DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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it der Allgemeinmedi- zin/den Allgemeinärz-
a
ten verfährt die „hohe"Politik nach einer Abart der Echternacher Springprozession:
einen Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Seit Jahren wer- den die Politiker jedweder Pro- venienz nicht müde, mit warmen Worten ihr Interesse für eine qualitativ hochstehende allge- mein-/hausärztliche Versorgung zu bekunden. In vielen Sonn- tagsreden wird die unbestreitbar wichtige Rolle des Allgemein- und Hausarztes betont, der ein Garant für das Funktionieren des arbeitsteiligen, gestuften Gesundheitssystems sei und der eine umfassende Kompetenz ha- ben müsse.
Diese wohlklingenden The- sen sind offenbar Schall und Rauch; die Politik muß bei ih- rem Engagement für die Allge- meinärzte allein an den Taten gemessen werden. Daran hapert es aber seit langem. Beispiel:
Bundesarbeitsminister Dr. Nor- bert Blüm hatte in einem Schrei- ben an Bundesgesundheitsmini- sterin Prof. Dr. Ursula Lehr (am
Allgemeinmedizin
Nur leere
Versprechungen?
24. April 1989) betont, daß alles andere als eine mindestens drei- jährige Weiterbildung in der All- gemeinmedizin vor der Nieder- lassung eine „Scheinqualifikati- on" und eine „Scheinlösung" sei.
Damals betonte der für das Kas- senarztrecht und die Kranken- versicherung federführende Mi- nister: Auch für den Fall, daß ei- ne Verkürzung des Medizinstu- diums bis 1992 nicht zu errei- chen sei, wolle er an einer drei- jährigen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin als Zulas- sungsvoraussetzung für den in der Allgemeinmedizin tätigen Kassenarzt mit Wirkung vom 1.
Januar 1995 festhalten. Dieses den Allgemeinärzten und der KBV, insbesondere derem sei- nerzeitigen Vorsitzenden, Prof.
Dr. Siegfried Häußler, gegebene Versprechen soll nun urplötzlich
nicht mehr eingelöst werden.
Daß Blüm jetzt in einem Brief an Ärzteverbände auf den „Eu- ropraktiker" setzt, wurde beim Deutschen Hausärztetag als schallende Ohrfeige empfunden:
Danach würde ab 1995 eine nur zweijährige unstrukturierte spe- zifische Ausbildung in der Allge- meinmedizin genügen, um sich als praktischer Kassenarzt nie- derzulassen. Der sonst gar nicht so zimperliche Bundesminister schiebt jetzt „Nichtzuständig- keit" vor. Für das Berufsrecht sei allein der Bundesgesund- heitsminister und für die Wei- terbildung seien die Länder zu- ständig . . .
Der 13. Deutsche Hausärz- tetag in Kiel wertete den Umfall Blüms und die verfassungsrecht- lichen Ausflüchte des Ministers als einen nicht annehmbaren Af- front. Der Bundeskanzler solle nunmehr ein Machtwort spre- chen. Verlangt wird vom BPA ein „unverbrüchliches Junktim"
zwischen Reform der Weiterbil- dung und allgemeinmedizini- scher mindestens dreijähriger Weiterbildungspflicht. HC
I ed ie rd e n nAi vues rws iat hä lt ge ens pfrüärc hdei ne Zulassung zum Medizin- studium schneiden Frauen bes- ser ab als Männer, geht aus ei- nem Bericht der Bundesregie- rung hervor. Das ist gewiß ein wesentliches, aber keineswegs das einzige Ergebnis des Regie- rungsberichts.
Die zentralen Ergebnisse:
Die Hochschulen beurteilen die Zulassung über Auswahlgesprä- che überwiegend positiv. Die W RK tritt sogar dafür ein, die Quote von 15 Prozent der über diese Zulassungsmethode ver- teilten Stuclienplätze noch wei- ter zu erhöhen. Sie möchte den Hochschulen auch in ande- ren zulassungsbeschränkten Fä- chern die Möglichkeit einräu- men, Studienplätze über interne Eignungstests zu vergeben.
Die Bundesländer sehen in den Auswahlgesprächen für Stu- dienbewerber eine Möglichkeit,
Medizinstudium
Auswahlgespräche kommen gut an
ihr gewünschtes Medizin-Fach zu studieren, auch wenn sie ei- nen schlechteren Abiturdurch- schnitt oder einen schlechteren Mediziner-Test vorweisen.
Von den Universitäten Mar- burg und Nürnberg-Erlangen liegen auch Ergebnisse über die Haltung der Studenten zu den Auswahlgesprächen vor: Sie empfinden es als gut, daß sie ih- re Beweggründe für den Ent- schluß zum Medizinstudium persönlich und damit überzeu- gender vortragen können.
Die Bundesregierung meint, daß durch die Auswahlgesprä- che Studienanfänger ausgewählt werden, die ihr Fach aus innerer
Überzeugung studieren wollen.
Im Bericht der Bundesregierung heißt es, diese so ausgewählte Gruppe zeichne sich durch be- sondere Merkmale aus. Da- durch, daß die Auswahlgesprä- che die anderen Zulassungskri- terien relativierten, trügen sie — so die Bundesregierung — zu der vom Bundesverfassungsgericht geforderten „Mehrgleisigkeit"
bei den medizinischen Studien- gängen bei.
Aus den vorliegenden Er- gebnissen zieht die Bundesregie- rung den Schluß, daß die Mög- lichkeit geprüft werden müsse, die Quote der Auswahlgesprä- che zu erhöhen. Die Ergebnisse der Untersuchung haben einen weiteren Effekt: Die Bundesre- gierung sieht sich' nun in ihrem Vorhaben bestärkt, die Hoch- schulen stärker an der Auswahl ihrer Studienanfänger zu beteili- gen. Nicht nur in den drei medi- zinischen Disziplinen. hb
Dt. Ärztebl. 87, Heft 40, 4. Oktober 1990 (1) A-2941