4 2 0 Bücherbesprechungen
auffinden k a n n , wenn m a n , wie es der Sinologe n a t u r g e m ä ß t u t , v o m chine
sischen Zeichen ausgeht. Insgesamt ist zu sagen, daß m i t seiner neuen Arbeit MENGES nicht n u r Altaisten wie Sinologen reichen Stoff geboten h a t , sondern beide angeregt u n d geradezu herausgefordert h a t , dem interessanten u n d im
m e r noch in m a n c h e r Hinsicht ungelösten Problem der sprachlichen Verhält
nisse im K i t a n R e i c h erneut nachzugehen.
H E R B E R T F R A N K E , M ü n c h e n
A S K O P A R P O E A , S E P P O K O S K E N N I E M I , SIMO P A R P O L A a n d P E N T T I AALTO :
Decipherment of the Proto-Dravidian Inscriptions of the Indics Civilization.
A first announcement. T h e Scandinavian I n s t i t u t e of Asian Studies, Special Publications No. 1, Copenhagen 1969. 72 S.
Progress in the Decipherment of the Proto-Dravidian Indus Script. Ib. Spe
cial publications No. 2, Copenhagen 1969. 47 S.
Die Indusschrift, eines der letzten Schrifträtsel, die bislang dem Scharf
sinn der Philologen standgehalten haben, scheint entziffert zu sein. Zwar wird das, was das vierköpfige finnische T e a m in den zwei schmalen Bänd
chen1 bisher vorgelegt h a t , der kritische Betrachter noch lange nicht als voll
ständigen Beweis f ü r eine gelungene Entzifferung ansehen, aber die angewand
t e n methodischen Prinzipien sind so einleuchtend u n d konsequent u n d die mitgeteilten P r o b e n so ansprechend, daß m a n sich eine spätere Widerlegung jedenfalls der Grundlagen durch neuere A r g u m e n t e nur noch schwer vor
stellen k a n n .
Wie b e k a n n t , waren die Bedingungen zur Entzifferung bei der Indusschrift besonders ungünstig. Die erhaltenen Inschriften sind zwar zahlreich, aber n u r sehr k u r z ; Bilinguen fehlen ganz, u n d auch auf die zugrundeliegende Sprache fehlte jeder direkte Hinweis, wenn m a n auch immer wieder eine Vorform des Dravidischen darin v e r m u t e t e . Einiges war freilich schon a n der äußeren F o r m abzulesen: die Gesamtzahl von etwa 300 Zeichen schloß eine reine B u c h s t a b e n s c h r i f t ebenso aus wie eine rein ideographische (FA p. 8), die Schriftrichtung (von rechts nach links) war aus einer halb boustrophedon ge
schriebenen Zeile erkennbar, zu der eine Zweitfassung existierte (FA p. 18).
D a z u ergab n u n eine m i t Hilfe eines Computers erarbeitete Statistik eine Reihe von besonders häufigen Zeichen, die noch dazu vorwiegend a m E n d e der Inschriften v o r k a m e n u n d daher als Flexionsendungen gedeutet werden k o n n t e n (FA p. 12 u n d 18ff.). Der n u n folgende Arbeitsgang ist die origi
nellste Leistung u n d vorläufig auch das überzeugendste Ergebnis der Entzif
ferer. Man suchte die durch die noch nicht sehr abgeschliffenen Bildzeichen ursprünglich dargestellten Gegenstände zu finden u n d dann im Dravidian Etymological Dictionary von BTJRROW u n d EMENEATJ die dazugehörigen Wör
t e r bzw. deren H o m o n y m e zu ermitteln. Auf diese Weise wurde ein auf einer Tragstange Lasten (oder Eimer) tragendes Männchen als urdrav. *karai 'Tragstange' *kal (Pluralsuffix) gedeutet (p. 23), das (freilich schon sehr stilisierte) Bild eines Schiffes als *öta 'Schiff'~-*otu-ötu (Soziativsuffix), usw;
ein als ' K a m m ' (*pentika) deutbares Zeichen, das sich im Zusammenhang wie ein zwanglos als Mask.Bezeichnung erklärbares einfaches Stricbmännchen verhält, bezeichnet des feminine Genus (vgl. *penti 'Frau') (FA p. 29). Auch
1I n dieser Besprechung als F A u n d P r abgekürzt.
Originalveröffentlichung in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Wiesbaden, 120.1970(1971), S. 420-421
Bücherbesprechungen 4 2 1
die Existenz von Determinativen, auf die ja keine Bilderschrift auf ihrem We
ge zu einem phonetischen System verzichten k a n n , scheint richtig e r k a n n t , z.B. die ' H a n d ' f ü r Berufe (FA p. 33 u n d 3öff.). Dabei ist es eine Eigentüm
lichkeit der Indusschrift gegenüber v e r w a n d t e n Systemen, d a ß diese Deter
minative u n d anscheinend z.T. auch die Flexionsendungen m i t dem H a u p t zeichen zu graphischen Ligaturen verschmolzen sind. — Weniger bereitwillig als bei diesen noch mehr der formalen K o m p o n e n t e der Schrift geltenden Deu
tungen wird m a n den Entzifferungen bei d e m Versuch folgen, ins Inhaltliche einzudringen, d . h . konkret, das e r k a n n t e Rebusprinzip auch auf die S t a m m silben anzuwenden. Die D e u t u n g e n sind ohne Zweifel alle sehr geistreich, u n d m a n c h e sogar unmittelbar einleuchtend, wie z.B. das Bild eines Mörsers m i t Keule (*kurri/kurru 'im Mörser zerstampfen') in Ligatur m i t d e m Zeichen f ü r 'Mann' als 'Schreiber' [*kuri 'markieren, schreiben') oder 'Trommel' {*tampa,
*tampata) mit dem Fem.Zeichen als 'Priesterin' (*tampa, *tampala 'Tempel
priester'), aber bei vielen anderen k a n n m a n sich schwer vorstellen, d a ß es nicht auch anders sein k ö n n t e ; m a n h a t fast den Eindruck, als seien, nach
dem die ersten Bastionen im S t u r m genommen sind, der endgültigen Erobe
rung f ü r längere Zeit Hindernisse entgegengestellt, die sich einfach aus der N a t u r der Denkmäler ergeben u n d gegen die der größte Scharfsinn wenig aus
richten kann.
Dieser E i n d r u c k wird zunächst eher v e r s t ä r k t als abgeschwächt durch das zweite Bändchen „Progress in t h e Decipherment etc.", das die Entzifferer sehr rasch auf das erste h a b e n folgen lassen. E s enthält nämlich weniger wirklich wesentlich Neues über die eigentliche Schriftentzifferung als astralmytholo
gische Spekulationen über Öiva u n d K r s n a u n d deren E m b l e m e u n d Reit
tiere, die m a n in den Inschriften erwähnt glaubt. D a ß die W ö r t e r f ü r 'rot' (tarn, ce, cevv- usw. D E D 1607) u n d f ü r 'Ohr' (tarn, cevi usw. D E D 1645), m i t denen bei der D e u t u n g des N a m e n s Siva h a n t i e r t wird, alten &Anlaut h a b e n u n d damit auf keinen Fall mit tarn, ce- 'gerade' (usw., D E D 2265), das alten Palatal h a t , zusammengestellt werden können, scheint den Autoren im Eifer des Gefechts entgangen zu sein; die Identifikation von K r s n a m i t dem Planeten Saturn, bloß weil beide schwarz sind (Pr p. 18f.), wäre besser unge
d r u c k t geblieben. Auch die Mitteilungen über die vorsanskritische Astronomie der Tamulen (p. 25ff.) tragen, so interessant sie f ü r den Indologen sein mö
gen, mehr zu der heute im großen Stil begonnenen E h r e n r e t t u n g der original
dravidischen K u l t u r bei als zur Entzifferung der Indusschrift.
E i n abschließendes Urteil wird erst möglich sein, wenn alle gewonnenen Ergebnisse systematisch im großen R a h m e n dargestellt werden; d a n n wird auch eine großangelegte Zusammenarbeit mit Indologen, Religionsverglei
chern, Archäologen usw. möglich sein, die die Entzifferer der Mühe enthebt, zu ihrer sprachlichen Arbeit auch noch die kulturgeschichtlichen Folgerungen selbst erarbeiten zu müssen. Der eingeschlagene W e g scheint jedenfalls der richtige zu sein.
H E R M A N N B E R G E R , H e i d e l b e r g
29 ZTOIG 120/2