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Archiv "Gesamtdeutsche „Tagung Epidemiologie“ in Berlin: Großer Bedarf an solider epidemiologischer Forschung" (12.11.1993)

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POLITIK TAGUNGSBERICHTE

Gesamtdeutsche „Tagung Epidemiologie" in Berlin

Großer Bedarf an solider

epidemiologischer Forschung

Zunehmende Umweltbelastungen, aber auch Gesundheitsgefähr- dungen am Arbeitsplatz sowie die Aufarbeitung ökologischer Altla- sten in den neuen Ländern: Dies alles waren Themen der ersten deutschen „Tagung Epidemiologie", die im März in der Freien Uni- versität Berlin stattfand. Damit stellte sich die kürzlich gegründete

„Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie" vor. Die Mitar-

beit in diesem Rahmen steht zwar allen Fachgesellschaften offen, aber die Initiative ging von drei wissenschaftlichen Vereinigungen aus: Der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Bio- metrie und Epidemiologie, der Deutschen Gesellschaft für Sozialme- dizin und Prävention sowie der Deutschen Region der Internationa- len Biometrischen Gesellschaft.

E

in Kompliment für die Bil- dung dieser Arbeitsgemein- schaft sprach Dr. Gabriele Hundsdörfer vom Bundesge- sundheitsministerium aus: Je ge- schlossener die Epidemiologie nach außen auftrete, desto wirksamer sei dies. Erfahrungsgemäß werde ihre Bedeutung bisher immer nur dann erkannt, wenn man nach Daten ruft, weil etwas passiert ist. So sei zum Beispiel nach der Katastrophe von Tschernobyl plötzlich der Ruf nach Krebsregistern laut geworden.

Bei der Kongreßeröffnung beka- men die Teilnehmer einiges an War- nungen und Mahnungen zu ihrem schwierigen und hierzulande noch jungen Fach mit auf den Weg. Wenn sich die Epidemiologie der Öffent- lichkeit mitteilen wolle, dann müsse sie eine allgemeinverständliche Spra- che sprechen, sagte Professor Jörg Michaelis (Mainz), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Medizi- nische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Dabei wies er auf Rudolf Virchow als Vorbild hin.

An die bei Virchow beginnende

„Berliner Traditionslinie" knüpfe auch der interuniversitäre Berliner Forschungsverbund „Public Health"

an, ebenso wie der an der TU Berlin angesiedelte Aufbaustudiengang Ge- sundheitswissenschaften / Public Health, merkte Professor Georges Fülgraff an, der diesen Studiengang leitet. Er stellte die rhetorische Fra- ge, ob die Etablierung von Public Health in Deutschland vielleicht des- halb so schwierig sei, „weil sie sich einmischt". Für die „Kristallisations-

disziplin" der Gesundheitswissen- schaften, die Epidemiologie, schreibe die TU Berlin jetzt eine Stiftungspro- fessur aus.

Auch andere Teilnehmer wiesen darauf hin, daß Deutschland (West wie Ost) auf dem Gebiet der Epide- miologie im Vergleich mit anderen, vor allem den angelsächsischen Län- dern, deutlich im Rückstand ist.

Trotzdem sei ein Aufschwung der deutschen Epidemiologie in den letz- ten Jahren zu spüren. Den Bundes- ministerien aber werde, wie Dr.

Hundsdörfer berichtete, immer häu- figer eine „gutgemeinte Kleinst-Epi- demiologie" präsentiert: Methodisch unzulängliche, auf eine kleine Regi- on beschränkte Studien, aus denen dann nach der Erwartung der Auto- ren gleich politische Schlußfolgerun- gen gezogen werden sollten.

Die schlimmste Umwelthypothek Dabei mangelt es der Epide- miologie nicht an Aufgaben. In Deutschland stellen sie sich zur Zeit besonders dringlich durch das Auf- einandertreffen zweier Systeme und durch die ökologischen Altlasten in den neuen Ländern. Als die schlimm- ste Umwelthypothek der DDR gilt zum Beispiel das Uranbergbaugebiet der „Sowjetisch-Deutschen AG Wis- mut". Dort waren zwischen 1946 und 1990 insgesamt schätzungsweise 300 000, vielleicht auch 600 000 Men- schen beschäftigt. Anfangs gab es keinerlei Arbeitsschutz, auch keinen

Strahlenschutz. Die gesundheitlichen Folgen seien erst zum Teil bekannt, so Professor H. Erich Wichmann vom GSF-Institut für Epidemiologie Neu- herberg, denn die (früher streng ge- heimgehaltenen) Daten konnten so schnell noch nicht aufgearbeitet wer- den.

Lebenserwartung Diese Daten könnten mehr In- formationen liefern als alle interna- tionalen Studien zusammen, vor al- lem über die noch wenig bekannten Folgen einer niedrigen Strahlenbela- stung. Wichmanns Arbeitsgruppe hat im Rahmen einer Fall-Kontrollstudie über das Lungenkrebs-Risiko durch häusliche Radon-Exposition 93 Neu- erkrankte ermittelt, die früher (über- wiegend in den ersten zehn „wilden Jahren" der Wismut AG) im Uran- bergbau arbeiteten. Fast alle aber waren auch Raucher, was das Risiko vervielfacht — und die Schwierigkeit der epidemiologischen Fragestellung ebenfalls. Die Berufsgenossenschaf- ten sind vor Ort sehr aktiv (vgl. „Be- treuungsstelle Wismut", Heft 28-29/1993), hörte man in der Dis- kussion. Sie kümmerten sich zwar hauptsächlich um die noch Leben- den, es könnten aber Fördermittel für wissenschaftliche Fragestellun- gen angefordert werden.

Diskutiert wurde auf der Tagung auch die Frage, ob es an den Umwelt- noxen liegt, daß in der DDR seit et- wa 1970 die Lebenserwartung erheb- lich langsamer stieg als in der Bun- Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 45, 12. November 1993 (23) A1-2975

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Foto: Zentrale Betreuungsstelle Wismut

desrepublik. Dem widerspreche al- lerdings die Tatsache, so lautete eine Feststellung, daß die Lebenserwar- tung im industrialisierten Sachsen höher ist als im überwiegend ländli- chen Mecklenburg. Professor Lothar Heinemann (Zentrum für Epide- miologie und Gesundheitsforschung, Berlin) zog andere Erklärungsversu- che heran, wie etwa den Migrations- effekt (es gingen vorwiegend die Ge- sünderen in den Westen). Für maß-

Die Wismut AG spielt, aus ei- nem anderen als einem arbeitsmedi- zinischen Blickwinkel gesehen, in ei- nem eigenwilligen Buch eine Rolle:

In Michael Beleites' „Untergrund — Ein Konflikt mit der Stasi in der Uran-Provinz", erschienen im Berli- ner BasisDruck Verlag. Darin schil- dert Beleites, Jahrgang 1964, wie er anhand seiner Stasi-Akten erkennt, daß die Staatssicherheit seine Aktivi- täten für Kirchen-, Friedens- und Umweltgruppen akribisch überwach- te. Schlimmer noch: Private und be- rufliche Behinderungen und Unge- rechtigkeiten, so muß er feststellen, wurden durch die Stasi veranlaßt.

Detailliert beschreibt er, was alles

POLITIK TAGUNGSBERICHTE

gebend hält er jedoch die Unterschie- de in der Lebensweise. In deren Fol- ge hätten sich die kardiovaskulären Risikofaktoren so ungünstig entwik- kelt, daß schon allein die erhöhte Herz-Kreislauf-Mortalität die gegen- über der alten Bundesrepublik um zweieinhalb Jahre niedrigere Le- benserwartung erklären könne. Eine Hypothese, die zu weiterer epidemio- logischer Forschung herausfordert!

Rosemarie Stein

über ihn bekannt war — und wie ab- surd damit verfahren wurde: „Ich war darüber entsetzt, wie Menschen, die so viel über mich wußten, zu so schwachsinnigen Interpretationen kommen konnten."

Beleites schildert aufschluß- reich, wie mit der Nachricht von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 auch Fragen nach möglichen Auswirkungen des Uranbergbaus der Wismut AG die Bürger beschäftigen und was in Bewegung kommt, als er das Tabuthema Wismut angeht.

Denn: „Wismut war ein Staat im Staate DDR... Es gab eine Gebiets- leitung Wismut der SED, eine Ob- jektverwaltung Wismut der Stasi und

auch ein separates Gesundheitswe- sen Wismut. Obwohl die Wismut der größte Arbeitgeber in Ostthüringen und Westsachsen war, war sie einer der geheimnisumwittertsten Berei- che der DDR."

Das Buch von Beleites ist stel- lenweise mühsam zu lesen, weil eine Fülle von Details ausgebreitet wer- den. Andererseits hilft die Lektüre sicherlich besonders „Wessis", nach- zuvollziehen, welche weitreichenden Konsequenzen Abweichungen von der DDR-Norm haben konnten. th

Uranabbau und Stasi

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eue Empfehlungen zur Thera- pie der Hypertonie des Diabe- tikers sind jetzt auf der Natio- nalen Blutdrucktagung in Essen vor- gestellt worden. Dabei wurde der Stellenwert einzelner antihypertensi- ver Substanzklasen im Rahmen von Begleiterkrankungen eindeutig fest- gelegt. Nach Angaben der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks und der Deutschen Dia- betes Gesellschaft muß die Hyperto- nie von Patienten mit Typ 1- und Typ 2-Diabetes mit unterschiedlichen therapeutischen Strategien bekämpft werden, obwohl bislang noch keine generelle Überlegenheit eines be- stimmten antihypertensiven Wirk- stoffs bei allen Formen des Diabetes mellitus gezeigt werden konnte.

Typ 1-Diabetes

Die medikamentöse Therapie sollte bei diesen jungen Patienten mit

einem ACE-Hemmer, einem niedrig- dosierten relativ ß- 1 -selektiven Beta- Blocker oder einem Kalzium-Ant- agonisten begonnen werden, wobei die vermutlich nephroprotektiven Ef- fekte der ACE-Hemmer zunehmend dafür sprechen, diese Substanzgrup- pe als Medikament der ersten Wahl zu betrachten. Diuretika sollten bei diesen Patienten erst bei notwendig werdender Kombinationstherapie (hier günstig in Verbindung mit ACE-Hemmern) oder bei bereits deutlicher Niereninsuffizienz (Krea- tinin > 2,0mg %) eingesetzt werden.

Bei weiterhin unzureichender Blut- drucksenkung können dann alle

Zweifach- oder Dreifach-Kombina- tionen des Merkblattes „Empfehlung zur Hochdruckbehandlung in der Praxis" vom Oktober 1992 zum Ein- satz kommen.

Typ 2-Diabetes

Bei jüngeren (nicht stark über- gewichtigen) Patienten mit Typ-2- Diabetes gelten die gleichen Emp- fehlungen wie bei Typ 1-Diabetikern.

Bei älteren Typ 2-Diabetikern (ins- besondere über dem 65. Lebensjahr) erlaubt die Datenlage keine eindeuti- gen Empfehlungen zugunsten einer bestimmten Substanzklasse. Für Di- uretika sprechen (neben Preis und Langzeiterfahrung) die Ergebnissse

Neue Empfehlungen für die Behandlung

Hypertonie bei Diabetes

A1 -2976 (24) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 45, 12. November 1993

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