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Archiv "Psychosomatische Grundversorgung: Strukturiertes Fortbildungsprogramm im Praxisalltag" (18.11.1994)

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THEMEN DER ZEIT AUFSÄTZE

Psychosomatische Grundversorgung

Strukturiertes Fortbildungsprogramm im Praxisalltag

Kurt Fritzsche, Peter Schvvoerer und Michael Wirsching

Die Einführung der psychosomatischen Grundversorgung in die Psychotherapie-Richtlinien im Jahr 1987 ist ein „Mei- lenstein" auf dem Weg zur Verbesserung der ärztlichen Ver- sorgung. Die Entwicklung schreitet voran: Im Mai 1992 wurden vom 95. Deutschen Ärztetag Inhalte der psychoso- matischen Grundversorgung in die Musterweiterbildungs- ordnungen aller klinischen Gebiete aufgenommen. Die Ver- tragspartner der Psychotherapie-Vereinbarungen haben die Qualifikationsvoraussetzungen zur Durchführung der psy- chosomatischen Grundversorgung nach den Nummern 850

und 851 BMÄ/E-G0 inhaltlich und quantitativ einheitlich festgelegt (Deutsches Ärztebiret, Heft 51-52/1993). Die Vereinbarung trat am 1. Ja' 1994 in Kraft. Danach müssen, neben einer minde. ±ifeijährigen Erfahrung in selbstverantwortlicher ärztlichetsifätigkeit, Kenntnisse und Erfahrungen in psychosomatischer Grundversorgung im Umfang von mindestens 80 Stunden erworben werden. Da- von sind 50 Stunden dem Erwerb theoretischer Grundlagen und der Vermittlung und Einübung verschiedener Interven- tionsformen vorbehalten.

D

ie Lernziele und -inhalte der psychosomatischen Grund- versorgung sind: Erheben einer psychosomatischen Anamnese, Übungen zu den ver- schiedenen Formen der Gesprächs- führung, Erwerb von Kenntnissen über Entwicklung, Verlauf und Be- handlungsmöglichkeiten von neuro- tischen, psychosomatischen Krank- heiten und Psychosen, das Erken- nen von seelischen und zwi- schenmenschlichen Problemen in Entwicklung und Aufrechterhal- tung von teilweise komplexen orga- nischen Erkrankungen. Die Nutz- barmachung der Interaktionen zwi- schen Arzt und Patient steht im Mittelpunkt. Neben dem Erlernen einer eigenen begrenzten therapeu- tischen Kompetenz soll auch die rechtzeitige Indikationsstellung für weiterführende psychotherapeuti- sche Verfahren vermittelt werden.

Diese Theorie-Praxis-Seminare werden ergänzt durch die Teilnah- me an einer 30 Stunden umfassen- den Balint-Gruppe.

Vorarbeiten wurden in vielen Bundesländern, vor allem an der Hessischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung (Bad Nau- heim), geleistet. In Südbaden wurde

von der Bezirksärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, die einen wesentlichen Teil der An- schubfinanzierung trug, in Zusam- menarbeit mit der Universität Frei- burg (Abteilung für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin) ein Programm entwickelt, erprobt und evaluiert. Dieses erwies sich in Form und Inhalt als wegweisend, indem einerseits Verknüpfung von.

Theorie, Praxis und Selbsterfah- rung, andererseits ein sehr starker Praxisbezug durch Ausrichtung an grundlegenden Handlungsanforde- rungen und schließlich das flexible Eingehen auf unterschiedliche Fachrichtungen, Arbeitsfelder und Kompetenzen der Teilnehmer lei- tend waren. Über dieses Konzept ist kürzlich ausführlich berichtet worden (Fritzsche und Wirsching, 1993).

Akzeptanz des

Fortbildungsangebotes

Die Teilnehmerinnen und Teil- nehmer kamen überwiegend aus dem Kernbereich hausärztlicher Versorgung: Allgemeinmediziner (rund 50 Prozent) und Internisten

(rund 25 Prozent) in eigener Praxis stellten den Hauptanteil. Die mei- sten sind in mittleren Jahren, be- reits langjährig im Beruf (etwa 15 Jahre) und in eigener Praxis (rund sechs Jahre) tätig. Die Hälfte hat bereits einschlägige Vorerfahrun- gen, meist in Balintgruppen, gesam- melt.

Die Zufriedenheit mit dem Programm war sehr hoch und über- schritt fast immer drei von vier möglichen Bewertungspunkten.

Gleiches gilt für die Einschätzung des Informationsgehaltes und der Praxisorientierung der Klein- und Großgruppenveranstaltungen. Die meisten gaben an, auch ohne Not- wendigkeit eines formalen Nach- weises die Fortbildung zu absolvie- ren. Die Fluktuation in den Veran- staltungen war sehr gering, die Be- reitschaft zur Evaluation hoch. Die Rücklaufquote der Fragebögen be- trug etwa 70 Prozent.

Die diagnostische Kompetenz steigt, den Teilnehmern gelingt es besser, psychische Störungen zu er- kennen und zu differenzieren. Auch die Beratungs- und Betreuungs- kompetenz wächst, das heißt: Pro- bleme werden nicht nur erkannt, sondern den Patienten kann auch A-3174 (34) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 46, 18. November 1994

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Einschätzung der eigenen Arbeitssituation

Arbeitszufriedenheit Sicherh. Umgang Pat.

Zeitaufw. / Patient Gesamtarbeitszeit

DA

2,5 3

Noch Fortbildung

3,5 4

Abb. 2

Mitte rte 1,5 2

Vor 1

1

13111111111M1

3111111.11»161MINIL__

Einschätzung der psychosozialen Kompetenz

DA

111•11111

1

Vor Abb. 1

Diagnostik Beratung Basistherapie Weitervermittlung Motivation d. Pot.

Mittelwerte 2 Z5

Noch Fortbildung THEMEN DER ZEIT

geholfen werden (Abbildung 1).

Die Wirksamkeit ihrer therapeuti- schen Maßnahmen schätzten die Ärzte nach der Fortbildung recht hoch ein. Wichtig ist schließlich noch die verbesserte Fähigkeit zur Kooperation mit Psychotherapeu- ten. Insbesondere die qualifizierte Weitervermittlung von Patienten, die eine Fachpsychotherapie benötigen, gelingt besser.

Die Bereitschaft der Patienten, sich auf Gespräche mit dem Arzt einzulassen, wird vor und nach dem Programm durchweg hoch einge- stuft.

Wenn sich demnach, in der Ein- schätzung der Teilnehmer, die Pati- entenversorgung deutlich gebessert hat, so interessiert als nächstes die Situation des Arztes selbst.

Auswirkung

der Fortbildung auf die Arbeitssituation

Die Ergebnisse sind eindeutig:

Die Arbeitszufriedenheit wächst.

Es macht offenbar mehr Freude, die Patienten besser zu verstehen und ihnen besser helfen zu können (Abbildung 2). Der Arzt fühlt sich sicherer im Umgang mit seinen Pa- tienten. Dies ist nicht verwunder- lich, wenn ein größerer Anteil der Anliegen professioneller aufgenom- men werden kann. Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung, „spre- chende Medizin" scheitere an der knappen Zeit, geben die Teilneh- mer an, daß sich der Zeitaufwand je

AUFSÄTZE

Patient und die persönliche Ge- samtarbeitszeit durch die Fortbil- dung nicht geändert hat. Zeiterspa- rend ist „sprechende Medizin"

nicht, aber sie kostet offenbar auch nicht mehr Zeit. Mit gleichem Zeit- aufwand kann unterschiedlich Sinn- volles und Wirksames erbracht wer- den.

Wenn dennoch, auch nach der Fortbildung, Leistungen der psy- chosomatischen Grundversorgung (Nummern 850 und 851) in sehr be- grenztem Umfang in der Abrech- nung geltend gemacht werden, so liegt dies sicher an der nach wie vor geringen Honorierung dieser Lei- stung. Der Aufwand lohnt nicht und wird ab einem bestimmten Um- fang sogar zum betriebswirtschaftli- chen Risiko.

Auswirkung

auf die Medikamenten- verordnung

Verglichen wurden 100 reprä- sentative Fortbildungsteilnehmer in allgemeinärztlichen und internisti- schen Praxen mit einer Vergleichs- gruppe von Ärzten, die nicht an der Fortbildung teilnahmen, aber im gleichen Zeitraum und im gleichen Fachgebiet, bei gleicher Praxis- größe und Praxisstandort (Stadt- Land) tätig waren. Ermittelt wur- den die Kosten der je Patient ver- ordneten Medikamente in fünf Quartalen zwischen 1/1991 und 1/1993 (Abbildung 3).

Vor Beginn der Fortbildung (1/1991) verordneten unsere Teil- nehmer bereits deutlich weniger Medikamente als die Vergleichs- gruppe (statistisch nicht gesichert).

Dieser Abstand nimmt mit saisona- len Schwankungen kontinuierlich zu und ist am Ende (4/1992) stati- stisch signifikant (p<05). Beide Gruppen senkten beim Inkrafttre- ten des Gesundheitsstrukturgeset- zes (GSG) (1/1993) in gleichem Umfang (28 Prozent) ihren Medika- mentenverbrauch im Vergleich zum Vorjahr (sogar um 40 Prozent ge- genüber dem erhöhten 4. Quartal von 1992).

Wenn auch die Einsparungen im Einzelfall gering erscheinen mö- gen (8 DM in 4/1992), kumulieren diese bei Zusammenziehung meh- A-3176 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 46, 18. November 1994

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DX

Medikamenten-Verordnungskosten-Entwicklung

DIA 360

DM 340

DM 320

DM 300

DM 280

@NM Teilnehmer 1 1 Referenzgruppe Ali.3 DM 351,87

4 THEMEN DER ZEIT

rerer Quartale (1/1992, 4/1992, 1/1993) auf mehr als 40 DM. Wenn diese mit der durchschnittlichen Zahl der Patienten und den 100 Praxen multipliziert werden, gelan- gen wir leicht zu einem Millionen- wert, der die Kosten der Fortbil- dung bei weitem aufwiegt. Ob darü- ber hinaus noch andere Kosten ge- spart werden (zum Beispiel diagno- stische Maßnahmen, Krankschrei- bungen, Krankenhauseinweisungen usw.), muß noch geprüft werden.

Ausblick

Bei der laufenden Neugestal- tung unseres Gesundheitssystems spielt die Stärkung der vom Arzt er- brachten unmittelbar patientenbe- zogenen Anteile in der Medizin ei- ne überragende Rolle. Menschen in Lebenskrisen, Patienten mit neuro- tischen und funktionellen Störun- gen, schwer und chronisch Kranke, die mit ihrer Krankheit nicht fertig werden oder bei denen der Krank- heitsverlauf von psychosomatischen Einflüssen bestimmt wird — fast im- mer wird zuerst, oft sogar als einzi- ges, ein Arzt aufgesucht. Hier wer- den die Weichen gestellt in Rich- tung schneller und wirksamer Hilfe, oder in Richtung Verschleppung und Chronifizierung mit Folgelei- den und Folgekosten.

Eine funktionierende Fortbil- dung ist eine unverzichtbare — wenn auch nicht ausreichende — Voraus- setzung einer guten Versorgungs- qualität. In der Auswahl der ange- messenen Wissensinhalte, der an- wendbaren und wirksamen Metho- den und dem Erlernen einer wirksa- men Gestaltung der Beziehung zum Patienten liegen die Hauptaufga- ben.

Weitere Maßnahmen sind nötig: Eine stärkere Berücksichti- gung psychosozialer Anteile bei der jetzt bevorstehenden grundlegen- den Neugestaltung des Medizinstu- diums, die Integration der psycho- somatischen Basiskompetenz in Aus- und Weiterbildung in der Kli- nik sowie qualitätserhaltende und fördernde Maßnahmen im ambu- lanten Bereich. Dazu gehört vor al- lem eine angemessene Vergütung

AUFSÄTZE/DIE GLOSSE

der für eine psychosomatische Me- dizin aufgewendeten Zeit.

Das Fortbildungsprogramm konnte seine Wirkung auf die Pati- entenbetreuung, die Arbeitszufrie- denheit und den Medikamentenver- brauch nachweisen. Hierfür war mit Sicherheit auch die Kooperation mit etwa 40 bis 50 Psychotherapeu- ten und Psychosomatikern der Re- gion wichtig, welche als Dozentin- nen und Dozenten den Teilnehme- rinnen und Teilnehmern ihres un- mittelbaren Einzugsgebietes begeg- neten. Hier wurden oft jenseits des offiziellen Curriculums Wege der Zusammenarbeit gebahnt, die in jahrzehntelangem Aneinander-Vor- beiarbeiten verschüttet waren.

Das Fortbildungsprogramm ist jetzt Bestandteil der neu gegründe- ten Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung in Südbaden. In diesem Rahmen soll es fortent- wickelt und weiterhin wissenschaft- lich begleitet werden.

Literatur

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 51-52/1993.

Fritzsche, K. und M. Wirsching: Psychosoma- tische Grundversorgung, Konzept, Umset- zung, erste Erfahrungen, Zeitschrift für All- gemeinmedizin, 1993; 69: 294-298

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Kurt Fritzsche Arzt für Innere Medizin, Psychotherapie, Psychoanalyse Klinikum der Universität Freiburg, Abteilung Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Hauptstraße 8

79104 Freiburg

Sensitiv...

Kreativ...

Dieser Tage mußte ich mich viel mit Computern beschäftigen.

Nein, nein, ich habe nach wie vor keinen und kann auch nicht damit umgehen. Es war sozusagen eine platonische Angelegenheit — und ich dachte wieder einmal, wie merk- würdig es doch ist, daß sich so viele Menschen — selbst die angeblich so charakterfesten, individualistischen Ärzte — jene fürchterliche Sprache aufzwingen lassen. Sollte ich mir je so ein Ding anschaffen müssen, würde ich mich heftig dagegen weh- ren, daß es mir mit einer Einrich- tung für „kontextsensitive Hilfe"

geliefert wird. Daß man als Compu- terbesitzer eine Hilfe braucht, ist klar; aber bitte sehr: was heißt denn das eigentlich, „kontextsensitiv"?

Man sollte sich gegen solche hohlen Phrasen viel mehr zur Wehr setzen!

Manche merken es auch gar nicht mehr und werden dann selbst

„wortschöpferisch" tätig. So entste- hen völlig neue, falsche Begriffe wie

„College-Mappe" (ein Kolleg ist et- was ganz anderes als ein College).

Oder das schon reichlich komische

„Check-Inn" in einem Hotel.

Leider hat sich auch eine Uni- versitätsklinik in Deutschland nicht zur Wehr gesetzt, als man ihr ein Fax-Gerät lieferte und es gleich programmierte. Sein Programm enthält in der Absenderzeile nicht einfach Datum und Nummer; auch nicht etwa „Absender" oder auf gut Neudeutsch „From" usw. Sondern da steht: „Created: Mittwoch, 2. November, 17.54 Uhr". Also: je- des Telefax ein „Schöpfungsakt" — und darauf lassen sich Mediziner ein!

Auf dem Deckblatt, wo der Empfänger und das „Betreff" ein- getragen werden sollen, steht dann vorgedruckt folgendes (sic!):

„Wenn Sie Probleme beim Emp- fang diese Dokuments haben rufen Sie bitte unter . . . an."

Aus Höflichkeit verschweige ich diese Telefonnummer. gb A-3178 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 46, 18. November 1994

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