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Archiv "Zwei Jahre „Reformparagraph 218“ — was ist, was wird?: Schlußwort" (08.03.1979)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Zwei Jahre „Reformparagraph 218"

Des weiteren werden hinter vorge- schobenen weltanschaulichen Be- denken sehr oft unbewußte Impulse sexueller Zwangsreglementierun- gen transparent (... „wir haben uns früher auch zusammennehmen müssen, warum nicht auch die heutige Generation" . . . oder .. .

„wer den Genuß haben will, muß nun auch die Folgen dafür auf sich nehmen" ...).

Was erwarten wir denn eigentlich von einem Gesetz, das jahrelang durch die Mangel bundesrepublika- nischen Parteienstreites und deut- scher Prinzipienreiterei gezerrt wur- de? Natürlich hat es Schwächen und Lücken. Aber dennoch könnten wir damit besser leben als vorher, wenn alle Beteiligten guten Willens wären.

Wenn nun Herr Lau die Schwierig- keiten, die sich aus der Notlagenin- dikation ergeben, beklagt, so darf doch nicht verschwiegen werden, daß die Schwierigkeiten in erster Li- nie auf das bedauerliche Defizit an qualifizierten Beratern und Ärzten zurückzuführen sind, die eben das

„setting" einer Notlage auszuloten und damit eine fundierte Indikation zu stellen in der Lage sind. Die Ärz- teschaft hatte sich seinerzeit mit ih- rer Mehrheit ganz entschieden ge- gen die Fristenlösung gewehrt, ob- schon wir, eine kleine Minderheit, damals eindringlich darauf hinge- wiesen haben, daß mit der Ein- führung der Indikationenlösung zwangsläufig das der Notlage inne- wohnende kasuistische Definitions- problem auftauchen würde*), wes- halb wir damals von vielen Kollegen verleumdet und verfemt wurden. Si- cherlich gebührt Herrn Lau Respekt dafür, daß er die Fristenlösung nun- mehr als die ehrlichere Lösung hin- stellt. Doch für diesen Teil seines

„was wird" ... ist es nunmehr leider zu spät!

Wer hat denn in den langen Jahren vor der Reform des § 218 — und auch

*) Poettgen, H.: Vortrag auf der 154. Sitzung der Niederrhein-Westfälischen Gesellschaft für Gyn. u. Geburtshilfe im Dezember 1971, GEBFRA 32 (1972) S. 493-500; Poettgen, H.:

DA, 69. Jg., Heft 14, S. 830-843 (1972);

Poettgen, H.: DÄ, 71. Jg., Heft 1, S. 38-42 (1974)

nachher — die pragmatischen Belan- ge ins Auge gefaßt? Außer der Deut- schen Gesellschaft für Sexualbe- ratung und Familienplanung, dem Fortbildungs-Seminarkongreß für Psychosomatische Gynäkologie an der Universität Mainz und der Ärzte- kammer Nordrhein hat sich doch bis heute niemand im ärztlichen Raum um Ausbildungsmöglichkeiten in Schwangerschaftskonfliktberatung gekümmert. Und diese Form der Be- ratung ist nach übereinstimmender Ansicht aller Experten aus dem Be- reiche der psychologischen Bera- tungspraxis die schwierigste Form der Beratung, die es überhaupt gibt.

Zum Schluß noch ein Wort zu den Bangemachern: Wer die Juristen Hiller und Hiersche mit ihrem Artikel

„Die Verfassungswidrigkeit der Not- lage-Indikation" (DÄ, Heft 13/1978) zitiert, muß auch die fach- und sach- gerechte Analyse und Widerlegung dieser Arbeit („Unhaltbare Analyse"

von Prof. Dr. D. Krauß, DÄ, Heft 28/

1978, S. 1649) anführen, denn These und Antithese bleiben noch immer Grundlage korrekter wissenschaftli- cher Auseinandersetzung.

Es waren immerhin Juristen, die sei- nerzeit den Anstoß zur Novellierung des Gesetzes gaben, da sie erkannt hatten, daß dieses Gesetz hinter der Wirklichkeit untauglich einherhink- te. Schon von daher ist es doch un- sinnig, anzunehmen, daß der Ge- setzgeber im reformierten § 218 Fußangeln für die Ärzte ausgelegt habe. Die große Auseinanderset- zung mit der Jurisprudenz hat auf einem ganz anderen Gebiet zu erfol- gen, nämlich im Bereiche der ärztli- chen Aufklärungspflicht. Hier wird in der Tat das Arzt-Patienten-Verhält- nis unterminiert und geschädigt.

Dr. med. Herwig Poettgen Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie — Psychotherapie Mitglied der begleitenden Kommission zur Auswertung der Erfahrungen

mit dem reformierten § 218 beim BMJFG

Josef-Schregel-Straße 17 5160 Düren

Schlußwort

Im März 1976 hatte sich die Mittel- rheinische Gesellschaft für Geburts- hilfe und Gynäkologie ausführlich mit den klassischen (medizinischen) und den neuen Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch ausein- andergesetzt. Zwei Jahre später hat- te mich der Vorsitzende dieser Ge- sellschaft dringend um eine erste Bi- lanz gebeten. Diese wurde in einem Referat anläßlich der Jahrestagung im Mai 1978 gezogen. Ihm lagen die statistischen Daten der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche und In- formationen von kompetenter Seite zugrunde. Im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT wurde nur eine Kurzfassung meines Versuches abgedruckt, da der Redaktion der gesamte Text zu lang erschien. Der volle Wortlaut des Referates erschien unter dem Titel

„Die Abruptio — Praxis und Proble- me nach Inkrafttreten der Reform des § 218 StGB" in „Sexualmedizin"

7 718-733 (1978).

Neben den vorstehenden Leserzu- schriften habe ich persönliche Schreiben von Kollegen erhalten, die auf Polemik und Selbstdarstel- lung verzichteten. Sie interpretierten meinen Vorschlag zur weiteren Li- beralisierung des Gesetzes als man- gelhafte Achtung des Lebens und warfen mir mangelnde Qualifikation zur Leitung einer Klinik vor, weil ich nachgeordneten Ärzten Abruptiones durchzuführen gestatte, deren Indi- kation ich selbst nicht teile.

Tatsächlich bin ich der Meinung, daß dem vorgeburtlichen Leben gleiche Achtung, gleiches Recht und gleicher Schutz gebührt wie dem Leben nach dem Geborensein.

Ich bin persönlich nur dann zu einer Abruptio bereit, wenn die Existenz einer Frau durch eine Schwanger- schaft aus schwerwiegender somati- scher oder psychosozialer Causa bedroht ist oder eine kindliche Schädigung erwartet werden kann.

Der Vorschlag zur Streichung des Gesetzes resultiert aus der Unmög- lichkeit seiner echten Praxis, seiner trügerischen Anwendung und dem offensichtlichen Unvermögen so-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 10 vom 8. März 1979 659

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„Reformparagraph 218"

wohl demokratisch-liberaler als auch marxistisch-sozialistisch ver- faßter Gesellschaften unserer Zeit, mehr als ethische Minima gesetzlich zu verankern.

Eine Gesellschaft, die den Schwan- gerschaftsabbruch freigibt oder die De-facto-Freigabe in irgendeine ge- setzliche Regelung hüllt, sollte nicht Ärzten, die sich von Berufung und Beruf her dem Leben verpflichtet fühlen, mit der Aufgabe der Tötung vorgeburtlichen Lebens betrauen.

Insofern habe ich den Gesetzgeber aufgefordert, zur Entlastung unserer Kliniken von fachfremden Aufgaben spezielle Institutionen zum Schwan- gerschaftsabbruch einzurichten.

Es würde den Rahmen des Blattes sprengen, wenn ich auf die einzel- nen Punkte der Kollegen Artzt und Poettgen einginge. Ich bedanke mich jedoch für Pro und Kontra. Die Diskussion um das Gesetz wird in persönlichen und öffentlichen Be- reichen sicher fortgesetzt. Ich bin überzeugt, daß Novellierungen fol- gen, wenn auch seine Abschaffung verfassungsrechtlich (leider) nicht möglich ist.

Professor Dr. med. Hans Lau Direktor der Städtischen Frauenklinik

Grafenstraße 9, 6100 Darmstadt

ZITAT

Goodwill-Gesetz

„Das Kostendämpfungsge- setz mit der Konzertierten Aktion ist ein Goodwill-Ge- setz, das immer dann zer- bricht, wenn die Interessen der Vertragspartner zu hart gegeneinander stehen."

Hans-Wilhelm Müller, Ge- schäftsführer des Verbandes der Angestellten-Kranken- kassen und der Arbeiter-Er- satzkassen, Siegburg, vor der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Versi- cherungswissenschaft und -gestaltung e. V.

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Das vielschichtige Problem des aus- gewogenen Ärztenachwuchses hat zahlreiche Ursachen. Noch zahlrei- cher sind die Diskussionen darüber und die Vorschläge zur Abhilfe. Und doch wurde einer Seite des Pro- blems bisher auffallend wenig Auf- merksamkeit gewidmet, nämlich der Frage des zweckmäßigen ärztlichen Einsatzes: waren in Zeiten des Ärz- temangels auch alle Ärzte ihrer Aus- bildung entsprechend eingesetzt, und werden in Zeiten des Ärzteüber- schusses alle in ärztliche Kompe- tenz fallende Aufgaben auch tat- sächlich von Ärzten wahrge- nommen?

Eine Vielzahl von Ärzten beschäftigt die pharmazeutische Industrie. Nur Uneinsichtige könnten behaupten, daß sie hier zu Forschungszwecken nicht notwendig wären. Aber ist es erforderlich, sie als Arzneimittelwer- ber von Haus zu Haus zu schicken?

Als mittelloser Spätheimkehrer habe ich seinerzeit diesen „Job" des

„wissenschaftlichen Mitarbeiters"

ebenfalls vorübergehend ausgeübt, aber die wachsende Überzeugung, hier am falschen Platze zu sein, ließ mich ihn bald wieder aufgeben. Den Inhalt des „Waschzettels" hätte ich auch ohne Medizinstudium und Abi- tur aufsagen können, als Geschäfts- mann wahrscheinlich sogar noch besser! Im übrigen fühlte ich, daß meine Ausführungen schon deshalb nicht überzeugen konnten, weil sie damals nicht auf eigener Erfahrung beruhten.

Die zahlreichen Kollegen im öffentli- chen Dienst werden dort sicherlich zu vielen rein ärztlichen Aufgaben benötigt. Prophylaxe und Begutach- tung (id est Diagnostik lediglich zum Zwecke der Beurteilung) sind längst gleichwertige ärztliche Aufgaben neben Diagnostik und Therapie. In

den Ländern des Ostblocks werden sie sogar höher bewertet. Aber sind beispielsweise zum Verschlüsseln von Krankheiten, Ausfüllen von Zählblättern, Vergleichen von Dia- gnosen auf BBS und im Bescheid Ärzte erforderlich? Und wie steht es mit dem Gutachtenprüfungswesen?

Die Überprüfung von Außengutach- tern ist schon aus technischen Gründen gerechtfertigt, aber muß- ten auch jahrzehntelang die Gutach- ten amts- bzw. dienststelleneigener Ärzte abgeprüft werden? So etwas war sinnvoll, solange der Gutachter jung und unerfahren und der leiten- de Arzt alt und erfahren war; es ver- lor seinen Sinn in dem Augenblick, da sich dieses Verhältnis ausglich oder gar umkehrte, und es wurde sogar widersinnig, als leitende Ärzte auftraten, die bisher selbstvon ihren Gutachtern abgeprüft worden wa- ren. Ebenso widersinnig war es, All- gemeinärzte (amtseigene) Fachärzte abprüfen zu lassen oder Fachärzte die Gutachten anderer Fachgebiete.

Und es bedeutete einen kaum mehr zu überbietenden Verschleiß an rar gewordener ärztlicher Arbeitskraft, wenn Kurgutachten selbst amtseige- ner Ärzte des Placet nicht nur eines, sondern sogar zweier weiterer Kolle- gen bedurften, die selbst noch kaum Kurgutachten produziert hatten.

In der Zukunft:

Mehr ärztliche Aufgaben?

Und nun zur zweiten Frage: wurden in Zeiten des Ärzteüberschusses alle ärztlichen Aufgaben auch tatsäch- lich von Ärzten wahrgenommen oder ließen sich hier nicht in Zukunft viele Arbeitsplätze für Ärzte freima- chen bzw. neuschaffen?

Wesentlichste Aufgabe des Arztes ist Sorge und Vorsorge für die Ge- FORUM

Mißbrauch und Aufgaben des Arztes

Fritz Dorner

660 Heft 10 vom 8. März 1979 DEUTSCHES ARZ IEBL ATT

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