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Archiv "Forschung „zulasten der GKV“ aus juristischer Sicht" (24.12.2001)

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schritt dienen, von den Krankenkassen zu finanzieren ist, wie nunmehr im Ent- wurf des Krankenhausentgeltgesetzes explizit vorgesehen und für den nicht- stationären Bereich noch zu regeln ist.

Bei den wissenschaftsgetriebenen Stu- dien muss auch dann der Versorgungs- anteil von den gesetzlichen Kranken- kassen getragen werden, wenn die Stu- die Arzneimittelvariationen beinhaltet, die eine Risikominimierung oder eine Behandlungsoptimierung für die Pati- enten intendiert.“

Auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin verfolgt mit Sorge die Bestrebungen der Krankenkassen, die Kosten der Off-label-Therapien und Therapieoptimierungsstudien nicht mehr zu erstatten. „Eine solche Vorge- hensweise gefährdet die Behandlung von Patienten in gravierender Weise.

Dies gilt sowohl für die Krankenversor- gung in Polikliniken und Ambulanzen von Universitätskliniken und Schwer- punktkliniken als insbesondere auch für die Durchführung notwendiger Therapiestudien in der klinischen For- schung, welche dadurch unmöglich ge- macht werden könnte“, erklärte der Vorstand der Internisten.

Prof. Volker Diehl wies als Vorsit- zender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) darauf hin, dass in anderen Ländern – vor allem in den USA – klare und wis- senschaftlich gut abgesicherte Regelun- gen für die Finanzierung von Krebsme- dikamenten außerhalb der ursprüngli- chen Indikation existierten: „Die Rück- ständigkeit Deutschlands in dieser Hin- sicht darf nicht dazu benutzt werden, Krebspatienten wirksame und innovati- ve Therapien vorzuenthalten. Wir for- dern daher ein eindeutiges Bekenntnis von Politik und Kostenträgern zu einer Finanzierung von Therapieformen nach aktuellem Erkenntnisstand.“

Für Dr. Wolfgang Kaesbach, Arznei- mittel-Sachverständiger beim BKK- Bundesverband in Essen, kann die bisherige Rechtsprechung nicht anders interpretiert werden, als dass die Off- label-Therapie nicht zum Leistungsum- fang der Krankenkassen gehört. „Die- se Tür ist zu“, erklärte Kaesbach gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt. Er sieht in dieser Frage vielmehr die Pharma- zeutische Industrie gefordert. Das Arz-

neimittelgesetz ermögliche es der Indu- strie auf vielfältige Weise, beschleunigt vorübergehende Zulassungen („fast track“) mit Auflagen für Arzneimittel zu erreichen. Auf dieser Basis bestünde dann Rechtssicherheit für Patienten, Ärzte, Industrie und Krankenkassen.

„Wir können doch nicht zulassen, dass das Arzneimittelgesetz durch die Off- label-Therapie ausgehebelt wird“, sag- te Kaesbach.

Die Teilnehmer des Bochumer Sym- posiums sehen andere Lösungsmöglich- keiten, um den Off-label-Gebrauch von Arzneimitteln in der GKV für Patien- ten, Ärzte und Kostenträger zu gewähr- leisten. Sie empfehlen in einem Kom- muniqué folgende Schritte:

Kurzfristigerscheine das Aussetzen der Regressforderungen die einzige Möglichkeit, einen Versorgungseng- pass, insbesondere bei Schwerstkranken und durch ihre Erkrankung vom Tode bedrohten Patienten, zu verhindern.

Mittelfristigsei die Einsetzung ei- nes durch Konsens mit genügenden Kompetenzen ausgestatteten Gremiums notwendig, das fortlaufend den aktuel- len Stand des medizinischen Wissens er- mittelt, welches unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes Grundla- ge für die Verordnungsfähigkeit zula- sten der GKV ist.

Langfristigmüsste eine Regelung des Off-label-Gebrauchs durch Geset- zesinitiativen angestrebt werden.

Initiativen zur Arzneimittel- sicherheit für Kinder

Eine Art Off-label-Therapie führen auch Pädiater und Eltern durch, die ihren Kindern Medikamente verabrei- chen. Denn hierbei werden zu etwa 80 Prozent Arzneimittel verordnet, die ausschließlich an Erwachsenen geprüft worden sind und deren Anwendung für Kinder häufig nur extrapoliert worden ist. Somit befinden sich auch Kinderärz- te in der oben beschriebenen „Haf- tungsfalle“.

Prof. Alfred Hildebrandt, Beauftrag- ter des Bundesministeriums für Ge- sundheit für europäische Zulassungssy- steme, Kinderarzneimittel sowie Arz- neimittel gegen seltene Krankheiten, beschrieb in Bochum das Dilemma der medikamentösen Therapie von Kindern.

„Kinder haben einen Anspruch darauf, mit Arzneimitteln versorgt zu werden, für die adäquate Daten für die Anwen- dung in der spezifischen Altersgruppe vorliegen. Andererseits sind für die ,Forschung an Einwilligungsunfähigen‘

aus guten Gründen ethische Hürden P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 51–52½½½½24. Dezember 2001 AA3415

Forschung „zulasten der GKV“ aus juristischer Sicht

Obwohl Therapieoptimierungsstudien mit Wissen der Krankenkassen bereits seit vielen Jahren durchgeführt werden, wird neuerdings die Verordnungsfähigkeit der darin angewendeten Arzneimittel bestritten. Dies wird damit begründet, dass Forschung zulasten der GKV unzulässig sei. Diese These trifft nach Auffassung verschiedener Juristen nicht zu und kann daher den Verordnungsausschluss nicht rechtfertigen. In Bochum berichtete Rechtsanwalt Claus Burghardt (Bonn):

1. § 27 SGB V gibt dem Patienten einen Anspruch auf eine hinreichende Krankenbehandlung. Das Ziel, ei- ne ausreichende Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen, wird aber auch dann verfolgt, wenn die Krankenbehandlung mit einem Erkenntnisgewinn einhergeht.

2. Für den stationären Bereich zeigen die §§ 137 c Abs. 1 Satz 2 SGB V, 17 Abs. 3 Nr. 2 KHG, dass auch for- schungsbedingte Kosten pflegesatzfähig sind, soweit diese nicht über die Kosten für den normalen Kran- kenhausbetrieb hinausgehen. Forschung und gesetzliches Leistungsrecht sind daher vereinbar.

3. § 65 SGB V, der die Zulässigkeit von Modellvorhaben von einer wissenschaftlichen Evaluierung abhän- gig macht, zeigt, dass Forschung und Leistung nicht unvereinbar gegenüberstehen.

4. Das noch nicht verabschiedete Datentransfergesetz soll der GKV Versorgungsforschung ermöglichen.

Um nichts anderes geht es auch häufig bei Therapieoptimierungsprüfungen.

5. Arzneimittelforschung vollzieht sich nicht nur in klinischen Studien i. S. d. §§ 40, 41 AMG, sondern auch im Rahmen von so genannten Anwendungsbeobachtungen (§ 67 Abs. 6 AMG), die sich im Hinblick auf die methodischen Anforderungen und die Anwendung findenden Erkenntnismittel nicht notwendig un- terscheiden. Die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln, die in Anwendungsbeobachtungen evaluiert werden, ist unstrittig.

6. § 135 a Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet alle Leistungserbringer zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von Ihnen erbrachten Leistungen; ferner soll der Vertragsarzt seine Patienten auf Grundlage evidenzbasierter Erkenntnisse behandeln. Die Umsetzung dieser Ziele bedingt zwangsläufig die Durchführung von Studien und Dokumentationsprojekten, mithin also von Therapieoptimierungs- prüfungen.

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aufgebaut worden. Da aber gleichzeitig Medikamente für Kinder eine Patien- tengruppe betreffen, die aufgrund ihres geringeren Erkrankungsrisikos kein at- traktives Marktsegment darstellt, sind pharmakologische Fortschritte für die- se Altersklasse nicht mehr uneinge- schränkt zugänglich.“

Beispielsweise waren 49 von 110 in der Europäischen Union im Januar 2000 zugelassene neue Arzneimittel sowohl für Erwachsene als auch für Kinder geeignet, aber nur 15 enthiel- ten Angaben zur Anwendung bei Kin- dern und Heranwachsenden. „Die Kluft zur Behandlung Erwachsener wird im- mer größer werden“, erklärte Hilde- brandt.

In den letzten Wochen sei jedoch Be- wegung in das Feld gekommen. So sei- en an einigen Koordinationszentren für Klinische Studien (KKS) so genannte pädiatrische Module angesiedelt wor- den. „Dies ist ein erster, aber kein aus- reichender Schritt, um dauerhaft und unabhängig an Universitäten auch sol- che Studien durchführen zu können, die nicht in unmittelbarem Interesse der In- dustrie liegen“, sagte Hildebrandt.

Temporäre Zulassung als Übergangslösung

Außerdem wurde am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine unabhängige Expertenkommissi- on „Arzneimittel für Kinder und Ju- gendliche“ eingerichtet. Die Aufgabe dieses Ausschusses ist es unter ande- rem, Standards für therapeutisch wich- tige Arzneimittel zu definieren, die als Empfehlungen für eine Zulassung von bekannten Arzneimitteln für Kinder übernommen werden können.

Im Sinne Übergangshilfe drängt die Bundesregierung nun auf eine tempo- räre Zulassung. „Die Frage nach mögli- chen Anreizen für die Industrie, falls – wie in den USA schon geregelt – eine In- dikationsstellung für die Kinderheilkun- de beantragt wird und erforderliche Nachweise und Unterlagen beigebracht werden, setzt eine Lösung in der Europäi- schen Gemeinschaft voraus“, so Hilde- brandt. Seit einem Jahr stehe auch die EU-Kommission in Brüssel unter Voll- zugszwang. Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

B

ei der aktuellen Diskussion um eine gesetzliche Verankerung von Patientenrechten in einer umfas- senden Charta sollte berücksichtigt werden, dass das komplexe Regelungs- system, als das sich das Berufsrecht der Freien Berufe darstellt, nicht durch unbedachte, einseitig wirkende Maß- nahmen infrage gestellt wird. An- gesichts der inzwischen erreichten Re- gelungsdichte müsse der Gesetzgeber seine Effektivitätskontrolle intensivie- ren, um eine Kumulation nicht ausrei- chend wirksamer Verhaltenspflichten oder gar widersprüchliche Systeman- sätze zu vermeiden. Auch hier gelte die alte Lebensweisheit, dass „weniger“

manchmal „mehr“ ist. So fasste Prof.

Dr. jur. Winfried Kluth, Lehrstuhl für Öffentliches Recht der Martin-Lu- ther-Universität Halle-Wittenberg, sei- ne Ausführungen zum Thema „Mög- lichkeiten und Grenzen des Verbrau- cherschutzes durch Berufsrecht“ zu- sammen.

Allerdings habe sich das so genannte paternalistische Leitbild, nach dem die Angehörigen der Freien Berufe die In- teressen ihrer Vertragspartner in der Regel nach Maßgabe ihres Berufsethos und ihrer fachlichen Qualifikation schützen, inzwischen überlebt. Diese treuhänderische Konzeption sei durch eine privatautonome Konzeption er- setzt worden. Dabei trete der Verbrau- cher oder Patient als autonomes Sub- jekt stärker in den Vordergrund; dessen Interessen würden nicht allein durch objektive Standards, „sondern gerade auch durch die Einbeziehung seiner Sicht der Dinge, seine Zustimmung nach Aufklärung und weitere damit verbundene informatorische und ver- fahrensmäßige Vorkehrungen berück- sichtigt“.

Unklar ist jedoch, ob und inwieweit das spezifische Arzt-Patienten-Verhält- nis es überhaupt zulässt, das Patienten-

recht im Rahmen des umfassenden Be- griffs „Verbraucherschutz“ zu diskutie- ren. Gibt es so etwas wie Konsumenten- souveränität bei einem Kranken, der Not leidet und Hilfe sucht? Der Arzt sei zu 90 Prozent kein Experte, der eine ge- nau zu definierende Leistung erbringt, sondern über lange Jahre hinweg der Begleiter eines Patienten, der etwa an Diabetes oder Hypertonie leidet und den Großteil der Leistung selbst erbrin- gen muss, gab Prof. Dr. med. Klaus- Dieter Kossow in der Diskussion zu be- denken.

Berufsrecht sichert Patientenrecht

Dass ärztliches Berufsrecht auch Pa- tientenrecht sichert, steht für Rechts- anwältin Ulrike Wollersheim, Justizia- rin von Bundesärztekammer und Kas- senärztlicher Bundesvereinigung, au- ßer Frage. Bereits in der Präambel zur ärztlichen Berufsordnung stehe das Handeln des Arztes in Bezug zum Patienten im Vordergrund. Die Be- rufsordnung diene dem Ziel, das Ver- trauen zwischen Arzt und Patient zu erhalten. Betrachte man die allgemei- nen Ziele des Verbraucherschutzes – Schutz der Gesundheit, Sicherheit des Produkts oder der Dienstlei- stung, Wahrung der wirtschaftlichen Interessen und angemessene Informa- tion des Verbrauchers –, so könne man fast die gesamte ärztliche Berufsord- nung diesen einzelnen Punkten zuord- nen.

Durchaus möglich erscheine es, im Rahmen der Berufsordnung auch die Rechte der Patienten zu definieren.

Anstelle eines „Patientengesetzes“ plä- dierte Wollersheim für die beratende Mitwirkung von Patientenvertretern bei der Fortentwicklung des Berufs-

rechts. Thomas Gerst

P O L I T I K

A

A3416 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 51–52½½½½24. Dezember 2001

Berufsrecht der Freien Berufe

Patientenrechte inbegriffen?

Mit den Möglichkeiten und Grenzen des Verbraucherschutzes

befasste sich eine Tagung der Ludwig Sievers Stiftung.

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