Archiv "Psychosomatische Grundversorgung: Erheblicher Nutzen" (21.09.2001)

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er Arbeitskreis Psychosomatische Grundversorgung* der Bundes- ärztekammer legt zur Grundver- sorgung von Patienten mit psychosoma- tischen und psychischen Störungen fol- gende Arbeitsergebnisse vor:

Die vom primär somatisch orientier- ten Arzt im Krankenhaus oder in der Praxis erbrachten psychosozialen Lei- stungen dienen zunächst der differenzi- aldiagnostischen Abschätzung des An- teils psychosozialer Belastungen und Probleme, unabhängig vom jeweiligen Krankheitsbild (zum Beispiel Krank- heitsverarbeitungsprobleme, psychoso- matische Wechselwirkungen oder ori- ginär psychische Störungen). Danach stellt sich die Frage: Was kann und muss der Arzt selbst leisten beziehungs- weise wo sollte mit Spezialisten, wie Psychotherapeuten oder Psychiatern, kooperiert werden? Besondere Bedeu- tung haben das erweiterte ärztliche Ge- spräch und symptomatische Behand- lungen, wie zum Beispiel das autogene Training oder die Progressive Muskel- relaxation.

Die psychosomatische Grundversor- gung hat für die Qualität der Versor- gung psychischer und psychosomati- scher Störungen eine entscheidende Bedeutung: Beim Hausarzt, in der Facharztpraxis oder im Krankenhaus wird ein Großteil der Störungen erst- mals erkannt. Hier bekommen die Pati- enten erste Unterstützung und Auf- klärung, und es wird geklärt, ob weitere Maßnahmen angezeigt sind und wo die- se – in einem zunehmend unübersicht- lich gewordenen System – gefunden werden. Keinesfalls steht die psychoso- matische Grundversorgung in Konkur- renz zu den anderen spezialisierten psy- chotherapeutischen und psychiatrischen

Leistungen. Beide, die Grundversorger und die Spezialisten, ergänzen einan- der.

Die Strukturqualität der psychoso- matischen Grundversorgung wird über- wiegend von der Kompetenz der hier tätigen Ärztinnen und Ärzte, kaum von Apparaten oder zusätzlichem Personal bestimmt. Allenfalls ist das Fehlen an- gemessener Räume für Gespräche ein Strukturproblem. Demzufolge hat der Arbeitskreis den Erwerb und den Er- halt einer angemessenen Qualifikation in den Mittelpunkt seiner Struktur-

empfehlungen gestellt und ein Mo- dellcurriculum entwickelt, das in mehr als 20 Institutionen erfolgreich genutzt wird:

❃ Die Lernziele ergeben sich aus der Definition der psychosomatischen Grundversorgung: Basisdiagnostik, das heißt die wichtigsten psychischen und psychosomatischen Störungsbilder er- kennen; Basistherapie, meist als erwei-

tertes Gespräch mit dem Patienten so- wie Kooperation mit den Spezialisten.

❃ Die Didaktik wird bestimmt durch die Ausgewogenheit von Wissenser- werb, praktischen Übungen und patien- ten- oder berufsbezogener Selbsterfah- rung.

❃ Die Themen richten sich nach den häufigsten Anforderungen, wie soma- toforme Störungen (vor allem Schmerz), somatopsychische Wechselwirkungen bei schweren und chronischen körperli- chen Krankheiten, psychische Störun- gen (vor allem Angst und Depression), Sucht und Abhängigkeit, Paar- und Fa- milienkonflikte.

Wichtig ist eine angemessene Quali- fikation der Dozenten, die ausgewiesen sein muss. Die Kursorganisation wird einerseits von den gültigen Richtlinien bestimmt (20 Stunden Theorie, 30 Stun- den praktische Übungen, 30 Stunden Balintgruppe), andererseits von didak- tischen Anforderungen, das heißt Kon- tinuität über circa ein Jahr, Kleingrup- penarbeit und regionale Ausrichtung.

Eine Evaluation der Kurse bei Teilneh- mern und Dozenten sollte mindestens am Anfang und am Ende eines Kurses erfolgen.

Prozessqualität: Instrumente und Maßnahmen

In der psychosomatischen Grundver- sorgung sind von fachkompetenten Mo- deratoren begleitete Qualitätszirkel not- wendig. Hilfreich können auch im Qua- litätszirkel entwickelte „lokale Leitlini- en“ sein, ergänzend zu übergreifen- den Expertenleitlinien. Musterfälle und Fallvignetten werden der Komplexität der psychosomatischen Grundversor- gung besonders gerecht.

Zusätzlich zur klinischen Dokumen- tation kann eine Basisdokumentation für den Einzelfall verwendet werden.

Ein Zeitaufwand von fünf bis zehn Mi- nuten bei der Datenerhebung und die Beschränkung auf das Grundlegende entscheiden darüber, ob sie akzeptiert wird.

Evidenzbasierte Expertenleitlinien zur psychosomatischen Grundversor- gung werden gegenwärtig von der Ar- beitsgemeinschaft der Wissenschaftli- chen Medizinischen Fachgesellschaften P O L I T I K

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A2396 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 38½½½½21. September 2001

Psychosomatische Grundversorgung

Erheblicher Nutzen

Die Bundesärztekammer stellt das aktualisierte

„Curriculum Psychosomatische Grundversorgung“ vor.

*Der 1994 vom Vorstand der Bundesärztekammer beru- fene Arbeitskreis berät in Fragen der psychosomatischen Grundversorgung. Die Autoren des Beitrags sind die Mit- glieder dieses Arbeitskreises.

Das Curriculum kann für 18,– DM (9,20 A) be- zogen werden beim Deutschen ÄrzteVerlag, Formularverlag, Dieselstraße 2, 50859 Köln, Fax: 0 22 34/7 01 14 70.

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e.V. erarbeitet. Ihr Wert liegt vor allem in der kontinuierlichen Sammlung und Dokumentation der verfügbaren Er- fahrungen. Eine zu starre Auslegung stößt im Behandlungsalltag hingegen auf Grenzen.

Die Erfolgsmessung stößt auf Schwie- rigkeiten: Einpunktmessungen ohne follow-up, zweifelhafte Reliabilität und Validität der Befragungsinstrumente, die von vielen Patienten als stigmatisie- rend erlebt werden („Psycho-Test“), kein Zugang zu administrativen Daten (zum Beispiel Aufwendungen je Pati- ent) aus Gründen des Datenschutzes.

Die Behandlungsangebote sind sehr he- terogen, was die vergleichbare Messung zusätzlich erschwert.

Folglich liegen nur wenige Wirkstu- dien vor, die begrenzt aussagekräftig sind. Eine günstige Wirkung der Grund- versorgung auf die Symptomentwick- lung wird in mehreren Studien gezeigt.

Es wurde deutlich, dass die Interventi- on eher bei leichten Störungen und wenn ein spezifisches Verfahren einge- setzt wurde, wirksam war. Selbst relativ einfache Maßnahmen, wie die regel- mäßige Wiedereinbestellung und Be- schwerdeexploration bei somatofor- men Störungen, hatten statistisch gesi- cherte Wirkungen.

Den Kosten der Intervention steht ein erheblicher Nutzen gegenüber: Ei- ne Metaanalyse aller verfügbaren Stu- dien zeigte eine Kostenreduktion um rund ein Drittel, vor allem durch Ver- ringerung der Krankenhauseinweisun- gen, wenn geeignete Maßnahmen be- reits in der Grundversorgung zur Verfü- gung gestellt wurden. Außerdem wird das psychosomatische Krankheitsver- ständnis und die Behandlungszufrie- denheit verbessert. Zur Lebensqualität gibt es keine publizierten Ergebnisse.

Literatur

Curriculum Psychosomatische Grundversorgung – Basis- diagnostik und Basisversorgung bei Patienten mit psy- chischen und psychosomatischen Störungen einschließ- lich Aspekte der Qualitätssicherung. Hrsg.: Bundesärzte- kammer; Texte und Materialien der Bundesärztekammer zur Fortbildung und Weiterbildung; Deutscher Ärzte- Verlag, Band 15, 2001.

Prof. Dr. med. Waltraut Kruse, Aachen Prof. Dr. med. Manfred Cierpka, Heidelberg Prof. Dr. med. Michael Wirsching, Freiburg Prof. Dr. med. Henning Saß, Aachen

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assenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG) sind zur- zeit kurz vor dem Schwur: Der seit Sep- tember 2000 diskutierte und nach dem GKV-Gesundheitsreformgesetz (§ 115 b SGB V) bis zum 31. Dezember 2000 ge- forderte Katalog ambulanter Operatio- nen und stationsersetzender Leistun- gen soll nun zum Jahreswechsel ent- scheidungsfähig sein. KBV und DKG sind sich in den Kernpunkten einig.

Sie wollen Anfang Oktober die drei- seitigen Verhandlungen beginnen, bei denen die Spitzenverbände der Kran- kenkassen dann mit einbezogen wer- den.

Ambulantes Operieren fördern

Der neue Katalog wird nach Angaben der KBV statt bisher 293 etwa 400 Opera- tionen umfassen, die in der Regel ambu- lant durchgeführt werden sollen. „Noch offen aus medizinischer Sicht ist vor al- lem die Frage, wie mit Eingriffen mittle- ren Risikoniveaus (relevante Komplika- tionen in einer Häufigkeit von circa 10 Prozent) umzugehen ist“, sagt Professor Martin Hansis, Leitender Arzt und stell- vertretender Geschäftsführer des Medi- zinischen Dienstes in Essen, der die Spit- zenverbände der Krankenkassen fachlich berät. Zusätzlich müssen die derzeitigen Vergütungs- und Qualitätsmaßstäbe im ambulanten Sektor neu definiert werden.

Vorerst wird es jedoch beim Reglement im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bleiben, so die DKG. Durch den seit 1. Januar 2000 mit In-Kraft-Treten des Gesundheitsreformgesetzes gelten- den § 115 b SGB V erhofft sich der Ge- setzgeber eine stärkere Verlagerung von Operationsleistungen aus dem statio- nären in den ambulanten Sektor. Die im Krankenhaus anfallenden Kosten für

Verpflegung und Unterbringung sowie Teilkosten für die postoperative Behand- lung sollen so eingespart werden – eine Absicht, die der Gesetzgeber bereits seit zwanzig Jahren verfolgt.

1981 wurden ambulante Operatio- nen erstmals finanziell besonders ge- fördert. Eine weitere Ausweitung des ambulanten Operierens wurde 1990 durch die Herausnahme ambulanter Operationen aus der pauschalierten vertragsärztlichen Gesamtvergütung erzielt. Nach einer Periode mit steigen- der Tendenz der Zahl ambulant durch- geführter Operationen ging sie zwi- schen 1998 und 1999 um rund 14 Pro- zentpunkte auf 5 459 518 zurück*. Ob mit der Umsetzung des § 115 b SGB V eine Kehrtwende erreicht wird, be- zweifelt zum Beispiel der Marburger Bund in seiner Stellungnahme zur Ge- sundheitsreform 2000. Obwohl der Verband der Krankenhausärzte „einer Umorientierung im Bereich ambulan- ter Operationen grundsätzlich positiv gegenübersteht“, plädiert er für eine

„Streichung des Paragraphen“. „Wer ambulantes Operieren fördern möchte, sollte Rahmenbedingungen erleichtern und finanzielle Anreize setzen und kei- nen weiteren, Zeit und Geld kostenden Bürokratismus etablieren“, so die Be- gründung.

Das Zentralinstitut für die kassenärzt- liche Versorgung (ZI) in Köln veröf- fentlichte bereits 1991 eine Studie, aus der hervorging, dass „bei konsequenter Verlagerung ambulant durchführbarer Operationen aus dem Krankenhaus in die Kassenarztpraxis ein jährliches Einsparvolumen von circa vier Milliar- den DM realisierbar wäre“. Als Be- gründung für die „theoretisch mögli- che, aber gegenwärtig kaum quantifi- zierbare Krankenhausentlastung“ durch

Gesundheitspolitik

Eine schwere Operation

Die erhofften Substitutionseffekte durch

Förderung des ambulanten Sektors blieben bisher aus.

*Diese Statistik erfasst nur GKV-Versicherte

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ambulante Operationen führte das ZI vor zehn Jahren an:

❃ „Ambulante Operationen werden in der Praxis des niedergelassenen Arz- tes nicht kostendeckend honoriert.“

❃„Kein verpflichtender Indikations- katalog besteht, ambulant mögliche Eingriffe von der stationären Leistungs- erbringung auszuschließen.“

❃„Die auch bei ambulanter Operati- onsdurchführung notwendigen Pflege- leistungen in der häuslichen Umgebung werden in Ermangelung ausreichender ambulanter Pflegedienste häufig nicht erbracht.“

Damals nahm sich der Gesetzgeber vor, das theoretische Einsparungspoten- zial auch praktisch effizienter zu nutzen.

Sogar in der Phase der strikten Budge- tierung ärztlicher Vergütungen zwischen 1993 und 1995 vereinbarte er Sonderre- gelungen für das ambulante Operieren.

Niedergelassene Ärzte erhielten für die ambulante Operation einen Zuschlag in Höhe von zehn Prozent jährlich außer- halb des Gesamtbudgets. Dennoch ver- schlechterte sich ihre finanzielle Situati- on. Gestiegene Lebenserwartung, ver- minderte Geburtenrate und medizini- scher Fortschritt führten zu einem un- vorhergesehenen, rasanten Punktwert- verfall. Honorareinbußen in Höhe von 50 Prozent waren keine Seltenheit. Zu- sätzlich ergab sich durch das Gesund- heitsstrukturgesetz von 1992 eine neue Konkurrenzsituation im ambulanten Sektor. Krankenhäuser wurden für am- bulante Behandlungen zugelassen, das Belegarztwesen wurde ausgebaut. Auf diese Weise sollten die verschiedenen Versorgungsbereiche besser verzahnt werden. Trotzdem brachte das Gesetz nicht die erhoffte Kehrtwende. Zwar ist die Anzahl der ambulanten Leistungs- fälle im Krankenhaus in den letzten Jah- ren gestiegen, dennoch bewegt sich die Zahl mit 219 493 Fällen (1999) noch immer auf niedrigem Niveau.

Enorme finanzielle Defizite

Die Belegärzte, Bindeglied zwischen Krankenhaus und den Praxen niedergelas- sener Ärzte, klagen über ihre schlechte fi- nanzielle Situation. Diese wird zum Bei- spiel im Bereich der Kassenärztlichen Ver- einigung Koblenz deutlich. Für die be-

legärztlichen Leistungen erhielten die Ärz- te dort im ersten Quartal 2001 etwa 50 Pro- zent weniger Honorar als im Vorjahr. Auch die durchschnittliche Kostendeckungsrate der ambulanten Operationen liegt nach Angaben des Bundesverbandes für Ambu- lantes Operieren (BAO), Bonn, nicht höher als 40 bis 60 Prozent. Angesichts des- sen wurde häufig die Vermutung geäußert, dass Ärzte ihre Patienten für eine Operati- on aus ökonomischen Gründen lieber ins Krankenhaus überweisen. Die ambulante Durchführung sei oftmals nur „ein teures Hobby“ von Idealisten. Doch dies kann nicht der einzige Grund für den steten An-

stieg der Zahl der Leistungsfälle im sta- tionären Bereich sein. Denn selbst bei ei- ner Steigerungsrate von 39,29 Prozent bei den Leistungsfällen im ambulanten Sektor wuchs die Zahl der stationären Operatio- nen. Ein Substitutionseffekt blieb – zumin- dest statistisch gesehen – auf Bundesebene aus. Auch in Modellregionen, wie zum Bei- spiel in Mittelfranken, konnte trotz intensi- ver Förderung ambulanter Operationen und einem Anstieg der Fallzahlen in die- sem Bereich ein noch stärkerer Zuwachs im stationären Sektor nicht verhindert werden.

Eine Erklärung für den absoluten Anstieg der Fallzahlen liefert Dr. rer.

pol. Gerhard Brenner, Geschäftsführer des ZI. Er vermutet, dass Ärzte die Operationsbereitschaft ihrer Patienten steigern können, aber mit dieser Moti- vation nicht immer diejenigen errei- chen, die sich tatsächlich operieren las-

sen wollten. Bei den ambulanten Ope- rationen handele es sich meist nicht um lebenserhaltende Maßnahmen, sondern um Eingriffe zur Steigerung der Lebens- qualität. Patienten, die sich bisher nicht zu einer Operation entschließen konn- ten, würden durch die Ärzte dazu moti- viert. Diese würden folglich „neues Operationspotenzial erschließen“. Die Grundproblematik, die Brenner er- wähnt, hat sich im Vergleich zu der vor zehn Jahren nicht grundlegend geän- dert: Trotz hohem technischen Auf- wand ist eine Kostendeckung im ambu- lanten Sektor noch immer nicht gewähr-

leistet. Krankenhäuser werden nicht un- mittelbar entlastet, die angestrebten Einsparungen für das gesamte System bleiben aus. Mit dem 1. und 2. GKV- Neuordnungsgesetz 1997 sollte die Lage der ambulanten Operateure verbessert werden. Die Kassenärztlichen Vereini- gungen erhielten die Erlaubnis, mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen so genannte Strukturverträge abzuschlie- ßen. Auf Länderebene wurden nach

§ 73 a SGB V besondere Vergütungs- und Versorgungsstrukturen für ambu- lante Operateure vereinbart, um in Mo- dellregionen den gewünschten Verlage- rungseffekt von stationär nach ambu- lant zu erzielen. Im Rahmen eines sol- chen Vertrages bezahlte die AOK Hes- sen zum Beispiel für ambulante Opera- tionen 12 Pfennig zusätzlich zum ärztli- chen Gesamtbudget. Die gewünschte P O L I T I K

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Ambulante Operationen: Kann durch Förderung neues Potenzial erschlossen werden?

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Steigerung im ambulanten Sektor zeigte sich durch eine Zuwachsrate von 12 bis 15 Prozent bei im gleichen Zeitraum sin- kenden stationären Fallzahlen. Dieses Ergebnis, das auf Bundesebene noch immer angestrebt wird, hatte jedoch an- stelle einer Kostenersparnis erhebliche Mehrausgaben zur Folge: Im Jahr 2000 gab die AOK nur für die ambulanten Operationen 50 Millionen DM zusätz- lich aus. Aufgrund der starren sektora- len Budgets der Krankenhäuser erzielte sie im stationären Bereich aber keine entsprechende finanzielle Entlastung – wenn auch in Hinblick auf einzelne Dia- gnosen durchaus Einsparungen ver- zeichnet werden konnten. Die AOK kündigte den Vertrag zum 30. Septem- ber 2001.

Das Beispiel Hessen ist kein Einzel- fall. Zwar sind oft Folgeverträge geplant, doch nach Ansicht des Präsidenten des BAO, zugleich Präsident Fachärztlicher Berufsverbände e.V., Dr. med. Jörg-An- dreas Rüggeberg, Chirurg aus Bremen, sind diese Strukturverträge ohnehin nur

„einige Schwimmreifen, die den Passa- gieren der Titanic noch hinterhergewor- fen werden, um nicht unterzugehen“. Es müsste endlich eine bundesweite akzep- table Basis für ambulante Operateure geschaffen werden. Die gesetzliche Krankenversicherung betont (www.g-k- v.com/jougesetz.html), dass die Neurege- lungen zur integrierten Versorgung „po- sitive Ansätze zur verbesserten Koordi- nation der Leistungserbringung und zur

Verzahnung des ambulanten und sta- tionären Sektors“ seien. Noch 1998 fand man häufig in der Fachpresse Berichte über Streikandrohungen der ambulan- ten Operateure, die sich ihrer Ansicht nach mit der Arbeit „ins eigene Fleisch schnitten“. Inzwischen scheint es um die- ses Thema still geworden zu sein. Nach Rüggeberg ist die Situation der ambulan- ten Operateure aber unverändert „deso- lat“. Er meint, dass eine Resignation vonseiten der Ärzteschaft eingetreten sei. Von dem Katalog der ambulanten Operationen erhofft er sich keine

„grundlegenden Veränderungen, da die Operateure schon jetzt Leistungen er- bringen, die weit über den derzeitigen Katalog hinausgehen“.

Neben dem viel diskutierten theore- tischen ökonomischen Vorteil sprechen für das ambulante Operieren einige Studien, die ergeben haben, dass Pati- enten sich in häuslicher Umgebung schneller und besser erholen können.

Insbesondere für Kinder und ältere Menschen sei die Trennung vom ge- wohnten Umfeld häufig eine starke psy- chische Belastung. Darüber hinaus ent- geht man durch den ambulanten Ein- griff dem Risiko einer nosokomialen Infektion. „Der Qualitätsstandard am- bulanter Operationen ist in der letzten Zeit erheblich gesteigert worden“, sagt Dr. med. Michael Scholz von der Arbeitsgemeinschaft Niedergelassener Chirurgen Nordrhein. Tatsache ist, dass im ambulanten Bereich nur zugelassene

Fachärzte die Genehmigung zum Ope- rieren erhalten („Facharztstandard“), während im Krankenhaus auch der Arzt im Praktikum und der Arzt in Wei- terbildung zum Skalpell greifen. Dage- gen wird häufig eine bessere vor- und nachstationäre Behandlung im Kran- kenhaus als Argument für eine sta- tionäre Behandlung angeführt.

Schwieriger Kompromiss

Die lange Diskussion um das ambulante Operieren verdeutlicht die Problematik einer Verlagerung aus dem stationären in den ambulanten Sektor. Das Ziel des Ge- setzgebers ist das Etablieren „stationser- setzender Leistungen“, die viele Kranken- häuser zunehmend unter Reformdruck setzen könnten. Demgegenüber stehen die Niedergelassenen, die sich über den

„Hamsterradeffekt“ in der ambulanten Versorgung beklagen. Für das gleiche Ge- halt werden ein zunehmender Qualitäts- standard und mehr Leistung erwartet. Das ZI ermittelte zum Beispiel für den Zeit- raum 1994 bis 1997 auf Basis einer Studie des Instituts für Gesundheits- und Sozial- forschung (IGES), Berlin, dass die ärztli- chen Aktivitäten um 7,7 Prozent gestei- gert wurden. Eine entsprechende Anhe- bung der ärztlichen Budgets ist angesichts des bis zum Jahresende erwarteten Defi- zits der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von fünf Milliarden DM nicht zu er- warten. Dennoch wird die Diskussion um die Ausschöpfung des Einsparpotenzials

„ambulante Operationen“ weitergehen.

Nicht nur von dem Katalog ambu- lanter Operationen und stationserset- zender Leistungen erhofft sich die Gesundheitspolitik Veränderungen.

Noch größere Erwartungen richten sich an die Einführung des DRG-Ver- gütungssystems ab 2003 (Vergütung auf Basis von „Diagnosis Related Groups“). Krankenhäuser sollen dem- zufolge leistungsgerecht pauschal per Fall entlohnt werden. Die Leistungen von Krankenhaus und Praxis werden dann besser vergleichbar. „Die Förde- rung ambulanter Operationen wird mit der Einführung des neuen Vergü- tungssystems erheblich erleichtert“, vermutet ein Sprecher der DKG. Doch bis dahin seien noch viele „Hürden zu

nehmen“. Tanja Anheier

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A2400 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 38½½½½21. September 2001

Hoher Qualitätsstandard, aber niedrige Kostendeckungsrate beim ambulanten Operieren

Fotos: Peter Wirtz

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