A-1176 (36) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996 Krankheit ist nicht nur Schicksal.
Ein Großteil der Morbidität und Mor- talität in den westlichen Industrie- nationen steht unmittelbar mit der zivilisierten Lebensweise in Zusam- menhang. Über- und Fehlernährung, Bewegungsmangel, Nikotin- und Al- koholkonsum begünstigen die Entste- hung von Risikofaktoren und Erkran- kungen wie Adipositas, Hyperlipid- ämie, Hypertonie und Diabetes melli- tus. Die wiederum führen zur Arterio- sklerose und ihren Folgen, insbeson- dere Herzinfarkt und Schlaganfall.
Die gesundheitsgefährdenden Verhaltensmuster bezüglich Ernäh- rung, körperlicher Aktivität und Sucht werden bereits im Kindesalter geprägt. Aus diesem Grunde ist es notwendig, schon bei Kindern Verant- wortung und Bewußtsein für die eige- ne Gesundheit zu wecken und durch Aufklärung und Erziehung einer ge- sundheitsgefährdenden Lebensweise vorzubeugen. Die Eltern und Schulen müssen als primäre Einflußgrößen auf das Verhalten der Kinder in diese Maßnahmen mit einbezogen werden.
Rund 1 300 Familien nehmen teil
Das Präventions-Erziehungs-Pro- gramm (PEP) Nürnberg wurde ins Leben gerufen, um zum einen der Ent- stehung gesundheitlicher Risiken und einer gesundheitsgefährdenden Le- bensweise frühzeitig entgegenzuwir- ken und damit zur Prävention von Er- krankungen beizutragen. Zum ande- ren soll durch dieses Projekt die Effek- tivität frühzeitiger familien- und schul- orientierter Präventionsmaßnahmen in einer 14 Jahre dauernden, kontrol- lierten, prospektiven Langzeitstudie wissenschaftlich untersucht werden.
Das Präventions-Erziehungs- Programm wurde als Pilotprojekt erstmals im Schuljahr 1993/94 an zwei Nürnberger Grundschulen durchge-
führt. Im Herbst 1994 wurde das Pro- jekt 2 204 Familien aus 30 Grundschu- len, im September 1995 dann 2 685 Fa- milien aus 36 Grund- schulen angeboten.
Zwei weitere Jahr- gänge sind zur Rekrutierung von Teil- nehmern vorgesehen. Teilnahmebe- rechtigt sind alle Schulanfänger, de- ren Geschwister, Eltern und Großel- tern. 1994 entschieden sich 638 Fami- lien (28,9 Prozent), 1995 zirka 650 Fa- milien (zirka 25 Prozent) für die Teil- nahme.
Alle „PEP“-Familien werden jährlich über 14 Jahre im Hinblick auf die Lebensweise, aufgetretene Er- krankungen und bereits vorhandene Risikofaktoren interviewt und unter- sucht. Sodann werden die Teilnehmer durch Losentscheid über die Schule je zur Hälfte der Interventions- und der Kontrollgruppe zugeteilt. Alle Teil- nehmer bekommen nach Auswertung der Untersuchungen einen Gesund- heitspaß, in den gesundheitliche Risi- kofaktoren eingetragen sind. Die Fa- milien der Interventionsgruppe erhal- ten darüber hinaus eine regelmäßige Gesundheits- und Ernährungsbera- tung. In den Interventionsschulen fin- det ein Kinderprogramm statt, in dem den Kindern gesunde Lebensweise und gesunde Ernährung spielerisch nahegebracht werden.
Zum einen werden durch die Querschnittsuntersuchung aller Teil- nehmer wichtige Daten über die Ver- breitung und die familiäre Häufung gesundheitlicher Risikofaktoren ge- wonnen. Zum anderen werden Inter- ventions- und Kontrollgruppe durch Zwischen- und Endauswertung nach 14jähriger Beobachtung und Interven- tion bezüglich der Häufigkeit gesund- heitlicher Risikofaktoren verglichen.
Die wichtigsten Endpunkte bei dieser Auswertung sind ein Body Mass Index über 27 kg/m2 be- ziehungsweise Gewicht von mehr als 20 Prozent über Normalgewicht bei den Kindern, Blutdruck über 160/95 mmHg, Nikotinkonsum, LDL-Cho- lesterin über 155 mg/dl oder ein LDL/HDL-Cholesterin-Quotient über 5 sowie Triglyceride über 200 mg/dl. Dr. med. Andreas Sönnichsen
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE