Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Tuberkulose-Epidemiologie
weit überproportional betroffen. Ei- ne Risikogruppe bilden auch die Ausländer. Sie bringen ihre Epide- miologie, nicht ihre Erkrankung, mit.
Da die Tuberkulosesituation in den meisten Herkunftsländern ungünsti- ger ist als in der Bundesrepublik, erkrankten Ausländer öfter als die einheimische Bevölkerung, zum Teil infolge frischer Ansteckung. Sie ver- langsamen den Rückgang: Was oh- ne sie in vier Jahren erreicht wäre, benötigt mit ihnen fünf Jahre - das ist aber kein Grund zur Besorgnis.
Kein Land der Erde ist frei von Tu- berkulose, wenn auch einige Län- der, zum Beispiel die Niederlande, eine wesentlich vorteilhaftere Tuber- kulosesituation als die Bundesrepu- blik aufweisen.
Der rückläufige Trend hat sich allge- mein verlangsamt, die Kurven ver- laufen asymptotisch mit kleinen Jah- resschwanku ngen.
Nirgends zeichnet sich ein Wieder- anstieg ab; alle diesbezüglichen Be- fürchtungen sind unbegründet.
Der einzelne niedergelassene Arzt muß weiterhin mit dem Auftreten von Tuberkulose rechnen, wenn auch nur in Einzelfällen. Nicht mehr an die Tuberkulose zu denken, führt zu Todesfällen, die im Prinzip ver- meidbar sind und anklagen.
Literatur
(1) Lock, W.: Die Epidemiologie der Tuberku- lose, in: Jentgens, H. (Herausgeber): Lun- gentuberkulose, Handbuch der inneren Medi- zin, 5. Auflage, Band 4, 3. Teil, ·s. 189-280, Springer, Berlin/Heidelberg/New York (1981)- (2) Neumann, G.: Tuberkulose heute- Epide- miologie und Prävention, Hippakrates 47 (1976) 331-342-(3) Neumann, G.: Zur gegen- wärtigen und künftigen Tuberkuloseepidemio- logie, Bundesgesundheitsblat121 (1978) 57~0 - (4) Neumann, G.: Kindertuberkulose, Stutt- gart 1875-1977, Prax. PneumoL 33 (1979) 831-838- (5) Styblo, K.: Recent advances in epidemiological research in tuberculosis, Adv.
Tuberc. Res. 20 (1980) 1--63
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med.
Gerhard Neumann Hohe Straße 28 7000 Stuttgart 1
FÜR SIE GELESEN
Schädliche Wirkung von Prednisolon bei
HBsAg-positiver chronisch aggressiver Hepatitis
ln einer einfach blinden prospektiv kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit von Prednisolon bei 51 Patienten mit HBsAg-positiver chro- nisch aggressiver Hepatitis unter- sucht.
22 der 51 Patienten hatten bereits bei Behandlungsbeginn eine Zir- rhose.
Die Patienten erhielten paarweise randomisiert entweder Prednisolon {ID 15 bis20 mg, EHD 10mg/die) oder Placebo bis maximal dreieinhalb Jahre.
Nachuntersuchungen erfolgten zu- nächst wöchentlich, dann in einmo- natlichen und zweimonatlichen Ab- ständen.
Der biochemische Verlauf, die Re- missionsraten, die Rückfallhäufig- keit, die Komplikationsraten und die Mortalitätsraten beider Gruppen wurden verglichen.
~ Der in beiden Gruppen beobach- tete Transaminasenabfall war in der Prednisolon-Gruppe signifikant ge- ringer.
~ Der Bilirubin- und Globulinabfall war dagegen in der Verum-Gruppe geringfügig ausgeprägter.
~. Zwischen 2 und 12 Monate nach Therapiebeginn wurden in der Pred- nisolon-Gruppe hochsignifikant we- niger Remissionen erreicht als in der Placebo-Gruppe.
~ Durch Prednisolon wurde die Rückfallquote ab dem dritten Monat gegenüber der Kontrollgruppe na- hezu verdoppelt.
~ Komplikationen traten in der Prednisolon-Gruppe erwartungsge- mäß hochsignifikant häufiger auf.
~ Die Mortalitätsrate war in der Prednisolon-Gruppe signifikant höher.
Auch bei Auswertung einer Sub- gruppe der stark aktiven Krankheits- fälle (GOT über 250 f.tmol/min) kom- men die Autoren hinsichtlich Remis- sionsrate, Rückfallquote und Über- lebensrate zu den gleichen ungün- stigen Ergebnissen in der Predni- solon-Gruppe.
ln der Subgruppe der 29 Nicht-Zir- rhotiker war Prednisolon ungünsti- ger hinsichtlich Rückfallquote, Kom- plikationen und Überlebensrate, nicht jedoch bezüglich der Remis- sionsrate. Als Ausnahme wird eine auffallende Remission unter Predni- solon bei einem 36jährigen Kranken- pfleger berichtet. Wegen des gleich- zeitigen Nachweises von Antikör- pern gegen glatte Muskulatur wird diskutiert, ob es sich möglicherwei- se um eine autoimmune Hepatitis bei einem HBsAg-Träger handelte.
Leider veranlassen verschiedene Details der Studie, das Ergebnis kri- tisch zu werten:
~ Der hohe Anteil bereits initial be- stehender Zirrhosen könnte das Er- gebnis negativ beeinflußt haben.
~Die Todesursachen bei 5 von 7 verstorbenen Patienten in der Ve- rum-Gruppe sowie deren frühes Auf- treten lassen bezweifeln, daß diese überhaupt mit der Stereidtherapie in Zusammenhang zu bringen sind.
~ Nur 6 von 15 Patienten mit CAH ohne Zirrhose in der Placebo-Grup- pe lebten nach 18 Monaten noch.
Dieser schlechte Spontanverlauf stimmt nicht mit den Erfahrungen bei mäßig fortgeschrittenen CAH in Europa überein.
Eine generelle Ablehnung der Stere- idtherapie bei HBsAg-positiver CAH läßt sich aus der Studie (noch?)
nicht herleiten. Eri
Lam, K. Ch.; Lai, Ch. L.; Ng, R. P.; Trepo, Ch.;
Wu, P. C.: Deleterious effect of prednisolone in HBsAg positive chronic active hepatitis, N.
Engl. J. Med. 304 (1981) 380
2138 Heft 45 vom 5. November 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT