DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
W
ann immer Dr. Ulrich Oesingmann, Vorsit- zender der Kassenärztli- chen Bundesvereini- gung (KBV), in den zurückliegenden Wochen auf die Pläne der KBV in Sa- chen hausärztlicher Versorgung an- gesprochen wurde, lautete die Ant- wort: "Wir wollen strukturelle Ver- besserungen, aber keine Teilung der Ärzteschaft." Oesingmann betont dies nicht von ungefähr, denn er weiß um die Mißverständnisse, die sich bei einigen Arztgruppen mit dem Stich- wort "Hausarzt-Konzept" verbinden.Das Papier, das die KBV im Dezem- ber in die Vertreterversammlung ein- bringen will, dürfte indessen die Be- denken zerstreuen. Die darin ange- stellten Überlegungen sind eindeutig auf eine bessere Zusammenarbeit in- nerhalb der Kassenärzteschaft ausge- richtet, nicht zuletzt, um auf diese Weise den zunehmenden Konkur- renzdruck für alle zu mindern.
Während beim ersten Anlauf zu einem strukturellen Wandel der kas- senärztlichen Versorgung noch Vor- schläge zur inhaltlichen Abgrenzung zwischen hausärztlicher und fach- ärztlicher Versorgung auf dem Tisch lagen, beschränkt sich das überarbei- tete KBV-Papier nun ausschließlich auf die Definition von Inhalt und Um- fang der hausärztlichen Tätigkeit.
Zudem basiert das Konzept auf der Unverzichtbarkeit der hochwertigen Medizintechnik, so daß der Vorwurf einer Technikfeindlichkeit ernsthaft nicht erhoben werden kann.
Und noch ein wichtiger Punkt:
Die Entscheidung, im Rahmen des jeweiligen Fachgebiets an der haus- ärztlichen Versorgung teilzuneh- men, soll Allgemeinärzten, Prakti- schen Ärzten, Kinderärzten und In- ternisten in gleicher Weise offenste- hen. Konkret heißt das: Die Ärzte der genannten Gruppen können, so- fern sie das wollen, die Zuordnung zur hausärztlichen Versorgung bei ihrer zuständigen KV beantragen.
Voraussetzung für die Teilnahme ist allerdings, daß der Schwerpunkt ih- rer Arbeit auf der hausärztlichen Tä- tigkeit liegt. Der Maßstab wird dabei im wesentlichen der Anteil an Bera- tungen, Hausbesuchen und Untersu- chungen sein - also die Leistungen der EBM-Abschnitte B 1, 2 und 4.
AKTUELLE POLITIK
Hausarzt-Konzept
Die Arzte haben es ••
selbst in der Hand
Hand in Hand mit der quantitativen und inhaltlichen Definition der hausärztlichen Tätigkeit geht nach den Vorstellungen der KBV ein re- formiertes Vergütungssystem, das die spezifischen hausärztlichen An- forderungen angemessen honoriert.
Oesingmann dazu vor dem Hausärz- tetag des Berufsverbandes der Prak- tischen Ärzte und Ärzte für Allge- meinmedizin (BPA) in Bad Honnef:
"Eine gesonderte Vergütung - wir
KBV strebt einen behutsamen Strul<turwandel an
haben sie Komplexgebühr für haus- ärztliche Tätigkeit genannt - würde dann zusätzlich zu dem Honorar für die abgerechneten Einzelleistungen zu zahlen sein." Die gesonderte Ver- gütung soll freilich nur für die Be- handlungsfälle gezahlt werden, bei denen keine Leistungen außerhalb der definierten hausärztlichen Tätig- keit abgerechnet werden.
Auf diese Weise, so die KBV, könnte den Besonderheiten der hausärztlichen Tätigkeit Rechnung getragen werden. Dazu zählt nach dem KBV-Konzept die umfassende Übernahme folgender Aufgaben:
..,.. Die allgemeine und fortge- setzte Betreuung der Patienten in Diagnose und Therapie: das schließt die Berücksichtigung der persönli- chen Lebensumstände und des sozia- len Umfelds ein, die hausärztliche Präsenz mit Dienstbereitschaft für erkrankte eigene Patienten auch in den sprechstundenfreien Zeiten und regelmäßige Hausbesuche zur Be-
handlung bettlägeriger, gebrechli- cher und pflegebedürftiger Patien- ten. Dazu gehört ferner die Notfall- versorgung wie auch die Teilnahme am ärztlichen N otfalldienst.
..,.. Die Koordination diagnosti- scher und therapeutischer Maßnah- men: insbesondere durch das Einbe- ziehen des speziellen ärztlichen Sachverstandes. Zur Koordination rechnet die KBV daneben die Zu- sammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Be- handlungsdaten, Befunde und Be- richte aus dem ambulanten und dem stationären Bereich. Außerdem: die Integration nichtärztlicher Hilfen (häusliche Pflege) in die Behand- lungsmaßnahmen und die kritische
Bewertung der Lebensführung des
Patienten, auch unter Berücksichti- gung der Selbstmedikation .
..,.. Präventive und rehabilitative Maßnahmen: individuelle Hilfe für den Patienten zum Abbau gesund- heitsschädigender Verhaltensweisen (zum Beispiel durch Ernährungs- und Diätberatung), Krankheitsfrüh- erkennung und das Aufzeigen von Strategien zur Krankheitsbewälti- gung.
Wenn dieses Hausarztkonzept in der Dezembersitzung der KBV- Vertreterversammlung eine Mehr- heit finden sollte, stehen als nächstes Verhandlungen mit den Kranken- kassen an. Aus Sicht der KBV dür- fen die strukturellen Verbesserun- gen nämlich auf keinen Fall durch Honorarumschichtungen von der fachärztlichen auf die hausärztliche Versorgung finanziert werden. Viel- mehr gehe es darum, mit den Kassen über eine zusätzliche Vergütung zu verhandeln. Oesingmann selbst ist da zuversichtlich. Er sieht durchaus die Bereitschaft der Kassen, die strukturellen und honorarmäßigen Verbesserungen mitzutragen. JM Dt. Ärztebl. 88, Heft 42, 17. Oktober 1991 (21) A-3489