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Archiv "Zur Epidemiologie der Tuberkulose" (05.11.1981)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die Welt ist offiziell als pockenfrei erklärt — aber Tuberkulose gibt es nach wie vor. Dabei ist ihr Erreger bald 100 Jahre bekannt und es ste- hen Medikamente von einer Wirk- samkeit und Verträglichkeit zur Ver- fügung, von der andere Bereiche der Medizin nur träumen können. Fach- ärzte für die wichtigste Lokalisation behandeln die Kranken in speziellen Einrichtungen, Staat und Sozialver- sicherung sorgen besonders für die Patienten — und dennoch starben 1978 nach der offiziellen Todesursa- chenstatistik 2533 Personen an Tu- berkulose, davon 1881 an Tuberku- lose der Atmungsorgane und 507 an Spätfolgen. Das sind mehr als an bösartigen Neubildungen der Mund- höhle und des Rachens (1711 Ster- befälle im gleichen Jahr), der Spei- seröhre (2128), als an Melanomen (1189), Grippe (1298) Staublungen- krankheit (1417), Appendizitis (711), Nephritis und Nephrose (1741), Mord und Totschlag (735) — um nur einiges zu nennen.

Die Tuberkulose war einst eine der gefährlichsten und bedrohlichsten Erkrankungen. 1876 starben in Preu- ßen insgesamt 659 528 Personen, davon 79 770 an Tuberkulose, das sind 344 auf 100 000 Männer und 274 auf 100 000 Frauen und damit mehr als 1978 an bösartigen Neubil- dungen aller Art (266 beziehungs- weise 241 auf 100 000) verstarben.

Von den verstorbenen Tuberkulösen waren 9,8 Prozent Kinder, 24,4 Pro- zent Jugendliche und junge Erwach- sene von 15 bis unter 30 Jahren ge- genüber 0,4 beziehungsweise 2,5 Prozent bei den bösartigen Neubil- dungen. Die damalige Altersvertei-

lung hatte eine starke Auslesewir- kung: Entweder starben die Kran- ken, noch ehe sie sich fortgepflanzt hatten, oder die eigenen Kinder wur- den infiziert und erlagen ebenfalls der Erkrankung. So ist die heute in Mitteleuropa vorhandene Bevölke- rung weitgehend als eine Auslese Nicht-Hinfälliger anzusehen. Nur mehr höchst selten gibt es Patien- ten, in deren Sippe , Tuberkulose- erkrankungen gehäuft aufgetreten sind.

Die Infektiosität der Tuberkulose ist im allgemeinen nicht sehr hoch.

Auch in der Vor-Chemotherapieära erkrankte keineswegs jeder gesunde Ehepartner eines Phthisikers, ge- nausowenig wurden nicht alle expo- nierten Kinder infiziert. Dies spricht für eine wirtsabhängige Disposition.

Freilich müssen auch Gelegenheits- infektionen ausreichen, denn anders läßt sich die hohe Quote erfolgloser Quellensuchen nicht erklären. Die Suche nach einer Quelle kann nur dann Erfolg haben, wenn die An- steckung nicht lange zurückliegt, al- so bei Tuberkulinkonversionen (=

Positivwerden der Tuberkulinreak- tion etwa in Jahresfrist nach früher sicher negativem Ausfall), typischen Primärtuberkulosen, Meningitis tu- berculosa, Pleuritis exsudativa, iso- lierten kleinen Infiltraten bei Ju- gendlichen und jungen Erwachse- nen sowie bei allen Gruppeninfek- tionen.

Die Ansteckung geht heute prak- tisch nur von tuberkulösen Men- schen aus, ganz überwiegend vor Diagnosestellung. Das tierische Re- servoir spielt keine Rolle mehr. Die

Häufigste Ansteckungsquelle bei Tuberkulose ist der unbe- kannte Kranke. Die Ausbrei- tung erfolgt über Tröpfchenin- fektion. Quellensuche ist die wichtigste seuchenhygieni- sche Maßnahme. Wegen ihrer Eigenproblematik darf der Wert der Tuberkulindiagno- stik nicht überschätzt werden.

Verbreitung erfolgt durch Sputum- oder Sprechtröpfchen, nicht durch Gegenstände oder Staub.

In Stuttgart konnte in den Jahren von 1975 bis 1977 bei drei von vier erkrankten oder infizierten deut- schen Kindern die Infektionsquelle wahrscheinlich gemacht werden.

Mehr ist unter Routinebedingungen nicht zu erreichen. Andererseits muß mit Seltenerwerden der Tuber- kulose die Quellensuche immer aus- sichtsreicher werden. Von einer Ubi- quität der Erreger („in jeder Straßen- bahn ein Offentuberkulöser") kann längst keine Rede mehr sein. Quel- lensuche (= zentripetale Umge- bungsuntersuchung), ist die wich- tigste Aufgabe im Rahmen der Seu- chenbekämpfung beziehungsweise der klassischen „kleinen" Epidemio- logie. Wirtsseitig hängt die Erkran- kungswahrscheinlichkeit ab vom Le- bensalter (je jünger, um so größer das Risiko) und von der Enge des Kontaktes. Die familiäre Wohnge- meinschaft steht mit Abstand an der Spitze der Gefährdung; alles andere, insbesondere der Arbeitsplatz, tritt demgegenüber weit an Bedeutung zurück, mit Ausnahme der Tätigkeit im Gesundheitswesen. Hier ist das Risiko gegenüber der Wohnbevölke- rung deutlich erhöht.

Folgende Eigenschaften der Infek- tionsquelle begünstigen die Verbrei- tung: Kavernen von mehr als 2 Zenti- meter Durchmesser, Husten, Aus- wurf, reichliche Erregerausschei- dung, das heißt bereits im Sputum- ausstrich zahlreiche säurefeste Stäbchen (kulturelle Bestätigung auf jeden Fall erforderlich). Insge-

Zur Epidemiologie der Tuberkulose

Gerhard Neumann

Aus dem Städtischen Gesundheitsamt Stuttgart (Leiter: Professor Dr. Gerhard Neumann)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 5. November 1981 2135

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Tuberkulose-Epidemiologie

samt läßt sich aber nur in etwa 10 Prozent aller Patienten mit Erreger- nachweis eine Ausbreitung nach- weisen. Deshalb ist die Umgebung im zentrifugalen Sinne besonders sorgfältig zu kontrollieren, wenn be- reits eine Ansteckung bekannt ist.

Die American Lung Association teilt eine Population in folgende epide- miologische Kategorien ein:

Keine Tuberkulose-Exposition, nicht infiziert.

Tuberkulose-Exposition, kein An- halt für eine Infektion.

(I)

Tuberkulose-Infektion, ohne Er- krankung.

Tuberkulose-Infektion, mit Er- krankung.

Die beiden letzten Gruppen werden weiter untergliedert. Diese, auf den ersten Blick etwas simple Einteilung wird den epidemiologischen wie pa- thogenetischen Bedingungen gut gerecht. Bei der Tuberkulose ist die erste Stufe der Auseinandersetzung zwischen Erreger und Wirt erfaßbar durch die Reaktion auf Tuberkulin.

In 90 bis 95 Prozent aller Fälle ist damit das Tuberkulosegeschehen abgeschlossen.

Je stärker die Reaktion, um so höher die Wahrscheinlichkeit einer späte- ren Erkrankung. Das Fehlen einer Reaktion schließt aber eine Erkran- kung nicht grundsätzlich aus. Nach BCG-Impfung besagt eine Reaktion auf Tuberkulin gar nichts.

Zur Beurteilung der Tuberkulosesi- tuation in einer bestimmten Region und zur Abschätzung der zukünfti- gen Entwicklung, das heißt in der

„großen Epidemiologie", gilt das In- fektionsrisiko pro Jahr derzeit als wichtigster Parameter. Die Proble- matik ist jedoch wesentlich größer, als von den Protagonisten zugege- ben wird. Das fängt mit dem Stich- probenfehler an, geht über Art und Dosis des Tuberkulins sowie des Lö- sungsmittels bis zur Technik, vom Ablesen bis zur Dokumentation. Die errechnete Infektionswahrschein-

lichkeit, zum Beispiel 3 auf 100 000 in Stuttgart, kann nur als Index für den wahren Wert angesehen werden.

Die empfohlene Technik: einmalige intrakutane Injektion einer kleinen Tuberkulindosis eines weltweit ak- zeptierten Tuberkulins erfaßt mit Si- cherheit nicht alle Infizierten. Wertet man jede Reaktion unabhängig von der Größe als Ausdruck einer Infek- tion durch Mycobacterium tubercu- losis, so wird die Durchseuchung überschätzt, denn auch in der Bun- desrepublik gibt es Infektionen mit atypischen Mykobakterien, die schwache Tu berku linreaktionen hervorrufen. Jeder Grenzwert wie- derum führt zu falsch-positiven wie falsch-negativen Resultaten. Dies mag für epidemiologische Zwecke hingenommen werden, erschwert aber im Einzelfall die Bewertung er- heblich. International bevorzugt man derzeit eine Induration von we- nigstens 10 Millimeter Durchmesser auf 2 Einheiten des dänischen Tu- berkulins RT 23 in Tween 80 als Grenzwert. Der Fehler liegt in Rich- tung falsch-negativ, das heißt die so ermittelten Werte sind zu günstig.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten ist die Tuberkulinprobe in einer nichtgeimpften Population ein wich- tiges diagnostisches Instrument und sollte insbesondere zur Kontrolle Gefährdeter systematisch angewen- det werden.

Alle quantitativen Aussagen über die Tuberkulosehäufigkeit beruhen auf den bei den Gesundheitsämtern re- gistrierten Meldungen. Geringe offi- zielle Zahlen in einem Bereich kön- nen bedeuten:

wenig Tuberkulose

O

wenig Meldungen

wenig Fälle diagnostiziert.

Wie aus Obduktionsstatistiken zu schließen ist, werden keineswegs alle Tuberkuloseerkrankungen zu Lebzeiten erkannt. Hohe Sektions- frequenz geht mit erhöhten Tuber- kulosezahlen einher.

Entscheidend für die Aufnahme in die Statistik ist weder der Zeitpunkt der Infektion noch das Einsetzen von Beschwerden oder der Zeit- punkt der Diagnose, sondern der Termin, zu dem das Gesundheitsamt den Fall als Tuberkulose ansieht. Es handelt sich also um eine Erfas- sungsstatistik im Gegensatz zur Er- eignisstatistik, wie sie in der Bevöl- kerungsstatistik üblich ist. Tech- nisch-operationeile Einflüsse sind bei einer Erfassungsstatistik nie aus- zuschließen. Entscheidend ist nur der langfristige Trend. Der ist seit Jahren rückläufig und war es auch schon lange, bevor systematische Bekämpfungsmaßnahmen oder eine wirksame Behandlung einsetzten.

Man spricht daher bei der Tuberku- lose von einer Neigung zur Selbst- eradikation. Dazu muß es kommen, wenn nicht jeder ansteckende Kran- ke wenigstens soviele Personen infi- ziert, daß zumindest ein neu anstek- kender Fall auftritt. Dies bewirkt heute eindeutig die Therapie, aber diese setzt die Diagnose voraus.

Und hier gibt es Probleme. Auch ei- ne ausgedehnte Tuberkulose kann beschwerdefrei verlaufen, häufiger beschwerdearm, was weder vom Pa- tienten noch dem behandelnden Arzt richtig gewertet wird. Aber selbst die klassischen Symptome:

Husten, Auswurf, Hämoptoe sowie Abgeschlagenheit sind ausgespro- chen uncharakteristisch und weit- aus häufiger durch andere Erkran- kungen als durch eine Tuberkulose bedingt.

Im Jahre 1978 wurden von den Ge- sundheitsämtern der Bundesrepu- blik 9474 Erkrankungen an Tuberku- lose der Atmungsorgane mit TB- Nachweis registriert, davon 7477 Erst- und 1997 Wiedererkrankun- gen. Bei letzteren lieferte die Vorer- krankung einen diagnostischen Hin- weis. Den anderen Fällen standen am 31. Dezember 1978 in freier Pra- xis 21 950 Ärzte für Allgemeinmedi- zin beziehungsweise praktische Ärz- te, 7460 Internisten, 1052 Radiolo- gen, 477 Lungenspezialisten gegen- über, insgesamt also 39 939 Ärzte, das heißt mehr als viermal soviele wie Patienten. Die Relation erst- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

2136 Heft 45 vom 5. November 1981

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Jahr Anzahl

1958 84 744 72 520 22 753 49 767 12 224 1968 51 786 44 116 15 010 29 106 7 670 1976 32 857 28 277 10 525 17 752 4 580 1977 31 617 27 095 10 091 17 004 4 522 1978 29 536 25 216 9 474 15 742 4 320

1958 156,1 133,6 41,9 91,7 22,5

1968 85,8 73,1 24,8 48,3 12,7

1976 53,3 45,8 17,1 28,8 7,4

1977 51,5 44,1 16,4 27,7 7,4

1978 48,2 41,1 15,4 25,7 7,0

Tuberkulose der Atmungsorgane insgesamt

(Diagnose- gruppe 1 und 2)

zusammen (Diagnose- gruppe 1)

mit Nachweis von Tuber-

kulose- bakterien (Diagnose- gruppe 1.1)

ohne Nachweis

von Tuber- kulose- bakterien (Diagnose- gruppe 1.2)

anderer Organe (Diagnose-

gruppe 2)

je 100 000 Einwohner

Tabelle 1: Zugänge der an aktiver Tuberkulose Erkrankten nach Diagnosegruppen Bundesgebiet und Berlin (West)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Tuberkulose-Epidemiologie

erkrankter Patient:niedergelassener Arzt ist in Wirklichkeit noch ungün- stiger, denn mindestens die Hälfte der Erkrankungen wird durch Kran- kenhäuser, den öffentlichen Ge- sundheitsdienst, Werksärzte usw.

diagnostiziert.

In manchen Großstädten wird der niedergelassene Arzt, statistisch ge- sehen, nur einmal in seiner gesamten Praxistätigkeit eine einzige neue an- steckende Tuberkulose entdecken.

Da aber eine Tuberkulose immer wieder ausgeschlossen werden muß, sollte das zu untersuchende Kollektiv durch Voruntersuchungen, zum Beispiel Tuberkulintests, einge- engt werden.

Vernachlässigt wird sicherlich bei Tuberkulose — und das im Lande Ro- bert Kochs! — die Bakteriologie;

Röntgen und seine Methode sind populärer.

Immerhin hat sich die Relation zwi- schen Fällen mit und ohne bakterio- logische Bestätigung von 1:2,2 im Jahre 1958 auf 1:1,7 im Jahre 1978 verbessert. Anzustreben ist — und das ist auch im Bundesgebiet man- cherorts erreicht — ein Wert von 1:1.

Günstigere internationale Werte be- ruhen meist darauf, daß nur die bak- teriologisch bestätigten Fälle zäh- len, während alles andere als „Ver- dachtsfall" abgetan wird. Sicherlich ist weder die Spezifität noch die Sensitivität des Röntgenbildes für Tuberkulose besonders hoch. Ande- rerseits gibt es bestimmt Tuberkulo- sen, bei denen der Erregernachweis wegen zu spärlicher Ausscheidung unter Praxisbedingungen nicht ge- lingt.

Bei der Statistik beschränkt man sich am besten auf die Zugänge. Der Bestand ist epidemiologisch weitge- hend wertlos und sollte nicht mehr veröffentlicht werden. Der Rück- gang der Tuberkulose geht aus Ta- belle 1 eindeutig hervor. Die „Halb- wertzeit", das heißt die Zahl der Jah- re, innerhalb derer die Rate um die Hälfte abnimmt, ist mit 10 bis 12 Jah- ren relativ lang.

Hier wirken sich zwei Faktoren aus:

0

Von den älteren Erwachsenen dürften mindestens 70 Prozent infi- ziert sein und 10 Prozent alte tuber- kulöse Herde aufweisen. Sie bilden also eine „alte Last". Dies reicht aus, um auf Jahre hinaus einen nicht un- beachtlichen Nachschub an Tuber- kulosefällen zu liefern. Kein einzel- nes etwa zur Chemoprävention ein- setzbares Medikament kann wäh- rend einer 3- bis 6monatigen Einwir- kung persistierende Keime vernich- ten. Diese Persister verhindern eine

schnelle Eradikation. Das Rückfall- problem hat an Schärfe verloren, die älteren Jahrgänge sterben verstärkt ab, Rezidive treten nach adäquater Behandlung kaum noch auf.

Die Tuberkulose ist in der Bevöl- kerung nicht homogen verteilt. Alte Autoren sprachen von der „Wohlha- benden-Tuberkulose" als Basis und einer sozial bedingten „Zusatz-Tu- berkulose". Im Kern gilt das auch heute noch. Die untersten Sozial- schichten, insbesondere die Rand- gruppen wie Wohnungslose, sind DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 45 vom 5. November 1981 2137

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Tuberkulose-Epidemiologie

weit überproportional betroffen. Ei- ne Risikogruppe bilden auch die Ausländer. Sie bringen ihre Epide- miologie, nicht ihre Erkrankung, mit.

Da die Tuberkulosesituation in den meisten Herkunftsländern ungünsti- ger ist als in der Bundesrepublik, erkrankten Ausländer öfter als die einheimische Bevölkerung, zum Teil infolge frischer Ansteckung. Sie ver- langsamen den Rückgang: Was oh- ne sie in vier Jahren erreicht wäre, benötigt mit ihnen fünf Jahre - das ist aber kein Grund zur Besorgnis.

Kein Land der Erde ist frei von Tu- berkulose, wenn auch einige Län- der, zum Beispiel die Niederlande, eine wesentlich vorteilhaftere Tuber- kulosesituation als die Bundesrepu- blik aufweisen.

Der rückläufige Trend hat sich allge- mein verlangsamt, die Kurven ver- laufen asymptotisch mit kleinen Jah- resschwanku ngen.

Nirgends zeichnet sich ein Wieder- anstieg ab; alle diesbezüglichen Be- fürchtungen sind unbegründet.

Der einzelne niedergelassene Arzt muß weiterhin mit dem Auftreten von Tuberkulose rechnen, wenn auch nur in Einzelfällen. Nicht mehr an die Tuberkulose zu denken, führt zu Todesfällen, die im Prinzip ver- meidbar sind und anklagen.

Literatur

(1) Lock, W.: Die Epidemiologie der Tuberku- lose, in: Jentgens, H. (Herausgeber): Lun- gentuberkulose, Handbuch der inneren Medi- zin, 5. Auflage, Band 4, 3. Teil, ·s. 189-280, Springer, Berlin/Heidelberg/New York (1981)- (2) Neumann, G.: Tuberkulose heute- Epide- miologie und Prävention, Hippakrates 47 (1976) 331-342-(3) Neumann, G.: Zur gegen- wärtigen und künftigen Tuberkuloseepidemio- logie, Bundesgesundheitsblat121 (1978) 57~0 - (4) Neumann, G.: Kindertuberkulose, Stutt- gart 1875-1977, Prax. PneumoL 33 (1979) 831-838- (5) Styblo, K.: Recent advances in epidemiological research in tuberculosis, Adv.

Tuberc. Res. 20 (1980) 1--63

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Gerhard Neumann Hohe Straße 28 7000 Stuttgart 1

FÜR SIE GELESEN

Schädliche Wirkung von Prednisolon bei

HBsAg-positiver chronisch aggressiver Hepatitis

ln einer einfach blinden prospektiv kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit von Prednisolon bei 51 Patienten mit HBsAg-positiver chro- nisch aggressiver Hepatitis unter- sucht.

22 der 51 Patienten hatten bereits bei Behandlungsbeginn eine Zir- rhose.

Die Patienten erhielten paarweise randomisiert entweder Prednisolon {ID 15 bis20 mg, EHD 10mg/die) oder Placebo bis maximal dreieinhalb Jahre.

Nachuntersuchungen erfolgten zu- nächst wöchentlich, dann in einmo- natlichen und zweimonatlichen Ab- ständen.

Der biochemische Verlauf, die Re- missionsraten, die Rückfallhäufig- keit, die Komplikationsraten und die Mortalitätsraten beider Gruppen wurden verglichen.

~ Der in beiden Gruppen beobach- tete Transaminasenabfall war in der Prednisolon-Gruppe signifikant ge- ringer.

~ Der Bilirubin- und Globulinabfall war dagegen in der Verum-Gruppe geringfügig ausgeprägter.

~. Zwischen 2 und 12 Monate nach Therapiebeginn wurden in der Pred- nisolon-Gruppe hochsignifikant we- niger Remissionen erreicht als in der Placebo-Gruppe.

~ Durch Prednisolon wurde die Rückfallquote ab dem dritten Monat gegenüber der Kontrollgruppe na- hezu verdoppelt.

~ Komplikationen traten in der Prednisolon-Gruppe erwartungsge- mäß hochsignifikant häufiger auf.

~ Die Mortalitätsrate war in der Prednisolon-Gruppe signifikant höher.

Auch bei Auswertung einer Sub- gruppe der stark aktiven Krankheits- fälle (GOT über 250 f.tmol/min) kom- men die Autoren hinsichtlich Remis- sionsrate, Rückfallquote und Über- lebensrate zu den gleichen ungün- stigen Ergebnissen in der Predni- solon-Gruppe.

ln der Subgruppe der 29 Nicht-Zir- rhotiker war Prednisolon ungünsti- ger hinsichtlich Rückfallquote, Kom- plikationen und Überlebensrate, nicht jedoch bezüglich der Remis- sionsrate. Als Ausnahme wird eine auffallende Remission unter Predni- solon bei einem 36jährigen Kranken- pfleger berichtet. Wegen des gleich- zeitigen Nachweises von Antikör- pern gegen glatte Muskulatur wird diskutiert, ob es sich möglicherwei- se um eine autoimmune Hepatitis bei einem HBsAg-Träger handelte.

Leider veranlassen verschiedene Details der Studie, das Ergebnis kri- tisch zu werten:

~ Der hohe Anteil bereits initial be- stehender Zirrhosen könnte das Er- gebnis negativ beeinflußt haben.

~Die Todesursachen bei 5 von 7 verstorbenen Patienten in der Ve- rum-Gruppe sowie deren frühes Auf- treten lassen bezweifeln, daß diese überhaupt mit der Stereidtherapie in Zusammenhang zu bringen sind.

~ Nur 6 von 15 Patienten mit CAH ohne Zirrhose in der Placebo-Grup- pe lebten nach 18 Monaten noch.

Dieser schlechte Spontanverlauf stimmt nicht mit den Erfahrungen bei mäßig fortgeschrittenen CAH in Europa überein.

Eine generelle Ablehnung der Stere- idtherapie bei HBsAg-positiver CAH läßt sich aus der Studie (noch?)

nicht herleiten. Eri

Lam, K. Ch.; Lai, Ch. L.; Ng, R. P.; Trepo, Ch.;

Wu, P. C.: Deleterious effect of prednisolone in HBsAg positive chronic active hepatitis, N.

Engl. J. Med. 304 (1981) 380

2138 Heft 45 vom 5. November 1981 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Referenzen

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