• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "AIDS-Gefahren heruntergespielt?" (21.08.1985)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "AIDS-Gefahren heruntergespielt?" (21.08.1985)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

eutschen Forschern und Politikern werde vorge- worfen, daß sie die Ge- fahren von AIDS herunterge- spielt hätten. Dies schrieb Ju- stin Westhoff, Diplom-Polito- loge und ll edizinjournalist, in der „Süddeutschen Zeitung"

vom 8. August 1985. Mögli- cherweise hatte Dagobert Lindlau (München) die Vor- abend-Ausgabe dieser Zei- tung schon gesehen, als er am Abend des 7. August in einer Live-Fernsehdiskussion ähn- liches sagte, und zwar im Zu- sammenhang mit einem in diese ARD-Sendung einge- blendeten „40-Sekunden-Sta- tement" von Bundesärztekam- mer-Präsident Dr. Karsten Vil- mar (Bremen) — und Lindlau sagte es derart, daß der Vor- wurf sich auf einmal auf die Bundesärztekammer und das von ihr mitherausgegebene DEUTSCHE ÄRZTEBLATT zu beziehen schien.

Dazu ist zweierlei zu sagen:

Zum einen ist in der seriösen Presse, in seriösen Fernseh- sendungen und in der medizi- nischen Fachpresse in der Tat in den vier Jahren seit Ent- deckung von AIDS jede Pa- nikmache vermieden worden.

AIDS-Gefahren heruntergespielt?

Denn mit Recht befürchtete man in diesen Redaktionen, daß eine unseriöse AIDS-Dis- kussion schwere gesellschaft- liche Probleme aufwerfen und zu einer erneuten Diskrimi- nierung der Homosexuellen führen könnte. Diese Zurück- haltung hat sich in der Bun- desrepublik Deutschland ge- lohnt: von einer derartigen Diskriminierung ist kaum et- was zu bemerken. Zudem bahnt sich bei den — so nicht erneut verprellten — Homo- sexuellen ein ihrer Gefähr- dung entsprechender Verhal- tenswandel in bestimmten Sexualpraktiken an, der viel- leicht die AIDS-Ausbreitung bremsen könnte. Solches

„Herunterspielen" hat auch eine sicher kontraproduktive Meldepflicht verhindert.

Zum anderen: Es war der Wis- senschaftliche Beirat der Bun- desärztekammer, der bereits Ende 1983, als es halbwegs

genug Informationen über AIDS gab, diese in einem Se- minar den deutschen Medi- zinjournalisten nahebrachte.

Und der erste große Über- sichtsaufsatz über AIDS er- schien in unserer Zeitschrift schon Anfang Juli 1983, zu- sammen mit den ersten Fall- berichten aus Kölner Klini- ken. Seitdem hat die Bericht- erstattung im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT insbesondere in seinem wissenschaftlichen Fortbildungsteil regelmäßig auf dem aktuellen Stand der internationalen Literatur ge- legen — was auch angesichts der Tatsache, daß mit Prof.

Rudolf Gross ein international renommierter Hämatologe dessen Leiter ist, eigentlich kein Wunder sein kann. Daß dabei mehr aus den USA als aus der Bundesrepublik be- richtet wird, ist in Anbetracht der sehr unterschiedlichen Fallzahlen (10 000 zu 230) er- klärlich. Die Vielzahl unserer Publikationen über AIDS wird im vorliegenden Heft auf Sei- te 2399 mit Informationen über die Bestimmung von An- tikörpern gegen HTLV III/

LAV fortgesetzt — selbstver- ständlich nicht im Boule- vard-Stil. Walter Burkart

W

enn das so weitergeht, können wir den Rechtsstaat beerdigen und nach dem Sozialstaat den

„Gnadenstaat" etablieren. In Stuttgart sind rund 500 Män- ner, Frauen und Kinder auf die Straße (vor dem Haus der Kassenärztlichen Vereini- gung) gegangen — ein gemal- tes Skelett war auch dabei — und haben dafür demon- striert, daß die Krebs-Patien- ten eines Radiologen (bisher etwa 160) weiterhin auf Kas- senkosten mit einem Mittel, dessen Wirksamkeit dem Bundesgesundheitsamt nicht nachgewiesen wurde, „inter- nistisch" behandelt werden dürfen.

Die gesetzlichen Krankenkas- sen hatten bei ihren Rezept-

Gnade geht hier vor Recht

prüfungen massierte unwirt- schaftliche Verordnungen dieses Böblinger Kreiskran- kenhaus-Arztes entdeckt, der

— an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt — seine Patienten ambulant mit einem Mittel geradezu vollpumpte, das stationär anzuwenden ihm versagt war. Regreßan- sprüche über rund 500 000 DM wurden von RVO-Kassen bisher geltend gemacht. Die Ersatzkassen halten dagegen still; es sollen sich gar Patien- ten gebrüstet haben, daß sie

von diesen auf Privatrech- nung 80 Prozent erstattet er- halten. So ist dieser seltsame Fall auch ein Beispiel dafür, wie sehr die Sparbemühun- gen bei einigen Krankenkas- sen nachlassen, weil der Kon- kurrenzdruck unter ihnen of- fenbar größer wird.

Die Patienten können einem bitter leid tun, die Glauben und Hoffnung in diesen ein- zelnen Arzt setzen, als habe er ein Lebenselixier zu ver- schenken. Was kümmert da der Vorwurf an den Arzt, sich in solchem Umfang fachfremd und unwirtschaftlich zu betä- tigen. Wer die Boulevardpres- se zu seiner Unterstützung gewinnt, wird in diesem Staat wohl immer „Gnade" finden.

Koste es, was es wolle?

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 34 vom 21. August 1985 (1) 2373

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Einmal wöchentlich unterstützt uns zusätzlich der Fachdienst (HPA) bei unserer Arbeit. Das Team und die Kinder profitieren durch die Mischung der Geschlechter und die Vielfalt der

Kreisvertreter: Friedrich-Karl Mllthaler, Telefon (040) 44 6541, Postfach Nr. September 90 Jahre alt. Fast zwei Jahrzehnte, von 1925 an, wohnte die Familie Gabler in dem

Und trotz der möglichen Haf- tung von Architekt und Bau- firma kann der Bauherr dann zur Kasse gebeten werden, wenn er die Sicherungspflicht nicht erfüllt oder aber die mit dem

Das Anwach- sen der Sterberate wird schwere Fol- gen für die körperliche und seelische Gesundheit auch der Kinder haben, die nicht HIV-positiv sind.. „Die Weltöffentlichkeit hat

Die BÄK weist aber darauf hin, daß die weitgehende Aufhe- bung rechtlicher Regelungen für die innere und äußere Or- ganisation zugunsten größerer Freiräume für die Hochschu-

Bei nachgewiesenem Mehrbedarf hätten auch hö- here Abschlagszahlungen gel- tend gemacht werden kön- nen, so daß sich keine Un- gleichbehandlungen von Po- likliniken und Kassenärzten

BONN. Anläßlich eines Festaktes zum 35jährigen Ju- biläum des Zivildienstes in Deutschland dankte der Prä- sident der Bundesarbeitsge- meinschaft der Freien Wohl- fahrtspflege und

B etrachtet man die Dinge einmal nicht von einem — mehr oder weniger gefe- stigten — „Standpunkt" in der aktuellen Tagesdiskussion, son- dern von ein paar Schritten zu- rück,