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Archiv "Heilkunst im Zeichen der apparativen Medizin: Zum Verhältnis zwischen „alternativer Medizin“ und „Schulmedizin“" (16.03.1984)

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Heilkunst im Zeichen

der apparativen Medizin

Zum Verhältnis zwischen „alternativer Medizin"

und „Schulmedizin"

Kritik an den heutigen Zuständen — in welchen Bereichen auch immer — ist nicht nur zu einer Modeerscheinung geworden, mit der man leben könnte. In weiten Teilen der Öffentlichkeit hat diese Anprangerung teils schwieriger Zustände zu erheblichen Schäden geführt. Im Bereich der Medizin gilt dies besonders für zwei Aspekte: 1. die Anwendung der apparativen Möglichkeiten in der medizinischen Diagnostik und Therapie, 2. die Kritik der Schulmedi- zin an den sogenannten alternativen Heilmethoden und umgekehrt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Wolf G. Dorner

A

lternative Heiler, Phytothera- peuten, Heilpraktiker etc. leh- nen im großen und ganzen die Anwendung medizinisch-techni- scher Hilfsmittel ab. Hierbei gilt es zu unterscheiden: Die Gemäßigten (man möchte sagen: die Vernünfti- gen) schränken ein und geben zu, daß medizinisch-technische Appa- rate in vieler Hinsicht sehr positiv sein können und dem Patienten weiterhelfen. Radikale Bereiche der Schulmedizin wiederum leh- nen als unwissenschaftlich be- zeichnete Heilmethoden ab. Aller- dings sind dies jene Heilmetho- den, die gerade die Schulmedizin als unwissenschaftlich bezeich- net. Selbstverständlich gibt es auch in dieser Gruppe Mediziner, die zu Kompromissen bereit sind und sagen, Schulmedizin und al- ternative Methoden.

Doch das Dilemma scheint tiefer zu sitzen. Es ist zutage getreten, als man beispielsweise von den Phytotherapeutika Wirksamkeits- nachweise verlangte, die nach den Kriterien der naturwissenschaft- lich orientierten Medizin zu erbrin- gen sind. Diese wiederum ist weit- gehend identisch mit der Schul- medizin. Offensichtlich läuft die Kontroverse auf eine Art Glau- benskrieg hinaus. Die Kontrahen- ten seien als Schulmediziner und Alternative bezeichnet, obwohl al- lein diese Klassifizierung schon zu Unmut Anlaß geben könnte.

Zwei gegenläufige Tendenzen Will man das Phänomen Alterna- tivmedizin contra Schulmedizin verstehen, so hat man sich mit zwei gegenläufigen Entwicklungs- tendenzen auseinanderzusetzen.

Einmal geht es darum, daß in der Medizin immer mehr Technik zum Einsatz kommt. Das Stichwort von der Entmenschlichung der Medi- zin macht die Runde. Ein zweiter Trend wird vor allem von außen an die Medizin herangetragen, die so- genannten Alternativen Metho- den. Sie sind nicht nur als Gegen-

satz zu den etablierten Methoden der klassischen Schulmedizin, sondern auch als eine Rückbesin- nung auf die Möglichkeiten und Grenzen der Medizin zu verstehen.

Der Trend zur apparativen Medizin ist keine Erfindung unseres Jahr- hunderts. Schon vor mehreren tausend Jahren wurden Werkzeu- ge — wenn auch „primitiver" Art — zur Unterstützung der heileri- schen Tätigkeit eingesetzt. Und nicht nur das. Wie am Beispiel der Schädeltrepanationen oder Stein- schnitte deutlich wird, hat sich durch die Einführung der Geräte eine Erweiterung der Tätigkeit des Medizinmannes, des Schamanen, ergeben. Im Laufe des Mittelalters, speziell aber in der Zeit nach der Renaissance, wurde dieses medi- zinisch-technische Instrumenta- rium immer weiter ausgebaut und verfeinert. In der Medizin war die Anwendung technischer Hilfsmit- tel seit jeher mit der Medizin ebenso verknüpft, wie die seelsor- gerische Tätigkeit, wofür man heute wohl besser die Vokabeln

„psychosomatische oder psycho- soziale Medizin" verwendet (auch

wenn damit nicht exakt der glei- che Sachverhalt wiedergegeben wird).

Dennoch — es scheint absurd, schon aus dieser historischen Ver- knüpfung heraus, eine prinzipielle

„Gegnerschaft" zwischen Medizin und Technik ableiten zu wollen. Im Gegenteil, es muß festgestellt wer- den, daß die Anwendung immer modernerer Technologien in Dia- gnose und Therapie dem Patien- ten in vielfältiger Weise genützt hat.

Über die Wege zu einer perfektio- nierten Medizin hat in Teilaspek- ten Prof. Dr. med. Hanns Peter Wolff, München, während des 86.

Deutschen Ärztetages berichtet.

Dem ist grundsätzlich nichts hin- zuzufügen. Vielleicht ein paar zu- sätzliche Anhaltspunkte. So wird kritisiert, es sei doch billiger, ei- nem Dialysepatienten eine neue Niere zu transplantieren, als ihn über Jahre hinweg zu behandeln.

Die Rechnung stimmt schon. Nur ist allzu bekannt, daß weltweit zu wenige Nierenspender zur Verfü- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 11 vom 16. März 1984 (45) 781

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizinischer Fortschritt

gung stehen und die Wartelisten immer länger werden.

Es wird von vielen Kritikern be- mängelt, daß die Kosten für die apparative Seite der Diagnostik durch die Vielfalt der Geräte in die Höhe geschnellt sind. Dies ist rich- tig und Überlegungen zur Finan- zierung müssen sicher sehr ernst- haft geführt werden. Die zweite Seite sieht die Vorteile für den Pa- tienten. Da sind zunächst einmal die prinzipiellen Fortschritte in der Diagnostik, die ohne die apparati- ve Entwicklung nicht möglich ge- wesen wären. Denken wir an die Röntgendiagnostik oder die Endo- skopie. Ein weiterer Effekt tritt heute verstärkt in Erscheinung.

Die Medizintechnik begnügt sich nicht nur damit, immer neue Mög- lichkeiten zu erschließen. Ihr Hauptanliegen in den achtziger Jahren und danach ist es, die Be-

lastung für den Patienten zu redu- zieren. So ersetzt in vielen Berei- chen die Sonographie als bela- stungsfreies Verfahren die Rönt- genaufnahme. Auch die Kernspin- computertomographie ist in die- sem Licht zu sehen.

Ein weiterer Bereich, der Bela- stungen für den Patienten abbau- en hilft, ist die Laboratoriumsdia- gnostik. Statt direkt am Patienten herumzuuntersuchen, entnimmt man eine Blut-, Urin-, Speichel- Probe etc. und unterzieht sie im- munologischer, cytochemischer und biochemischer Testmetho- den. Die Entwicklung zu funk- tionstüchtigen und leistungsfähi- gen Automaten macht diese Arbeit nicht nur schneller, sondern auch sicherer, da menschliche Irrtümer leichter ausgeschlossen werden können.

Die Reihe dieser Beispiele ließe sich noch beliebig fortführen.

Kommen wir jedoch zum zweiten Trend, zu den alternativen Heilme- thoden und ihren Verfechtern. Sie alle lehnen den Absolutheitsan- spruch der Schulmedizin ab, die ihrerseits oft recht schroff und mit wenig wissenschaftlichen Argu- menten gegenhält. Ist diese Ableh-

nung gerechtfertigt, wenn man sich einmal die Erfolgsliste der Al- ternativen anschaut? Die Antwort ist ein klares „Nein". Ein deutli- ches Beispiel hierfür ist die mo- derne Phytotherapie. Es dürfte hinreichend bekannt sein, daß durch eingehende wissenschaftli- che Untersuchungen die Wirkung einer guten Hundertschaft einhei- mischer und fremdländischer Heil- kräuter untermauert und bestätigt werden konnte. Bei anderen über- lieferten Naturheilmitteln konnte ihre Wirkungslosigkeit, ja, in man- chen Fällen sogar ihre Schädlich- keit, nachgewiesen werden. Dies hat zu einem differenzierteren Ein- satz der Phytotherapeutika ge- führt — zumindest unter jenen Ärz- ten, die sich mit den neueren Ent- wicklungen vertraut gemacht ha- ben und Phytotherapie nicht als etwas Obskures abtun.

Übrigens sollte doch nicht verges- sen werden, daß die Digitalisthera- pie, der Morphin-Einsatz, die Ver- wendung von Codein oder Insulin nichts anderes als angewandte Naturheilkunde sind. Auch wenn man heute diese Präparate halb- oder vollsynthetisch herstellt. Es sind nun mal Pflanzeninhaltsstoffe oder Organstoffe. Es ist leicht ein- zusehen, daß beide Trends — ob- wohl augenscheinlich gegenläufig

— ihre positiven als auch negativen Seiten aufzuweisen haben. Ange- sichts dieses Kontrastprogramms drängen sich mehrere Fragen auf:

Ist derjenige Mediziner, der sich der Apparate-Medizin ver- schrieben hat, automatisch schuld an einer in der Öffentlichkeit stark engagiert geführten Diskussion über die „Entmenschlichung" der Medizin?

C) Ist es möglich und sinnvoll, al- ternative Heilmethoden in die An- wendung medizinischer Technik (oder umgekehrt) einzubetten?

® Was ist von einer Ablehnung der Apparate-Medizin zu halten?

® Kann alternative Medizin die Schulmedizin voll ersetzen?

Zu 1. Zu diesem Punkt wäre fest- zustellen, daß Technik als solche nicht inhuman ist. Unwissenheit und Gedankenlosigkeit aber kön- nen einer Entmenschlichung in der Medizin Vorschub leisten, wenn die Technik nicht mehr nur als diagnostisches oder therapeu- tisches Hilfskonzept angesehen wird. Entmenschlichung in der Medizin tritt überall dort ein, wo sich der Arzt hinter der Technik verschanzt. Entmenschlichung wird dort spürbar, wo Patienten

„vermessen" statt behandelt werden, wo Gerätesurren das trö- stende und erklärende Wort erset- zen soll.

Die Situation des Arztes wird im- mer schwieriger. Er sieht sich be- reits während seiner Ausbildung einer wachsenden Flut an Fach- wissen ausgesetzt. Einmal Gelern- tes muß in immer kürzeren Zeit- räumen ergänzt oder erneuert werden. Hinzu kommt die von ihm verlangte Fertigkeit, mit all den neuen und eindrucksvollen Hilfs- mitteln umgehen zu können. Die Fülle der ärztlichen Maßnahmen — beispielsweise in der täglichen Praxis bei überfüllten Wartezim- mern —verführt zu einer Schemati- sierung der Arbeit. Gespräche werden auf das medizinisch not- wendige Maß reduziert. Auf der anderen Seite wird vom Arzt ja er- wartet, daß er seine Praxis immer mit dem Modernsten an Gerät aus- rüstet. Schließlich hinterlassen solche medizinisch-technischen Neuerungen beim Patienten tiefen Eindruck. Und nicht zuletzt wird die Qualifikation des Arztes zu ei- nem Teil über die Vewendung mo- dernster Technologie beurteilt. Oft sind es gerade jene Patienten, die zum mehr technisch orientier- ten Arzt wechseln, die am mei- sten über diese Technisierung schimpfen.

Von einer automatischen Schuld- zuweisung kann also überhaupt keine Rede sein. Die Entwicklung besteht aus einer Vielzahl sehr verschiedener Komponenten.

Teils entwachsen sie den verän- derten Bedingungen am ärztli- 782 (46) Heft 11 vom 16. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizinischer Fortschritt

chen Arbeitsplatz. Teils werden sie dem Arzt von draußen aufgezwun- gen, um konkurrenzfähig zu blei- ben. Wichtig festzuhalten ist die Tatsache, daß eine Zuwendung zur apparativen Medizin keines- wegs mit einer Entmenschlichung der Medizin verbunden ist. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, die dies eindrucksvoll beweisen können.

Zu 2. Es wird oft der fatale Irrtum begangen, zu glauben, daß Medi- zintechnik und alternative Heilme- thoden zwei sich gegenseitig aus- schließende Richtungen seien. Wo zum Beispiel steht denn geschrie- ben, daß ein computertomogra- phisch erhobener Befund nicht auch mit einem Naturheilmittel ku- riert werden kann? Das Problem ist die Hemmschwelle. Aber wich- tig ist doch nicht, was ,die Schul- medizin' oder ,die alternative Me- dizin' anerkennt. Das einzig gülti- ge Kriterium ist der Nutzen für den Patienten. Dabei sollte es gleich- gültig sein, ob nun ein Konzept der Schulmedizin oder der alter- nativen Medizin oder eine Mi- schung aus beidem zum Zuge kommt.

Es sollte eigentlich keiner Zeile darüber bedürfen, aber es ist nicht nur unsinnig, Schulmedizin und alternative Medizin zu trennen. Es ist genauso unsinnig zu glauben, daß sich technische Entwicklun- gen in der Medizin gegenüber al- ternativen Heilmethoden abgren- zen lassen. Diese Einstellung wi- derspricht schon den historischen Tatsachen. Sie widerspricht aber genauso der ärztlichen Aufgabe, kranken Menschen zu helfen. Es muß daher gefordert werden, mehr denn je moderne technische Methoden in der Medizin mit den alternativen Verfahren zu ver- knüpfen.

Zu 3. Über eine Ablehnung der Ap- parate-Medizin wurde schon hef- tig diskutiert. Die Antwort auf die Frage, was davon zu halten sei, ist praktisch schon unter 2. gegeben.

Sie ist — genauso wie ihre kritiklo- se Überschätzung — dumm und

schädlich. Dennoch kann damit dieser Punkt nicht abgehakt sein.

Es ist verständlich, wenn sich heu- te viele meist jüngere Ärzte fru- striert vorkommen und den weit- verbreiteten Medizinbetrieb in Po- likliniken etc. nicht immer mit ih- ren eigenen — häufig idealisierten

— Vorstellungen vom Arztberuf in Einklang bringen können. Daraus sollte sich jedoch keine ablehnen- de Haltung entwickeln. Vielmehr muß es doch gerade das Ziel sol- cher engagierten Ärzte sein, durch ihre Impulse diesen allgemeinen Etwicklungen entgegenzuarbei- ten. Voraussetzung dafür ist aber, daß man diese Impulse nicht im Keim erstickt, sondern zur Entfal- tung kommen läßt.

Auch die in der Öffentlichkeit spürbare Abneigung gegen Appa- rate-Medizin ist verständlich, wenn der Patient mit diesen Appa- raten, die er nicht kennt und ver- steht, alleine gelassen wird. Hier müssen die Bemühungen intensi- viert werden, dem Patienten die Angst vor Medizin-Technik zu neh- men. Ein paar erklärende, auch dem Laien verständliche Worte tun Wunder, entspannen, lösen Angst und Verkrampfungen. Man kann sicher nicht in allen Fällen erreichen, daß Ängste vollständig abgebaut werden. Aber schon ei- ne Reduzierung der Angst ist ein lohnenswertes Ziel. Es sollte nicht nur die physische, sondern auch die psychische Belastung des Pa- tienten durch diagnostische und therapeutische Maßnahmen ge- senkt werden.

Zu 4. Ein Ersatz der Schulmedizin durch alternative Heilmethoden ist weder möglich noch sinnvoll. Bei dem heutigen Trend zur „einfa- chen" Medizin, zur Naturheilkun- de, zu den altbewährten Methoden der Vorfahren gibt es sicher eine Reihe von Vorteilen. Warum soll ein Tranquilizer verschrieben wer- den, wenn es ein leichtes phyto- therapeutisches Sedativum auch tut? Auch hier gilt die Regel, den Patienten so wenig als möglich zu belasten und ihm dennoch opti- mal zu helfen.

Es war von den beiden Trends die Rede und ihren positiven wie ne- gativen Seiten. Sicher wird es nicht gelingen, in der gebotenen Kürze alle Aspekte auszuleuchten und gegeneinander abzuwägen.

Was aber bei der Diskussion um Schulmedizin inkl. Medizintechnik gegen Außenseiter auffällt, ist das schon fast an Verbohrtheit gren- zende Absolutheitsdenken beider

„Kontrahenten".

Blättert man einmal Publikationen durch, die sich mit diesem Thema befassen, so möchte man meinen, jeder einzelne Autor habe das ab- solute Wissen für sich gepachtet.

Es ist sicher kein Fehler und nur zu natürlich, daß die, eigenen Ar- gumente am überzeugendsten klingen. Dies darf jedoch nicht so weit führen, daß sich die Ohren allem anderen völlig verschließen.

Gerade im Hinblick auf die Aufga- be, kranken Menschen zu helfen, sollte aus der Diskussion dieses oft sture Absolutheitsdenken end- lich verschwinden. Es kann weder im Sinne der Patienten noch im Sinne des Ansehens der Medizin in der Öffentlichkeit sein, wenn sich die Fronten weiter vehärten oder — was wesentlich schlimmer wäre — künstlich verhärtet werden.

Schlußfolgerungen?

Es erhebt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, aus dem Gesagten Schlußfolgerungen zu ziehen? Si- cher ist es nicht nur sinnvoll, son- dern sogar notwendig.

Es wird häufig aus manchen Medi- zinerkreisen behauptet, dieser Konflikt bestünde in der Medizin nicht. Es wäre von außen — bei- spielsweise durch böse Journali- sten — erst hineingetragen wor- den. Man mag den Ausdruck ver- zeihen. Ich halte es schlichtweg für Unsinn. Der Konflikt kommt aus der Medizin und muß von der Medizin gelöst werden. Daß dies schnell geschieht, dürfte ein- leuchten.

Ein Weg dorthin — ein steiniger Weg, weil er Toleranz abverlangt — Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 11 vom 16. März 1984 (49) 783

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Medizinischer Fortschritt DIE GLOSSE

wäre die Anerkennung der Lei- stung der jeweils Andersdenken- den und -handelnden. Warum nicht zugeben, daß die alternati- ven Heilmethoden Erfolge verbu- chen, die der klassischen Medizin versagt geblieben sind. Sich dann hinter Spontanheilungen zu ver- stecken ist einfach, aber jedenfalls zu billig.

Gleiches gilt auch für die Alternati- ven mit ihren Methoden. Auch sie sollten sich vom Gedanken lösen, den lieben Gott auf Erden ersetzen zu wollen. Weder klassische Medi- zin mit allen technischen und nichttechnischen Kniffen und al- lem Wissen noch die Medizin der Alternativen können jedem helfen.

Viele sehen es wohl als eine Art Prestigeverlust an, mit Alternati- ven (bzw. Schulmedizinern) zu- sammenzuarbeiten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Von einer fruchtbaren Kooperation beider Heilrichtungen können nicht nur die Patienten, sondern auch das Ansehen der Medizin als aufge- schlossene und fortschrittliche Wissenschaft profitieren. Es ist er- staunlich, daß diese an sich bana- le Erkenntnis (wenn man das über- haupt so bezeichnen darf!) noch so sehr um ihre Anerkennung rin- gen muß.

Wenn Schulmedizin und die Ver- wendung von Medizintechnik nicht im Gegensatz zur Alternati- ven Medizin stehen, dann sollte einer Integration und gegenseiti- gen Anerkennung ebensowenig im Wege stehen, wie bei all den anderen sogenannten Außensei- termethoden, die es im Laufe der Jahrtausende währenden Medizin- geschichte gab. Glaubenskriege in der Medizin gehen immer zu Lasten der Patienten. Sie schaden damit dem Ansehen der Medizin.

Ob solche Schäden jemals wieder repariert werden können, darf an- gezweifelt werden.

Anschrift des Verfassers:

Wolf G. Dorner Rauschbergstraße 46 8221 Inzell

Beerdigt

Es ist totenstill geworden um die

„Greiser-Liste" und ihren Initiator, den Professor Dr. med. Eberhard Greiser vom Institut für Präven- tionsforschung und Sozialmedizin in Bremen („BIPS"). Zuletzt hatte er im Sommer 1983 Aufsehen er- regt, als er in Band 2 seines „Be- wertenden Arzneimittel-Index"

Hypnotika, Sedativa, Neurolepti- ka, Antidepressiva und ähnliches unter die Lupe nahm und dabei sämtliche 233 untersuchten Kom- binationspräparate als nicht ver- tretbar und nicht empfehlenswert abschoß.

Der Bundestagsabgeordnete Dr.

Fritz Wittmann von der CDU hat, wenigstens zum Teil, vom Bun- desarbeitsminister herausbekom- men, was dieses Unternehmen ei- gentlich kostet („In welchem Um- fang haben Bund und Länder in den vergangenen Jahren das Bre- mer Institut ... gefördert?"

„Nächste Frage: Hält die Bundes- regierung diesen ,Bewertenden Arzneimittelindex' ... nach wie vor für erforderlich?").

Eine schriftliche Antwort gab der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Ar- beit und Sozialordnung, Heinrich Franke, und sie ist in mancherlei Beziehung interessant: „Für den Forschungsauftrag" — im Mai 1981 erteilt — „zahlt der Bundesmini- ster für Arbeit und Sozialordnung insgesamt 2,135 Millionen DM.

Unabhängig von diesem For- schungsauftrag erhält das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin institutionelle Förderung durch den Senator für Gesundheit und Umweltschutz der Freien und Hansestadt Bre- men."

Dieser Senator ist Herbert Brück- ner, der lange Zeit in der Arbeits- gemeinschaft der Sozialdemokra- ten im Gesundheitswesen die füh- rende Rolle gespielt hat. Was „in- stitutionelle Förderung" in Mark

und Pfennig bedeutet, das hat der Staatssekretär also nicht verraten.

Aber wir wissen jetzt etwas ande- res. Beim Bundesgesundheitsamt sind sogenannte „Aufbereitungs- kommissionen" neu organisiert worden, die in Zukunft Beurtei- lungskriterien für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Arznei- mitteln entwickeln werden. Sie werden sich dabei auch mit Grei- sers Ergebnissen befassen. Und so ganz nebenbei steht dann in dieser Antwort: Das Forschungs- vorhaben „Bewertende Arznei- mittelklassifikation" wird vertrags- gemäß in der ersten Hälfte 1984 abgeschlossen sein.

Und das kann doch nur heißen:

mehr als einen dritten, vielleicht noch einen vierten, Band wird Professor Greiser nicht mehr zu- stande bringen. Fachleute hatten schon mal geschätzt, er würde Jahrzehnte brauchen, um sich durch den ganzen deutschen Arz- neimittelmarkt hindurchzuarbei- ten. Dazu kommt es nun wohl

nicht mehr. Ob wirklich „vertrags- gemäß" oder nicht — nach dieser Antwort des Staatssekretärs sieht es so aus, als ob Greisers BIPS vorzeitig beerdigt worden ist. gb 784 (50) Heft 11 vom 16. März 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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