A1504 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 274. Juli 2008
B R I E F E
PSYCHOTHERAPIE
Der Mindestanteil von Ärzten soll von 40 auf 20 Prozent gesenkt werden (DÄ 18/2008: „Mindest- quotenregelung für ärztliche Psychothe- rapeuten: Ein guter Kompromiss“ von Pe- tra Bühring).
Blühender Wildwuchs
. . . Einen ärztlichen Psychothera- peutenmangel zu konstatieren und gleichzeitig psychotherapeutisch ausgebildete Ärzte aus der Versor- gung fernzuhalten, kann psychopa- thologisch nur durch Spaltungsvor- gänge, Verleugnungsprozesse und hohe Verdrängungsbereitschaft der Verantwortlichen möglich sein. Seit in Deutschland, weltweit übrigens einzigartig, ein Facharzt für Psycho- therapeutische Medizin eingeführt wurde, mit einem gigantischen, scheinbar fundierten Ausbildungs- pensum und einer überholten – vor allem mit dem Anspruch einer Fach- arztausbildung – Aufspaltung in Ver- haltenstherapie und tiefenpsycholo- gisch fundierte Therapie, sinkt selt- samerweise die Bereitschaft von Ärzten, psychotherapeutisch zu ar- beiten. Merkwürdig? Nein, keines- wegs. Wer sich die Mühe macht, die Kosten und zeitliche Anforderung eines solchen Facharztes nachzu- rechnen, käme auf einen wirtschaft- lichen Irrsinn. Einzig die vielen selbsternannten Ausbildungsinstitute und Supervisoren sehr unterschiedli- cher Qualität profitieren. Finanziell natürlich, ob das auch einer „guten fundierten Weiterbildung“ dient, das hat noch niemand wirklich über- prüft. Durch das Fehlen jeglicher Qualitätssicherung und Evaluation
blüht gerade im psychotherapeuti- schen Bereich der Wildwuchs, kei- nesfalls nur mit wohlriechenden Wildblumen. Das allein kann sehr abschreckend wirken. Der Zusatzti- tel Psychotherapie – übrigens die äl- teren Semester mit dem Facharzt sind „nur“ mit dem Zusatztitel quali- fiziert – wurde systematisch degra- diert . . . Mein Vorschlag zu einer Lösung des Quotenproblems: Die Zulassung der vorhandenen ärztli- chen Psychotherapeuten als ein- fachste Lösung und die Steigerung der Attraktivität einer Facharztaus- bildung (z.B. Verkürzung, Straffung, Integration, Kostenreduktion, Qua- litätssicherung) als andere Möglich- keit. Es ist schade, eine originäre ärztliche Handlung (das Gespräch) nun noch mehr Psychologen, Heil- praktikern und alternativen Behand- lern zu überlassen.
Die Folgen der Quote
Vielen Dank für den Artikel zur Min- destquotenregelung für die Zulas- sung von ärztlichen Psychotherapeu- ten (ÄP), in dem die kontroversen Sichtweisen und Positionierungen von BMG, BÄK, KBVund Spitzen- verbänden der Krankenkassen sowie des Berufsverbandes der Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie einerseits und der Kammer der PP/KJPund der psy- chologischen Berufsverbände ande- rerseits nachvollziehbar dargestellt werden. Leider fällt immer wieder unter den Tisch, dass noch zahlreiche Niederlassungsmöglichkeiten für PP bestehen – allerdings nicht in den at- traktiven Großstädten, sondern vor- wiegend in ländlichen Gebieten in den neuen Bundesländern. Ihre Schlussfolgerung, dass Patienten deshalb länger auf eine Psychothera- pie warten müssen, weil die Quote vor zehn Jahren zu hoch angesetzt worden ist, kann ich allerdings nicht teilen: Dank der Quote für ÄPkonn- ten sich in den letzten Jahren auch in Gebieten, die eigentlich gesperrtsind, noch weitere ÄPniederlassen,ohne dass die Wartezeiten dort aber tatsächlich kürzer wurden. Denn die Problematik, die dahintersteht, ist
wesentlich komplexer: Solange z. B.
immer von zur GKV-Behandlung zu- gelassenen Psychotherapeuten nur zwei bis drei Stunden pro Woche GKV-Behandlung erbracht wird, nützt die weitere Zulassung von PP überhaupt nichts!
Birgit Löber-Kraemer,Paul-Clemen-Straße 3, 53113 Bonn
Widersinnig
Angeblich fehlt es dem kassenärztli- chen System an ärztlichen Psycho- therapeuten, sodass die ambulante psychotherapeutische Versorgung nicht ausreichend ist. Daher soll nun die Regelung, die bisher eine Min- destquote von 40 Prozent an ärztli- chen Psychotherapeuten vorgesehen hat, zugunsten der Psychologischen Psychotherapeuten auf 20 Prozent gesenkt werden. Ich bin ärztliche Psychotherapeutin, werde aber zur kassenärztlichen Versorgung nicht zugelassen, weil ich nicht Fachärz- tin, sondern Ärztin mit Zusatztitel
„Psychotherapie“ bin. Dies empfin- de ich als völlig widersinnig, wenn ich lese, dass es an ärztlichen Psy- chotherapeuten fehlt. Umso mehr, weil ich weiß, dass 1997 Kollegen, die damals den Zusatztitel „Psycho- therapie“ bereits abgeschlossen hat- ten, zu „Fachärzten für psychothera- peutische Medizin“ ernannt und (wie bis dahin ohnehin selbstver- ständlich) in die Versorgung einbe- zogen wurden. Gemäß der neuen Weiterbildungsordnung von 2005 dürfen diese Kollegen heute sogar die Bezeichnung „Facharzt für Psy- chosomatische Medizin und Psycho- therapie“ führen. Wer allerdings nicht unter die Regelung von 1997 fiel, hatte mit demselben Zusatztitel später das Nachsehen. Ich glaube, dass wir auch deshalb unter „Ärzte- mangel“ leiden, weil eine kas- senärztliche Niederlassung heute nur als Facharzt möglich ist und die Ausbildung zum Facharzt immer aufwendiger wird, und gerade für Mütter kaum noch zu schaffen ist.
Vor lauter Streben nach „Qualität in der Versorgung“ haben wir bald überhaupt keine Versorgung mehr! . . .
Dr. med. Barbara Günther-Haug,Gartenstraße 12, 61389 Schmitten
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