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Die allfälligen Änderungen werden auch grosse Auswirkungen auf die kantonale Ebene haben

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I 145/2006 POM 9. August 2006 46C

Interpellation

1476 Marti Anliker, Bern (SP)

Weitere Unterschriften: 33 Eingereicht am: 06.06.2006

Auswirkungen einer allfällige Asylgesetzrevision auf den Kanton Bern

Im September 2006 wird über die eidgenössische Asylgesetzrevision abgestimmt. Die allfälligen Änderungen werden auch grosse Auswirkungen auf die kantonale Ebene haben.

Mit dem neuen Asylgesetz sollen Flüchtlinge, welche keine Reise- oder Identitätspapiere vorzeigen können, ausgeschafft werden, ohne dass ein Asylantrag gestellt werden kann.

Eine Bestimmung, welche die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt.

Personen mit definitiv abgelehnten Asylgesuchen sollen von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Menschen überhaupt ausreisen können, oder ob es sich um besonders verletzliche Personen, wie schwangere Frauen, Kinder ohne Eltern, Familien, handelt. Viele Menschen werden so in Not und Elend getrieben, es wird mehr Sans-Papiers geben, es droht die Gefahr, dass Kriminalität und Illegalität zunehmen.

Vorbereitungs- Ausschaffungs- und Beugehaft werden zeitlich massiv erweitert, was einerseits aus Menschenrechtsgründen fragwürdig ist, andererseits auch massive Kostenfolgen haben wird.

Heute prüfen die nationalen Asylbehörden nach gesamtschweizerisch einheitlichen Kriterien die vorläufige Aufnahme von Asylsuchenden bei Härtefällen. Diese Aufgabe wird künftig an die Kantone abgeschoben, diese sollen entscheiden, ob sie die Härtefälle überhaupt prüfen wollen

Da die Kantone mit der Gesetzesrevision neuen Aufgaben erhalten, und für den Vollzug des Gesetzes verantwortlich sind, bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie stellt sich der Regierungsrat grundsätzlich zu einer Asylgesetzrevision, welche mit der humanitären Tradition der Schweiz bricht und die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt

2. Was bedeutet die Asylgesetzrevision für den Kanton Bern bezüglich seiner Aufgaben im Vollzugsbereich?

3. Teilt der Regierungsrat die weit verbreitete Befürchtung, dass die Gesetzesrevision zu einem Anstieg von Sans-Papiers mit allen negativen Folgeerscheinungen führen wird?

4. Mit welcher Kostenfolge ist im Kanton Bern bei einer Zustimmung zum Gesetz zu rechnen (v.a. Aufgabenerweiterung bezüglich Härtefällen, Zwangsmassnahmen)?

Es wird Dringlichkeit verlangt. Gewährt: 08.06.2006

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Antwort des Regierungsrates

Der Regierungsrat geht mit der Interpellantin darin einig, dass die Asylgesetzrevision auch für die Kantone weitreichende Veränderungen mit sich bringt. Das revidierte Gesetz wird in weiten Teilen erst per Anfang 2008 in Kraft treten, was den Kantonen eine sorgfältige Umsetzungsplanung ermöglicht. Genaue Aussagen zur Umsetzung im Kanton Bern sind deshalb noch nicht möglich. Die Verordnungsentwürfe werden derzeit von gemischten Arbeitsgruppen aus Bundes- und Kantonsvertretern erarbeitet und sollen im kommenden November in die Vernehmlassung gehen.

1. Das Asylgesetz verlangt bereits heute von Asylsuchenden, dass sie bei Einreichung des Gesuchs innert 48 Stunden ihre Identitätspapiere abgeben. Neu ist lediglich, dass nur noch Reise- oder Identitätspapiere im engeren Sinne anerkannt werden. Eine Ausschaffung vor Entgegennahme des Asylgesuchs, wie sie die Interpellantin offenbar befürchtet, ist im revidierten Gesetz nicht vorgesehen. Die Bestimmung soll verhindern, dass Asylsuchende ihre Papiere vor Gesuchseinreichung vernichten oder verstecken.

Der Regierungsrat hat am 4. August 2004 im Rahmen einer ausführlichen Stellungnahme zu den zusätzlichen Massnahmen im Rahmen der Teilrevision des Asylgesetzes 2004 an das EJPD hinsichtlich Völkerrechtskonformität Zweifel geäussert.

Insbesondere sei es verfolgten Personen nicht immer möglich, Papiere beizubringen, und den Asylbehörden würde es im Einzelfall schwer fallen, im Rahmen eines raschen Nichteintretensverfahrens verlässlich zu prüfen, ob es entschuldbare Gründe für das Fehlen von Papieren gibt. Der Regierungsrat hält an seiner damals geäusserten Haltung fest.

Personen, die trotz organisatorischer und materieller Unterstützung der Vollzugsbehörden nicht ausreisen können und in eine Notsituation geraten, haben Anspruch auf die verfassungsmässige Nothilfe, wobei der speziellen Situation von verletzlichen Personen selbstverständlich Rechnung getragen wird. In begründeten Fällen steht den Kantonen zudem die Erteilung einer Härtefallbewilligung offen, was im heutigen Asylgesetz nicht möglich ist. Mit der im revidierten Asylgesetz vorgesehenen Ausdehnung des Sozialhilfestopps wird ein klares Zeichen gesetzt, dass Personen, deren Asylgesuch geprüft und abgelehnt worden ist, die Schweiz definitiv verlassen müssen. Der Regierungsrat hat sich in seiner Stellungnahme vom 4. August 2004 zu dieser Thematik ebenfalls differenziert geäussert. So wurde angeführt, dass sich abgewiesene Asylsuchende länger in der Schweiz aufhalten als Personen mit Nichteintretensentscheid. Die Kantone werden gezwungen, diese aus der Sozialhilfe auszuschliessen oder die Sozialhilfekosten selber zu tragen. Auch wenn der Ausschluss aus der Sozialhilfe als Kann-Bestimmung formuliert ist, können dem Kanton daraus erhebliche Kosten entstehen. Mit dem Anstieg der Zahl der vom Sozialhilfestopp betroffenen Personen sind negative Folgeerscheinungen nicht gänzlich auszuschliessen. Mit dem vermehrten Untertauchen von illegalen Personen könnten ernsthafte sicherheitspolitische und volkswirtschaftliche Folgen verbunden sein.

Allerdings hat das Monitoring des Bundes seit Inkrafttreten des Systems für Personen mit Nichteintretensentscheid keine nennenswerte Steigerung der Kleinkriminalität festgestellt. Das revidierte Asylgesetz in seiner definitiven Version enthält diverse Bestimmungen, welche dazu beitragen, die erst- und zweitinstanzlichen Verfahren zu beschleunigen. Andere Bestimmungen wiederum bringen Verfahrensverzögerungen mit sich. Der Regierungsrat kann die Ausdehnung des Sozialhilfestopps aus den oben erwähnten Gründen nur teilweise begrüssen.

Hinsichtlich der Durchsetzungshaft zweifelte der Regierungsrat bereits im Schreiben vom 4. August 2004 an der praktischen Durchführbarkeit und dem effektiven Nutzen.

Insbesondere äusserte er mit Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention Zweifel an der Verhältnismässigkeit und verwies auf die hohen Haftkosten und die Überbelegung der Gefängnisse. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit lässt

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vermuten, dass die Durchsetzungshaft von den Haftgerichten häufig nach wenigen Wochen oder Monaten aufgehoben werden könnte. Gleichzeitig ist es aber auch möglich, dass die Durchsetzungshaft im Einzelfall tatsächlich ihre Wirkung entfaltet.

Der Kanton Bern wird im Bereich der Zwangsmassnahmen seine bisherige Praxis fortführen, indem er solche Massnahmen nur mit grösster Zurückhaltung anwendet.

Aufgrund der Ausführungen und angesichts diverser Gutachten namhafter Völkerrechts- und Verfassungsrechtsexperten zum neuen Asylgesetz geht der Regierungsrat davon aus, dass das teilrevidierte Asylgesetz möglicherweise gewisse völkerrechtswidrige Bestimmungen enthält.

2. Die Auswirkungen des revidierten Gesetzes auf den Vollzugsbereich sind im heutigen Zeitpunkt noch nicht im Detail absehbar, da wie erwähnt die entsprechenden Vollzugsverordnungen noch ausstehen. Grundsätzlich bleiben die kantonalen Aufgaben aber dieselben. Die konkreten Massnahmen im Hinblick auf die Ausdehnung des Sozialhilfestopps werden zurzeit geprüft.

3. Eine im Auftrag des Bundesamtes für Migration vom Forschungsinstitut gfs in Bern durchgeführte Studie über Sans-Papiers in der Schweiz konnte trotz Sozialhilfestopp für Personen mit Nichteintretensentscheid nur einen äusserst schwachen Zusammenhang zwischen Asylpolitik und der Anzahl illegal Anwesender herstellen. Es ist heute davon auszugehen, dass der Arbeitsmarkt nur eine beschränkte Anzahl dieser Personen aufnehmen kann. Diese Art von Arbeitsplätzen wird tendenziell mit Personen besetzt, die den Behörden im Vorfeld nicht bekannt sind, weil damit das Risiko geringer ist, verzeigt zu werden. Abgewiesene Asylsuchende sind deshalb für potentielle Schwarzarbeitgeber nicht interessant. Wie schon erwähnt hat das Monitoring des Bundes seit Inkrafttreten des Systems für Personen mit Nichteintretensentscheid keine markante Steigerung der Kleinkriminalität festgestellt. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Studie kurz nach Inkrafttreten des Fürsorgestopps im Jahr 2004 durchgeführt wurde. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Erhebung zum heutigen Zeitpunkt oder nach Einführung des neuen Asylgesetzes andere Resultate zeigen würde.

Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass bereits heute ein Grossteil von Weggewiesenen untertaucht. Dies geschieht meistens erst dann, wenn der Migrationsdienst in seinen Vollzugsvorbereitungen konkrete Fortschritte erzielt, so dass die Möglichkeit einer Ausschaffung steigt. Mit dem Sozialhilfestopp wird in diesen Fällen lediglich der Zeitpunkt der selbständigen Abreise vorverlegt. Wie die zuständigen Stellen des Bundes geht der Regierungsrat davon aus, dass die grosse Mehrheit dieser Personen die Schweiz früher oder später verlässt.

Der Regierungsrat kann nicht abschätzen, welche Auswirkungen der Sozialhilfestopp auf die Anzahl der Sans-Papiers haben wird.

4. Anhand des momentanen Planungsstandes können keine genauen Aussagen zu den Kostenfolgen der Revision gemacht werden. Die Bearbeitung von Härtefällen gehört heute schon zum Pflichtenheft des Migrationsdienstes und kann mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden. Es ist auch nicht mit einer häufigeren Anwendung von Zwangsmassnahmen zu rechnen, da in jedem Fall die Verhältnismässigkeit gewahrt sein muss. Der Kanton Bern wird die Ausschaffungshaft aus humanitären wie finanziellen Gründen wie bisher nur sehr gezielt und vergleichsweise zurückhaltend anwenden. Das revidierte Gesetz legt keine diesbezügliche Praxisänderung nahe.

Allerdings ist nicht ganz auszuschliessen, dass die Anwendung der Zwangsmassnahmen und ihrer neuen Instrumente in Einzelfällen beachtliche Kostenfolgen haben können. Falls sich entgegen den Erwartungen trotzdem eine Steigerung der Kriminalität ergeben sollte, können in den Bereichen Polizei, Justiz und Strafvollzug ebenfalls höhere Kosten entstehen.

Empfindliche Mehrkosten werden im Sozialhilfebereich auf die Kantone zukommen. Die Sozialhilfe für Personen mit vorläufiger Aufnahme, welche sich länger als sieben Jahre

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in der Schweiz aufhalten, wird ohne Übergangsfrist in die Zuständigkeit der Kantone übergehen. Hier ist mit jährlichen Mehrkosten von mehreren Millionen Franken zu rechnen. Gleichzeitig verstärkt der Kanton aber mit finanzieller Unterstützung des Bundes die Integrationsmassnahmen, um möglichst viele der Betroffenen in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

Eine weitere Gefahr der Kostenverlagerung vom Bund auf die Kantone besteht bei den Nothilfekosten. Hier finden momentan Verhandlungen zwischen den Kantonen und dem Bund über die Höhe der Nothilfepauschale statt. Der Regierungsrat ist zuversichtlich, dass eine für die Kantone befriedigende finanzielle Lösung gefunden werden kann.

An den Grossen Rat

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